§. 3. Gevatter Tod.
Ein Schneider hatte für sein neuntes Kind keinen Gevatter, Brod war auch nicht im Hause, so dachte er: »Ich gehe und hänge mich.« Drauf nimmt er einen Strick und geht in den Wald. Da begegnet ihm ein[12] langer schwarzer Mann, der frägt ihn, wohin des Weges? Gerne eröffnete ihm der Schneider sein Leid, und der Fremde tröstete ihn und sagte: »Häng dich nicht; geh' lieber heim; wenn du keinen Gevatter bekommst, will ich es seyn.« Der Schneider geht und richtig kommt der Gevatter, und das Kind wird getauft. Nach der Taufe sagt der Gevattermann: »Der Gevatter wird jetzt aufschauen; ich habe nichts; wißt, ich bin der Tod. Aber lernen will ich Euch etwas, damit Ihr glücklich seyd! Wißt, wenn ich bey einem Kranken zu Füssen stehe, so kommt er wieder auf die Füsse: stehe ich aber ihm zu Kopfen, so muß er sterben. Kauft also Rosoli und nehmt ihn als Arzney mit Euch, wenn Ihr zu einem Kranken geht; stehe ich ihm zu Füssen, so gebt ihm von Euerer Arzney und man wird glauben, Ihr habt ihn gesund gemacht.«
Nicht lange, so wird ein reicher Bauer krank. Der Schneider geht hin und schaut sich um, wo sein Gevatter steht, und gibt ihm aus seinem Gläschen und der Bauer wird gesund. Dafür bekam der Schneider als Lohn einen Laib Brod und Mehl auch. – Dieses geschah nun öfter und der Schneider kam in Ruf, daß er so gescheid wäre, und brachte sich reichlich fort. – Nun wird er auch zu einem Grafen geholt, der auf den Tod krank lag und sieht den Gevatter zu Haupten stehen, und sagt, daß er nicht helfen könne. Da sie ihm aber einen tüchtigen Stumpf Geld auf den Tisch legten, besann er sich und ließ die Bettstatt umkehren, und weil der Tod von seinem Platze nicht [13] weggegangen ist, wird der Graf gesund und der Schneider reich.
Nun geht der Schneider in's Holz. Plötzlich steht der Tod vor ihm: er hatte seiner gewartet. Grüß Gott, Gevatter, redete der Schneider ihn an, warum kommen wir denn allemal im Walde zusammen? Ihr habt mir was Schönes angethan, sagt drauf der Gevatter, geht jetzt mit mir, ich will Euch meine unterirdische Wohnung zeigen.
Da gingen sie weit und weit, und kamen hin. Alles war dort voll Lichter, eines begann zu brennen, das andere brannte schon eine Weile, ein drittes wollte auslöschen. Fragt der Schneider, was das wäre? War die Antwort: »Das bedeutet das menschliche Leben: jedem Menschen ist hier ein Licht angezündet.« Wo ist das meine? fragt schnell der Schneider. Der Gevatter zeigte ihm sein Licht; es war am Erlöschen. Laßt mich leben, Gevatter, bat nun der Schneider, seht, ich bin jetzt reich und hab gut seyn, erlaubt mir ein anderes anzuzünden. Ungerne ließ sich der Tod erbitten. Der Schneider zündelte aber nur so herum, weil ihm die Hand aus Angst zitterte, und das Licht löschte ihm ab. So mußte er bei dem Tode bleiben. O. Bernried.
Doch wird an anderen Orten dasselbe Märchen mit einem anderen Anfange erzählt. Ein armer Mann konnte für sein Kindlein im Orte keinen Gevatter bekommen und ging nun hinaus auf die Strasse, den nächsten Beßten um den Liebesdienst zu ersuchen. Der Erste, welcher des Weges kam, war ein einfacher freundlicher [14] Mann, Unser Herrgott: den mochte er aber nicht bitten, weil er dem Einen nehme, was er dem Anderen gebe, und es Niemandem recht mache. Der Zweyte war ein stattlicher Mann, ein grüner, mit fuchsbrennrothem Bart und der Feder auf dem Hute, gleich einem Förster, der Teufel: auch von diesem wollte er nichts wissen: vom Teufel hatte er noch nie etwas Gescheides gehört. Als den Dritten traf er am Wege einen klapperdürren Mann sitzen, der hatte eine Sengst und mähte immer über den Weg hin, den Leuten, welche da gingen, unter die Füsse. Es war der Tod, und der gefiel dem Bauer, weil er Jedem sein Recht anthut, und für Alle, Alt und Jung, Reich und Arm, gleiches Maß hat, und er begrüßte ihn um den Dienst. Ebnat. – Wenn es hier von Unserem Herrgott heißt, daß er dem Einen gebe, was er dem Anderen nehme, so gilt dieser Satz auch vom Teufel. Diese Anschauung ist heidnisch, und auf Odin zu beziehen, von welchem Gleiches gemeldet wird.