Siebenundvierzigste Erzählung.
Ein Edelmann in Perche beargwöhnt mit Unrecht einen seiner Freunde und reizt ihn nur dadurch, nun auch wirklich zu thun, was jener ohne Grund annimmt, nämlich ihn zu hintergehen.
In der Nähe von Perche wohnten zwei Edelleute, welche von Kindheit an in so großer und vollkommener Freundschaft gelebt hatten, daß sie ein Herz und eine Seele waren und Haus, Bett, Tisch und Börse gemeinsam hatten. Lange lebten sie in dieser vollkommenen Freundschaft weiter, ohne daß jemals in einem Wort oder einem Thun die Verschiedenheit ihrer Personen zu Tage trat; nicht einmal wie zwei Brüder lebten sie, sondern als wären sie überhaupt nur ein Mensch. Einer von den beiden verheirathete sich; das änderte aber nichts an ihrer Freundschaft, noch auch daran, daß er wie [327] bisher immer mit seinem Freunde zusammenlebte. Wenn sie in einer nicht allzu geräumigen Wohnung zusammenlebten, ließ er ihn sogar mit sich und seiner Frau im selben Bette schlafen; allerdings lag er selbst in der Mitte. Ihre Besitzungen und ihr Geld hatten sie vereinigt, so daß auch eine eventuelle Heirath ihrer Freundschaft keinen Eintrag thun konnte. Nach Verlauf einiger Zeit konnte aber das Glück dieser Leute, welches ja immer veränderlich ist, in ihrer Häuslichkeit, welche eben zu viel Glück umschloß, nicht andauern. Der Verheirathete nämlich vergaß plötzlich das Vertrauen, das er zu seinem Freund hatte, und faßte ohne Grund einen argen Verdacht, ihn und seine Frau betreffend. Er konnte es vor ihr nicht verborgen halten und machte ihr einige beleidigende Bemerkungen darüber. Sie war aufs Aeußerste darüber erstaunt, denn er selbst hatte ihr anbefohlen, von einer Sache abgesehen, gegen seinen Freund ebenso liebenswürdig wie gegen ihn selbst zu sein. Nichtsdestoweniger verbot er ihr jetzt, anders als in Gesellschaft mit ihm zu sprechen. Sie machte dem Genossen ihres Mannes einige Andeutungen, der ihr nicht glaubte, da er wohl wußte, nichts gethan noch selbst gedacht zu haben, worüber jener aufgebracht sein könnte. Da er gewohnt war, nichts vor ihm zu verbergen, sagte er ihm, was er gehört hätte, und bat, ihm die Wahrheit zu sagen, denn er wollte weder in dieser Angelegenheit noch in irgend einer anderen einen unbegründeten Verdacht, der ihre so lange Zeit gehegte Freundschaft aufheben könnte, unaufgeklärt lassen.
Der Edelmann versicherte ihm, daß er niemals an so etwas gedacht habe, und daß die, welche dies Gerücht verbreitet hätten, ganz gemeine Lügner seien. Sein Genosse antwortete ihm darauf: »Ich weiß wohl, daß die Eifersucht eine eben so unerträgliche Leidenschaft wie die Liebe ist, und wenn Ihr diese Meinung hättet, wäre ich auch selbst die Ursache davon, ich könnte Euch doch nicht Unrecht geben, denn Ihr würdet Euch dennoch nicht davor behüten können. Aber über etwas anderes, das Ihr vollständig in Eurer Macht hattet, kann ich mich beklagen, nämlich, das Ihr mir Eure geheime Sorge verbergen wolltet, Ihr, der Ihr mir alles, was Ihr dachtet und was Euch je bewegte, mitgetheilt habt, wie es auch umgekehrt mit mir der Fall war. Wenn ich Eure Frau liebte, so hättet Ihr[328] das nicht einer schlechten Gesinnung meinerseits zuschreiben dürfen, denn die Liebe ist eine Leidenschaft, welche man nicht so in seiner Hand hält, um sie nach seinem Belieben zu drehen und zu wenden. Hätte ich sie aber Euch verborgen, Eurer Frau hingegen sie unter Bruch unserer Freundschaftstreue zu verstehen gegeben, so wäre ich der verächtlichste Freund, der je gelebt. Meinerseits versichere ich Euch nun, daß, so ehrbar und schön Eure Frau auch sein mag, sie doch diejenige ist, zu der (wäre sie auch nicht Eure Frau) ich am wenigsten eine Neigung fassen könnte. Aber wenn Ihr also auch keine Veranlassung habt, ersuche ich Euch doch, daß, wenn Ihr in dieser Beziehung auch nur den leisesten und entferntesten Verdacht habt, Ihr es mir sagt, damit ich unseren freundschaftlichen Verkehr, der so lange gewährt hat, so einrichte, daß er an einer Frau nicht vollständig zu Grunde gehe. Denn wenn ich sie auch mehr als irgend etwas auf der Welt lieben sollte, würde ich es doch niemals ihr sagen, da ich Eure Liebe jeder anderen vorziehe.« Sein Genosse verschwor sich hoch und theuer, daß er niemals daran gedacht habe, und bat ihn, wie bisher, in seinem Hause zu verkehren. Der andere erwiderte: »Da Ihr es wollt, thue ich es gern; aber seid überzeugt, daß ich Euch sofort verlasse, wenn Ihr nochmals irgendwelche Meinung über mich nur verhehlt oder eine schimpfliche mich betreffend faßt.« Nach Verlauf einiger Zeit, während welcher sie wie früher gewohnt und gelebt hatten, faßte der verheirathete Edelmann von Neuem Verdacht und gebot seiner Frau, dem anderen nicht mehr mit demselben freundlichen Gesicht, wie bisher, gegenüber zu treten. Sie sagte es wieder dem Freunde ihres Mannes und bat ihn, auch seinerseits davon abzustehen, viel mit ihr zu sprechen, da ihr befohlen sei, Gleiches ihrerseits mit ihm zu thun. Aus diesen Worten und aus dem veränderten Benehmen seines Genossen ihm gegenüber ersah der Edelmann, daß letzterer nicht Wort gehalten hatte. Er sagte ihm deshalb voller Zorn: »Wenn Ihr eifersüchtig seid, mein Freund, so kann ich nichts dagegen thun. Aber, daß Ihr es mir auch nach Eurem Schwur wiederum verborgen habt, damit kann ich mich nicht zufrieden geben. Ich habe immer geglaubt, daß zwischen Eurem und meinem Herzen kein Mißton existirt. Zu meinem großen Bedauern sehe ich aber jetzt, daß, ohne [329] daß ich eine Schuld daran trage, es doch so ist, da Ihr nicht nur ganz thörichter Weise um Eurer Frau und meinetwillen eifersüchtig seid, sondern es auch für Euch behaltet, bis Euer Verdacht sich mit der Zeit in Haß verwandeln und, wie unsere Freundschaft durch keine andere übertroffen wurde, so auch unser Haß ein tödtlicher werden würde. Ich habe alles gethan, um das zu vermeiden. Aber da Ihr mich für so schlecht haltet und ganz für das Gegentheil von dem, was ich Euch gegenüber immer gewesen bin, so verspreche und schwöre ich Euch hiermit, daß ich nun der werden will, für den Ihr mich haltet, und daß ich nicht ruhen werde, bis ich von Eurer Frau alles das erhalten haben werde, wonach, wie Ihr meint, ich strebe. Von heute an hütet Euch vor mir, denn da der Argwohn mir Eure Freundschaft genommen hat, wird Aerger und Mißmuth Euch die meine rauben.« Obwohl ihn nun sein Genosse vom Gegentheil überzeugen wollte, glaubte ihm dieser nicht mehr; er zog seinen Theil der Hausgeräthe und seines sonstigen Besitzes, den sie bislang immer gemeinschaftlich gehabt hatten, zurück, und so sehr sie bisher nur ein Herz und eine Seele gewesen waren, so fremd traten sie jetzt einander gegenüber. Der nicht verheirathete Edelmann ruhte auch nicht eher, als bis er die gegen seinen Freund ausgestoßene Drohung verwirklicht hatte.
»So, meine Damen«, fuhr Dagoucin fort, »möge es allen ergehen, welche mit Unrecht ihre Frauen im Verdacht haben. Oftmals sind sie selbst nur die Ursache, das herbeizuführen, was sie argwöhnen, denn eine anständige Frau ist eher von der Verzweiflung als von allen Freuden der Welt besiegt. Und wenn einer sagt, daß die Eifersucht die Liebe selbst sei, so bestreite ich das; wenn sie auch aus dieser entspringt, wie die Asche vom Feuer kommt, so erstickt sie sie auch gleicherweise.« »Ich kann mir denken«, sagte Hircan, »daß es kein größeres Mißvergnügen für Mann oder Frau geben kann, als entgegen der Wahrheit irgendwie beargwohnt zu werden; was mich anbetrifft, so hat nichts mich so viele Freunde gekostet, als dieser Verdacht.« »Nichtsdestoweniger«, wandte Oisille ein, »ist es keine Entschuldigung für eine Frau, sich an dem Argwohn ihres Mannes in einer Weise zu rächen, daß ihm Schande daraus erwächst. Das ist dasselbe, als wenn einer, weil er seinen Feind[330] nicht tödten kann, sich selbst mit dem Schwert durchbohren, oder weil er ihn nicht kratzen kann, sich die Finger zerbeißen wollte. Viel klüger hätte sie gehandelt, wenn sie niemals mit ihm wieder gesprochen hätte, um ihrem Mann das Unrecht seines Verdachtes vor Augen zu führen, denn die Zeit würde sie alle beide besänftigt haben.« »Sie handelte, wie eine Frau von Herz«, sagte Emarsuitte, »und wenn viele Frauen Gleiches thäten, würden die Männer nicht so beleidigend in ihren Annahmen sein.« »Wie dem auch sein mag«, sagte Longarine, »Geduld macht eine Frau immer zur Siegerin, und Keuschheit ist ein lobenswerthes Ding, daran müssen wir uns halten.« »Eine Frau kann aber auch ohne eine Sünde ihrerseits unkeusch sein«, antwortete Emarsuitte. »Wie versteht Ihr das?« fragte Oisille. »Wenn sie einen anderen für ihren Mann hält.« »Welche Frau ist aber so dumm«, wandte Parlamente ein, »die nicht ihren Mann von einem anderen unterscheiden könnte, wie er sich auch verkleiden möge?« »Es hat solche gegeben, und es kommt noch heute vor, daß Frauen getäuscht wurden, die von einem Verbrechen nichts wußten und an ihm ganz unschuldig waren.« »Wenn Ihr hiervon etwas wißt«, sagte Dagoucin, »so gebe ich Euch das Wort, denn ich halte es für etwas sehr Merkwürdiges, daß Unschuld und Sünde zusammen wohnen können.« Emarsuitte antwortete: »Hört also auf die folgende Geschichte, wenn Ihr nicht durch die vorausgegangenen genugsam bedeutet seid, daß es gefährlich ist, diejenigen in unsere Häuser aufzunehmen, welche uns weltlich nennen und sich für heiliger und würdiger, als wir sind, halten. Ich möchte Euch hier gern noch ein Beispiel geben, um Euch zu zeigen, daß sie Menschen wie andere auch sind, und eben so hinterlistig; Ihr könnt das an der folgenden Geschichte sehen.«