[137] Die Rauschemühle und Kloster Laach.
Bei der Station Plaidt unweit Andernach liegt dieRauschemühle wie eine schilfbekränzte Wasserfee von Steinriesen umschlungen. Über tausende von abgesprengten schweren Basaltblöcken tanzt, sprudelt und rauscht bei dieser Mühle die Nette einher. In früherer Zeit, als die ganze Gegend noch ein tiefer Wald war, wohnten in dieser Mühle vier geistliche Brüder. Für ein Kloster besorgten sie hier das Mahlgeschäft. Damals war hier schon wie jetzt in den Mühlen ein Glöcklein zu hören, wenn das Korn abgemahlen war. Es ruhte aber ein besonderer Segen auf diesem Glöcklein, denn jeder Mönch, sowie er auf das von der Glocke gegebene Zeichen frisches Korn aufgeschüttet hatte, verrichtete jedesmal auch ein frommes Gebet. Den Segen dieses Glöckleins verspürte einst der Graf von der Laien, der im nahen Saffig seine Burg hatte. Dieser verirrte sich einst auf der Jagd und geriet immer tiefer in den Wald hinein. Ganz ermattet sank er endlich zu Boden. Da hörte er ganz deutlich den schwachen Ton des Glöckleins in der Rauschemühle. Freudig erregt stand er auf und ging dem Klange nach. Mitunter verstummte es wie jede andere Mühlglocke. Aber so oft er vom Wege abkam, war auch das Korn in der Mühle wieder abgelaufen, die Mönche beteten, und der Graf von der Laien schlug [138] wieder den Weg ein, den ihm der schwache Ton der Glocke in der Rauschenmühle angab. Nach langem, langem Wandern kam er um Mitternacht an die Rauschenmühle. An der Stelle, wo er zuerst den Ton des Glöckleins gehört hatte, war er fünf Stunden von der Rauschenmühle entfernt gewesen. Ein Wunder hatte den Schall der Mühlglocke, bei der die frommen Mönche arbeiteten, verstärkt.
Lange Zeit soll hoch oben im Gebirge der Stein gestanden haben, den der Graf zum Andenken an diese Begebenheit gesetzt hat.
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Der Laacher See bildet einen der bemerkenswertesten Punkte des Rheinlandes. Zwei Stunden nordwestlich von Andernach gelegen, grenzt er einerseits an das fruchtbare Maifeld, andererseits an die ersten Höhen der Eifel und bildet in der Nähe des Rheines den Mittelpunkt eines Kreises, der dem höheren Eifelgebiet an Wichtigkeit in keiner Beziehung nachsteht. Der See hat sich hier in einem Bergkessel gebildet.
Ausgezeichnet ist er durch klares Wasser und einen bedeutenden Reichtum an Fischen. Nach einer alten Angabe vom Jahre 1694, in welchem er fest zugefroren war, hat er eine Länge von 4373 Ellen, eine Breite von 3945 Ellen und eine Tiefe von 107 Ellen oder eine Breite von 789 Werkschuhen gleich einer Länge von 3369 Schritten. Die Größe an gemeinem Landmaß war 1323 Morgen.
An dem südlichen Ufer dieses Sees, auf einer der ersten Spitzen des ihn umgebenden Bergkessels, hatten die alten Pfalzgrafen ein Schloß gegen Rübenich zu. Es beherrschte die reiche Gegend, welche einen Teil ihres Gebietes ausmachte, und noch heutigen Tages nach ihnen die Pellenz genannt wird.
Die Pfalzgrafen wurden auch sonst in der merovingischen Zeit missi dominici, königliche Botschafter, genannt. Dieses Pfalzgrafenamt stammt aber wohl von dem Palatium oder der Pfalz in der Stadt Trier, dem alten Sitze römischer Kaiser, von wo es erst in carolingischer Zeit hinüber nach Aachen gewichen seïn mag.
Einer Sage zufolge lag das Schloß Laach nicht immer auf dem [139] Bergvorsprunge an der südlichen Seite des Seegestades. Dort soll sich vielmehr nur ein Wartturm befunden haben. Das Schloß stand tiefer am Gestade, teilweise sogar im See.
An dieser Stelle stößt in der That noch heute der Pflug auf bedeutende Mauerreste. Auch alte Waffenstücke sind dort in neuerer Zeit noch ausgehoben worden. Besonders merkwürdig ist es, daß man an dieser Stelle eine bedeutende Menge kleiner Hufeisen aus der Erde gepflügt hat. Dies ist sogar als eine Bestätigung der alten Legende betrachtet worden, daß ein Burgherr einst den Mönchen des am Laacher See gelegenen Klosters nach dem Leben getrachtet habe. Dabei soll er über den zugefrorenen See gesprengt und mit Roß und Mann versunken sein.
Von einem im Laacher See versunkenen Schlosse erzählt der Dichter Friedrich Schlegel. Der klare Inhalt seines schönen, aber in seinen Versen schwer verständlichen Gedichtes ist dieser.
Bei Andernach am Rhein befindet sich ein tiefer See. Keiner unter dem Himmel ist stiller als dieser. Früher befand sich in ihm eine Insel und darauf eine Burg, die zuletzt krachend im Wasser versank. Der Schiffer findet in dem See weder Grund noch Boden.
Einst aber schritten zween Wanderer in der Abendstunde daher, da trat ein Ritter zu ihnen und grüßte sie.
Er sprach: »Ich wandere seit Jahren die Lande aus und ein, um die alten wunderbaren Sagen zu hören und zu sammeln. Könnt Ihr mir nicht erzählen, wie hier einst das Schloß im See versank?«
Der Jüngste von den Beiden antwortete schnell: »Als noch die Burgen standen ringsum, lebte hier ein Ritter, des Herz war voller Trauer.
Worüber er solches Leid trug, weiß Keiner zu sagen. Vielleicht hatten eigene Missethaten ihn zu Grunde gerichtet, vielleicht war's auch nur die Schuld der Väter in der rauhen Zeit. Seinen Schmerz und seine Reue strömte er in Liedern aus. Zu seiner Zeit versank die Burg des sündhaften, aber reuigen Ritters und Sängers im See. Es geschah doch wohl zur Sühne für neue oder alte Schuld.«
So sprach der Jüngste von den Beiden. Der Fremdling dankte ihm, als zweifelte er nicht an der Wahrheit dessen, was er gehört hatte. [140] Aber der ältere der beiden Wandersleute sagte: »Mein Sohn, Du sprachest falsch. Alte Lieder loben noch den Ritter und sein Geschlecht. Der Ritter lebte auf Erden in der Zeit des herrlichen Minnegesanges. Sein eigener Gesang ertönte wundervoll und machte die Wassergeister neidisch, welche da unten in der Tiefe auch ihre Lieder singen, wenn die Wogen zusammenschlagen.
Aus Neid haben darum die Wassergeister den Sänger und sein Schloß in die Tiefe gezogen, wie noch jetzt alles Hohe den Neid erregt.«
Jetzt traten alle Drei in den dunkelen Wald ein. Die Erzählungen schienen den Fremden gefreut zu haben, ganz besonders aber die des älteren Wanderers. Doch äußerte er sich nicht über die beiden verschiedenen Erzählungsarten. Der Fremde sprach nur. »Seid Ihr Freunde des Liedes, so soll Euch auch Gesang erfreuen.« Sogleich erhob sich mächtiger Gesang, stärker als die Wogen des Sees und entzückender als Alles, was das Ohr der beiden Reisenden bis dahin vernommen hatte.
Als sie aber aus dem Walde heraustraten, war der Fremdling von ihrer Seite verschwunden. Seine Gestalt neigte sich wie ein Schatten über den ganzen See hin, in welchem sie endlich verschwand.
Es war kein Zweifel: der Fremdling war der Ritter selbst gewesen, ein herrlicher Minnesänger, der hier einst in seinem Schlosse von den neidischen Wassergeistern hinabgezogen war in die Tiefe und der noch viel schöner sang als die Wogen könten!
Zur Erläuterung des schönen Gedichtes kann es noch dienen, daß die zu Grunde liegende Volkssage, im Laacher See sei ein Schloß versunken, sogar auf einer geschichtlichen Thatsache beruht. Pfalzgraf Siegfried hatte nämlich die Pflicht auf sich genommen, ein Kloster am Laacher See zu bauen. Aus Reue darüber, daß er dieser Verpflichtung so lange nicht nachgekommen war, ließ er endlich selbst sein Schloß zerstören. Es war also wie in den See versunken.
Pfalzgraf Siegfried hatte die Verpflichtung das Kloster zu bauen schon durch seine Eltern Heinrich und Adelheid erhalten. Diese waren lange über den Ort, wo es errichtet werden sollte, unschlüssig gewesen. Da wurde ihnen derselbe durch höhere, himmlische Zeichen angedeutet.
Von der Burg herab sahen sie einst des Nachts das ganze waldumkränzte [141] Ufer und den See selbst von Lichtern und Flämmchen erhellt und beleuchtet. Besonders war dies in der Gegend der Fall, wo sich das Ufer westlich eine größere Strecke weit flacher als sonst hinzieht. Hier nun beschlossen sie selbst noch den Grund zu der Klosterkirche zu legen, was denn auch geschah.