Der Spatz

Laß schimpfen sie und lästern,
Uns knickt es nicht den Spaß,
Der Kieselwurf von gestern
Traf nur das Fensterglas –
Du schilpst dein freches Liedchen,
Ich hör' dir lachend zu,
Und streue dir die Krümel,
Mein grauer Hausfreund du!
Sind vogelfrei wir beide,
Geächtet und gebannt –
Wer tat uns was zu Leide,
Der keine Rache fand?
Den feigen Lästermäulern
Die Klinge ins Gesicht,
Du tust noch ganz was andres,
Doch das erzählt man nicht.
Bekümmernis und Sorgen
Sind nicht für uns gemacht,
Droht Blitz und Donner morgen,
Wird heute doch gelacht,
Solang noch Kirschen schwellen
Und Wein die Reifen drückt
Und Mädchenlippen blühen,
Das Auge lustig blickt.
Und wenn die Stürme tosen
Und Schnee das Dach umtreibt –
Wir brauchen keine Rosen,
Genug uns übrig bleibt:
Ein molligwarmes Nestchen,
Atzung und frischer Trank,
Ein rundes weiches Liebchen
Und unverfrorner Sang!

Münster, Februar 1890

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