[191] Die fünfte Abhandlung.
Der Schau-Platz stellet für des Käysers Zimmer.
Kiosem. Ibrahim. Capachi-Bachi.
KIOSEM.
So fleht die Mutter dich / mein Kind / vergebens an?
IBRAHIM.
Wer Bitt-loß nicht wil seyn / heischt / was man geben kan.
KIOSEM.
Begnadigung ist ja das Kleinod grosser Fürsten.
IBRAHIM.
Die sind der Knechte Knecht / die nie nach Rache dürsten.
KIOSEM.
Die Gütte stützt den Thron / die Schärffe reisst ihn ein.
IBRAHIM.
Der Boßheit Straffe muß der Zepter Seule seyn.
KIOSEM.
Wer allzu strenge strafft / kriegt eines Wüttrichs Nahmen.
IBRAHIM.
Wer durch die Finger siht / pflantzt selbst der Laster Saamen.
KIOSEM.
Der Himmel sämet Frucht durch linden Thau aufs Land.
IBRAHIM.
Der Reif und Schnee gebiehrt Erhaltung und Bestand.
KIOSEM.
Ein Fürst muß wie ein Strauß oft Schuld und Stahl verdäuen.
IBRAHIM.
Oft / wie ein Adler thut / mit Aug und Klauen dreuen.
KIOSEM.
Ja dreun / doch den nicht bald zermalmen / der wo irrt.
IBRAHIM.
Durch Blitzen ohne Schlag / wird Boßheit nur gekirrt.
KIOSEM.
Ein Fürst macht sich hierdurch bey Bösen selbst beliebet.
IBRAHIM.
Schafft: daß man sonder Furcht noch ärgre Thaten übet.
KIOSEM.
Fürst Amurath gewann viel durch verziehne Schuld.
IBRAHIM.
Er strafte Missethat mit mehrer Ungeduld.
KIOSEM.
Er schickte statt des Stricks dem Mechmet Gerci Gaben.
137IBRAHIM.
Weil diesen Tarter Er zum Freunde muste haben.
KIOSEM.
Der Abaßa bekam für Aufruhr Schwerdt und Kleid.
138IBRAHIM.
Er drückt ein Auge zu sich schickend in die Zeit.
KIOSEM.
Mein einig Wortt erbat des Caimecan Leben.
139IBRAHIM.
Bustaims schlechte Schuld must Halß und Kopf hergeben.
140KIOSEM.
Des Mufti Fehler gleicht Bustaims Diebstal nicht.
IBRAHIM.
Sag: ob / wer die Person verletzt / nicht mehr verbricht?
KIOSEM.
Sein schon-gestraftes Kind hat mehr / als er verbrochen.
IBRAHIM.
Wir haben über ihn zu wenig noch gesprochen.
KIOSEM.
Die Würde seines Ampts macht's Urthel allzu scharf.
IBRAHIM.
Was nimmts ihm: daß er nicht den Käyser sehen darf?
KIOSEM.
Der Pöfel lernt hierdurch sein Ampt verächtlich halten.
[192]IBRAHIM.
Die Mufti haben schon oft müssen gar erkalten.
KIOSEM.
Wie hoch entschuldigte beym Sultan Amurath
Der Cham des Mufti Tod?
141IBRAHIM.
Fürst Amurath selbst hat
Des Mufti Sohn /
142 als er des Vaters Aussenbleiben
Entschuldigt / Augenblicks befohlen aufzureiben;
Hierauf den Mufti selbst ohn andre Schuld erwürgt /
Kurtz: eines Fürsten Heil wird sicher nicht verbürgt
Als durch der Grossen Tod / die sich beschuldigt achten.
Die / wo sie selbst gleich nicht auf Rach und Eyfer trachten /
Doch in des Fürsten Brust Verdacht und Furcht gebehrn.
Zu dem läßt sich im Staat der kalte Brand nicht wehrn /
Der schon ein Glied steckt an. Man muß das Glied absegen /
Eh sich Muthmassung nur des Krebses wil erregen;
Fürnemlich / wo diß Gift wil Glieder stecken an /
Die nah am Hertzen sind. Ein giftig Mah-Haupt kan
Einschläffen ein gantz Reich / sein Haupt gantz übersteigen
Im Fall sichs zeitlich nicht muß für der Sichel neigen.
Die Richtschnur leitet uns nun auf den fästen Schluß:
Daß heute diesen Tag noch Mufti sterben muß.
CAPACHI.
Der Mufti / grosser Fürst / dringt mit geharnschten Schaaren
Des Sultans Zimmer zu.
IBRAHIM.
Gibt von den Janitscharen
Ihm keiner nicht den Rest? daß man den Hund abthu!
CAPACHI.
Die Janitscharen falln dem Mufti selber zu;
Ja leisten willig ihm Gehorsam auf sein Wincken.
IBRAHIM.
Die Hunde sämtlich solln so tief in Kwal versincken /
So hoch ihr Frevel ist! was aber sucht der Hund?
CAPACHI.
Er selbst wil sein Begehrn dem Sultan machen kund.
MUFTI.
Ich schwer's beym Mahumed; er sol am Strang ersticken.
KIOSEM.
Man muß sich in die Zeit vernünftig lernen schicken.
Mufti. Ibrahim. Kiosem. Achmet. Selictar Aga. Nasuf. Piali Bassa. Kara Chiaus. Drey Cadileschier. Janitscharen.
IBRAHIM.
Wer gibt dir Hund die Macht zu dringen ins Gemach?
Ist dir's Verbott entfalln?
MUFTI.
Der Sultan gebe nach:
Daß ich für Reich und Volck mög ihre Noth fürtragen.
IBRAHIM.
Daß unser Blitz euch nicht stracks sol in Abgrund schlagen!
[193]KARA.
Der Käyser zäume sich / es ist des Divans Schluß /
Der Janitscharen Heiß diß / was er reden muß.
IBRAHIM.
Was hat der Thoren Schaum dem Käyser fürzuschwätzen?
MUFTI.
Daß er den Groß-Visier den Achmet ab sol setzen.
Auf Sekierperen / die nur durch Missethat
Und schlimme Kuplerey so viel gesammlet hat /
Als kaum ein Fürst vermag / Gesetz und Straffe schärffen /
143Ihr Raub-Gutt ziehen ein / sie selbst ins Meer wegwerffen.
IBRAHIM.
So hebt die Ferse sich itzt übers Haupt empor?
CADILESCHIER.
Kein Fürst versagt mit Fug dem Volcke nicht sein Ohr.
IBRAHIM.
Mit minderm Ruhm läßt er den Pöfel ihm gebitten.
MUFTI.
Uns ist fürs Reiches Heil zu sorgen unverschnitten.
IBRAHIM.
Des Volckes blinde Folg ist unsers Reiches Heil.
CADILESCHIER.
Der Divan hat nebst dir im Herrschen auch ein Theil.
IBRAHIM.
Ein Knecht kan andre Knecht und Diener nicht verwerffen.
MUFTI.
Ein Sclave mag fürs Heil des Volckes Schwerdter schärffen.
IBRAHIM.
Was ist: das man mit Fug am Achmet schelten kan?
CADILESCHIER.
Er führt den Ibrahim zu bösen Lüsten an.
IBRAHIM.
Welch Sclave wirft sich auf zum Richter unser Sitten?
MUFTI.
Das Volck schillt den / der macht: daß oft der Fürst geglitten.
IBRAHIM.
Der's Reiches Grundstein ist / dem mißt man Gleiten bey?
MUFTI.
Mein Kind lehrt: wie der Fürst so sehr gefallen sey.
IBRAHIM.
Hab ich / du Hund / hier Schuld / warumb sol Achmet bissen?
MUFTI.
Weil Achmet hat mein Kind zur Unzucht weggerissen.
IBRAHIM.
Wer / was sein Herr heißt / thut / ist Lohn- nicht Straffens werth.
CADILESCHIER.
Des Stricks / wer seinen Sinn zu geiler Unzucht kehrt.
IBRAHIM.
Er sol Trotz Heer und Volck so Würd als Ampt behalten.
CADILESCHIER.
So sol er mit mehr Schimpf in Würd und Ampt erkalten.
IBRAHIM.
Seyd ihrs / ihr Hunde / die ihr offnen Aufruhr spinnt.
KIOSEM.
Der Käyser nehme wahr: daß sie nur Bothen sind /
Die / was so Heer als Volck begehrt / eröfnen müssen /
Inzwischen dienet nicht solch eyfriges Entschlüffen
Wenn Rath und Janitschar und Pöfel sich lehnt auf.
Der Pöfel ist ein Strom / der durch unhaltbarn Lauf
Durch Felsen-Ufer bohrt / und dar am meisten wüttet /
Wo man umb seine Flutt zu hemmen Thämme schüttet.
[194] Der Aufruhr ist ein Dampf / der Aug und Ohr versehrt:
Daß man kein heilsam Wort nicht seines Schutzherrn hört /
Des Fürsten Göttlich Bild für einen Wolf ansihet /
Der uns durch seinen Schirm zu fressen sey bemühet.
Hierwider kan nun nichts als Sanftmuth Pflaster seyn.
Denn / wer hier Ernst gebraucht / flößt Oel ins Feuer ein.
IBRAHIM.
Sol Ras- und Wüttenden ein Fürst noch Pflaumen streichen?
KIOSEM.
Wer hält für Klugheit nicht des Feindes Pfeil außweichen?
Du kennst den Janitschar und seine Raserey.
Und daß der Schwarm das Blutt ins Reiches Körper sey /
Das / wenn es siedet auf / den gantzen Leib anzündet /
Ja Hertz und Haupt ersteckt.
IBRAHIM.
Sol / wenn ein Knecht sich findet /
Den Aberwitz verwirrt / sein Herr ihm geben nach?
KIOSEM.
Wenn viel / nicht einer tobt / muß man des Aufruhrs Bach
In kleine Rinnen theiln / ein Theil auf seine Seite
Vor bringen / eh man strafft. Der Sultan Machmet leite
Dich auf der rechten Weg; der ihnen liefern ließ
Des Capi Aga Kopf / die Mutter selbst verstieß
144Nur diesen Schwarm zu stilln.
IBRAHIM.
Hältstu für keine Sünden
So lohnen Treu und Dienst / die uns die Hände binden.
KIOSEM.
Denn kommt des Dieners Treu erst zur Vollkommenheit /
145Wenn er fürs Fürsten Heil sein Blutt zum Opfer weiht.
Fürst Amurath must auch
146 von dem erzürnten Hauffen
Mein / seiner Mutter / Haupt so wohl mit Golde kauffen /
Als seinen treusten Knecht den Machmet Gurguin
Den wilden Janitscharn zur Kühlung geben hin /
Ja selbst bestürtzt schaun an / wie auß ergrimmten Wütten
Ihm Aug / Ohr / Nase / Zung und Kopf ward abgeschnitten.
IBRAHIM.
Muß Ibrahim auch irrn / wie Amurath gefehlt?
KIOSEM.
Wie unvorsichtig hat Fürst Oßman nicht gewehlt /
Zu einem Untergang ihm selbst den Sarch gebettet /
Und durch den Dilaver
147 den Chißler nicht errettet /
Als er den Janitscharn hat beyder Kopf versagt.
IBRAHIM.
Er hatte durch was mehr in Harnisch sie gejagt /
Sie gantz zu tilgen auß / sich nach Alcayr zu heben /
Forthin den Arabern sich in den Schutz zu geben /
[195] Bey ihm den Schluß gemacht.
KIOSEM.
So blindes Volck siht nicht /
Ob ein bestürmter Fürst viel oder nichts verbricht.
IBRAHIM.
Wo treue Diener falln / die Ancker eines Fürsten /
Fällt auch der Fürst leicht nach. Ja grimme Buben dürsten
Nach Fürsten-Blutte stracks / die anders schon geschmeckt.
Fürst Oßman hat den Stahl den Mördern selbst gereckt /
Als Dilaver ward ab- Ußaim eingesätzet.
Ja / da der Groß-Visier so schlecht sol seyn geschätzet /
Daß ihn des Pöfels Schaum mit Füssen treten kan;
Wer wird die Hoheit mehr des Sultans bethen an?
KIOSEM.
Mein Sohn; Der Blitz schlägt meist in hoher Berge Gipfel /
Der Sturm-Wind bricht entzwey der langen Zedern Wipfel;
Und grosse Diener sind am nechsten der Gefahr.
Ob Nasuf Bassa schon des Achmets Eydam war /
148Hat Sultan Achmet doch selbsthändig ihn erstochen.
Hier hat's Verhängniß selbst auf den den Stab gebrochen /
Den Heer und Volck verdammt. Der Schäffer Einfalt weicht
Von schönsten Eichen weg / die schon der Blitz bestreicht;
So muß ein kluger Fürst der Diener sich entfernen /
Nach denen's Unglück schlägt. Sie sind geschwäntzte Sternen
Und melden der Vernunft mit stummen Zungen an:
Daß / wer an ihnen klebt / nicht lange stehen kan.
Verwirfstu aber / Sohn / des Himmels Warnungs-Zeichen;
So lasse dich / mein Kind / die Thränen doch erweichen
Der Mutter / die für dich mit mehrer Sorge wacht /
Als sie für ihre Seel und auf ihr Heil hat Acht.
IBRAHIM.
So seys denn! laßt schnurstracks den Achmet hier erscheinen.
Ihr / zeuget: wie so gutt wirs mit dem Volcke meynen;
Daß wir uns ihm zu Lieb an Augen-Apfel rührn /
Ja unsren treusten Knecht absetzen und verliehrn.
MUFTI.
Es bringt dem keinen Schimpf / wenn es die Zeit so schicket /
Der zu der niedrigen von hoher Staffel rücket.
149Denn Treue / nicht die Würd erwirbt den Dienern Ruhm /
Und der Gehorsam ist ihr bestes Eigenthum.
IBRAHIM.
Wem aber werden wir nun Achmets Ampt vertrauen?
MUFTI.
Den Mehemet wil's Volck an Achmets Stelle schauen.
[196]IBRAHIM.
Was? mahlt der Hunde Trotz uns noch mehr Richtschnurn für?
KIOSEM.
Nimm für bekand diß an / mein Kind / und schaffe dir
Durch sein Erhöhung Gunst. Denn keiner untern Baßen
Wird sich zum Groß-Visier so sicher machen laßen
Als Bassa Mehemet. Der Sultan hat bereit
Erforschet seine Treu.
IBRAHIM.
Ha! thörchte Furchtsamkeit!
Wenn Fürsten zu Geboth auf Knechtisch Wincken stehen!
Jedoch wir wollen diß ihr noch zu Lieb eingehen.
Berufft den Mehemet.
MUFTI.
Des Sultans kluger Schluß
Befestigt Reich und Thron. Ein kluger Schiffer muß
Vernünftge Bootsgeselln / ein Fürst ihm Räth erwehlen /
Die Zeit und Noth geprüfft. Die Häupter / die hier fehlen /
Verliern beym Sturme leicht Schiff / Ancker / Ruder / Mast.
Diß schloß den Mustafa
150 (weil er des Reiches Last
Nur Thoren übergab / die Marmel nur zu glätten
Und Mährlein zu erzehln gelehrt warn) in die Ketten /
Ins erstern Kerckers Nacht; daß / der vor Käyser hieß /
Sich äffen einen Mohr / zwey Weiber henckern ließ.
ACHMET.
Fürst / hier stellt sich sein Knecht. Was schafft Stambuldens Käyser?
IBRAHIM.
Daß Achmet seines Ampts und Siegel sich enteuser.
151ACHMET.
Ich legs gehörsamst ab; und küsse Knie und Fuß /
Aufopfernd auch diß Haupt / wo Treue büssen muß
Und Unschuld untergehn.
IBRAHIM.
Laß Achmet dichs nicht schrecken.
Man kan der Fürsten Gnad auch noch erniedrigt schmecken.
Du / Bassa Mehemet / nimms grosse Siegel hin.
152MEHEMET.
Ich dancke für die Gnad / und schwere: daß ich bin
Begierig für das Heil des Reiches zu erblassen.
IBRAHIM.
Du wirst diß hohe Ampt dir so befohln seyn lassen /
Daß dieses Siegel sey ein Spiegel treuer Pflicht.
MEHEMET.
Die Wercke werden seyn der Wortte Kern und Licht.
IBRAHIM.
Geht nun und sagt: was uns hat Heer und Volck zu dancken.
Du aber halt hinfort dich besser in den Schrancken.
[197] Der Schauplatz stellet für einen Saal in des Mufti Pallast.
Bectas. Kul-Kiahia. Kara Chiaus. Kiuperli Bassa. Hassan-Ongle. und eine Menge der Janitscharen. Achmet. Mufti. Die Cadileschieri. Ein Mollah.
BECTAS.
Ihr Helden / derer Arm den Grundstein hat gelegt
Zu Oßmanns Stul und Reich / die ihr die Last bewegt
Des Grichschen Käyserthums / und zu des Machmets Füssen
Sein Zepter abgesenckt / die ihr den Zaum zerrissen
Des strengen Isters habt / auf Selims Haupt gesätzt
Der Mammelucken Kron / und euren Ruhm geetzt
Ins Nilus Sonnenthürm; in Arzirums Gemäuer
In Tebris Asch und Grauß / mit Schwefel / Blut und Feuer
Den Nahmen habt gepregt der Janitscharen ein;
Ihr Helden / sag ich / sol hier euer Kirchhof seyn?
Wo ihr die Siegs-Panier ins Sultans Hand gewehret.
Sol hier des Heeres Kern durch Hunger seyn verzehret /
Der Ardens Mängel oft gelücklich überstand?
Der Muth / mit welchem ihr bekämpft der Perser Land /
Die Tugend / die ihr ließt bey Ravans Stürmung schauen /
Mit der ihr Bagadet risst auß Chach Sefi Klauen /
Die Brandmal auf der Stirn und Wunden auf der Brust /
Die Abaßa euch schlug /
153 der Hencker / welcher Lust
Auß euren Martern soog / der auß den Eingeweiden
Der Mütter / für der Zeit ließ eure Kinder schneiden /
Die Narben / die ihr noch von Assacs Stürmen tragt /
Die der Kosacken Trotz hat in die Flucht gejagt.
Das Blutt / das neulich noch wie Ström auß euch geronnen
Als Retimo gestürmt / Canea ward genommen /
Verwundet meine Seel / und schneidet mir durchs Hertz /
Wenn ich erstaunt hör an; wie Ibrahim Schimpf und Schertz
Auß euren Klagen macht; und euch als Sclaven schätzet.
Nachdem er uns das Geld zu Schaden abgesetzet /
154Euch bettelarm gemacht / verschmälert er nun gar
Den schlechten Kriegs-Sold euch / die ihr mit viel Gefahr
Umb wenig Asper müßt
155 iedweden Tag das Leben
[198] Verkauffen / ja für ihm in grössern Sorgen schweben /
Als wenn so Pers' als Christ auf euch die Schwerdter wetzt.
Wir haben Mustaffen des Käyserthums entsetzt /
In Oßmanns Blutt die Fäust und Sebeln eingetauchet
Umb ihre mindre Schuld. Und unser Grimm verrauchet
Itzt / nun ein zärtlich Weib und ein ohnmächtig Kind
Uns auf die Fersen tritt; die / die geneigt uns sind /
Als Feinde rottet auß / und derer Kinder schändet /
Die uns der Mahumed zu Hohen-Priestern sendet.
Ihr Helden / hört und starrt ob dieser grausen That:
Daß unsers Mufti Kind sich selbst ermordet hat;
Weil sie vom Ibrahim durch Noth-Zucht ward beflecket.
In ihren Brüsten hat hier dieser Dolch gestecket;
Sagt: ob hier mit mehr Fug die Thrän / ihr Blutt abwischt;
Als man mit's Thäters Blutt der Todten Leich auffrischt.
KIUPERLI.
Verfluchte Greuelthat! wolln nicht die Wolcken blitzen?
Kan's Mufti Heiligkeit nicht Hauß und Tochter schützen /
Wer wird uns einen Tag für unsre Bürge seyn?
Tyrannen bilden sich / ihr Brüder / glaubt es / ein;
Daß ihre Häupter sind die hohen Riesen-Berge /
Auf derer Gipfel wir als Ohnmachts-volle Zwerge
Mit rechten Straffen nicht zu klimmen mächtig sind /
Die über Wolck und Luft sich strecken: daß kein Wind
Kein Schnee / kein Hagel kan auch ihren Staub verwehen.
Allein im Fall ihr stimmt / sol bald der Blutthund sehen:
Daß hohen Eichen sey der schnelle Blitz verwand;
Sein Leben und sein Tod besteh in unser Hand.
KUL-KIAHIA.
Ich stimme seinen Fall. Kan er auf schlecht Verbrechen /
Ja oft der Unschuld selbst Gutt / Ehr / und Halß absprechen;
So sol des Blutthunds Schuld / der die Gesätze braucht /
Wie eine Schlang ihr Gift / das / wenn sie Frembd' anhaucht /
Ist tödlich / aber ihr zu süsser Nahrung dienet /
Unstraffbar nicht mehr seyn. Hat sich der Hund erkühnet
Auf der Polacken Heisch uns zu Schmach / Trotz und Hohn /
Ein ihm fast gleiches Haupt den Tarter Cham vom Thron
Und Zepter abzuthun /
156 so düncks ihn auch nicht frembde /
[199] Wenn ihm sein Purper-Kleid ein Hanffen Sclaven-Hämbde /
Sein Halßband auß Rubin / auß Perl und Diamant /
Damit er wie ein Weib behengt Haupt / Halß und Hand /
Ein hären Strick wird seyn / und ihm die Kehl einschlingen:
Daß Seel und Bluttjäscht muß auß Mund und Nase springen.
KARA CHIAUS.
Ich lobe / was ihr schlüßt. Er hat an uns allein
Den ärgsten Tod verdient; der / was das Reich trägt ein /
Was seiner Vorfahrn Witz hat in den Schatz geleget /
Verschwendende wirfft weg. Der Schweiß der Länder träget
Kaum / was an Narden / Mosch / Oel / Balsam und Zibeth /
Als Würtzen seiner Brunst und Geilheit / auf ihn geht.
Das Gold / das Tunis zinßt /
157 schickt er für Zobel-fähle /
Wormit er überzeucht die Böden gantzer Säle /
Den Moscowitern heim. Der Held Abdalla nam
Ein gantz Pfund Mosch in sich /
158 wenn es zum Treffen kam /
Und er an seinen Feind die Kräfte solte strecken:
Der Sultan / umb nur Brunst und Geilheit zu erwecken /
Schluckt täglich so viel Mosch und Ambra in sich ein /
Als Honam uns kaum schickt.
159 Kein kostbar Edelstein
Ist für ein geiles Weib dem Ibrahim zu theuer.
Uns aber / derer Spiel muß Feind / Sturm /Welle / Feuer /
Schwerdt / Hitze / Kälte seyn / entzeucht er und verkürtzt
Das saure Brodt / den Sold. So werd er denn gestürtzt /
Und das verschrenckte Recht durch eigne Faust erhalten.
HASSAN-ONGLE.
Mein Wunsch nichts minder ist: der Blutthund sol erkalten;
Und nicht mehr Käyser seyn. Allein ist unsre Hand
Gewachsen diesem Werck? Euch Brüdern ist bekand /
Wie viel ihr außer uns aufs Sultans Seite stehen /
Wie Achmet keinen leicht ins innre Schloß läßt gehen /
Der nicht ist sein Geschöpf und Werckzeug böser That /
Wie er die Spahi meist in seinen Händen hat /
Wie vielen unter uns sey Hertz und Muth gebrochen /
Seit Oßmanns Tod an uns so grausam ward gerochen.
Ja wagt er sich den Schwarm des Pöfels anzuflehn /
Wird morgen man von uns kein gantz Gebeine sehn.
[200]BECTAS.
Welch Traum mag in dir Furcht / welch Schatten Zagheit hecken?
Läßt sich ein Janitschar so schlechte Blendung schrecken /
Für dem die Welt erbebt? Und ein erboost Croat
Erstach den Amurath.
160 Den Ach- und Machmet hat
Ein Dervis
161 angesprengt. Laß ihn den Pöfel schützen /
Die Spahi bey ihm stehn; wenn unsre Wolcken blitzen /
Wird / durch was unser Strahl nicht unverhindert fährt /
Obs Stein und Ertzt schon ist / in Asch und Staub verkehrt.
Allein euch sey entdeckt: daß nebst den Janitscharen
Die Spahi guttentheils auf unser Küste fahren /
Die durch des Mufti Dreun / der Cadileschier Mund
Dem Sultan setzen zu: daß er schnur-stracks den Hund /
Den Achmet seines Ampts und Dienstes ledig zehle /
Und unsern Mehemet zum Groß-Vezier erwehle.
DIE JANITSCHAREN.
Es blühe Mehemet / den Achmet rottet auß!
MOLLAH.
Mein Herr / der Groß-Visir kommt zitternd in das Hauß /
Und bittet: daß wir ihn in ein Gemach verstecken /
Biß daß der Mufti kommt.
KUL-KIAHIA.
Was wahrsagt uns sein Schrecken?
BECTAS.
Ist diß wohl Fragens werth? Erwegt / was ich erzehlt.
HASSAN-ONGLE.
Ist Mehemet vielleicht in seine Stell erwehlt?
BECTAS.
Dem Hund unzweifelbar die Würde schon genommen.
KARA CHIAUS.
Was ist zu tun?
BECTAS.
Verschweig: wer hier zusammen kommen.
Gib ihm mit Höfligkeit ein schönes Zimmer ein /
Biß Mufti kommt / und wir des Außschlags kundig seyn?
KIUPERLI.
Scheint das Verhängnüß uns die Armen nicht zu reichen?
Was wart- und zweifeln wir? Behertzt- und Ruhmbarn Streichen /
Die einen Bösen fälln / schreibt keinmal man mit Recht
Nicht Übereilung zu. Ihr Brüder / kommt und brecht
Dem Bösewicht den Halß / den Gott und Himmel bländen:
Daß er ins Garn selbst rennt sich liefernd unsern Händen.
Wenn diese That vollbracht / so rennt mit gleichem Muth
Auch selbst den Blutthund an? stoßt die durch Achmets Blutt
Erwärmte Sebel ihm durch sein verzweifelt Hertze.
[201]JANITSCHAR
Wir folgen. Weist den Weg durch euers Beyspiels Kertze.
MUFTI.
Wo eilt ihr Helden zu?
KARA-CHIAUS.
Den Achmet abzuthun.
MUFTI.
Weil er schon abgethan / laßt euren Eyfer ruhn.
BECTAS.
Läßt sich der kluge Schluß durch guten Außschlag loben?
CADILESCHIER.
Der Achmet ist entsetzt / und Mehemet erhoben.
HASSAN-ONGLE.
Doch ist dem Hunde nicht das Leben noch geraubt.
MUFTI.
Von Eichen / die gefalln / ist Zwergen auch erlaubt
Zu samlen Brennholtz ein. Wer aber wird ergründen /
Wohin die Flucht ihn trieb? denn wenn Cometen schwinden /
Und Luft-Gestirne falln / nimmt Spur und Pfad auch nicht
Ein Luchsen-Auge wahr.
KUL-KIAHIA.
Die Mutte sucht das Licht /
Doch findet sie den Sarch in den beliebten Flammen.
Und Achmet hat dein Hauß / weil wir hier sind beysammen /
Zu seinem Schirm erkiest.
MUFTI.
Der Hund? bey mir? mein Hauß?
KARA-CHIAUS.
So ist es.
MUFTI.
Jagt mir stracks den Bösewicht hinauß.
BECTAS.
Laßt uns den Hund allhier vorher zu Rede setzen.
KIUPERLI.
In seinem Blutte vor die kalten Schwerdter netzen.
MUFTI.
Geh meld ihm: daß ich ihn allhier empfangen wil.
2. CADILESCHIER.
Wie kans Verhängnüß nicht des Glückes süsses Spiel /
Der Boßheit Freuden-Klang / der Laster Lied verstimmen!
Der früh vom Balsam trof / sol itzt im Blutte schwimmen!
BECTAS.
Ja sicher bald erfahrn: daß / wer auf Laster thürmt
Sein Glücks-Rad / sich bald siht mit ihm in Grund gestürmt.
Achmet. Mufti. Drey Cadileschieri. Kiuperli. Kul-Kiahia. Kara-Chiaus. Bectas. Die Janitscharen. Hassan-Ongle. Vier Stummen.
ACHMET.
Hilf Himmel! träumet mir? wo werd ich hingeführet?
MUFTI.
Willkommen grosser Freund / willkommen! woher rühret
Diß sein Entsetzen her?
BECTAS.
Der / den's Gewissen schreckt /
Meynt: daß auch klare Luft voll Donnerkeile steckt.
MUFTI.
Eröfne / was du suchst? Was ists? wir wolln es hören.
ACHMET.
Der / den's Verhängnüß drückt / muß hohe Schutz-Säuln ehren /
Zu Gnaden-Bildern flihn.
MUFTI.
Hört / was itzt Mufti gilt!
Den er vor angespien / ist itzt sein Gnaden-Bild /
[202] Dem er die Tochter nam / der sol ihn itzt beschirmen!
ACHMET.
Diß lehre dich / mein Freund: daß auß Coloß- und Thürmen
Grauß / Asche / Thal und Pful / auß Riesen einen Zwerg
Der Abend machen kan. Der gestern-grosse Berg
Sucht Schatten itzt bey dir; und der Gefallne bittet;
Weil Glück und Himmel meist nicht einen Keil außschüttet:
Er woll ein Lorberbaum ihm für mehr Blitzen seyn.
1. CADILESCHIER.
Hört: was für Furcht ihm schon jagt seine Boßheit ein!
ACHMET.
Ihr Freunde / sagt: was ist des Achmets groß Verbrechen?
Wolt ihr nach's Pöfels Arth auf mich ein Urtheil sprechen?
Der seines Abgotts Bild am ersten / ohne Grund
Und Ursach schlägt entzwey / so bald ihm nur wird kund:
Daß es der Fürst verwirfft / nach dessen Ungunst-Schatten /
Ja wie weit Häuchler ihn auß Neid verfinstert hatten /
Gefällter Fehltritt mißt.
KIUPERLI.
Hört! wie der Bösewicht
So rein sich brennen wil!
ACHMET.
Ich leugn ihr Freunde nicht:
Daß ich des Mufti Kind gewaltsam weg hieß holen.
Doch! wen entschuldigt nicht? Der Sultan hats befohlen.
Steht Fürstlichen Befehl zu weigern / Knechten frey?
Zu grübeln: Ob sein Thun recht / oder unrecht sey.
Ihr kennt des Sultans Arth und seinen Trieb im Lieben.
Ist einer unbeschimpfft / ja unerwürget blieben /
Der ihm im Lieben einzureden sich erkeckt.
BECTAS.
Merckt! wie er seine Wurm ins Sultans Kleid versteckt!
Sich den / den er vor selbst verführt / itzt lästernd schmähet!
Hast du nicht Wachs geschafft / die Tachte selbst gedrehet
Zun Fackeln / die der Fürst der Geilheit zündet an?
Doch laßt uns hörn; mit was der Hund beschönen kan /
Daß der verkürtzte Sold uns noch zurücke bleibet?
ACHMET.
Mit was Gewissen ihr mir diese Schuld zuschreibet /
Erweget mit Vernunft; indem euch wohl bekand:
Daß in dem Schatze nicht hat Achmet seine Hand /
Noch so viel Macht gehabt in nöthgen Geld-Außgaben /
Als Sechierpera und andre Weiber haben.
2. CADILESCHIER.
Itzt wandelt sich der Hund in einen todten Stein
Und ein unnützes Holtz. Wer wil im Ampte seyn /
[203] Muß wo / und was das Ampt heischt / reden / sorgen / wachen.
Ja wer die Niedrigen sich läßt zum Götzen machen /
Ist Würd und Amptes nicht / mehr aber Straffens werth /
Als der auß Vorwitz oft auß seinem Zirckel fahrt.
BECTAS.
Wie zittert nun der Hund? So gehts: Die Last der Sünde
Macht das Gewissen schwer. Ja / wenn die Zwirbel-Winde
Der Laster nehmen schon Seel und Begierden ein /
Muß's Hertze voller Furcht / der Kopff voll Schwindel seyn.
Die Laster haben zwar Granaten-Aepffel-Schalen /
Innwendig sind sie Schlee und Wermuth. Ihre Strahlen
Sind gläntzend / aber Gift und Basilisken-Arth.
Drumb träumt dir nicht umbsonst vom Fall und Hellenfahrt.
Stracks stoßt den Hund zum Hauf' hinauß. Doch an der Schwelle
Faßt ihn / ihr Stummen / an; schickt seinen Geist der Helle
Durch ein paar Stricke zu.
ACHMET.
Behertzigt / was ihr thut!
Besudelt euren Ruhm nicht durch unschuldig Blutt!
Glaubt: daß der Ehre Schatz / den Schweiß und Blutt erwirbet /
Auch durch Gedancken nur / die unrein sind / verdirbet;
Vielmehr wird euer Glantz verfalln in Schmach und Nacht /
Da ihr auß Helden euch zu Unschulds-Henckern macht.
Die Nachwelt würd euch schmähn / der VorfahrnTodten-knochen
Gespenster geben ab / und euch / was ihr verbrochen /
Verweißlich stellen für. Doch trau ich solchen Grimm
Nicht eurer Tugend zu. Die Zagheit raast so schlimm
Auf Unbewehrte nur. Großmüttge Hertzen tragen
Mitleiden mehr mit dem / den Neid und Zufall schlagen;
Ja können Schuldige nicht einst verderben sehn /
Wenn sie fußfällig sich sehn umb Genad anflehn.
BECTAS.
Schleppt den verzagten Hund weg von des Mufti Füssen.
Gerechte Rache wird durch Knie- und Erde-küssen
Und Fuß-Fall nicht gehemmt. Wer auch sich / wenn er fällt /
So winselnd / so verzagt / so Weib- und Knechtisch stellt /
Ist nicht Erbarmens werth.
MUFTI.
Stracks / schlinget ihm die Stricke
Umb den verdammten Halß.
ACHMET.
Gerechter Himmel schicke
Doch Recher dieses Mords! Indem fast unerhört;
Daß angeflehter Schirm selbst Flehende versehrt.
[204]KARA CHIAUS.
Wenn Nattern man ertritt / wolln sie die Zung erst schärffen.
BECTAS.
Laßt den erstickten Hund zu offnem Schauspiel werffen
Fürs neue Kirchen-Thor: daß alles Volck schau an:
Wie hoch ein grosser Baum durch Laster fallen kan.
KUL-KIAHIA.
Diß lehrt: daß Gott zerbricht Hoffärtige wie Scherben /
Daß Mensch und Ameis nur zum eigenen Verderben
So Ehr als Flügel kriegt;
162 daß der wie Glaß zerfällt /
Der nur der Boßheit Nichts für einen Grundstein hält.
Doch diß ists Vorbild nur des rechten Trauer-Spieles.
Sagt: auf was Arth nunmehr der Mittelpunckt des Zieles
Sich sicher treffen läßt.
MUFTI.
Man heisch ihn für den Rath
Des Divans / mit Befehl: daß wegen seiner That
Er Red und Rechenschaft sol Heer und Volcke geben.
BECTAS.
Wohl! wir wolln Augenblicks in Divan uns erheben.
Der Schauplatz stellet für des Käysers Hosada.
Ibrahim. Kiosem. Mehemet. Nasuf. Piali Bassa. Capachi-Bachi. Etliche andere Bassen. Etliche Cadileschier. Selistar Aga.
IBRAHIM.
So ist durch Meuchel-Mord mein liebster Achmet todt?
NASUF.
Ja / seine Leiche ligt geworffen in den Koth!
Den Hunden zu der Kost / dem Pöfel zum Gespötte.
IBRAHIM.
Verteuffelt-böse That! Ach! daß ich / Achmet / hätte
Den Stifter deines Mords / den Mufti / vor erdrückt!
Eh es an dir den Muth zu kühlen ihm gelückt.
Ha! wie hat Ibrahim so schändlich sich vergangen?
So heßlich sich befleckt? als er ihr schlimm Verlangen
So liederlich verhieng. Ja Ibrahim selbst gab
Den Henckern Muth und Strick / als wir dich setzten ab!
Denn / wer die Nattern schon läßt unterm Haupte nisten /
Der lockt sie selbst ins Fleisch / zum Hertzen / zu den Brüsten.
Wer eines Nagelsbreit der Aufruhrs-Glutt räumt ein /
Dem wird ein flammend Brand bald unterm Dache seyn;
Der muß den Wind bald sehn mit seiner Asche spielen.
[205] Ja / der lescht Glutt mit Oel / meynt Kalck mit Flutt zu kühlen /
Wer ein aufrührisch Volck mit linden Fingern streicht.
Doch / hat kein Mensch als sie Schuld: daß mit ihm erbleicht
Des Sultans rechter Arm.
KIOSEM.
Mein Sohn / sol ichs entgelten?
Läßt wegen Zufall sich ein gutter Rathschluß schelten?
Wer Redligkeit und Witz aufs Rath-Hauß mit sich trägt /
Ist Ruhms-werth / wenn sein Rath gleich mit Verlust außschlägt.
IBRAHIM.
Ja mit Verlust des Ruhms; wo wir schnur-stracks nicht waschen
Durch Blutt diß Brandmal ab. Eilt! opfert Achmets Aschen
Das Fleisch der Mörder auf. Wer eilet alsobald /
Erbricht des Mufti Hauß des Henckers mit Gewalt /
Und liefert uns hieher den kalten Kopf des Hundes?
KIOSEM.
Erwege noch einmal den Außspruch deines Mundes;
Und wie man mit Gefahr ein Nest voll Wespen stört.
IBRAHIM.
Was Sanftmuth schaden thut / hat Achmet uns gelehrt.
1. CADILESCHIER.
Großmächtger Herr und Fürst; Ich muß umb Gnade bitten:
Und daß man über den nicht möge Grimm außschütten /
Der auf der Obern Heiß muß böser Bothe seyn.
IBRAHIM.
Was ists?
1. CADILESCHIER.
Der Sultan sol in Divan sich stelln ein /
Dem Volcke werden recht / und außführn seine Thaten.
IBRAHIM.
Wer schickt dich?
1. CADILESCHIER.
Mufti zwar; doch Bürger und Soldaten
Versamlen für der Burg nebst ihm in Tempel sich.
IBRAHIM.
Hört: was der thörchte Schwarm der Sclaven wider mich
Hochfrevelnd sich erkühnt! Solln wir der Narrheit lachen?
Wie? oder alsobald mit Donner auf sie krachen?
Geh und bring ihnen noch die Gnaden-Warnung bey:
Daß schnelle Buß ihr Heil / Trotz ihr Verderben sey.
Doch warumb lassen wir nicht bald den Schwarm zertrennen?
Es muß ein glüend Stahl den kalten Brand verbrennen /
Der durch ein Glied sich schleicht in gantzen Cörper ein;
Denn / da die Asche nicht sol neuer Saame seyn /
Auch nicht mehr Drachen-Köpf auß ihren Strimpfeln blühen /
Muß's Messer / welches kerbt / von Pein und Rache glüen.
KIOSEM.
Mein Kind / wenn Klugheit wil was Fruchtbars geben an /
So prüft sie vor die Zeit. Die beste Salbe kan
Zur Unzeit werden Gift / entzünden Beul- und Wunden.
[206] Gesätzt: daß Essig muß auf Schwäre seyn gebunden /
Die Meineyd hat gezeugt: so dreut diß noch nicht itzt /
Da die Versamleten die Mänge reitzt und schützt.
2. CADILESCHIER.
Mein Fürst / der Mufti heißt mich ihm diß Tesfa bringen
163.
IBRAHIM.
Wohin wird sich der Hund noch durch den Hochmuth schwingen?
Doch laßt uns schaun: was uns der Meineyds-stifter schreibt.
»Im Fall Fürst Ibrahim verstockt und außen bleibt /
Sich wider das Gesetz und's Divans Rath auflehnet;
Sey er hierdurch des Reichs verlustig und entkröhnet.«
Verdammte Lästerung! Besorgstu Bube nicht
Ein bluttig Bothen-Lohn?
2. CADILESCHIER.
Der Fürst weiß meine Pflicht.
IBRAHIM.
Bluttstifter / Mörder / Hund / Aufwickler / Ubelthäter!
Liß dir die Stück hier auf zur Antwort / Ertzverräther!
Wo rennt dein Frevelmuth so blind und rasend hin?
Welch Teufel rührt dein Hertz / bezaubert deinen Sinn?
Ein Sclave wagt sich's Reich dem Käyser abzusprechen?
Wie blitzt der Himmel nicht / so mag der Abgrund brechen!
Und diesen giftgen Schaum der Erde schlingen ein!
Sind noch nicht Hencker dar / die schon geschäftig seyn
Den Ertz-Dieb abzuthun / den Schädel uns zu holen?
KIOSEM.
Mein Kind / ja / ich gestehs: daß glüend-heisse Kohlen /
Pfal / Schwefel / siedend Oel für diese grause Schuld /
Zu linde Straffen sind. Witz aber braucht Geduld /
Wo unbesonnen Zorn und Eyfer mehr kan schaden.
IBRAHIM.
Wil sie zum Untergang uns noch mit Schimpf beladen?
Sol ein behertzter Rief' auch wachend schaun / und fühln:
Wie Zwerg ihm umb die Nas' und auf den Schultern spieln;
Sol ein lebendig Beer empfinden ohne Rache:
Daß ihm ein Ameiß-Heer im Munde Nester mache?
Ein Hase raufft den Zopf nur todten Löwen auß.
Nein / sicher! Ibrahim lebt / und wird noch in Grauß
Zertreten / der ihn tritt; zermalmen / die ihn necken.
MEHEMET.
Mein Fürst / des Divans Dreun ist nicht verächtlich Schrecken.
Das Beyspiel Mustafens
164 lehrt: daß des Divans Rath
[207] Die grossen Sultane Macht abzusetzen hat.
Doch hätt Er sicher ihm den Zepter nicht genommen /
Wär er auf gleichen Heiß / nur fürs Gerichte kommen.
IBRAHIM.
Solln / was die Mutter selbst dem Bruder widerrieth /
Wir mit mehr Schimpf itzt thun?
KIOSEM.
Mein Sohn / er selber siht
Und sie hat oft beschmertzt: daß sie ihm schlimm gerathen.
IBRAHIM.
Meßt einen Ibrahim nicht nach der Arth und Thaten
Des blöden Mustafa. Der Tauben Sanftmuth steht
Nicht edlen Adlern an. Ja sie / Frau Mutter / geht
Mir mit was Ruhmbarm für / als sie umb schlecht Verbrechen
Den Halß dem Mustafa dem Groß-Visier ließ brechen.
165So warf auch Amurath vom Haupte die Gefahr
Mit Regep Bassa Kopf
166 / als er entschlossen war /
Statt unsers Bruders uns auf Oßmans Stul zu heben.
MEHEMET.
Die sämptlich können ihm hier keine Richtschnur geben /
Weil er hier mit Gewalt werckstellig machen wil
Auf ein gewafnet Volck; diß / was dort / da das Ziel
Der Rache war ein Kopf / mit List ward außgeübet.
IBRAHIM.
Wenn wider Fürsten sich der Pöfel auflehnt / giebet
Dem Fürsten nichts mehr Sieg / dem Aufruhr grössern Stoß;
Als wenn ein Fürst behertzt dringt auf den Hauffen loß.
Den Sultan Oßman hat nichts als die Furcht gefället /
Denn hätt er als ein Held zur Wehre sich gestellet /
Die Majestät nicht weg geleget und befleckt /
In eines Spahi Kleid in Winckeln sich versteckt;
Kein Mörder hätte nicht ihn Mördrisch zu bespringen
Meineydig sich erkühnt.
3. CADILESCHIER.
Ich sol dem Käyser bringen
Vom Divan diese Schrift.
IBRAHIM.
Hört die verdammte Schaar
Nicht von dem Wahnwitz auf? Sind keine Schergen dar /
Die Schrift / die nicht ist werth des Lesens / zu verbrennen?
KIOSEM.
Man les' erst / was sie sucht.
IBRAHIM.
»Der Divan muß erkennen:
Wer das Gesätz und Recht des Divans nicht nimmt an /
Der ist kein Sultan mehr / ja auch kein Musulman.«
Verfluchte Bösewicht! Hier bringe diese Stücke
Den Aberwitzigen zur Antworts-Schrift zurücke;
Der aufgepfälte Kopf des Mufti sol sie bald
[208] Lehm: ob wir Käyser sind. Stracks dringe mit Gewalt
Der Leibwach auf den Schwarm der rasenden Gemeine;
Mit Dreuung: daß von ihr sol kommen kein Gebeine /
Wo sie die Köpf uns nicht der Redelsführer schickt.
Stellt sie sich trotzig an; so werd ersteckt / erdrückt /
Verstimmelt und zerfleischt / was einen Finger rühret.
MEHEMET.
Ich weiß: daß Knechten wohl zu grübeln nicht gebühret /
Ob möglich zu vollzihn sey / was ein Fürst befiehlt.
Gehorsam ist die Schuld auch / wenn das Absehn zielt
Aufs Dieners Untergang. Die Nachwelt wird stets müssen
Die rühmen / welche sich statt Reisichts binden liessen /
Durch ihrer Cörper Berg und ihrer Leichen Grauß
Zur Stürmung Bagadets die Graben füllten auß.
167So ists auch rühmlicher behertzt alsbald erbleichen /
Als für dem Feinde zwey drey Spannen rückwerts weichen
168Und seines Lebens Ziel erstrecken auf viel Jahr.
Und also wolt auch ich auf die verschworne Schaar
Großmüthig stürmen loß / solt es gleich Sterbens gelten.
Alleine / nachdem die ihn für ungläubig schelten /
Die das Gesetze lehrn / das Mahumed gebracht /
Hab ich fürs Sultans Heil kein Glied zu rührn mehr Macht.
IBRAHIM.
Wilstu / Verzweifelter / nun auch zum Schelmen werden?
MEHEMET.
Mein treuer Dienst verdient vernünftiger Gebehrden.
IBRAHIM.
Bewehre deine Treu itzt durch befohlne That.
MEHEMET.
Nein! weil der Sultan nicht mehr zu befehlen hat.
IBRAHIM.
Welch Knecht hat ie den Herrn ins Antlitz so verhöhnet?
MEHEMET.
Der ist mein Herr nicht mehr / den das Gesetz entkrönet.
IBRAHIM.
Meineydige! Zuckt noch kein Sclav auf ihn das Schwerdt?
Wir sind verrathen! ach! wie irrt / wer Diener werth /
Hofheuchler redlich schätzt; und Treu in Knechten suchet!
An dir sey unser Brodt und unser Saltz verfluchet!
169Was aber hindert uns? daß wir durch eigne Hand
Nicht unser Recht außführn? und dieses Aufruhrs Brand
Am Haupte leschen auß?
MEHEMET.
Was / wil man mir so lohnen?
Halt! oder Mehemet wird Ibrahims nicht schonen.
[209] Mufti. Bectas. Ibrahim. Kiosem. Mehemet. Kul-Kiahia. Kara Chiaus. Hassan-Ongle. Die drey Cadileschier. Etliche Bassen / darunter Kiuperli, Piali, Nasuf, und eine Menge der Janitscharen. Machmet des Ibrahims ältester Printz. Bajazeth.
Orcan. Suleiman.
BECTAS.
Halt! was sol dieses seyn? wil noch der Wütterich /
Den Heer und Volck verdammt / durch noch mehr Mordthat sich
An Häuptern dieses Reichs vermessentlich vergreiffen?
Laßt den Tyrannen stracks für Hund und Pöfel schleiffen!
IBRAHIM.
Hilf Himmel! was habt ihr auf euren Käyser für?
MUFTI.
Du bist kein Käyser mehr. Des Divans Schluß hat dir
Halß / Ehre / Käyserthum rechtmässig abgesprochen.
IBRAHIM.
Ach! was hat Ibrahim so grosses denn verbrochen?
MUFTI.
Nothzüchtiger! sind dir die Laster nicht bewust;
Und daß der Himmel schickt Pein auf verdammte Lust?
BECTAS.
Greifft den Tyrannen an! und haut den Hund in Stücke.
MEHEMET.
Er ist nicht Schwerdter werth. Hier brauchet diese Strücke.
IBRAHIM.
Frau Mutter / ach! wil sie nun nicht mein Schutz-Bild seyn?
MUFTI.
Faßt ihn.
IBRAHIM.
Ach! schrencke mich mit deinen Armen ein.
KIOSEM.
Ihr Helden thut gemach. Bedenckt: was ihr beginnet!
Wer der sey / welchen ihr hier zu ermorden sinnet.
KUL-KIAHIA.
Ein Blutthund / ein Tyrann; ein Mörder; der nicht werth /
Daß ihm die Sonne scheint.
KIOSEM.
Ein Fürst / den ihr erklärt
Zu eurem Sultan habt / dem / als er ward erkohren /
Ihr Treue / Liebe / Pflicht / Gehorsam habt geschworen.
1. CADILESCHIER.
Ein Schänder / dessen That uns läßt des Eydes loß.
KARA CHIAUS.
Fort mit ihm! reißt den Hund der Mutter auß der Schooß.
KIOSEM.
Ihr Helden / lasset euch die Mutter doch erbitten;
Laßt so viel Thränen sie vergebens nicht verschütten!
Und sänftigt mit Vernunft und Gnade strenges Recht.
Ein Herr ermordet nicht stracks / wenn er fehlt / den Knecht.
Wie / daß denn euer Haupt / dafern es was verbrochen /
Stracks sol zermalmet seyn? Gott hat auch stets gerochen
Verübten Fürsten-Mord. Nicht einer / der durch Blutt
Des Oßmanns sich befleckt / ja der nur seinen Muth
Und Muthwilln hat gekühlt an seiner todten Leiche /
[210] Blässt mehr den Athem auß. Der selber / der im Reiche
Dem Sultan folgen wird / wird strenger Recher seyn.
Denn durch diß setzt ein Fürst sich fest in Bügel ein.
MUFTI.
Umbsonst! der Blutthund kan / wo uns des Himmels Rache
Nicht selber stürtzen sol / mit seiner bösen Sache
Der Straffe nicht entgehn.
BECTAS.
Fort mit ihm! greifft ihn an!
KIOSEM.
Ihr Helden / wo er ja nicht ungestrafft seyn kan;
So straft nicht übers Maaß; und schont des Fürsten-Bluttes.
MEHEMET.
Kein furchtsam Mittel schafft im Straffen etwas Guttes.
Die Wasserwolcke / die der Fürsten Aug einhüllt /
Steckt voller Donnerkeil und ist mit Rach erfüllt.
Ja wer ein hohes Haupt beleidiget / nicht fället /
Thut thörchter / als der sich nach der Verletzung stellet;
Dem Löwen Wehrloß für / ja sonder ein Geschooß
Ein grimmes Waldschwein neckt.
KIOSEM.
Ihr seyd des Kummers loß /
Wenn Ibrahim gibt Heft und Waffen auß den Händen.
2. CADILESCHIER.
Laßt euch durch solchen Dunst nicht Hertz und Augen bländen.
Weil sich die Schlange rührt / versucht sie Gift und Stich.
KIOSEM.
Vielleicht ist Ibrahim zu lencken: daß er sich
Des Zepters selbst entzeucht.
IBRAHIM.
Ha! laß uns lieber sterben!
KIOSEM.
Nimm Zeit und Nothstand wahr. Der Abend kan erwerben /
Was uns der Mittag raubt. Als Mustafa gleich fiel
In Kercker von dem Thron / erlangt er doch das Ziel
Des Herrschens durch den Tod des Sultan Oßmanns wieder.
Auch legt Geduld und Zeit den grösten Eyfer nieder.
IBRAHIM.
Wer würde denn nach mir des Oßmanns Zepter führn?
KIOSEM.
Wer? als dein Sohn. Hierumb darffstu kein Wort verliern.
IBRAHIM.
Sie machs denn / wie sie kan.
KIOSEM.
Euch Helden wird bewegen:
Daß sich der Fürst entschleust den Zepter abzulegen.
Solch hoher Fall wird euch ja Straffe seyn genung.
Wer Fürstlich ist gezeugt / im Purper worden jung /
Das Herrschen hat geschmeckt; kan ärger nicht erblassen /
Der ist schon lebend todt / der's Reich muß fahren lassen.
MEHEMET.
Betrug und Stachel ist von Süssigkeit nicht fern.
IBRAHIM.
Ach! möget ihr mich doch in ersten Kercker sperrn.
[211]MUFTI.
Ob mich der Blutthund gleich am ärgsten hat verletzet /
So wäre doch mein Rath: daß er würd eingesetzet
In Kercker / wo ihn Sonn und Monde nicht bescheint.
BECTAS.
Er hat zwar mehr verkerbt; doch weil es Mufti meynt /
Die Sultanin für ihn so gar beweglich bittet /
Sol Er nicht nach Verdienst mit Rache seyn beschüttet.
Geht aber schleppt ihn bald ins ersten Kerckers Loch.
MUFTI.
Eröfnet durch die Stadt: des Blutthunds strenges Joch
Sey glücklich abgeweltzt; und daß von seinen Söhnen
Man itzt den Eltsten wird zum Türckschen Sultan krönen.
Printz Machmet werd alsbald hieher ins Zimmer bracht.
KIOSEM.
Verwirrtes Trauerspiel! verkehrte Mitter-Nacht!
Da ich den Sohn vergehn / den Enckel wachsen schaue.
Lebt iemand / welchem nicht für diesem Zucker graue
Des Herrschens / der zuletzt als Gall und Essig schmeckt?
Wie / daß Regiersucht denn fast iede Seel ansteckt?
MUFTI.
Daß man den grossen Printz auf Oßmans Stul erhebe!
1. CADILESCHIER.
Daß ein Schneeweiß Gewand des Printzen Leib umbgebe.
2. CADILESCHIER.
Hengt ihm den Mantel umb von Gold und Karmosin.
MUFTI.
Reicht ihm den grünen Bund / die Reiger-Federn hin.
1701. CADILESCHIER.
Die Säbel gürtet ihm des Oßmans umb die Lenden.
2. CADILESCHIER.
Erhebt und tragt nunmehr den Machmet auf den Händen.
MEHEMET.
Das Volck erkläre sich: Sol Machmet Käyser seyn?
ALLE.
Der Sultan Machmet herrsch! Jedweder stimmet ein.
1711. CADILESCHIER.
Diß Jahr / das seinen Lauff führt nach der Arth des Leuen /
172Weissagt: daß ihn die Welt als ein solch Thier wird scheuen.
Daß diesen Löwen Rom als Schutz-stern sol verehrn /
Ja Sonnen untern Mohnd und in den Krebs gehörn.
MUFTI.
Gott woll ihm Segen /
173 Heil / Verstand / Sieg / Erben geben.
MEHEMET.
Wil mit gewohnter Pracht der Sultan sich erheben
In Hiobs Heiligthumb den Eyd zu legen ab:
Daß er Gesetz und Recht / das Mahumed uns gab /
Durchs Schwerdt beschirmen wil?
KIUPERLI.
Laßt doch vorher uns küssen
Des Rockes güldnen Saum / den Staub von seinen Füssen.
MUFTI.
Reicht ihm zum Kuß auch hin den heilgen Alcoran.
[212]3. CADILESCHIER.
Es werde Pers' und Christ des Sultans Unterthan!
PIALI.
Laßt die drey Printzen auch des Brüdern Knie umbfassen:
Daß sie durch Grimm und Strick nicht für der Zeit erblassen.
MACHMET.
Wir nehmen danckbar an / und uns hat hoch ergetzt:
Daß uns das Reich so jung zum Herrschen würdig schätzt.
Wir werden ohne Blutt zu herrschen uns bemühen.
Was aber uns die Jahr an Klugheit noch entziehen /
Wird Mehemets Verstand / der Witz der Sultanin
So lange bringen ein. Ihr solt das Taraquin
Und den vertagten Sold noch heute baar erheben.
ALLE.
Daß Sultan Machmet müß unendlich blühn und leben!
Der Schauplatz stellet für einen Kercker.
Ibrahim. Der Ambre Geist. Vier Stummen. Sechs Geister ermordeter Bassen.
IBRAHIM.
So senckt Stamboldens Sonn hieher den stoltzen Lauf?
Schleust niemand uns die Nacht des bangen Kerckers auf?
Solln wir lebendig seyn in diesen Sarch vergraben /
Wo wir Gespenster nur zu Mitgefehrten haben?
Wo Angst das Hertz uns frist; und ein stets-wehrend Traum
Den Kopf uns wüste macht. Schaut: wie der Zeder-Baum /
Der Haupt und Gipfel hatt im Himmel / dessen Füsse
Im Abgrund wurtzelten; von einem Schlage müsse
Zermalmt in dieses Thal so einer Helle falln!
Doch! Ibrahim ists werth: daß er ein blindes Knalln /
Ein falsches Dreuen ihm ließ Aug und Hertze bländen:
Daß er die Knechte nicht mit Waffen in den Händen /
Mit Feuer im Gesicht / als Löw und Beer fiel an!
Weil Zagheit doch nur Schimpf und Elend hecken kan.
Ach! daß wir Hofnung uns zum Aufstehn mögen fassen /
Der Mutter süsses Gift bezaubern haben lassen?
Die der Verrätherey fürnehmstes Mitglied war.
Die Mutter / die darumb uns Kinder nur gebahr:
Daß sie die Klauen könn im Kinder-Blutte färben.
Wie aber wolln wir hier als Sclav als Knecht verderben?
[213] Ja unsern Sohn mit uns so schimpflich sehn gebahrn /
Wie leider Bajazeth von Selim hat erfahrn?
174Der nach geraubtem Reich und Knechtschen Füsse-Küssen
Doch durch des Sohnes Gift zuletzt erblassen müssen.
Jedoch / was bilden wir / die wir gekerckert seyn /
Vom Machmet uns nur diß / was dort vom Selim ein?
Ja Machmets Mutter wird uns selbst erwürgen lassen.
Denn sie ist ein frech Kind der grausamen Circassen
175 /
Die nur ein bluttig Tuch auß Blutt-Lust bethen an.
Drumb stirb mit minder Pein / weil man noch sterben kan!
Auf! Ibrahim / laß uns ergreiffen Strick und Messer!
Ein selbst-erkiester Tod ist rühmlicher und besser /
Als der Tyrannen Spiel / der Hencker Opffer seyn.
Stoß einen scharffen Dolch / großmüthig in dich ein!
Doch es ist weder Strick noch Messer hier verbanden.
Verdammte Raserey! die denen / die in Banden
Verschmachtend sterben / nicht des Todes Werckzeug läßt /
Daß er stets sterbende doch nicht die Seel außbläßt.
Allein umbsonst! der Tod läßt keinem sich verschlüssen.
Die Kleider werden uns zum Stricke dienen müssen.
Doch nein! laß uns die Nacht bepurpern durch diß Blutt.
Die Pfosten sind hier schon zu Sterbens-Pforten gutt.
Laß / eh auf unsern Halß die Hencker sich erbossen /
An diesen Mauren uns behertzt den Kopf zerstossen.
AMBRENS GEIST.
Halt! Blutthund / halt! Es steht ein ander Schluß
In des Verhängnüßes gestirntes Buch geschrieben.
Erzitterstu? was kan die für Verdruß
Dir schaffen / da du schwurst auch ihren Geist zu lieben.
Urtheilstu Hund? daß Ambre sich stellt ein /
Begierig durch die Seiffe deiner Aschen
Das Brandmal ihrer Keuschheit abzuwaschen?
Du fehlst und irrst! Ertzt-schänder / nein / Ach! nein!
Denn gibt die Kohle gleich den Spiegeln Glantz und Schein;
So beitzt dein Geilheits-Oel / weil ja der Keuschheit Lilgen
Sind zärter als Chrystall / und mehr als Spiegel rein /
[214] Uns Flecken / welche nicht dein schwartzes Blutt kan tilgen.
Dir selber sagt schon dein Gewissen wahr:
Daß Rache mich hieher mit Fackeln träget.
Schaut: wie ihm schon zu Berge steht das Haar!
Wie ihm kein Puls / wie schnell ihms Hertze schläget /
Wie als gefrorn jedwedes Glied ersitzt!
Wie Nas' und Mund / der vor nur Rasungs-Jäscht geschäumet
Und Dreuens-Rauch gedampft / der Furcht ietzt Platz einräumet /
Die Stirn erstirbt / und kalten Angstschweiß schwitzt;
Nachdem er mich den Abgott seiner Brünste
In seinen Hencker sich so bald verwandeln siht.
Lern itzt: daß Ros' und Dorn auf einem Zweige blüht /
Daß eine Glutt zeugt Flammen / Rauch und Dünste;
Daß oft ein scharffes Schwerd in Sammet-Scheiden steckt.
Die Biene / welcher Grimm du wider dich erweckt /
Als du ihr's Jungfraun-Wachs / den Keuschheits-Honig stahlest /
Verfolgt nunmehr mit Rach und Stachel dich.
Die Taube kehrt in einen Adler sich:
Daß du ihr durch dein Fleisch und Blutt den Raub bezahlest.
Auf! Blutthund auf! nim nunmehr wahr:
Daß / wie der Hencker dir schon nach der Kehle greifft /
Der Abgrund auch sein Schwerdt auf deine Seele schleifft.
Auf! Stumme / fallet ihm ins Haar /
Greifft den Verzweifelten an / werfft ihn zu der Erden /
Die nur von Bluttschuld kan durch Blutt gereinigt werden.
IBRAHIM.
Ich zitter! ich erstarr! ich weiß nicht / wo ich bin!
Ich beb; ach ich vergeh! Ach! wo versinck ich hin?
Bin ich im Abgrund? in der Helle? bey den Teuffeln?
Ja / leider / Ach! ich muß verdammt seyn und verzweifeln!
Wie viel sind Hencker und Gespenster umb mich her?
Ich wat' in tieffem Sand / und schwimm im schwartzen Meer!
Ihr Stummen
176 / ja umbschlingt den Halß mit euren Stricken;
Eh als die Geister mich mit mehrer Kwal erdrücken.
Lernt Sterblichen: wie scharf des Höchsten Pfeile seyn /
Wenn er sie lange Zeit ins Langmuths-Oel weicht ein!
[215] Reyen.
Die Eris. Die Geilheit. Die keusche Liebe. Die Göttin Claudia und Felicitas. Ibrahims und Ambrens Geist. Die höllischen Geister. Sechs weisse / und sechs schwartze Liebes-Götter.
ERIS.
Die Venus hat mit Fug gesieget;
Da sie den Schönheits-Apfel hat
Zu ihrem edlen Kleinod krieget.
Nun aber der Verhängnüß-Drat
In meine Hand noch diesen schönern giebet /
So steh ich billich an /
Wem ich ihn geben kan?
Doch schenck ich ihn der / die am besten liebet.
GEILHEIT.
Ist diß wohl Frag- und Zweifelns werth;
Denn bin ich nicht die Tochter schönster Zierden?
Gebehrerin der hefftigsten Begierden?
Ein Feuer / das wie Blitz durchfährt;
Das Ertzt zerschmeltzt und Eyß steckt an;
Das Felsen äschert ein / und Riesen zwingen kan.
KEUSCHE LIEBE.
Verkreuch dich du unechtes Kind.
Ich Göttin bin von der Natur gezeuget /
Mich hat ja Milch / dich Schlangen-Gift geseuget.
Mein ewig Oel / dein Rauch und Wind
Zeigt: daß mein Pfeil Gold / deiner Bley /
Dein Glantz ein Schwantz-Gestirn / ich eine Sonne sey.
GEILHEIT.
Du bist iedwedem / der dich kennt /
Ein Reitz / der sich vergnügt mit Schal- und Schleen /
Ein Trieb / der nichts gebiehrt als Wind und Wehen /
[216] Ein Zunder / der nur glimmt / nicht brennt /
Ein Stein / der Stahl / kein Gold nicht zeucht /
Der vom anmuthgen Sud zum kalten Nord abweicht.
DIE KEUSCHE LIEBE.
Du bist die schlimme Zauberin /
Die's Hertz in Asch / in Vieh die Menschen kehret /
Die Seel ersteckt / den Leib kränckt und verzehret.
Ich aber labe Seel und Sinn /
Ich mache: daß der Zahn der Zeit
Nicht alle Welt frißt auf / durch meine Fruchtbarkeit.
DIE GEILHEIT.
Bin ich doch fruchtbarer / als du.
Kommt / Kinder / bähnt den Weg mit Tulipanen.
DIE KEUSCHE LIEBE.
Die Kinder sind nur Raben / meine Schwanen.
Auch deckt dein Blumwerck Nattern zu.
Ihr meine Kinder / kommt herbey /
Und zeugt: daß kein Napel in meinen Rosen sey.
DIE GEILHEIT.
Der Dorn klebt allen Rosen an.
DIE KEUSCHE LIEBE.
An Tulpen ist kein Biesam nicht zu schmecken.
DIE GEILHEIT.
Dein Lusthauß steht bey dürr- und wilden Stöcken.
DIE KEUSCHE LIEBE.
Das sich gar bald verwandeln kan
Ins schönste Paradiß der Welt /
Wenn deine Sternen-Pracht in schwartzen Abgrund fällt.
[217]CLAUDIA.
Ich bin des Höchsten Pförtnerin /
Die Macht hat / Hell und Sternen aufzuschlüssen.
Komm Kind / die Lust des Himmels zu genüssen.
Nim diesen güldnen Apfel hin.
Geneuß diß edle Paradiß /
Das schon der keusche Gott in Eden schauen liß.
Kein Biesam / Balsam / trinckbar Gold
Gleicht keuscher Seelen Zucker-süsser Liebe.
Ihr scheint die Sonn / ist gleich der Himmel trübe.
Den grossen Käyser Leopold
Mach ich vom Leid und Dornen frey;
Zu lehrn: daß keusche Lieb auch nicht stets dörnricht sey.
Was aber träumt dir geilen Magd /
Gelüstet dich der Liebe Preiß zu haben?
Den Schinder-Karn der Unzucht ziehn die Raben /
Der geile Sultan wird betagt
Von Teufeln / in den Hellen-Schlund.
Ihr Teufel greifft und plagt den Huren-Hengst und Hund.
IBRAHIMS GEIST.
Sol meine Schuld hier schon gepeinigt seyn?
Sind schon vertagt die dreymal viertzig Jahre
177?
Da allererst denn sollen Fleisch und Bein
Und Seelen sich vereinbahrn nach der Baare.
Wie daß mein Mund denn itzt schon kosten muß
Zerschmoltzen Ertzt
178 / entflammte Schwefelträncke?
Schaut wie ihr Grimm mir schon umb Hand und Fuß
Brüh-heisse Ketten / glimme Fessel schräncke!
Wird nun die Pein wohl möglich seyn zu tragen;
Da nur die Furcht hier's Vorbild mahlt der Plagen!
AMBRENS GEIST.
Schreibt / Geister / ihm den Nahmen an die Stirn;
Wie ich die Zahl der Laster ihm an Rücken.
Die dir dein Haupt sol / Blutthund / so verwirrn:
[218] Daß du nach Gott wirst keinen Säufzer schicken.
Und also wird nach tausend Jahren auch
Der Blutthund noch im Feuer-Pfule braten;
Nimm hin indeß die Aepfel / die mehr Rauch
Und Schwefel füllt / als Kerne die Granaten.
179Dort wird der Baum der Bitterkeit mit Früchten
Die Kost nach Arth der Teufels-Köpf anrichten.
DIE HÖLLISCHEN GEISTER.
Is! Blutthund / iß! schmeckt dir der Vorschmack nicht?
So sihe wie durch Teufel dort von ferne
Dir wird die rechte Taffel angericht.
Diß sind nur Hülsen / jenes sind die Kerne.
Ihr Teufel kommt! setzt stracks ihn auf den Stuhl /
Der in dem Hartzt / wie seiner schwam im Blutte.
Kommt Teufel / werfft ihn in den lichten Pful!
Peitscht ewig ihn mit eurer Schlangen-Rutte.
Denn wer durch Brunst dem Teufel sich vermählet;
Dem wird die Glutt zum Braut-Bett außerwählet.
CLAUDIA.
So kehrt sich geiler Liebe Pracht
In Wasser-Perln / ihr Oel in Höllenbrände!
Glückseeligkeit reicht aber der die Hände /
Die böse Lust nicht fleckicht macht.
Ja keuscher Liebe Wagen mühn
Schneeweiße Schwanen sich ins Paradiß zu ziehn.
FELICITAS.
Ihr reinen Seelen nähert euch!
Wo Keuschheit sich und Liebe legt zusammen /
Da krönet Lust die allzeit-hellen Flammen.
Ihr Eh-Bett ist ein Himmelreich;
Die Fruchtbarkeit kehrt reichlich ein /
Und holde Sternen wolln selbst Hochzeit-Fackeln seyn.
Ihr keuschen Seelen / kommt und schaut /
Was das Verhängnüß Guttes hat gesponnen
Für Oesterreichs gekrönete zwey Sonnen.
[219] Glückseeligkeit ists Löwen Braut;
Da aber kan kein Anschlag fehln /
Wo Tugend und Gelück einander sich vermähln.
Es kommt der güldnen Erndte Zeit /
Der Mohnde muß in tiefsten Zirckel weichen /
So oft die Sonn ist in des Löwen Zeichen.
Und ich seh Oesterreich bereit
Mit Käyser-Früchten fruchtbar stehn /
Mit Sonnen praln / wofür die Monden untergehn.
Steht gleich ein einig Zweig nur noch;
Die Welt kan auch bey einer Sonne bleiben.
Ob Aloen nur einen Stengel treiben /
So ziehrn ihn tausend Blumen doch /
Und unsers LEOPOLDS sein Hauß
Wird sich in hundert Zweig und Aeste breiten auß.
FINIS.