§. 2. Der Weg zum Himmel.
Ein einfältiger Bauer hatte in der Predigt vernommen, wie der Weg in den Himmel ein gerader sey. Da macht er sich auf, und geht fort über Berg und Thal, durch Wald und Wasser, immer geraden Weges, und wo es nicht anders anging, stieg er auch über die Häuser hinweg. So gelangt er vor eine schöne Kirche: und als er frug, wie sie heisse, und ihm zur Antwort wurde: »Himmelreich« – trat er ein, vermeynend, es[289] sey hier der Himmel, und legte sich hin in eine Ecke, um für immer da zu bleiben. Die Mönche des nahen Klosters wollten ihn zwar forthaben, aber die fromme Einfalt siegte. Sie reichten ihm sogar jeden Tag etwas Nahrung, da er alle seine Zeit mit Gebet hinbrachte. Es war ein hoher Festtag, da erhielt er bessere Speisen: erfreut darüber blickt er auf und schaut an der Wand den Heiland am Kreuze. Sogleich bittet er U.L. Herrn, herabzusteigen und bey ihm zu Gaste zu seyn; und der reine Sinn fand seinen Lohn: denn der Heiland stieg vom Kreuze hernieder und setzte sich zu ihm hin, und theilte sein Mahl, und als sie gegessen hatten, lud ihn der Herr zu sich ins Himmelreich. Der Arme aber lehnte es ab, denn er war ja schon im Himmel, bis er des Besseren belehrt wurde. Da meldete er den Vorgang dem Klosteroberen, der seinerseits nun bat, auch ihn mitzunehmen, wenn Unser Herr komme, ihn zu holen. Nun lud der Fromme den Heiland wieder zu Gaste und trug ihm seine Bitte für den Oberen vor und ward erhört. Und als der nächste Sonntag kam, und Beyde während der heil. Messe vor dem Altare knieten, sanken sie um, und zwey weisse Tauben flogen zum Himmel auf. Neuenhammer.