Achter Auftritt
Die Prinzessin und bald nachher Don Carlos.
Prinzessin hat sich in eine Ottomane geworfen und spielt.
CARLOS
stürzt herein.
Er erkennt die Prinzessin und steht da, wie vom Donner gerührt.
Gott!
Wo bin ich?
PRINZESSIN
läßt die Laute fallen.
Ihm entgegen.
Ah, Prinz Carlos? Ja wahrhaftig!
CARLOS.
Wo bin ich? Rasender Betrug – ich habe
Das rechte Kabinett verfehlt.
PRINZESSIN.
Wie gut
Versteht es Karl, die Zimmer sich zu merken,
Wo Damen ohne Zeugen sind.
CARLOS.
Prinzessin
Verzeihen Sie, Prinzessin – ich – ich fand
Den Vorsaal offen.
PRINZESSIN.
Kann das möglich sein?
Mich deucht ja doch, daß ich ihn selbst verschloß.
CARLOS.
Das deucht Sie nur, das deucht Sie – doch versichert!
Sie irren sich. Verschließen wollen, ja,
Das geb ich zu, das glaub ich – doch verschlossen?
Verschlossen nicht, wahrhaftig nicht! Ich höre
Auf einer – Laute jemand spielen – wars
Nicht eine Laute?
Indem er sich zweifelhaft umsieht.
Recht! dort liegt sie noch –
[64] Und Laute – das weiß Gott im Himmel! – Laute,
Die lieb ich bis zur Raserei. Ich bin
Ganz Ohr, ich weiß nichts von mir selber, stürze
Ins Kabinett, der süßen Künstlerin,
Die mich so himmlisch rührte, mich so mächtig
Bezauberte, ins schöne Aug zu sehen.
PRINZESSIN.
Ein liebenswürdger Vorwitz, den Sie doch
Sehr bald gestillt, wie ich beweisen könnte.
Nach einigem Stillschweigen mit Bedeutung.
O, schätzen muß ich den bescheidnen Mann,
Der, einem Weib Beschämung zu ersparen,
In solchen Lügen sich verstrickt.
CARLOS
treuherzig.
Prinzessin,
Ich fühle selber, daß ich nur verschlimmre,
Wo ich verbessern will. Erlassen Sie
Mir eine Rolle, die ich durchzuführen
So ganz und gar verdorben bin. Sie suchten
Auf diesem Zimmer Zuflucht vor der Welt.
Hier wollten Sie, von Menschen unbehorcht,
Den stillen Wünschen Ihres Herzens leben.
Ich, Sohn des Unglücks, zeige mich; sogleich
Ist dieser schöne Traum gestört. – Dafür
Soll mich die schleunigste Entfernung –
Er will gehen.
PRINZESSIN
überrascht und betroffen, doch sogleich wieder gefaßt.
Prinz –
O, das war boshaft.
CARLOS.
Fürstin – ich verstehe,
Was dieser Blick in diesem Kabinett
Bedeuten soll, und diese tugendhafte
Verlegenheit verehr ich. Weh dem Manne,
Den weibliches Erröten mutig macht!
Ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern.
PRINZESSIN.
Ists möglich? – Ein Gewissen ohne Beispiel
Für einen jungen Mann und Königssohn!
Ja, Prinz – jetzt vollends müssen Sie mir bleiben,
[65] Jetzt bitt ich selbst darum: bei so viel Tugend
Erholt sich jedes Mädchens Angst. Doch wissen Sie,
Daß Ihre plötzliche Erscheinung mich
Bei meiner liebsten Arie erschreckte?
Sie führt ihn zum Sofa und nimmt ihre Laute wieder.
Die Arie, Prinz Carlos, werd ich wohl
Noch einmal spielen müssen; Ihre Strafe
Soll sein, mir zuzuhören.
CARLOS
Er setzt sich, nicht ganz ohne Zwang, neben die Fürstin.
Eine Strafe,
So wünschenswert als mein Vergehn – und, wahrlich!
Der Inhalt war mir so willkommen, war
So göttlich schön, daß ich zum – drittenmal
Sie hören könnte.
PRINZESSIN.
Was? Sie haben alles
Gehört? Das ist abscheulich, Prinz. – Es war,
Ich glaube gar, die Rede von der Liebe?
CARLOS.
Und, irr ich nicht, von einer glücklichen –
Der schönste Text in diesem schönen Munde;
Doch freilich nicht so wahr gesagt als schön.
PRINZESSIN.
Nicht? nicht so wahr? – Und also zweifeln Sie? –
CARLOS
ernsthaft.
Ich zweifle fast, ob Carlos und die Fürstin
Von Eboli sich je verstehen können,
Wenn Liebe abgehandelt wird.
Die Prinzessin stutzt; er bemerkt es und fährt mit einer leichten Galanterie fort.
Denn wer,
Wer wird es diesen Rosenwangen glauben,
Daß Leidenschaft in dieser Brust gewühlt?
Läuft eine Fürstin Eboli Gefahr,
Umsonst und unerhört zu seufzen? Liebe
Kennt der allein, der ohne Hoffnung liebt.
PRINZESSIN
mit ihrer ganzen vorigen Munterkeit.
O, still! Das klingt ja fürchterlich. – Und freilich
Scheint dieses Schicksal Sie vor allen andern,
Und vollends heute – heute zu verfolgen.
Ihn bei der Hand fassend, mit einschmeichelndem Interesse.
[66] Sie sind nicht fröhlich, guter Prinz. – Sie leiden –
Bei Gott, Sie leiden ja wohl gar. Ists möglich?
Und warum leiden, Prinz? bei diesem lauten
Berufe zum Genuß der Welt, bei allen
Geschenken der verschwendrischen Natur
Und allem Anspruch auf des Lebens Freuden?
Sie – eines großen Königs Sohn, und mehr,
Weit mehr als das, schon in der Fürstenwiege
Mit Gaben ausgestattet, die sogar
Auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln?
Sie – der im ganzen strengen Rat der Weiber
Bestochne Richter sitzen hat, der Weiber,
Die über Männerwelt und Männerruhm
Ausschließend ohne Widerspruch entscheiden?
Der, wo er nur bemerkte, schon erobert,
Entzündet, wo er kalt geblieben, wo
Er glühen will, mit Paradiesen spielen
Und Götterglück verschenken muß – der Mann,
Den die Natur zum Glück von Tausenden
Und wenigen mit gleichen Gaben schmückte,
Er selber sollte elend sein? – O Himmel!
Der du ihm alles, alles gabst, warum,
Warum denn nur die Augen ihm versagen,
Womit er seine Siege sieht?
CARLOS
der die ganze Zeit in die tiefste Zerstreuung versunken war, wird durch das Stillschweigen der Prinzessin plötzlich zu sich selbst gebracht und fährt in die Höhe.
Vortrefflich!
Ganz unvergleichlich, Fürstin! Singen Sie
Mir diese Stelle doch noch einmal.
PRINZESSIN
sieht ihn erstaunt an.
Carlos,
Wo waren Sie indessen?
CARLOS
springt auf.
Ja, bei Gott!
Sie mahnen mich zur rechten Zeit. – Ich muß,
Muß fort – muß eilends fort.
PRINZESSIN
hält ihn zurück.
Wohin?
CARLOS
in schrecklicher Beängstigung.
Hinunter
[67] Ins Freie. – Lassen Sie mich los – Prinzessin,
Mir wird, als rauchte hinter mir die Welt
In Flammen auf –
PRINZESSIN
hält ihn mit Gewalt zurück.
Was haben Sie? Woher
Dies fremde, unnatürliche Betragen?
Carlos bleibt stehen und wird nachdenkend. Sie ergreift diesen Augenblick, ihn zu sich auf den Sofa zu ziehen.
Sie brauchen Ruhe, lieber Karl – Ihr Blut
Ist jetzt in Aufruhr – setzen Sie sich zu mir –
Weg mit den schwarzen Fieberphantasien!
Wenn Sie sich selber offenherzig fragen,
Weiß dieser Kopf, was dieses Herz beschwert?
Und wenn ers nun auch wüßte – sollte denn
Von allen Rittern dieses Hofs nicht einer,
Von allen Damen keine – Sie zu heilen,
Sie zu verstehen, wollt ich sagen – keine
Von allen würdig sein?
CARLOS
flüchtig, gedankenlos.
Vielleicht die Fürstin
Von Eboli?
PRINZESSIN
freudig rasch.
Wahrhaftig?
CARLOS.
Geben Sie
Mir eine Bittschrift – ein Empfehlungsschreiben
An meinen Vater. Geben Sie! Man spricht,
Sie gelten viel.
PRINZESSIN.
Wer spricht das? (Ha, so war es
Der Argwohn, der dich stumm gemacht!)
CARLOS.
Wahrscheinlich
Ist die Geschichte schon herum. Ich habe
Den schnellen Einfall, nach Brabant zu gehn,
Um – bloß um meine Sporen zu verdienen.
Das will mein Vater nicht. – Der gute Vater
Besorgt, wenn ich Armeen kommandierte –
Mein Singen könnte drunter leiden.
[68]PRINZESSIN.
Carlos!
Sie spielen falsch. Gestehen Sie, Sie wollen
In dieser Schlangenwindung mir entgehn.
Hieher gesehen, Heuchler! Aug in Auge!
Wer nur von Rittertaten träumt – wird der,
Gestehen Sie – wird der auch wohl so tief
Herab sich lassen, Bänder, die den Damen
Entfallen sind, begierig wegzustehlen
Und – Sie verzeihn –
Indem sie mit einer leichten Fingerbewegung seine Hemdkrause wegschnellt und eine Bandschleife, die da verborgen war, wegnimmt.
so kostbar zu verwahren?
CARLOS
mit Befremdung zurücktretend.
Prinzessin! – Nein, das geht zu weit. – Ich bin
Verraten. Sie betrügt man nicht. – Sie sind
Mit Geistern, mit Dämonen einverstanden.
PRINZESSIN.
Darüber scheinen Sie erstaunt? Darüber?
Was soll die Wette gelten, Prinz, ich rufe
Geschichten in Ihr Herz zurück, Geschichten –
Versuchen Sie es, fragen Sie mich aus.
Wenn selbst der Laune Gaukelein, ein Laut,
Verstümmelt in die Luft gehaucht, ein Lächeln,
Von schnellem Ernste wieder ausgelöscht,
Wenn selber schon Erscheinungen, Gebärden,
Wo Ihre Seele ferne war, mir nicht
Entgangen sind, urteilen Sie, ob ich
Verstand, wo Sie verstanden werden wollten?
CARLOS.
Nun, das ist wahrlich viel gewagt. – Die Wette
Soll gelten, Fürstin. Sie versprechen mir
Entdeckungen in meinem eignen Herzen,
Um die ich selber nie gewußt.
PRINZESSIN
etwas empfindlich und ernsthaft.
Nie, Prinz?
Besinnen Sie sich besser. Sehn Sie um sich. –
Dies Kabinett ist keines von den Zimmern
Der Königin, wo man das bißchen Maske
Noch allenfalls zu loben fand. – Sie stutzen?
[69] Sie werden plötzlich lauter Glut? – O freilich,
Wer sollte wohl so scharfklug, so vermessen,
So müßig sein, den Carlos zu belauschen,
Wenn Carlos unbelauscht sich glaubt? – Wer sahs,
Wie er beim letzten Hofball seine Dame,
Die Königin, im Tanze stehenließ
Und mit Gewalt ins nächste Paar sich drängte,
Statt seiner königlichen Tänzerin
Der Fürstin Eboli die Hand zu reichen?
Ein Irrtum, Prinz, den der Monarch sogar,
Der eben jetzt erschienen war, bemerkte!
CARLOS
mit ironischem Lächeln.
Auch sogar der? Ja freilich, gute Fürstin,
Für den besonders war das nicht.
PRINZESSIN.
So wenig
Als jener Auftritt in der Schloßkapelle,
Worauf sich wohl Prinz Carlos selbst nicht mehr
Besinnen wird. Sie lagen zu den Füßen
Der heilgen Jungfrau in Gebet ergossen,
Als plötzlich – konnten Sie dafür? – die Kleider
Gewisser Damen hinter Ihnen rauschten.
Da fing Don Philipps heldenmütger Sohn,
Gleich einem Ketzer vor dem heilgen Amte,
Zu zittern an; auf seinen bleichen Lippen
Starb das vergiftete Gebet – im Taumel
Der Leidenschaft – es war ein Possenspiel
Zum Rühren, Prinz – ergreifen Sie die Hand,
Der Mutter Gottes heilge, kalte Hand,
Und Feuerküsse regnen auf den Marmor.
CARLOS.
Sie tun mir unrecht, Fürstin. Das war Andacht.
PRINZESSIN.
Ja, dann ists etwas andres, Prinz – dann freilich
Wars damals auch nur Furcht vor dem Verluste,
Als Carlos mit der Königin und mir
Beim Spielen saß und mit bewunderswerter
Geschicklichkeit mir diesen Handschuh stahl –
Carlos springt bestürzt auf.
[70] Den er zwar gleich nachher so artig war
Statt einer Karte wieder auszuspielen.
CARLOS.
O Gott – Gott – Gott! Was hab ich da gemacht?
PRINZESSIN.
Nichts, was Sie widerrufen werden, hoff ich.
Wie froh erschrak ich, als mir unvermutet
Ein Briefchen in die Finger kam, das Sie
In diesen Handschuh zu verstecken wußten.
Es war die rührendste Romanze, Prinz,
Die –
CARLOS
ihr rasch ins Wort fallend.
Poesie! – Nichts weiter. – Mein Gehirn
Treibt öfters wunderbare Blasen auf,
Die schnell, wie sie entstanden sind, zerspringen.
Das war es alles. Schweigen wir davon.
PRINZESSIN
vor Erstaunen von ihm weggehend und ihn eine Zeitlang aus der Entfernung beobachtend.
Ich bin erschöpft – all meine Proben gleiten
Von diesem schlangenglatten Sonderling.
Sie schweigt einige Augenblicke.
Doch wie? – Wärs ungeheurer Männerstolz,
Der nur, sich desto süßer zu ergetzen,
Die Blödigkeit als Larve brauchte? – Ja?
Sie nähert sich dem Prinzen wieder und betrachtet ihn zweifelhaft.
Belehren Sie mich endlich, Prinz – Ich stehe
Vor einem zauberisch verschloßnen Schrank,
Wo alle meine Schlüssel mich betrügen.
CARLOS.
Wie ich vor Ihnen.
PRINZESSIN
sie verläßt ihn schnell, geht einigemal stillschweigend im Kabinett auf und nieder und scheint über etwas Wichtiges nachzudenken.
Endlich nach einer großen Pause ernsthaft und feierlich.
Endlich sei es denn –
Ich muß einmal zu reden mich entschließen.
Zu meinem Richter wähl ich Sie. Sie sind
Ein edler Mensch – ein Mann, sind Fürst und Ritter.
An Ihren Busen werf ich mich. Sie werden
Mich retten, Prinz, und, wo ich ohne Rettung
[71] Verloren bin, teilnehmend um mich weinen.
Der Prinz rückt näher, mit erwartungsvollem, teilnehmendem Erstaunen.
Ein frecher Günstling des Monarchen buhlt
Um meine Hand – Ruy Gomez, Graf von Silva –
Der König will, schon ist man handelseinig,
Ich bin der Kreatur verkauft.
CARLOS
heftig ergriffen.
Verkauft?
Und wiederum verkauft? und wiederum
Von dem berühmten Handelsmann in Süden?
PRINZESSIN.
Nein, hören Sie erst alles. Nicht genug,
Daß man der Politik mich hingeopfert,
Auch meiner Unschuld stellt man nach – Da, hier!
Dies Blatt kann diesen Heiligen entlarven.
Carlos nimmt das Papier und hängt voll Ungeduld an ihrer Erzählung, ohne sich Zeit zu nehmen, es zu lesen.
Wo soll ich Rettung finden, Prinz? Bis jetzt
War es mein Stolz, der meine Tugend schützte;
Doch endlich –
CARLOS.
Endlich fielen Sie? Sie fielen?
Nein, nein! um Gottes willen, nein!
PRINZESSIN
stolz und edel.
Durch wen?
Armselige Vernünftelei! Wie schwach
Von diesen starken Geistern! Weibergunst,
Der Liebe Glück der Ware gleich zu achten,
Worauf geboten werden kann! Sie ist
Das einzige auf diesem Rund der Erde,
Was keinen Käufer leidet als sich selbst.
Die Liebe ist der Liebe Preis. Sie ist
Der unschätzbare Diamant, den ich
Verschenken oder, ewig ungenossen,
Verscharren muß – dem großen Kaufmann gleich,
Der, ungerührt von des Rialto Gold,
Und Königen zum Schimpfe, seine Perle
Dem reichen Meere wiedergab, zu stolz,
Sie unter ihrem Werte loszuschlagen.
CARLOS.
(Beim wunderbaren Gott! – Das Weib ist schön!)
[72]PRINZESSIN.
Man nenn es Grille – Eitelkeit: gleichviel.
Ich teile meine Freuden nicht. Dem Mann,
Dem einzigen, den ich mir auserlesen,
Geb ich für alles alles hin. Ich schenke
Nur einmal, aber ewig. Einen nur
Wird meine Liebe glücklich machen – einen –
Doch diesen einzigen zum Gott. Der Seelen
Entzückender Zusammenklang – ein Kuß –
Der Schäferstunde schwelgerische Freuden –
Der Schönheit hohe, himmlische Magie
Sind eines Strahles schwesterliche Farben,
Sind einer Blume Blätter nur. Ich sollte,
Ich Rasende! ein abgerißnes Blatt
Aus dieser Blume schönem Kelch verschenken?
Ich selbst des Weibes hohe Majestät,
Der Gottheit großes Meisterstück, vestümmeln,
Den Abend eines Prassers zu versüßen?
CARLOS.
(Unglaublich! Wie? ein solches Mädchen hatte
Madrid, und ich – und ich erfahr es heute
Zum erstenmal?)
PRINZESSIN.
Längst hätt ich diesen Hof
Verlassen, diese Welt verlassen, hätte
In heilgen Mauern mich begraben; doch
Ein einzig Band ist noch zurück, ein Band,
Das mich an diese Welt allmächtig bindet.
Ach, ein Phantom vielleicht! doch mir so wert!
Ich liebe und bin – nicht geliebt.
CARLOS
voll Feuer auf sie zugehend.
Sie sinds!
So wahr ein Gott im Himmel wohnt. Ich schwör es.
Sie sinds, und unaussprechlich.
PRINZESSIN.
Sie? Sie schwörens?
O, das war meines Engels Stimme! Ja,
Wenn freilich Sie es schwören, Karl, dann glaub ichs,
Dann bin ichs.
CARLOS
der sie voll Zärtlichkeit in die Arme schließt.
Süßes, seelenvolles Mädchen!
[73] Anbetungswürdiges Geschöpf! – Ich stehe
Ganz Ohr – ganz Auge – ganz Entzücken – ganz
Bewunderung. – Wer hätte dich gesehn,
Wer unter diesem Himmel dich gesehn
Und rühmte sich – er habe nie geliebt? –
Doch hier an König Philipps Hof? Was hier?
Was, schöner Engel, willst du hier? bei Pfaffen
Und Pfaffenzucht? Das ist kein Himmelsstrich
Für solche Blumen. – Möchten sie sie brechen?
Sie möchten – o, ich glaub es gern. – Doch nein!
So wahr ich Leben atme, nein! – Ich schlinge
Den Arm um dich, auf meinen Armen trag ich
Durch eine teufelvolle Hölle dich!
Ja – laß mich deinen Engel sein. –
PRINZESSIN
mit dem vollen Blicke der Liebe.
O Carlos!
Wie wenig hab ich Sie gekannt! Wie reich
Und grenzenlos belohnt Ihr schönes Herz
Die schwere Müh, es zu begreifen!
Sie nimmt seine Hand und will sie küssen.
CARLOS
der sie zurückzieht.
Fürstin,
Wo sind Sie jetzt?
PRINZESSIN
mit Feinheit und Grazie, indem sie starr in seine Hand sieht.
Wie schön ist diese Hand!
Wie reich ist sie! – Prinz, diese Hand hat noch
Zwei kostbare Geschenke zu vergeben –
Ein Diadem und Carlos' Herz – und beides
Vielleicht an eine Sterbliche? – An eine?
Ein großes, göttliches Geschenk! – Beinahe
Für eine Sterbliche zu groß! – Wie, Prinz?
Wenn Sie zu einer Teilung sich entschlössen?
Die Königinnen lieben schlecht – ein Weib,
Das lieben kann, versteht sich schlecht auf Kronen:
Drum besser, Prinz, Sie teilen, und gleich jetzt,
Gleich jetzt – Wie? Oder hätten Sie wohl schon?
Sie hätten wirklich? O, dann um so besser!
[74] Und kenn ich diese Glückliche?
CARLOS.
Du sollst.
Dir, Mädchen, dir entdeck ich mich – der Unschuld,
Der lautern, unentheiligten Natur
Entdeck ich mich. An diesem Hof bist du
Die Würdigste, die Einzige, die Erste,
Die meine Seele ganz versteht. – Ja denn!
Ich leugn es nicht – ich liebe!
PRINZESSIN.
Böser Mensch!
So schwer ist das Geständnis dir geworden?
Beweinenswürdig mußt ich sein, wenn du
Mich liebenswürdig finden solltest?
CARLOS
stutzt.
PRINZESSIN.
Solches Spiel mit mir zu treiben!
O wahrlich, Prinz, es war nicht schön. Sogar
Den Schlüssel zu verleugnen!
CARLOS.
Schlüssel! Schlüssel!
Nach einem dumpfen Besinnen.
Ja so – so wars. – Nun merk ich – – O mein Gott!
Seine Knie wanken, er hält sich an einen Stuhl und verhüllt das Gesicht.
PRINZESSIN
eine lange Stille von beiden Seiten.
Die Fürstin schreit laut und fällt.
Abscheulich! Was hab ich getan?
CARLOS
sich aufrichtend, im Ausbruch des heftigsten Schmerzes.
So tief
Herabgestürzt von allen meinen Himmeln! –
O das ist schrecklich!
PRINZESSIN
das Gesicht in das Kissen verbergend.
Was entdeck ich? Gott!
CARLOS
vor ihr niedergeworfen.
Ich bin nicht schuldig, Fürstin – Leidenschaft –
Ein unglückselger Mißverstand – Bei Gott!
Ich bin nicht schuldig.
PRINZESSIN
stößt ihn von sich.
Weg aus meinen Augen,
[75] Um Gottes willen –
CARLOS.
Nimmermehr! In dieser
Entsetzlichen Erschüttrung Sie verlassen?
PRINZESSIN
ihn mit Gewalt wegdrängend.
Aus Großmut, aus Barmherzigkeit, hinaus
Von meinen Augen! – Wollen Sie mich morden?
Ich hasse Ihren Anblick!
Carlos will gehen.
Meinen Brief
Und meinen Schlüssel geben Sie mir wieder.
Wo haben Sie den andern Brief?
CARLOS.
Den andern?
Was denn für einen andern?
PRINZESSIN.
Den vom König.
CARLOS
zusammenschreckend.
Von wem?
PRINZESSIN.
Den Sie vorhin von mir bekamen.
CARLOS.
Vom König? und an wen? an Sie?
PRINZESSIN.
O Himmel!
Wie schrecklich hab ich mich verstrickt! Den Brief!
Heraus damit! ich muß ihn wiederhaben.
CARLOS.
Vom König Briefe, und an Sie?
PRINZESSIN.
Den Brief!
Im Namen aller Heiligen!
CARLOS.
Der einen
Gewissen mir entlarven sollte – diesen?
PRINZESSIN.
Ich bin des Todes! – Geben Sie!
CARLOS.
Der Brief –
PRINZESSIN
in Verzweiflung die Hände ringend.
Was hab ich Unbesonnene gewagt?
CARLOS.
Der Brief – der kam vom König? – Ja, Prinzessin,
Das ändert freilich alles schnell. – Das ist
Den Brief frohlockend emporhaltend.
Ein unschätzbarer – schwerer – teurer Brief,
Den alle Kronen Philipps einzulösen
Zu leicht, zu nichtsbedeutend sind. – Den Brief
[76] Behalt ich.
Er geht.
PRINZESSIN
wirft sich ihm in den Weg.
Großer Gott, ich bin verloren!