4.

Bertha Reventlow gebar dem Grafen Alf einen Sohn, aber obwohl ihm ihre Brüder ernstliche Vorstellungen machten, ließ er das Mädchen in Schande und heiratete sie nicht. Dieser Schimpf ihres Geschlechtes trieb die Brüder zu Drohungen; aber der Graf ward nur dadurch erbittert. Unter dem Scheine der Freundschaft und Versöhnlichkeit lud er sie zu einem Gastmahl ein, ließ vorher das Kind töten und es dann den Oheimen vorsetzen, darauf aber unter einer verdeckten Schüssel den blutigen Kopf auftragen.

Hartwig Reventlow war einer der Brüder Berthas und Oheim des gemordeten Kindes; er beschloß Rache zu nehmen. Nachdem er einem Jäger des Grafen im Walde seine Kleider genommen und sich angetan hatte, ließ er ihn an einen Baum gebunden zurück und kam so, da es noch frühe vor Tage war, unerkannt auf die Burg bis an des Grafen Schlafkammer. Der Knabe öffnete ihm die Tür; – es soll sein eigner Sohn gewesen sein, andre sagen aber des Grafen; – er stach ihn nieder, damit kein Lärm entstünde, und durchbohrte darauf den Grafen, der noch [21] schlafend im Bette lag, mit seinem Hirschfänger. Zur Sühne des Mordes haben Hartwig Reventlow und seine Brüder eine Kapelle bei Segeberg errichtet, wo lange am stillen Freitage den Armen Speise und Trank gereicht ward; sie soll die Berthakapelle geheißen haben.

Mündlich aus Segeberg durch Mommsen, und nach zerstreuten Notizen.

Fußnoten

1 Wir teilen hier alle vorhandenen Versionen der Sage mit, weil kein andres Beispiel so lehrreich und bestätigend für das Dasein eines lebendigen Volksgesanges ist.

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