[143] [145]Aus dem Tagebuch der Liebe

[145] [147]Nacht und Tag

Durchsichtig blaut die laue Sommernacht,
Mit glüh'nder Wange kehr' ich vom Gelage;
Das ist die Stunde, wo mein Herz erwacht,
Das eingeschläfert schwüle, bange Tage.
Die Fenster auf. Nun ströme, linde Luft!
Wie Kühlung zuckt es aus der Sterne Flimmern;
All meine Sinne baden sich in Duft –
Da seh' ich's weiß mir gegenüber schimmern.
Sie lehnt im Fenster. Antlitz, Arm und Hand
Wie Mondenlicht; dem Nacken wird zur Hülle
Das zartgewob'ne lichte Florgewand,
Und drüber hin des Haares gold'ne Fülle.
Die sie bei Tag mit stiller Sorgfalt pflegt,
Wie duften jetzt die Rosen und Violen!
Der Blumen Hauch zu mir herüber trägt
Des Mädchens Seufzer, glühend, unverhohlen:
[147]
Du rascher Mann, der du so gierig trinkst
Aus vollem Becher, d'rin die Freude schäumet;
Der du gebieterisch an's Herz dir winkst
Jedwede Lust, die dir zu nahen säumet –:
O blicke nieder auf mein einsam Loos,
In meine Seele blicke, wie sie trauert
In der Entbehrung ewig kargem Schooß,
Von ahnungsvollen Wünschen nur durchschauert.
Erfülle sie! Du kannst es. Nimm mich fort!
Hier welket meine Tugend still verdrossen;
Erschließe mir des Lebens reichsten Hort,
Und lehr' mich kennen, was du schon genossen!
Laß mich umklammern deine starke Brust;
Auch dir ist Eins noch unerfüllt geblieben –
Ich sprech' es aus, was du noch nicht gewußt:
Ich liebe dich mit grenzenlosem Lieben! –
Die Nachtigall im nahen Bauer schweigt,
Sie flötete der schönsten aller Stunden;
Des Morgens Schauer kühl der Nacht entsteigt,
Das Fenster klirrt – die Holde ist entschwunden.
Zur Unrast such' ich auf den dumpfen Pfühl,
Bei ihr verweilen wach noch die Gedanken;
Doch endlich naht der Schlaf mir, bleiern, schwül,
Und wüste Träume meinen Geist umschwanken.
[148]
Nun ist es Tag! Nun rasch an's Fenster hin!
Nun ist sie bei den Blumen wohl zu schauen –
Schon steht sie dort, als milde Spenderin
Die durst'gen Kelche sorglich zu bethauen.
Doch wie sie mich gewahrt, der erst sich barg,
Um spähend zu erhaschen ihre Miene:
Tritt sie zurück mit Blicken scheu und karg –
Und niederwallt, verhüllend, die Gardine.

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