Gellert, Briefe

Leipzig. Briefe, nebst einer praktischen Abhandlung von dem guten Geschmacke in Briefen, von C. F. Gellert. Bei Johann Wendlern 1751. in 8. 20 Bogen. Was abgeschmackte Junkers und aberwitzige Neukirchs so unglücklich, und nur zur Aufhaltung des guten Geschmacks unternommen haben, wird in diesem Werke auf die vortrefflichste Art geleistet. Der Herr Verfasser hat sich das Recht längst erworben, daß die Welt auf alles, was aus seiner Feder fließt, aufmerksam sein muß; und wer ist geschickter als er, die Natur überall in ihre alte Vorrechte unter uns wieder einzusetzen? Den besten Briefsteller zu machen wird nichts erfordert als zu beweisen, daß man keinen Briefsteller braucht, und die ganze Kunst schöne Briefe zu schreiben ist die, daß man sie ohne Kunst schreiben lernt. Allein wie viel seltne Eigenschaften setzt diese Vermeidung der Kunst voraus? Gesunde Ordnung im Denken, lebhafter Witz, Kenntnis der Welt, ein empfindliches Herze, Leichtigkeit des Ausdrucks sind Dinge die den Deutschen weniger fehlen würden, wenn man sie in Schulen lernen könnte. Die meisten Lehrer haben sie selbst nicht; was Wunder also, daß sie ihre Schüler anführen, sich mit methodischen Leitfäden, topischen Einfällen, studierten Empfindungen, staubigten Realien und künstlichen Perioden zu behelfen? Wie unbeschreiblich würde der Nutzen sein, wenn die [55] praktische Abhandlung des Hrn. Gellerts alle wohl informierte Briefsteller und alle die gelehrten Männer auf us de conscribendis epistolis aus den Klassen vertreiben könnte? Man würde die Briefe des Cicero und Plinius besser nutzen lernen, und einige lateinische Brocken würden das wenigste sein, was man ihnen zu danken hätte. Ist es zu hoffen? – – – Die Briefe des Hrn. Gellerts selbst sind durchgängig Meisterstücke, die man eben so wenig als seine Fabeln zu lesen aufhören wird. Die schöne Natur herrscht überall, alle Zeilen sind mit dem süßesten Gefühle, mit den rühmlichsten Gesinnungen belebt; und die Überzeugung, daß sie der Verfasser an würkliche Personen geschrieben hat, macht das Anteil, welches die Leser daran nehmen, ungleich größer. Von was vor einem Herze sind sie die Beweise! Wie liebenswert hat sich der Verfasser selbst, ihm unbewußt, darinne geschildert! Welche Freundschaft, welche Aufrichtigkeit, welche Liebe! Mit was für einer philosophischen Gleichgültigkeit sind zwei Briefe abgefaßt, wobei wenigstens seine Leser nicht gleichgültig bleiben werden. Verdienet ein Mann, welcher das Vergnügen Deutschlands ist, kein Amt zur Belohnung, wenn anders ein Amt eine Belohnung sein kann? – – – Herr Gellert scheint den vornehmsten Inhalt seiner Abhandlung in eine Erzählung, die er auf der 83ten Seite einschaltet, gebracht zu haben. Können wir den Platz schöner anwenden, als wenn wir sie einrücken?


Ein junger Mensch, der, wenn er Briefe schrieb,
Die Sachen kunstreich übertrieb,
Und wenig gern mit stolzen Formeln sagte,
Las einem klugen Mann ein Trauerschreiben vor,
Darin er einen Freund beklagte
Der seine Frau durch frühen Tod verlor,
Und ihm mit vielen Schulwitz sagte,
Daß nichts gewisser wär, als daß er ihn beklagte.
Ihr Brief, fiel ihm der Kenner ein,
Scheint mir zu schwer und zu studiert zu sein.
Was haben Sie denn sagen wollen?
»Daß mich der Fall des guten Freunds betrübt,
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Daß er ein Weib verlor, die er mit Recht geliebt,
Und meinem Wunsche nach stets hätte haben sollen;
Daß ich von Lieb und Mitleid voll,
Nicht weiß, wie ich ihn trösten soll.
Dies ungefähr, dies hab ich sagen wollen.«
Mein Herr, fiel ihm der Kenner wieder ein,
Warum sind Sie sich denn durch Ihre Kunst zuwider?
O schreiben Sie doch nur, was Sie mir sagten, nieder:
So wird Ihr Brief natürlich sein.
Kostet in den Vossischen Buchhandlungen hier und in Potsdam 12 Gr.
[57]

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