598. Goldmariken und Goldfeder.
Es war einmal ein Edelmann, der hatte eine wunderschöne Tochter, die hieß Goldmariken. Einst wollten ihre Eltern ausfahren und da wollte Goldmariken gerne mit, aber die Eltern wollten es nicht haben. Da blieb Goldmariken allein zu Hause. Nachts aber, als sie wieder nach Hause wollten, verirrten sie sich in einem großen Walde und konnten sich gar nicht wieder zurechtfinden. Endlich begegnete ihnen ein großer Pudel. »Ich will euch wohl auf den rechten Weg bringen«, sagte der Pudel, »wenn ihr mir das geben wollt, was aus eurem Hause euch zuerst begegnet.« Da dachten die Eltern gleich an ihr liebes Goldmariken und fürchteten, sie möchte ihnen zuerst entgegenkommen; aber da das Wetter immer schlimmer ward und sie den Weg ganz verloren hatten, so willigten sie endlich ein und versprachen dem Pudel, was er verlangt hatte, denn sie dachten, vielleicht kommt unser Haushund auch zuerst an unsern Wagen. Nun waren sie bald zu Hause; aber die erste, die an ihren Wagen kam, war richtig doch niemand anders als Goldmariken. Da sprach der Pudel: »Jetzt gehört sie mir und nicht euch.« Aber die Eltern baten so viel, er möge sich alles andre nehmen und ihnen nur ihr liebes Goldmariken lassen; allein dem Pudel war es grade recht, daß er Goldmariken haben sollte; darum half kein Bitten etwas. Nur drei Tage wollte er Frist geben, dann würde er wiederkommen und sie abholen.
Goldmariken benutzte nun die Zeit, um von allen Verwandten und Bekannten Abschied zu nehmen; sie war bei all ihren Klagen ganz ruhig und zufrieden. Am letzten Abend sagte Goldmariken zu ihrer Mutter: »Nun will ich unserer alten Nachbarin auch noch Adjeu sagen.« »Meine [414] Tochter«, antwortete die Mutter, »was willst du doch bei der alten Frau tun?« »Ja«, sagte Goldmariken, »ich will und muß dahin.« Sie ging also hin und als sie da kam, sagte die Alte: »Fürchte dich nicht, mein Kind! ich will dich heute Abend, wenn du diese Nacht bei mir schlafen willst, das Wünschen lehren, daran sollst du dein ganzes Leben denken, und das wird dir viel nützen.« Goldmariken ward ganz froh und ging zu ihrer Mutter, um zu sagen, sie wolle diese Nacht bei der Nachbarin schlafen. Da sagte die Mutter: »Was willst du doch bei der Alten schlafen?« Aber Goldmariken hörte nicht darauf, sondern ging des Abends doch hin.
Sie gingen nun miteinander zu Bette, und als Goldmariken am andern Morgen aufstand, konnte sie alles hervorzaubern, was sie wollte. Sie dankte der Alten von Herzen, und hoffte nun durch ihre Kunst ihre Eltern sehen zu können, so oft sie wollte.
Als sie nun nach Hause kam, war der Pudel auch schon da, sie abzuholen. Goldmariken nahm Abschied von ihren bekümmerten Eltern, sagte aber nichts davon, daß sie das Wünschen gelernt hätte. Als sie aufs Feld kamen, sprach der Pudel: »Setze dich auf meinen Rücken, so will ich dich wohl zur Stelle bringen.« Goldmariken tat das, und es dauerte nicht lange, so kamen sie zu einem Hause, darin wohnten zwei Mädchen; da gingen sie hinein, und der Pudel verwandelte sich gleich zu einem alten Weibe, das war die Mutter von den beiden Mädchen. »Nun«, sprach sie, »habe ich drei Mädchen, daran ich mich ergötzen kann. Du, Goldmariken, sollst es recht gut bei mir haben, wenn du nur immer gehorsam bist.« Goldmariken versprach das und wenn die Alte sagte, Goldmariken, tue dies oder das, so konnte sie immer leicht damit fertig werden, denn sie wünschte sich nur immer alles zurecht.
Einst ging die Alte wieder als Pudel in den Wald; da fand sie einen jungen hübschen Mann, der hatte sich verirrt und hieß Goldfeder. Der Pudel sprach zu ihm: »Ich will dich hinausführen, wenn du mir versprichst, nachher zu mir zu kommen und bei mir zu bleiben.« Goldfeder antwortete, daß er nichts dazu sagen könne, denn er sei eines Königs Sohn und müsse zuvor erst mit seinem Vater sprechen. Endlich aber, da er sich gar nicht zurechtfinden konnte, mußte er doch ja sagen und dem Pudel versprechen, ihm zu gehören; da brachte der Pudel Goldfeder aus dem Walde an den Hof seines Vaters. Aber nach drei Tagen kam er wieder, um Goldfeder abzuholen. Der Vater wollte es nicht zugeben, mußte aber doch darein willigen, denn der Pudel sprach: »Goldfeder hat es selber zugesagt, und er muß Wort halten.« Da mußte Goldfeder mit und er kam nun dahin, wo Goldmariken war. Goldmariken sprach zu Goldfeder: »Nimm dich in acht vor der Alten, denn das ist keine Gute, und sie kann mehr als Brot essen, morgen sollst du gewiß Gras ummähen.« »Ja«, sagte Goldfeder, »das kann ich nicht, ich weiß nicht, wie ich das machen soll.« Am Abend sagte auch die Alte zu ihm: »Goldfeder, du könntest [415] eine Sense zurechtmachen, denn morgen sollst du Gras mähen.« Da ging Goldfeder und sagte: »Ich soll eine Sense zurechtmachen und verstehe es nicht.« »O«, sagte sie, »klopfe nur ein bißchen auf die Sense, dann wird sie bald fertig werden.« Das tat Goldfeder und die Sense war sogleich zurecht. Am andern Morgen sagte die Alte: »Goldfeder, gehe hin und mähe das Gras!« Er ging aber erst zu Goldmariken und fragte sie: »Wie fange ich das an? ich verstehe nichts davon.« Goldmariken antwortete: »Streiche du nur die Sense, daß es klingt, gegen die Zeit, wenn dir die Alte Essen bringt.« Nun ging Goldfeder auf die Wiese und legte sich erst nieder und schlief; zu der Zeit aber, als ihm das Essen gebracht werden sollte, strich er die Sense, daß es klang; da fiel alles Gras auf einmal um. Nun kam die Alte, und da sie sah, daß alles getan war, lobte sie ihn wegen seines Fleißes und versprach ihm, daß er es gut dafür haben sollte.
Am andern Tage sprach die Alte wieder zu Goldfeder: »Heute, mein Sohn, geh hin und mache ein Beil scharf, dann sollst du Holz hauen!« Er aber wußte wieder nicht, wie er ein Beil scharf machen sollte, ging darum wieder zu Goldmariken, um sich Rats zu holen. Diese sagte: »Nimm einen Stein und streich das Beil nur zwei-, dreimal darauf her und hin, dann wird es wohl scharf sein.« Goldfeder strich das Beil auf einem Stein zwei-, dreimal her und hin und in einem Augenblick hatte er es scharf. Bald darauf sagte die Alte: »Nun geh in den Wald und hau mir Holz!« Er ging, aber er konnte gar nichts abkriegen. Endlich kam Goldmariken und brachte ihm Frühstück. »Ach«, sagte er, »du mußt mir doch wieder helfen, denn ich verstehe das Holzhauen nicht!« »Ja«, sagte sie, »ich soll dir immer helfen und du hilfst mir nie!« »O, süßes Goldmariken«, antwortete Goldfeder, »glaube mir, ich will dich auch immer lieb haben und nie verlassen, so lange nur noch ein Tropfen warmes Blut in mir ist. Hilf mir nur auch diesmal aus der Not!« »Nun denn«, sagte sie, »so kehre nur das Beil um und schlage an den Baum!« Da lag in einem Augenblick alles Holz umgehauen. Mittags als die Mutter kam, wunderte sie sich, daß er so fleißig gewesen sei, lobte ihn und versprach ihm, daß er es auch ferner gut haben solle. Als Goldfeder nun Abends nach Hause kam, legte er sich auf sein Bette und dachte viel an seine Eltern, aber mehr noch an Goldmariken.
Am andern Morgen sprach die Alte: »Du kannst wohl einige Harken zurecht machen, denn heute sollt ihr das Heu kehren und eintragen.« »Mutter«, sagten die Töchter, »wie sollen wir das Heu eintragen? das geht doch wohl nicht an.« »Ja«, sagte sie, »das soll geschehen und ihr müßt es tun!« Da ging Goldfeder hin, und nachdem Goldmariken ihm geholfen, waren die Harken fertig. Als nun die beiden Töchter mit Goldfeder hinaus auf die Wiese gingen und auch Goldmariken kam, sagte Goldfeder leise zu ihr: »Wie sollen wir nun das Heu eintragen?« »Nimm du nur«, sprach sie, »wie ich es mache, einen Stock auf den Nacken; [416] dann wird das Heu schon einkommen.« Als nun die beiden Töchter mit ein wenig Heu voraufgingen, so nahmen Goldmariken und Goldfeder ihre Stöcke auf den Nacken und alles Heu kam hinter ihnen her, und bald hatten sie es da zusammen, wo es liegen sollte. Da kam die Alte und lobte Goldfeder und die andern, daß sie alle so fleißig gewesen waren.
Nun sollte er am Tage darauf das Holz nach Hause tragen. Als er aber hinging, konnte er gar wenig fort bringen und war gleich müde; da klagte er es wieder Goldmariken. Die aber sprach: »Mache es nur so wie beim Heu«, und als Goldfeder das tat, war gleich alles Holz nach Hause. Nun sprach die Alte: »Mache jetzt auch einige Spaten zurecht, denn morgen sollst du Lehm graben, und mache auch Formen zu Mauersteinen, denn du sollst mir welche Lehmsteine streichen.« Goldmariken mußte ihm wieder helfen, da waren Spaten und Formen bald fertig, und als er nun Lehm graben sollte und er nichts herausbringen konnte, kam Goldmariken und sagte ihm, er sollte nur tüchtig mit dem Spaten stoßen, dann würde Lehm genug herausfliegen. Als Goldfeder nun mit der Arbeit fertig war, da kam die älteste der Töchter und lobte ihn gar sehr; aber Goldmariken sprach: »Ihr lobet mir ihn allzuviel, ich habe doch auch mitgearbeitet.« Aber die Tochter meinte, Goldfeder verdiente noch viel mehr Lob. »Das bedeutet nichts Gutes für mich«, sagte Goldmariken zu Goldfeder, als jene nachher weggegangen war, »daß sie dich so sehr lobte«; aber Goldfeder antwortete: »Ich will dir ganz gewiß treu bleiben, liebes Goldmariken, so lange ich lebe.« Als jetzt die Alte kam, sagte sie, er solle nun Lehmsteine streichen. Goldfeder tat das, und als sie trocken waren, sollte er sie nach Hause schaffen, aber sie waren ihm viel zu schwer. Da ging er wieder zu Goldmariken, sich Rats zu holen. »Du bist doch recht ein Dummerjan«, sagte sie, »ich habe es dir ja so oft gesagt, du solltest nur einen Stock auf den Nacken nehmen, dann würde alles wohl nachkommen.« Goldfeder nahm einen Stock auf den Nacken und alle Steine folgten ihm. Nun sprach die Alte: »Verstehst du auch einen Ofen zu bauen?« »Nein«, sagte er, »aber ich will mir Mühe geben.« Goldfeder machte sich ans Werk, konnte aber weder Lehm zurecht machen, noch die Steine legen; er ging also wieder zu Goldmariken, daß sie ihm aus der Not hülfe. »O, du verstehst auch nichts«, antwortete sie, »nimm einen Stock und schlage in den Lehm, dann wird er wohl was taugen, und beim Mauern kannst du ja nur ein bißchen auf einen Stein pinkern, dann wird der Ofen wohl fertig!« Während der Arbeit kam die Alte, um nachzusehen, und als er fragte, ob sie zufrieden sei, bejahete sie es. Aber als er fertig war, kam Goldmariken zu ihm und sprach: »Wir müssen uns nun bald reisefertig machen, denn ich habe die Alte sagen hören, daß wir ihr zu klug würden, und wenn der Ofen fertig sei, wir darin sollten gebraten werden.« Aber ich sage dir, Goldfeder, wenn dir dein Leben lieb ist, so verlasse mich nicht, denn du allein vermagst nichts gegen sie. Morgen will sie dich ruhen lassen, um dich übermorgen zu braten, [417] darum sei auf deiner Hut. Goldfeder wurde ganz bange, es kam aber so, wie Goldmariken gesagt hatte. »Morgen«, sagte die Alte zu ihm, »kannst du ausruhen.« Aber ganz frühe, da es eben Tag ward, stand Goldmariken auf und weckte Goldfeder. Sie machten sich schnell reisefertig, und als sie davongehen wollten, spukte Goldmariken ihre Kammertür zweimal an auf beiden Seiten und sprach: »Wenn die Alte mich zum ersten Male ruft, dann antwortest du, ich komme, und ruft sie zum zweiten Male, so antwortest du, ich komme gleich.« Morgens schrie die Alte nun nach Goldmariken; da antwortete die Tür aus der Kammer: »Ich komme!« Als sie aber zum zweiten Male rief, antwortete die Tür aus der Küche: »Ich komme gleich!« aber niemand kam. Da stand die Alte endlich auf, sah in der Kammer und in der Küche nach; da waren Goldmariken und Goldfeder fort. Nun weckte sie schnell ihre beiden Töchter und sprach: »Stehet auf, Goldfeder und Goldmariken sind fort und ihr müßt ihnen nach! Gehe du zuerst«, sprach sie zu der jüngsten, »am Abhange vor dem blauen Berge steht ein Rosenbusch mit einer verdorrten Rose, die mußt du auf jeden Fall abpflücken und mir bringen!« Die Tochter ging und eilte den Flüchtlingen nach. Diese waren schon eine gute Strecke gegangen, endlich aber sprach Goldmariken zu Goldfeder: »Tritt mir auf den linken Fuß und sieh mir über die rechte Schulter, ob auch jemand kommt!« Da sprach Goldfeder: »Die jüngste Tochter der Alten kommt uns nachgelaufen!« Goldmariken sagte: »So will ich mich zu einem Rosenbusch und dich zu einer verdorrten Rose machen, aber laß dich ja nicht abbrechen und stich tüchtig; denn bricht sie dich ab, so sind wir beide verloren!« Als nun das Mädchen an den Busch kam, wollte sie die Rose abpflücken, aber die stach so sehr, daß sie davon abstehen mußte. Da ging sie wieder nach Hause, aber von ihrer Mutter bekam sie viel Ausschelte, daß sie so dumm gewesen wäre. Dann sprach die Mutter zu der ältesten Tochter: »Nun gehe du aus, und wenn du über den blauen Berg kommst, so steht da eine weiße Kirche, darin steht ein Prediger auf der Kanzel, den fasse bei der Hand an und nimm ihn mit!« Goldmariken und Goldfeder waren unterdes weiter gegangen, bald aber sprach Mariken wieder: »Tritt mir auf den linken Fuß und sieh mir über die rechte Schulter, ob uns auch jemand nachkommt!« »Ja«, sagte Goldfeder, »die älteste Tochter kommt!« »So will ich«, sprach Goldmariken, »mich in eine Kirche und dich in einen Prediger verwandeln, aber laß dich ja nicht anfassen, denn sonst sind wir verloren!« Nun kam die älteste Tochter und ging in die Kirche, aber zu der Kanzel konnte sie nicht kommen und mußte so wieder zu Hause. Nun aber ward die Alte schrecklich böse und lief gleich selbst fort. Da sprach Goldmariken wieder zu Goldfeder: »Tritt mir auf den linken Fuß und sieh mir über meine rechte Schulter, ob uns auch jemand nachkommt!« »Ja«, sagte Goldfeder, »nun kommt die Alte selbst!« »So will ich mich zu einem Teiche, dich aber zu einer Ente machen; aber ich sage dir, Goldfeder, laß dich nicht[418] an die Kante locken, daß sie dich fassen kann, ihre goldnen Ringe aber, die sie hinwerfen wird, dich zu fangen, die nimm, wenn du sie ohne Gefahr kriegen kannst!« Nun kam die Alte zum Teiche und lockte die Ente, die immer darauf herum schwamm. Sie warf ihre goldenen Ringe einen nach dem andern hinein, aber die Ente ließ sich nicht dadurch verführen, bis die alte Hexe zuletzt keinen Ring mehr hatte; da ward sie so böse, daß sie den Teich austrinken wollte, und da legte sie sich nieder und trank so lange bis sie zerplatzte. Nun nahmen Goldmariken und Goldfeder ihre wahre Gestalt wieder an und schwuren einander ewige Treue und daß sie sich nie verlassen wollten; von der Alten aber hatten sie nun nichts mehr zu fürchten.
Nach langer Wanderung kamen sie endlich in die Stadt, wo Goldfeders Vater wohnte und König war. Als sie nun vor das Schloß kamen und Goldfeder hinein wollte, sagte Goldmariken zu ihm: »Höre, Goldfeder, ich bitte dich nur um eins, damit du mich nicht, wenn du in deines Vaters Haus kommst, vergißt und mich nicht hier draußen auf dem breiten Stein stehen läßt: hüte dich davor, daß dir jemand einen Kuß gibt; dann hat's keine Not, daß du mich sobald vergißt.« Goldfeder versprach das und dachte der Warnung, als er ins Haus kam und Vater und Mutter ihm entgegeneilten und ihn begrüßen wollten; er küßte sie nicht. Als er aber in die Stube trat, da war da seine alte Braut, die hieß Menne; sobald die ihn sah, sprang sie voll Freuden auf, lief auf ihn zu und hatte ihn geküßt, ehe er sich's versah. Da war ihm in einem Augenblicke sein Goldmariken aus dem Sinne. Das stand lange draußen auf dem breiten Stein und wartete, daß er sie einholen sollte; als aber niemand kam, da weinte sie noch erst lange Zeit; dann aber, als sie sich ausgeweint hatte, ging sie fort, mietete ein kleines hübsches Haus, dem Schlosse gegenüber, und gab sich für eine Nähterin aus. Da wohnte sie von nun an ganz allein, nur ein paar Tauben waren stets zur Gesellschaft bei ihr in der Stube, und auf dem Grasplatz hinterm Hause hatte sie ein kleines Kalb gehen, das fütterte sie tagtäglich und hatte ihre Freude daran, es groß zu ziehen. Weil sie aber so geschickt im Nähen war, so bekam sie bald Arbeit vollauf; kein Mädchen, sagte man, in der ganzen Stadt wüßte es feiner und zierlicher zu machen, als Goldmariken.
Nun hatten die jungen Herren vom Schlosse und in der Stadt aber es auch bald herausgebracht, was Goldmariken für ein hübsches Mädchen sei, und sie wären gerne mit ihr genauer bekannt geworden. Aber Goldmariken kehrte sich nicht an sie und sah gar nicht von der Arbeit auf, wenn sie immer vor ihrem Fenster auf und nieder gingen. Da waren nun drei Brüder unter den Hofleuten auf dem Schlosse, die waren vor allen in Goldmariken verliebt. Sie baten endlich ihre Mutter um etwas feine Leinwand, Goldmariken mache so niedliche Arbeit, sie wollten sich von ihr welche Kragen nähen lassen. Der älteste ging zuerst hin, sagte Goldmariken guten Tag und setzte sich nieder und sprach mit ihr. »Morgen [419] Abend könnt Ihr Eure Kragen holen«, sagte Goldmariken. Als er nun am andern Abend wieder kam, um die Kragen zu holen, da bat sie ihn, noch ein wenig zu bleiben; und so blieb er auch bis Bettzeit. Da wollte er wieder fort; aber Goldmariken sagte: »Ihr könnt auch gerne diese Nacht bei mir bleiben.« Damit war der junge Mann ganz zufrieden. Als Goldmariken aber zu Bette wollte, hieß sie ihn hingehen und die Haustür zuschließen, und als er das Schloß anfaßte, rief sie:
Mann an Schloß und Schloß an Mann,
Daß ich geruhig schlafen kann.
Da saß er an der Tür fest und mußte die ganze Nacht da stehen bleiben. Morgens aber, als Goldmariken aufgestanden war, fiel es ihr ein, daß er da noch stehe, und sie sagte:
Mann vom Schloß und Schloß vom Mann,
Daß er hereinkomme und sich für ruhigen Schlaf bedank.
Da kam er herein, dankte für den ruhigen Schlaf, nahm seine Kragen, mit denen er sehr zufrieden war, und ging. Zu Hause aber sagte er nichts. Aber der jüngere Bruder sprach: »Heut Abend muß ich hin.«
Abends ging der nun zu Goldmariken und sagte: »Ich wünsche gerne welche Kragen genäht zu haben, wie mein Bruder sie bekommen hat.« »Das kann auch angehen«, sagte Goldmariken, »sitzt nur ein wenig nieder und verweilt euch.« Der Abend ging nun so hin, Goldmariken nähte und sie sprachen miteinander; aber um Bettzeit wollte er fortgehen. Da sagte sie auch zu ihm, daß er diese Nacht gerne bei ihr bleiben könnte. Als sie aber zu Bette wollte, sprach sie: »Ich habe ganz vergessen, die Gartentür zuzumachen; wollt Ihr nicht so gut sein und das für mich tun?« »Recht gern«, sagte der junge Mann und lief schnell hin. Als er aber den Ring an der Tür angefaßt hatte, rief sie:
Mann an Ring und Ring an Mann,
Daß ich geruhig schlafen kann.
Da konnte er nicht loskommen und mußte die ganze Nacht da stehen bleiben, bis Morgens Goldmariken aufstand und sagte:
Mann vom Ring und Ring vom Mann,
Daß er hereinkomme und sich für ruhigen Schlaf bedank.
Dann ließ der Ring los und er kam herein und bedankte sich für ruhigen Schlaf.
Als er nun mit seinen Kragen nach Hause kam, fragte ihn sein ältester Bruder gleich: »Wo hast du diese Nacht gestanden?« »Was?« antwortete er, »ich habe geschlafen.« »Das ist nicht wahr«, sagte jener, »sage mir, wo du gestanden, so sage ich dir, wo ich gestanden habe.« Da sagte er: »Ich habe bei der Gartentür gestanden.« »Und ich bei der Haustür«, sagte der andre; nun aber machten es die beiden untereinander ab, ihrem jüngern Bruder nichts davon zu sagen, damit er auch angeführt werde.
[420] Der jüngste Bruder ging am Abend hin. »Guten Abend, Goldmariken«, sprach er, »willst du mir nicht ein paar Kragen nähen, wie meine Brüder welche bekommen haben, aber wo möglich noch hübscher als sie?« »Herzlich gern«, antwortete Goldmariken, »setze dich nur ein wenig nieder und warte.« Als nun der Abend zu Ende war, bat sie ihn auch, die Nacht bei ihr zu bleiben. Das wollte er gar gerne. Aber als Goldmariken zu Bette wollte, so sprach sie: »Ach, mein Kalb ist noch nicht getüddert, es geht auf dem Hofe, tu mir den Gefallen!« »Mit Freuden«, sagte er und lief hinaus. Als er aber das Tau anfaßte, sprach sie:
Mann an Tau und Tau an Mann,
Daß ich geruhig schlafen kann.
Da lief das Kalb mit ihm über Stock und Block und durch Dick und Dünn die ganze Nacht hindurch. Am andern Morgen erinnerte Goldmariken sich, daß der junge Mann noch mit dem Kalbe herumliefe, und sagte:
Mann vom Tau und Tau vom Mann,
Daß er hereinkomme und sich für ruhigen Schlaf bedank.
Nun kam er herein, dankte für ruhigen Schlaf und freute sich sehr über seine Kragen, die noch viel schöner waren, als die seiner Brüder. Als er nach Hause kam und seine Brüder ihn fragten, gestand er aber nicht, daß er die ganze Nacht mit dem Kalbe herumgelaufen wäre.
Während dieser Zeit war es so weit gekommen, daß Goldfeder mit Menne Hochzeit geben sollte. Als nun der Wagen mit dem Brautpaar vom Schloß herunterkam und bei Goldmarikens Fenstern vorbeifahren wollte, da wünschte sie, daß er sogleich vor ihrer Tür in einen tiefen Morast versinken sollte. Der Wagen blieb stecken und Pferde und Menschen konnten ihn nicht von der Stelle bringen. Da ward der alte König sehr verdrießlich und befahl mehr Pferde vorzuspannen und daß mehr Menschen anfassen sollten; aber es half alles nichts. Unter der Dienerschaft, die den Bräutigam zur Kirche begleiten sollte, waren nun auch die drei Brüder. Da sprach der älteste von ihnen zu dem König: »Herr König, hier in dem kleinen Hause wohnt ein Mädchen, die kann wünschen, was sie will; gewiß hat sie den Wagen hier festgewünscht!« »Woher weißt du das denn, daß sie das kann?« sagte der alte König. Er antwortete: »Sie hat mich einmal an die Tür gewünscht und da habe ich eine ganze Nacht daranstehen müssen!« »Ja«, sprach der zweite Bruder, »aber wenn sie einen festgewünscht hat, so wünscht sie ihn auch wieder los.« »Und woher weißt du das?« fragte der König. »Ich habe einmal die ganze Nacht an ihrer Gartentür stehen müssen, aber am Morgen hat sie mich wieder freigemacht.« Da wollte der alte König schon zu Goldmariken hineinschicken, aber der jüngste Bruder sprach: »Herr König, das Mädchen hat auch ein Kalb, das hat Kräfte für zehn Pferde; laßt den Bräutigam zu ihr hineingehen und sie bitten, es uns zu leihen; so wird der Wagen schon loskommen.« »Ja«, sagte der Bräutigam, »das will ich schon [421] tun«, stieg aus dem Wagen und ging zu Goldmariken, und bat sie ganz freundlich, ihm ihr Kalb zu leihen; denn er hätte gehört, es hätte so viele Kräfte. »Ja«, antwortete sie, »das Kalb könnt Ihr gerne nehmen, aber Ihr müßt mir versprechen, daß ich noch mit zur Hochzeit geladen werde und meine beiden Tauben auch.« Der Bräutigam versprach ihr das, und als nun das Kalb vorgespannt ward, zog es den Wagen ganz leicht heraus.
Als die beiden jungen Leute nun nach der Trauung nach Hause kamen und viele Gäste sich versammelt hatten, da kam auch Goldmariken mit ihren beiden Tauben. Sie ward ganz freundlich empfangen und in den Saal geführt; ihre Tauben aber blieben immer bei ihr und saßen ihr auf beiden Schultern. Nun ging es zu Tische und köstliche Gerichte wurden aufgetragen, man setzte auch Goldmariken davon vor, aber sie rührte keinen Bissen an und saß ganz stumm und traurig. Da wunderten sich die Leute darüber, daß das schöne Mädchen so traurig sei und nichts von den Speisen anrührte; als man sie aber darum fragte, da antworteten die Tauben:
Täubchen, Täubchen mag nicht essen,
Goldfeder hat Goldmariken auf dem Stein vergessen.
Das hörte der Bräutigam und er befahl den Dienern, ihr noch einmal, und zwar noch köstlichere Speisen vorzusetzen; aber Goldmariken rührte nichts an und die Tauben sagten:
Täubchen, Täubchen mag nicht essen,
Goldfeder hat Goldmariken auf dem Stein vergessen.
Da ward der Bräutigam ganz nachdenklich, sah Goldmariken einmal recht genau an und erkannte sie. Dann sprach er zu seiner Braut: »Liebe Braut, du mußt mir doch eine Frage beantworten. Ich habe einen Schrank, dazu habe ich zwei Schlüssel, einen alten, den ich einmal verloren, nun aber wiedergefunden habe, und einen neuen, den ich mir für den alten, als er verloren war, anschaffte. Sage mir nun, welchen ich zuerst nehmen und gebrauchen soll, den alten oder den neuen?« Da antwortete sie: »Den alten mußt du erst brauchen!« »Nun«, sagte er, »so hast du dein eigen Urteil gesprochen, denn dies ist mein liebes Goldmariken, mit der ich Freud und Leid bei der alten Hexe im Walde geteilt habe, die mir allezeit half und mich gerettet hat, und der ich ewige Treue geschworen.« Da mußte Menne von Goldfeder abstehen und alle Leute, ihre und seine Eltern sagten, daß keine es auch mehr verdient hätte, seine Frau zu werden, als Goldmariken. So gaben sie denn miteinander Hochzeit und lebten viele, viele Jahre glücklich.
Aus Puttgarden auf Fehmarn. Es ward ergänzt aus dem übereinstimmenden dithmarschen Märchen von Hedreetjen und Sedreetjen: H.u.S. sind zwei Königskinder, früh füreinander bestimmt usw. Die Hexe hat eine Schachtel, wer hineinsieht, kann alles sehen und wünschen; Sedreetjen stiehlt sie, sie entweichen usw. Man vergleiche Grimms Kinder- und Hausmärchen Nr. 56. 113.