3.

Das Verhältniß, in welchem Sonne und Mond im germanischen Altertum zu einander stehen, ist ein dunkles; noch fehlen feste Anhaltspunkte hierüber und was die Edda bietet, reicht nicht zu, ist selbst nur Bruchstück, unklar aufgefaßt und dargestellt. In der oberpfälzischen Sage sind sie Mann und Frau, ehelich verbunden, zur Zeit aber getrennt in freywilliger Scheidung und doch in Liebe einander zugethan. Sie erklärt, warum der Mond kalt und bleich, die Sonne heiß und roth scheint, wie Abendroth und Sternschnuppen hervorgehen, [72] Sonne und Mond verfinstert werden. Ausdrücklich ist gemeldet, daß der Mond der Sonne folge, um sich wieder mit ihr zu vereinigen. Aber da Beyde zudem die eheliche Treue gebrochen, trifft sie die Strafe, daß sie nicht mehr in das frühere Verhältniß zurücktreten können und an die Vereinigung der Untergang der bestehenden Ordnung geknüpft ist.

Es war also einmal eine Zeit, wo die Weltordnung eine andere war und der Mond hatte durch Bestehen der ihm auferlegten Prüfung ihren Bestand zu sichern; aber aus der Scheidung, dem Treubruche der beyden Gestirne, ging die jetzige Ordnung hervor; die Nemesis waltet selbst über die Götter. Die Gegenwart hat also ihre Berechtigung nur in so lange, als der höhere Entscheid in Kraft bleibt, und im Zwiespalte wird die Welt erhalten, in der Trennung zweyer Mächte, die vereint seyn sollten. Der Mond trägt die Hauptschuld, daß nicht ewiger Tag, ewiger Friede auf Erden herrscht: darum trifft ihn auch die grössere Strafe: denn während beyde der allgemeinen Verfinsterung unterliegen, hat der Mond auch an dem monatlichen Wechsel zu leiden. Damit geräth er in untergeordnete Stellung zur Sonne und Beyder Verhältniß ist auch in dieser Beziehung gestört.

Seitenstück zu dieser Auffassung ist das altpreussische Märchen bey Temme, Seite 28, wonach die Sonne mit dem Monde verheiratet war und dieser die eheliche Treue durch Entführung einer Verlobten gebrochen hat.

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