3.

Riesen wohnten aller Orten in der Oberpfalz, und häufig sieht man noch die Spuren ihrer riesigen Thätigkeit, ihrer Kraft. Ihre Wohnstätten, alte Burgen, nun meist in Trümmern, trifft man vorzüglich längs des Böhmerwaldes von Bärnau an bis hinunter zur Donau, dann westlich hin am Fichtelgebirge und von dessen Ausläufern hinab über Velburg zur Laaber, aber auch im Innern des Landes, wie um Amberg. Das Volk beharrt fest auf seiner Meynung, daß Riesen im Lande gehaust hätten. Auffallend ist, daß die Sage von den Riesen vorzugsweise in den gebirgigen Strichen geht, und gerade da, wo die Zwerge noch vor Kurzem wohnten. – Die Riesen um Frauenstein sollen vorzüglich von Raub gelebt haben: diese hatten überdieß die Sitte, sich grosse starke Knechte gegen ein Stück Land und ein hölzernes Häuschen mit plattem Schindeldache, wie sie dort jetzt noch üblich, in Dienst zu nehmen.

[264] In der Nähe von Wingmais hielt sich vor Zeiten ein Riese auf. Der hat den Bodenwöhrer-Weiher ausgegraben. Der Schubkarren, der ihm hiebey diente, war so groß wie ein Bauernwagen.

Ausserhalb Oberviechtach ist die Egidienkirche, aus Quadern gebaut; sie heißt noch der Hof und ist ein Riesenbau. Auch der nun weggebrochene Pfarrhof war ein ungewöhnlich starker Bau. Die ungeheuren Quader des Kirchleins erregen die Verwunderung der Fremden. Riesenweiber waren es, welche sie zum Baue in ihren Schürzen herbeytrugen.

In Aschach bey Amberg haben sich zwey Riesen einen hohen runden Thurm gebaut, Riesenthurm genannt; sie wurden sehr alt und liegen in den Riesengräbern begraben.

Um Treffelstein haben sonst die Riesen auf den Bergen gewohnt, und die Menschen mit den Worten auf den Zeigefinger gestellt: »Ach die kleinen Erdwürmer, wie müssen sie sich plagen, um ihr Maul fortzubringen!« Es war dieses eine Riesin, welche in keinem Hause Platz hatte, sondern in einer Höhle wohnte, am sogenannten Kirchengarten, wo ehedem eine Kirche stand. Die Höhle ist aussen groß genug, um hineinzuschliefen, und wirft man Steine hinein, so rollen sie mit grossem Gehalle lange dahin.

Als die Kirche zu Fronau gebaut wurde, trug ein Riese die Steine, viele Zentner schwer, auf der blossen Hand herbey, und als der Bau vollendet war, gedachten die Riesen eine zweyte Kirche zu bauen, waren aber [265] unschlüssig über die Wahl des Platzes. Da that der Kräftigste von ihnen seine Stockhaue, Pickel und Schaufel zusammen und warf sie gen Aufgang der Sonne mit solcher Gewalt, daß die Werkzeuge eine gute halbe Stunde weit flogen. An der Stelle, wo sie zur Erde fielen, bauten sie eine zweyte Kirche, siedelten sich um dieselbe an und gründeten so das heutige Dorf Friedensried; daher stammen die Riesenknochen, die man in jener Gegend so häufig findet.

In dem uralten, nach der Sage noch aus der Römerzeit stammenden und gleich einem Kastelle gebauten Beinhaufe zu Perschen bey Naabburg werden ebenfalls Riesenknochen aufbewahrt.

Auch im Schlosse am Haus haben Riesen gewohnt. Dort ist ein Brunnen, zehn Fuß in der Weite, den mußten ihnen die Menschen mitbauen helfen. Da traf es sich öfter, daß diese in ihrer Ungeschicklichkeit Steine hinabfallen liessen, worauf die Riesen nur ein Gschi, gschi! hinaufriefen, vermeynend, es wären scharrende Hennen.

Als die Kirchhöfe zu Winklarn und Tiefenbach vor die Ortschaft hinausverlegt wurden, stieß man auf Riesenleiber. Nach der Mittheilung eines Augenzeugen war an einem solchen das Schienbein eine volle Spanne länger, als bey einem gewöhnlichen Manne, der Schädel viel grösser als beym heutigen Schlage, keine Kugel, sondern ein plattgedrücktes Viereck, mehr lang als breit, bildend, die Stirne vorhängend, die Nasenwurzel eingedrückt, die Zähne sehr breit und weiß, oben etwas [266] schief vorstehend, die unteren nach Innen sehr abgenützt, so daß das Kinn bedeutend hervortreten mußte.

Nach der Sage aus Waldmünchen guckte einst ein Riesenfräulein zum Fenster hinaus und sah unten im Thale ein kleines Ding ackern. Sie rief ihren Vater und frug ihn, was dieses sey? Der aber sagte: »Das sind unsere Nachfolger, die werden uns vertreiben.« »Nein, die will ich vertreiben,« rief die Riesenjungfrau voll Zorn, ging hinaus, faßte den Bauer mit seinem Gespanne und erdrückte Alles in ihrer Schürze.

Aehnliches geht von dem Hohenbogen, wo auch Riesen gewohnt haben. Die Riesin brachte in der Schürze ihrem Manne den Bauer mit dem Gespanne und die Bäuerin, voll Freude, so schöne Käferchen gefangen zu haben, mußte sie aber sogleich wieder auf den Acker zurücktragen.

Der rauhe Kulm in der Oberpfalz ist ein vollkommener Kegel, aus Basalt und Sandstein, etwa 1800 Fuß hoch, unten mit üppigem Walde bewachsen, auf dem kahlen Scheitel von den Trümmern einer im Schwedenkriege zerstörten Burg gekrönt. Oestlich davon erhebt sich ein kleinerer, zur Weide benützter Basaltberg, der Kühkübel genannt, und südlich noch ein kleiner Kegel, der kleine Kulm genannt.

Ursprünglich war der rauhe Kulm von einemRiesengeschlechte bewohnt. An einem schönen Abende ging nun ein Riesenfräulein den Berg hinunter, um sich die Gegend zu beschauen, und fand auf der Fläche [267] einen Bauer mit seinen Ochsen pflügen. Sie hatte noch nie Menschen gesehen, und war also freudig erstaunt, so kleine Dinger zu finden, welche sich immer bewegten, ohne gerade viel vom Platze zu kommen. Während sie so ihre Neugier befriedigte, brach die Nacht herein: sie sollte zum Vater heim. Ohne viel Besinnen raffte sie ein gut Stück des Ackerlandes in ihre Schürze, legte ganz sachte das vom leisen Fingerdrucke schon ohnmächtige Bäuerlein mit Gespann und Pflug darauf und eilte, ihr neues Spielzeug auf die Burg zu bringen und dem Vater zu zeigen. In der Eile aber löste sich des Schurzes Band, die Last mochte doch etwas zu groß seyn, und Erde, Bauer, Pflug und Ochsen fielen zu Boden. Die Erde ließ nun das Riesenkind liegen und sie liegt noch heute da, wo sie der Schürze entfiel; es ist der Kühkübel. Bauer, Ochsen und Pflug aber nahm sie wieder auf, trug sie hinauf und stellte sie dem Vater auf den Tisch. Doch dieser belehrte sein Kind in ernsten Worten, wie der Bauer auch Mensch sey gleich ihnen, nur kleiner, und wie diese Menschenkinder das Feld bebauten und Nahrung schafften, ohne welche sie auf der Riesenburg bey all ihrer Grösse und Stärke verhungern müßten. Zugleich ertheilte er dem betroffenen Kinde den Auftrag, den Bauer und seine Thiere gleichwohl für diese Nacht zu beherbergen und gastlich zu verpflegen, des folgenden Tages aber unfehlbar an den nämlichen Ort zurückzutragen, wo sie ihn genommen.

Etliche Stunden östlich von Bärnau in Böhmen,[268] haben die Riesen ein Schloß gebaut, Frauenberg genannt. Es waren ihrer zwölf Paare, und die Weiber trugen die Steine in ihren Schürzen auf den Berg. Als es vollendet war, feyerten sie in der Hütte, welche sie seither bewohnten, das letzte Fest. Einer der Riesen aber war so klug und reichte den Anderen im Weine einen Schlaftrunk und zündete die Hütte an, und verbrannte diese mit sammt den eilf Riesen und ihren Weibern. So war das Schloß ihm und seinem Weibe. Dieser Riesenstamm hat sich lange gehalten. Sie trieben dabey das Handwerk des Raubens und plünderten die Kaufleute, welche auf der Heerstrasse von Hamburg über Nürnberg nach Böhmen hineinzogen. Denn die Strasse ging unweit der Burg. Jetzt ist sie Wald, wie denn Böhmen nach Aussage des Holzfräuleins schon neunmal Wald und eben so oft Feld und Wiese gewesen ist.

Der letzte Riese aber hat die Tochter eines Fürsten geraubt und den Kriegsleuten – im Schwedenkriege etwa – die Lebensmittel weggenommen. So ging er und seine Burg im Sturme unter.

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