[138] Leichenrede


auf

meines Freundes H** Hund


bei Gelegenheit seiner feierlichen Beerdigung

im Jahre 1819.

Ein Vorfall, Geliebte! ein Vorfall sage ich, wie ich ihn noch nicht auf der Universität erlebt hatte, gibt mir Gelegenheit, euch heute Worte ans Herz zu legen – inhaltsschwere Worte, Worte des Glaubens – Worte der Liebe – Worte des Geistes!

Unsers Freundes H** Hund ist nicht mehr – er ist dahin in seiner Jugend, er mußte dahin! denn wenn er nicht dahin wäre, wo wäre er dann? – Die Ignoranz seiner Aerzte war es, die ihn so schnell dahin raffte; denn sein Uebel war im Anfange nicht so von Bedeutung. Trauert um ihn – er war ein Hund – und ihr alle seid's! – die ihn gekannt haben! Ein Geschwür im[139] Munde endete schnell seine irdische Laufbahn, und ich sage: dreimal glücklich und noch dreimal glücklich und abermal dreimal glücklich, zusammen also neunmal glücklich – sage ich, wer ein Geschwür im Munde hat. – Denn – wer ein Geschwür im Munde hat, der wird nicht durch lasterhafte Zoten und Lieder den Tag des Herrn besudeln – denn ihn schmerzt sein Mund! Denn, wer ein Geschwür im Munde hat, der wird nicht Fleisch und Würste essen an Quatember-und gebotenen Fasttagen, denn siehe da, ihn schmerzt sein Mund! – Er wird nicht wollüstig küssend feile Dirnen umarmen, – denn ihn schmerzt sein Mund; – und so wird er wandeln den Pfad der Tugend in Folge des Geschwüres! –

Aber noch eine andere Krankheit war es, Geliebte! die ihn so schnell dahinraffte; es war die Sucht! und diese, meine lieben Christen, ist es, die ich Euch vorzugsweise empfehle. – Aber was für eine Sucht? Lungensucht? – O nein, meine Lieben? Wassersucht?nego! Schwindsucht? Auch diese ist es nicht! Eine ganz andere Sucht ist es, nach der ihr streben sollt, und zwar – Sucht nach guten Handlungen. – Um nun aber wieder [140] auf den Hund zu kommen 24 – so war dies ein Hund, ein Hund! sage ich, wie's wenige gibt. Ihr kennt doch Bileam's Esel, der sprach, und man verstand ihn – aber dieser Hund sage ich Euch, sprach nicht und man verstand ihn dennoch! O wie viele sind da unter Euch, die sprechen wie Bileam's Esel und doch nicht verstanden werden! Wenn ich oft über den Werth der Geschöpfe Gottes nachdenke, mit Eifer nachdenke – o so wunderts mich, wie der Herr Jesus den Esel und nicht den Hund zu so viel Ehren erhoben hat; denn, meine Freunde, ihr wißt es ja wohl, der Herr ritt auf einem Esel – er war also ein Diener Gottes – ich bin auch einer und zwar ein doppelter – einmal als Consistorialrath, einmal als Euer Pfarrer – aber wie käm' ich zu so viel Ehren, daß der Herr auf mir ritte! O du dreimal glücklicher Esel! O geliebte Mitbrüder in dem Herrn, befleißiget euch doch eines guten Lebenswandels, und macht euch Gottes Gnade immer würdiger! –

Ich komme nun wieder auf den Hund. Er hieß Zephir – nun aber heißt Zephir ein leiser

[141] Wind, ein Wind, wie er im Früjahr über die Saatfelder streicht – sanft und gelinde also auch war dieser Zephir, sanft und gelinde wie ein leiser Wind, das heißt ein Wind, wie er im Frühjahr über die Saatfelder streicht, denn ein Sturm ist auch ein Wind – kein Magenwind – denn ein Magenwind ist auch ein Wind – aber prüfet, geliebte Zuhörer, ob es ein Zephir ist – prüfet nach der Mahnung des Apostels und das Beste behaltet!

Um aber endlich auf das Zahngeschwür selbst zu kommen, so roch es unerträglich: – aber auch ihr, Geliebteste, riecht oft unerträglich nach euerm Sündenwust, wenn ihr euch nicht reiniget durch das Einspritzen des heil. Beichtstuhls – und wie viele sind, die dieses thun?

Aber es wird eine Zeit kommen, eine Zeit, sage ich euch, wo euer Geschwür aufbrechen wird, unheilbar und zu eurer steten Marter, und wo ihr stinken werdet von jetzt an bis in Ewigkeit.


Amen.

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