A. Eine Pfingstbetrachtung 1.
Was waren doch das vor zehn bis fünfzehn Jahren noch für andere Pfingsten als heute! Das Wetter war in der Woche vorher und zu Pfingsten selbst nicht immer so schön als diesmal, im Gegentheil, es war manchmal herzlich schlecht, aber wie munter sprangen nicht unsere »Peiasse« in dem Dreck umher, die sich auf den »Pfingstbieren« einfanden! was schadete es, wenn auch die Laubhütten, die man in den Dörfern aufgeschlagen hatte, einmal von Regen tropften? Die Gesichter darin sahen deshalb nicht minder vergnügt aus. Und wurde das Bier in der bekränzten Kanne, aus der man den Gästen den Willkommen zutrank, worin Adalbert Kuhn die Erinnerung an alte Trankopfer sehen will, dadurch schlechter, weil es hineinregnete?
Heute lacht die Pfingstsonne so herrlich, aber es ist stiller geworden zu Pfingsten und der laute Jubel ist mehr [174] und mehr verstummt. Man kann das alte Leben wohl noch finden, aber es will gesucht sein. So wollen auch wir es heute suchen, indem wir uns heute am Pfingstfeste nicht sowohl in einzelnen Schilderungen, als in allgemeineren Betrachtungen in den Geist des Volkslebens versenken, dem jetzt die literarische Welt mit seinen Sagen, Märchen und Gebräuchen um so mehr Aufmerksamkeit schenkt, je mehr das Volk selbst sich diesen Dingen entwöhnt.
»Wer kann es leugnen – sagte J.W. Wolf im Vorwort seiner hessischen Sagen (Göttingen, Dietrich) – daß die Grimmschen Märchen, wie die andern Sammlungen dieser Art bis jetzt schon von einem unberechenbaren Einfluß auf die Erziehung von Tausenden waren, welche ohne sie mit jenen modischen verschrobenen Fabrikaten eines ganzen Heeres sogenannter Jugendschriftsteller für's Leben verschroben worden wären? Fragen wir die neuen Sammler von Volksüberlieferungen wer ihnen die Liebe und Freude an diesen Ueberlieferungen ins Herz gepflanzt, sie werden alle auf die Grimm hinweisen. Aber mit dieser Liebe und Freude ist noch eine andere verbunden, die an deutschem Wesen, die am Vaterländischen, und das ist ein größerer Gewinn als der wissenschaftliche, den wir aus diesen Traditionen ziehen. Sie haben die Erkenntniß des Tiefen und Sinnigen, was in unserm Volke lebt, sie luden Arm und Reich und Jung und Alt und Groß und Klein an eine und dieselbe Tafel, zu einer und derselben Kost, sie halfen den alten, fast erstorbenen Gemeinsinn wieder mehr wecken, sie waren ein Mittelpunkt, um den sich die Höchsten und Niedrigsten einten, und das werden sie mit jedem Tage mehr. Um sie, die Wundererfüllten, geschaart, lernte man das nüchterne Vernünfteln vergessen, wer ihren Geist in sich aufgenommen, den können die raffinirten Romane der neufranzösischen Schule nicht mehr befriedigen, denn arm und widerlich müssen diese Ausgeburten einer befleckten Phantasie und verdorbener Herzen erscheinen, sobald und wo unser Märchen die reinen bunten Schwingen seiner frischen duftigen Phantasie entfaltet, und im leichten Flug Sterne und Sonnen unter unsern Füßen erscheinen läßt, wenn die sinnige Sage ihre Aureolen um die Werke der Natur und der längst zum Staub zurückgekehrten Menschenhand spinnt, oder wenn der Schwank seinen kräftigen Tanz [175] tritt und jubelnd die alte Festfreude des Volkes an unsern Augen vorüberzieht.«
Es ist wesentlich ein dreifaches Interesse, das wir an den alten Ueberlieferungen nehmen: zunächst ein rein literarhistorisches, zweitens ein ethisches und drittens ein mythologisches.
Die alten Ueberlieferungen bestehen genauer bezeichnet in Sagen, Märchen, Liedern und Gebräuchen. Unter diesen haben die Sammlungen der Gebräuche so eben erst begonnen. Eine Literaturgeschichte der Sagen könnte und sollte längst vorhanden sein und fehlt wohl nur wegen der ungeheuren Ausdehnung, welche sie gewinnen würde. Da das Verständniß jeder Sage an und für sich stets ihrer mythologischen Deutung vorausgehen sollte, so wäre ein solches Werk ein dringendes Bedürfniß und würde manchen wissenschaftlichen Fehlgriff verhüten. Eine umfassende Geschichte des Märchens besitzen wir von Wilhelm Grimm. Sie reicht jedoch nur bis zum Jahre 1822 und was seitdem an Märchen veröffentlicht wurde, überwiegt nach Grimms eigener Erklärung das frühere an Gehalt bei Weitem. 2 Für das Volkslied fehlt es bekanntlich nicht an mancherlei literarhistorischen Arbeiten.
Was den ethischen Gehalt der alten Ueberlieferungen betrifft, so tritt dieser am Meisten bei den Sitten und Gebräuchen hervor, aber auch bei den Sagen und Märchen. Unter den Sagen eines jeden Ortes findet man eine oder mehrere, in denen der Betrug bestraft wird, besonders wenn er von Reicheren gegen Aermere verübt ist, z.B. von einer Gastwirthin, welche den Armen die Milch mit Wasser verdünnt verkauft. Nächstdem wird auch in sehr vielen Fällen überhaupt der Uebermuth des Wohlstandes bestraft, zumal wenn er zu einer Geringachtung der Gottesgaben, namentlich des »lieben Brodes« führt. Wo solche Sagen nicht an einem Orte heimisch waren, kann man bemerken, daß das Volk sie noch in neuerer Zeit dorthin verlegt, und an bestimmte Punkte, z.B. Teiche, Erdfälle u.s.w. geknüpft hat. Gegen gröbere [176] Vergehen protestirt die Sage nicht so häufig: Verbrecher leben nicht in jedem Dörfchen, aber gegen die alltäglichen Sünden muß überall protestirt werden. Das Märchen scheint auf den ersten Blick weniger zu moralisiren als die Sage, allein man braucht nur näher hinzusehen, um zu bemerken, daß fast jedes Märchen einen bestimmten Fehler scharf aufs Korn nimmt und aufs Unerbittlichste, mit allen nur denkbaren Mitteln bei der Wurzel auszurotten sucht. Um ein kleines Vergehen zu strafen ist im Märchen Alles erlaubt, selbst Mord und Todtschlag, – es kommt ihm eben nur auf jene Einzelnheit an.
Unter den Gebräuchen muß man unterscheiden zwischen denen, die insgeheim ausgeübt werden und denen, die das Licht nicht scheuen und gleichsam öffentliche Handlungen sind. Alles was zu den »Sitten« und Gebräuchen im letzteren Sinne gehört, sollte unter den Schutz der öffentlichen Meinung gestellt sein, und namentlich sollten die Gebildeten sich nicht es zur Aufgabe machen, es da, wo es sich noch findet, auch wenn sie es nicht verstehen, zu zerstören. Viele dieser Sitten enthalten in der That ein gutes Theil deröffentlichen Sittlichkeit, wie das Volk sie von seinen Vorfahren ererbte. Dies gilt zum Beispiel zum guten Theil von den kirchlichen Sitten, deren Sammlung von meinem Vater H.A. Pröhle begonnen wurde. Aber auch diejenigen, welche dem Volke seine übrigen Sitten entzogen haben, trugen ohne es zu wissen und zu wollen dazu bei, daß dem Volksleben der feste Grund und Boden unter den Füßen hinweg genommen wurde, kaum zu gedenken der Poesie, deren es dadurch entkleidet wird. Zu den Tänzen wurden früher Lieder von hohem Alter gesungen, und es ist noch nicht lange her, daß diese durch Bierfiedler auf den Dörfern verdrängt sind. Die alten Volkslieder sind edel und großartig, wenn auch zuweilen derb; die späteren, die jetzt vorzugsweise in den Spinnstuben gesungen werden und die der Sammler wegen des Mangels an Poesie, der sie kennzeichnet, selten berücksichtigt, sind in Bezug auf ihren sittlichen Inhalt oft bedenklich. Wenn auch unverfänglich, doch in poetischer Hinsicht wo möglich noch nichtssagender sind die Texte der Lieder, welche jetzt aus unsern Liedertafeln, Singvereinen u.s.w. ins Volk eindringen. Man kann die Verdienste [177] dieser Gesellschaften wohl anerkennen, und doch vor ihren süßlichen Liedern von sich schnäbelnden Tauben, vor ihren in Musik gesetzten Speisezetteln u.s.w. einen höllischen Abscheu empfinden. Einsichtige Lehrer, welche solche Vereine leiten, sollten statt dieser übergemüthlichen Lieder dem jungen Geschlecht lieber eine Auswahl aus seinen alten Weisen wieder singen lehren.
Zu den Gebräuchen gehören die Spiele, besonders die der Kinder. Auch diese hat man jetzt zu sammeln und aufzuzeichnen begonnen. Wer sich von dem Werth unserer Ueberlieferungen überzeugen will, der braucht nur die Spiele, welche er an irgend einem Orte vorfindet, mit denen zu vergleichen, welche z.B. von müßigen Köpfen für die Fröbelschen Kindergärten erfunden sind. Wie einfach und doch wie mannichfaltig unter einander sind diese echten Kinderspiele, während es an Wahnwitz grenzt, wenn in jenen Fröbel'schen Spielen die Kinder z.B. das Gewitter nachäffen müssen. Dergleichen arge Verirrungen kommen in den volksthümlichen Kinderspielen nicht vor: ein von mir aufgefundenes Kinderspiel, dem offenbar ein alter Mythus vom Donar, dem Donnergott, zum Grunde liegt, natürlich ohne daß der Name des Heidengottes darin genannt wird, weiß nichts von solchem blödsinnigen Frevel und ist, wie heidnisch es auch von Haus aus ist, doch vollkommen für die Kinderwelt geeignet.
Wie bereits oben gesagt wurde, so gibt es auch bedenkliche Gebräuche, die sich der Oeffentlichkeit entziehen. Hierher gehört fast das gesammte Gebiet des Aberglaubens, wie er theils in bestimmten Handlungen, z.B. in der sogenannten Sympathie, den Besprechungen u.s.w sich zeigt. Der Aberglaube, wo er sich im Volke noch findet, besteht zum großen Theil aus Bruchstücken der heidnischen Religion unserer Vo fahren, die wir zum guten Theil uns erst wieder aus ihm durch allerlei Schlüsse construiren müssen. Er darf daher, wo es sich nicht eben praktisch um seine Bekämpfung handelt, nur noch als ein Bestandtheil der Wissenschaft betrachtet und mit dem Auge des Historikers angesehen werden. In diesem Sinne kann man ihn bei denjenigen Ständen allerdings begreifen, wo man ihn im Zusammenhange mit einer Reihe anderer Vorstellungen und namentlich mit jenen Uebertieferungen aus einer älteren Zeit antrifft, von denen bereits [178] oben die Rede gewesen ist. Aber ein schnurrig Ding ist es um den Aberglauben unserer gebildeten Stände, der sich an Einzelnheiten anklammert, die aus jenem Zusammenhange herausgerissen sind, z.B. daß ein Traum vom Zahnausfallen einen Todesfall in der Familie bedeutet. Ja, selbst unser Tischrücken und die berühmte Klopfgeisterei, welches Alles wir hier nicht untersuchen können: was kann es denn anders sein, als der Aberglaube, der des Urgroßvaters Sorgenstuhl hinausgeworfen hat und, um wieder Mode zu werden, sich mit seiner Gesellschaft am Mahagonitische zurechtsetzt. Es ist die Geschichte vom Mephistopheles im Faust, der den Pferdefuß abgelegt hat und als Cavalier erscheint, damit er sich nur wieder sehen lassen kann.
Ueber den mythologischen Werth der deutschen Sagen, Märchen und Gebräuche können wir nur kurze Andeutungen geben. Als unsere Vorfahren zum Christenthum übertraten, setzten sie zum Theil die Verehrung ihrer heidnischen Götter noch lange insgeheim fort; die Heidenapostel knüpften ihre Lehre auch wohl selbst an heidnische Vorstellungen und Gebräuche an, bauten Kirchen auf heidnischen Opferstätten (Bonifacius ließ aus der bekannten, von ihm gefällten Eiche eine Kanzel machen) u.s.w. Theils insgeheim als Aberglaube, theils auch mit dem Willen der katholischen Kirche wurden namentlich auf die Heiligen und die Mutter Maria zahlreiche heidnische Vorstellungen übertragen. So weit sie ein Bestandtheil der Religion selbst geworden waren, streifte die protestantische Kirche bei ihrer Begründung sie nachher von selbst ab durch ihr einfaches und sicheres Zurückgehen auf die Bibel. In den Marien-Cultus greifen z.B. nachweisbar da stets heidnische Vorstellungen ein, wo derselbe mit Quellen in Verbindung tritt, wie z.B. in dem Namen und den dazu gehörigen Sagen des ehemaligen Klosters Marienborn im Magdeburgischen. Weit verbreitet ist auch noch jetzt die Vorstellung von einem Opfer, das die Saale, Elbe, Bode und Holtemme auf den Johannistag verlangen, in Halberstadt herrschte oder herrscht sogar die schöne Sitte, den Johannisbrunnen auf diesen Tag zu bekränzen. Alles dies greift viel weiter (zu Johanni öffnen sich auch die alten Burgen und geben ihre verzauberten Schätze preis), als wir es in einem kurzen Aufsatze verfolgen können.
[179] Wie trocken nun dem ferner Stehenden, gleich jeder anderen specielleren Wissenschaft, z.B. der Münz-und Wappenkunde, auch die deutsche Mythologie mitunter erscheinen mag, so wissen uns doch die Sammler der alten Ueberlieferungen, auf denen sie hauptsächlich aufgebaut ist, gar manches Drollige über die Erfahrungen zu erzählen, die sie dabei im Volke machten. Es kommt wohl vor, daß ein Schäfer vor Verwunderung einen hohen Satz in die Luft thut, wenn ein Universitätsprofessor von Göttingen, Kiel oder Tübingen sich ganz ernsthaft bei ihm nach einer Jungfrau erkundigt, die sich auf der nächsten alten Burgruine als Jungfrau mit Schlüsseln (weiße Frau) zeigt. »Herrje, glauben denn das Herrle solche alten Schnurrpfeifereien noch?« rief ein solcher einst dem Professor Meier zu. Auch mir sagte einst ein Knabe, den ich am Fuße des Hohensteins bei Neustadt nach einer solchen Jungfer fragte: Sie können dreist auf die Burg gehen und brauchen sich nicht zu fürchten. Jede Belehrung, daß das und das nicht glaubhaft sei, muß geduldig angehört werden, da der Sammler zu allererst den Bildungßstandpunkt, auf dem die betreffende Person steht, erforschen muß. Gewöhnlich findet es sich dann doch noch, daß ihre Aufklärung ein kleines »Aber« hat und daß sie wenigstens an diejenigen Sagen glaubt, die sie von älteren Verwandten gehört hat. Alles andere wird für Lug und Trug erklärt und vielleicht nur das geglaubt, was den Großeltern »selbst« geschehen sein soll. So kommt es dann freilich, daß viele unserer ältesten, schönsten und werthvollsten Sagen, die schon wegen ihrespoetischen Gehaltes verdienten, fort und fort Gemeingut des Volkes zu bleiben, vergessen und dagegen die bloßen Spuk- oder Gespenflergeschichten erhalten werden. Doch werden viele ältere Sagen auch nur wieder erneuert und, weil man sie für historisch hält, stets von Zeit zu Zeit, ohne daß das Volk es merkt, in neuere Zeiten verlegt und an Personen geknüpft, die dem lebenden Geschlechte näher stehen. Namentlich werden von witzigen Personen, die durch ihren volksthümlichen Humor populär werden, zuerst. Anekdoten und Schwänke (theils solche, die sie selbst ausführten, theils fälschlich ihnen zugeschriebene) erzählt, nach ihrem Tode aber werden ihrer Popularität wegen Bann- und Zaubergeschichten und zuletzt ganz alte Mythen aller Art auf sie übertragen. Aehnlich ist[180] es bereits mit dem alten Dessauer und mit Friedrich dem Großen ergangen und auch sonst habe ich vielsach Gelegenheit gehabt, zu beobachten, wie es der Humor ist, der die älteren Sagen umgestaltet und erneuert und an den sie sich bei der Erneuerung anheften.
Oft trifft man noch Menschen im Volke an, die für die Sammlungen alter Ueberlieferungen eine unerschöpfliche Fundgrube sind. Während diejenigen, welche nichts wissen als einige unbedeutende Gespenstergeschichten, auf die sie insgeheim meist großen Werth legen, sich oft lange zureden lassen, bis sie ihr Herz aufschließen, betrachten jene, welche Vieles und wahrhaft Gutes wissen, es oft als ein Glück, das ihnen widerfährt, wenn sie durch ihre Mitwirkung diese Dinge erhalten helfen sollen, freuen sich beim Erzählen ihres guten Gedächtnisses und haben für den poetischen Gehalt der Sagen und Märchen ein tiefes Gefühl. So erzählte ein alter achtzigjähriger Gerichtsbote zu J. im Harz einem jungen Manne, der mich beim Sammeln unterstützte, mit wahrer Freude eine Reihe der werthvollsten Sagen und bat ihn zuletzt dringend, ihn am Abende zu besuchen, damit er noch weiter fortfahren könne. Er begann auch am Abend sogleich mit großem Eifer weiter zu erzählen, wurde aber dabei von seiner Frau und seinem Sohne unterbrochen; sie schalten ihn wegen seines Aberglaubens, hießen ihn stillschweigen und machten es ihm durch Lärmen geradezu unmöglich, weiter zu reden. Was war der Grund dieser auffallenden Erscheinung? Der Alte erzählte unter Anderem von einem gespenstischen Schimmelreiter, der dort für den Geist eines verstorbenen Amtmanns gehalten wurde und im Felde umherritt und die Früchte beschützte 3. Dieser Schimmelreiter hatte einst, wie wir später erfuhren, das böse Gewissen gespielt und ein unwürdiges Mitglied der Familie des Alten aus einem fremden Kartoffelfelde, in dem es hatte stehlen wollen, unverrichteter Sache hinweggejagt. Hinc illae lacrymae! Das war das Vergehen des Schimmelreiters, darum sollte er der ewigen Vergessenheit anheim gegeben werden! Das Gesindel hatte ihm die Kartoffeln [181] noch nicht vergeben, um die es von ihm betrogen war; es schäumte vor Wuth, weil der Alte mit einem gewissen Respect von ihm erzählte und nahm dabei die Miene der Aufklärung an, während es sich vielleicht noch heutiges Tages blos aus Furcht nicht wieder in das Bereich des Schimmelreiters getraut, um Feldfrüchte zu stehlen!.... Wir geben diese Erinnerung an die Erfahrungen, welche in unserer Gegend selbst beim Sammeln gemacht wurden, als einen Nachtrag zu dem, was wir oben über den ethischen Gehalt der Sagen bemerkten. Leicht könnten wir diese Betrachtungen über die alten Ueberlieferungen noch fortsetzen, brechen indessen hier ab in der Hoffnung, daß vielleicht schon dies Wenige einen oder den andern unserer Leser, besonders solche, die dem Volke näher stehen, veranlaßt, der Sache selbst weiter nachzudenken.
Fußnoten
1 Diese Abhandlung wurde Pfingsten 1853 geschrieben und erschien in Nr. 114 und 115 des Magdeburger Correspondenten von jenem Jahre. Da das Publikum in der Regel so manche Frage über das Wesen der Sage an die Sammler hat, so lasse ich sie hier wieder abdrucken, wobei man nicht verkennen wird, daß sie anderer Leser wenigstens einen anderen Zweck vor Augen hat, als die übrigen Abhandlungen und Anmerkungen dieses Buches.
2 Bechsteins »Mythe, Sage, Märe und Fabel« (Leipzig bei T.O. Weigel 1854 und 1855) ist ein überflüssiges Buch, dem keinerlei Werth zugestanden werden kann.
3 Der Schimmelreiter kommt in vielen Gegenden Deutschlands in Gebräuchen oder als Gespenst vor und ist eine Erinnerung an Wodan, unter dessen Obhut auch die Ernte stand.