[127] An meine Seele

Was wirst du noch wollen,
du ewig begehrende,
wohin du noch fliegen,
du sturmwindwilde!
Die in Erkenntnis du
rein dich badetest,
die du des Schaffens
heiligen Wahnsinn kostetest,
die du der Macht
überweltliche Freuden ahnetest,
die du von Strömen der Liebe
quollest und duftetest!
War dir ein Lohn je genug?
Hielt dich ein Ziel je zurück?
Gleich wie der Wind tagaus, nachtein
um den rollenden Ball
seine ruhlosen Fittiche regt,
nicht über Meeren rastend,
nicht auf der Berge Haupt,
ewig wechselnder Wolke
Former und Feger –
gleich wie sein Odem
des Pols und der Wüste
streitende Lüfte sind
und der Blitze Herden
ein Spiel seiner Lust –
[128]
so bist du, meine sturmwilde Seele,
ein ewiger Odem,
ein schwangerer Weltwind,
ein Schoß von Gewittern!
Oh du meine Seele,
die du in tausend Herzblutquellen
durch den Ring äonischer Alter
heran, herauf wuchsest bis zu mir,
du wie die Menschheit uralte Seele,
du, deren zahllose Wurzeln
saugend die ganze Erde umklammern,
schwankend vor Glück
schreit' ich mit deiner lieben Last
und kann noch nicht fassen,
daß grade ich
dein Werk, deine Frucht.

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