Personen.
- Robert Hot, ein Engländer.
- Lord Hot, sein Vater.
- Lord Hamilton, dessen Freund.
- Die Prinzessin von Carignan.
- Ein Major in sardinischen Diensten.
- Verschiedene Soldaten.
- Tognina, eine Buhlschwester.
- Ein Geistlicher.
- Verschiedene Bediente.
Personen.
Da steck ich nun im Musketierrock, ich armer Proteus. Habe die Soldaten und ihre Knechtschaft und ihre Pünktlichkeit sonst ärger gehaßt wie den Teufel! – Ha! was täte man nicht um dich, Armida? Es ist kalt. Brennt doch ein ewigs Feuer in dieser Brust, und wie vor einem Schmelzofen glüh ich, wenn ich meine Augen zu jenen roten Gardinen erhebe. Dort schläft sie, dort schlummert sie jetzt vielleicht. O, der Kissen zu sein, der ihre Wange wiegt! – – Wenn der Mond, der so dreist in ihr Zimmer darf, sie weckte, wenn er sie ans Fenster führte! – Götter! – – – Mein Vater kommt morgen an, mich nach England zurückzuführen – Komm, schöne Armida, rette mich! laß mich dich noch einmal demütig anschauen, dann mit diesem Gewehr mir den Tod geben; meinem Vater auf ewig die grausame Gewalt nehmen, die er über mich hat. Mich nach England zurückführen! mich zu den öffentlichen Geschäften brauchen! mich mit Lord Hamiltons Tochter verheuraten. Schlägt auf sein Gewehr. Kommt nur! Eher möchtet ihr mich mit dem Teufel verheuraten. Geht lange stumm auf und ab. O wie unglücklich ist doch der Mensch! In der ganzen Natur folgt alles seinem Triebe, der Sperber fliegt auf seine Beute, die Biene auf ihre Blume, der Adler in die Sonne selber – der Mensch, nur der Mensch – – Wer will mir's verbieten? Hab ich nicht zwanzig Jahre mir alles versagt, was die Menschen sich wünschen und erstreben? Pflanzenleben gelebt, Steinleben? bloß um die [331] törichten Wünsche meines Vaters auszuführen; alle sterbliche Schönheit hintan gesetzt und wie ein Schulmeister mir den Kopf zerbrochen; ohne Haar auf dem Kinn wie ein Greis gelebt, über nichts als Büchern und leblosen, wesenlosen Dingen, wie ein abgezogner Spiritus in einer Flasche, der in sich selbst verraucht. Und nun, da ich das Gesicht finde, das mich für alles das entschädigen kann, das Gesicht, auf dem alle Glückseligkeit der Erde und des Himmels, wie in einem Brennpunkt vereinigt, mir entgegen winkt, das Lächeln, das mein ganzes unglückliches, sterbendes, verschmachtendes Herz umfaßt und meinen ausgetrockneten, versteinerten Sinnen auf einmal zuzuwinken scheint: Hier ist Leben, Freude ohne Ende, Seligkeit ohne Grenzen – Ach! ich muß hinauf – so wahr ein jeder Mensch einen Himmel sucht, weil er auf Erden nicht zufrieden werden kann.
Sind Sie's, göttliche Armida? – O zürnen Sie nicht über diese Verwegenheit! Sehen Sie herab auf einen Unglücklichen, der zu sterben entschlossen ist und kein anderes Mittel wußte, Sie vor seinem Tod noch einmal zu sehen, Ihnen zu sagen, daß er für Sie stirbt. Die Sonne zürnt nicht, wenn ein dreister Vogel ihr entgegen fliegt und, von ihrem Glanz betäubt, sodann tot herab ins Meer fällt.
Erlauben Sie mir, daß ich herauf komme, Ihnen meinen Namen zu nennen, meine Geschichte zu erzählen. Das tote Schweigen der Natur und die feierliche Stille dieser meiner Sterbestunde flößt mir Mut ein. Ich gehe zum Himmel, wenn es einen gibt, und einem Sterbenden muß alles erlaubt sein. –
Ich bin ein Engländer, Prinzessin; bin der Stolz und die Hoffnung meines Vaters, des Lord Hot, Pair [332] von England. Auf der letzten Maskerade bei Hof hab ich Sie gesehen, hab ich mit Ihnen getanzt; Sie haben es vergessen, ich aber nicht. Ich kann und darf nicht hoffen, Sie jemals zu besitzen, doch kann ich nicht leben ohne diese Hoffnung. Morgen kommt mein Vater an und will mich nach England zurückführen und mit Lord Hamiltons Tochter verheuraten. Urteilen Sie nun, wie unglücklich ich bin. Er darf's nicht wissen, daß ich Soldat bin, sonst kauft er mich los; und wo denn Schutz finden, was denn anfangen, wenn mich dieser heilige Stand vor ihm und Lord Hamilton nicht mehr sicher stellen kann? – Bedauern Sie mich, Prinzessin; ich sehe, ich sehe das Mitleid aus Ihren schwarzen Augen zittern; ich kann diesen süßen Seufzer mit meinen Lippen auffangen, der ihren Busen mir so göttlich weiß entgegen hebt. – O in diesem Augenblick zu sterben ist alle Glückseligkeit des Lebens wert.
Mein Herr! ich sehe wohl, daß Sie was anders sind, als Sie zu sein scheinen – daß Sie Bedauern verdienen – Sind Sie damit zufrieden, wenn ich Sie bedauere? Ist Ihnen diese Versicherung nicht genug, so bedenken Sie doch, daß mehr verlangen, mein Unglück verlangen hieße.
Ach, schöne Prinzessin! nichts als bedauren? Und wenn auch das Sie nicht glücklich macht, so will ich den Urheber Ihres Unglücks strafen.Springt auf, nimmt sein Gewehr wieder und geht herum.
Eure Hoheit verzeihen, daß ich mich untertänigst beurlaube. Es wird Kriegsrat über einen Deserteur gehalten, bei dem ich unumgänglich gegenwärtig sein muß.
Eben deswegen, Herr Major, habe ich Sie rufen lassen. Er ist unter meinem Fenster in Verhaft genommen worden, ich war wach, als der Schuß geschah. Der Mensch muß eine verborgene Melancholei haben, die ihn zu dergleichen gewaltsamen Entschließungen bringt.
Man will sagen, daß er nicht von geringem Herkommen sein soll. Einige haben mir sogar behaupten wollen, er sei ein Lord und von einem der ersten Häuser in England.
Ich gelte auch etwas bei dem König und mein Bruder; und ich will, daß Sie ihm das Leben nicht absprechen, Herr Major, wenn Ihnen Ihr zeitlich Glück lieb ist.
Ich gehe, mich dem Könige deswegen zu Füßen zu werfen, unterdessen erkundigen Sie sich aufs sorgfältigste nach seinen Eltern und sehen Sie, daß Sie ihnen, so geschwind es sein kann, Nachricht von diesem Vorfall geben. Ich bitte mir's von Ihnen zu Gnaden aus, Herr Major!
Nur um ein paar Ellen hätt ich ihr näher sein sollen, ihre Mienen auf mich herabscheinen zu sehen – ihren Atem zu trinken – Man muß genügsam sein – Das Leben ist mir gut genug worden, es ist Zeit, daß ich gehe, eh es schlimmer wird. Spielt wieder.
Stehen Sie auf, mein Herr! ich bring Ihnen Ihr Urteil – Ihre Begnadigung vielmehr. Ich war die Ursache [335] der unglücklichen Verirrung Ihrer Einbildungskraft, ich mußte dafür sorgen, daß sie nicht von zu traurigen Folgen für Sie würde. Sie werden nicht sterben. Stehen Sie auf.
Nicht sterben? und das nennen Sie Gnade! – Oft ist das Leben ein Tod, Prinzessin, und der Tod ein besseres Leben.
Freilich hört mit dem Tod alles auf, aber im höchsten Genuß aufhören, heißt tausendfach genießen. Gönnen Sie mir dieses Glück, Prinzessin,Ihr einen Dolch reichend, der auf einem Sessel liegt. lassen Sie mich den Tod aus diesen Händen nehmen, von denen er mir allein Wohltat ist. Ich will meinen entfliehenden Atem in diese Hände zurückgeben, die ihn schon lange gefesselt hatten, die zu berühren meine scheidende Seele schon tausendmal auf meinen Lippen geschwebt ist.
Mein Freund! – Knöpft sich ein Armband ab. hier haben Sie etwas, das Ihnen das Leben angenehmer machen soll; nehmen Sie es mit in Ihre Gefangenschaft, versüßen Sie sich die Einsamkeit damit; und bilden Sie sich ein, daß das Urbild von diesem Gemälde vielleicht nicht so fühllos bei Ihren Leiden würde gewesen sein, als es dieser ungetreue Schatten von ihm sein wird. Gibt ihm das Porträt und eilt jählings ab.
Ach, nun Ewigkeiten zu leben! – – mit diesem Bilde! – – Wesen! wenn eins da ist, furchtbarstes aller Wesen! könntest du so grausam gegen einen handhohen Sterblichen sein und mir dies im Tode nehmen – Wenn ein Leben nach dem Tode wäre – dies ist das erstemal, daß mich der Gedanke bei den Haaren faßt und in einen grauenvollen Abgrund hinabschüttelt – Ein Leben nach dem Tode, und ohne sie – Nein, sie wußte, was sie mir brachte, Leben und ihr Bild. Es ist ihr dran gelegen, daß[336] ich sie nicht aus diesem Herzen verliere, und wenn ich verginge, verging ein Teil ihres Glücks mit. Ich will also die Begnadigung um ihretwillen annehmen. Steht auf, nimmt das Urteil von dem Tisch und liest. » ... in eine lebenslängliche Verweisung auf die Festung.« Lebenslänglich! das ist genug – aber sie wird vor mir stehn, ihre Hand wird mir den Schweiß von der Stirne trocknen, die Tränen von den Backen wischen – die Augen mir zudrücken, wenn ich ausgelitten habe. Überall werd ich sie hören, sie sehen, sie sprechen, und die Kette, an der ich arbeite, wird ihre Kette sein. Fährt zusammen. Wen seh ich! Der alte Lord Hot tritt herein.
Ich weiß alles. Ich komme von der Prinzessin von Carignan. Robert zittert. Du hast die Dame unglücklich gemacht, sie kann es sich und ihren Reizungen nicht verzeihen, einen Menschen so gänzlich um seinen Verstand gebracht zu haben, der jung, hoffnungsvoll, in der Blüte seiner Jahre und Fähigkeiten, seinen Vater und Vaterland in den größten Erwartungen hintergeht. Hier ist deine Befreiung! Willst du der Prinzessin nicht auf ewig einen Dorn in ihr Herz drücken, so steh auf, setz dich ein mit mir und kehr nach England zurück.
Nein, die Begnadigung meiner Prinzessin war viel gnädiger. Ich habe die Festung verdient, weil ich mich [337] unterstanden, ihre Ruhe zu stören. Aber ich blieb ihr nah; derselbe Himmel umwölbte mich, dieselbe Luft wehte mich an – es waren keine Länder, kein ungetreues Meer zwischen uns; ich konnte wenigstens von Zeit zu Zeit Neuigkeiten von ihr zu hören hoffen – Aber nun auf ewig von ihr hinweggerissen, in den Strudel der öffentlichen Geschäfte; vom König und Ihnen und Lord Hamilton gezwungen, in den Armen der Lady Hamilton – sie zu vergessen! – Behalten Sie Ihre Begnadigung für sich und gehen in die Wälder, von wilden Tieren Zärtlichkeit für ihre Jungen zu lernen.
Elender! so machst du die menschenfreundlichsten Bemühungen zu nichte und stößest die Hände, die dich von dem Sturze des Abgrundes weghaschen wollen, mit Undankbarkeit von dir. Wisse! es ist nicht meine Hand, die du zurückstößt, es ist die Hand deiner Prinzessin selber. Sie hat dir diese Befreiung ausgewirkt, und damit sie deine unsinnige Leidenschaft durch diese Großmut nicht nährte, hat sie mich gebeten, ihr meinen Namen dazu zu leihen, hat sie sich gestellt, dir eine zweideutige Begnadigung ausgewirkt zu haben, um sich dadurch in deiner Phantasei einen widerwärtigen Schatten zu geben. Aber deine Raserei ist unheilbar; wenigstens zittre, ihren großmütigen Absichten entgegen zu stehen, und wenn du nicht willst, daß sie dich als den Störer ihres ganzen Glücks auf ewig hassen soll – flieh! sie befiehlt es dir aus meinem Munde. –
Das ist in der Tat fürchterlich! diese Klarheit, die mich umgibt und mir die liebe Dunkelheit, die mich so glücklich machte, auf immer entreißt. Also die Prinzessin selber arbeitet dran, daß ich fortkomme, daß ich nach England gehen und sie in den Armen einer andern auf ewig vergessen soll.
Sie hat mich in ganz Turin aufsuchen lassen, da sie unter der Liste der Durchreisenden meinen Namen gefunden. [338] Sie muß von meiner Ankunft unterrichtet gewesen sein.
Das ist viel Sorgfalt für mein Glück, für meine Heilung. – Ich bin freilich ein großer Tor – Aber wenn Sie sie gesehn hätten, Lord Hot – und mit meinen Augen –, das erstemal, als ich sie auf der Maskerade sah – wie sie so da stand in ihrer ganzen Jugend und alles um sie lachte und gaukelte und glänzte, die roten Bänder an ihrem Kopfschmucke von ihren Wangen die Röte stahlen, die Diamanten aus ihren Augen das Feuer bettelten und alles um sie her verlosch und man wie bei einer göttlichen Erscheinung für die ganze Natur die Sinne verlor und nur sie und ihre Reize aus der weit verschwundenen Schöpfung übrig behielt. Und was für ein Herz diese Schönheit bedeckt. Jedermann in Turin kennet sie, jedermann spricht von ihr mit Bewunderung und Liebe. Es ist ein Engel, Lord Hot! ich weiß Züge von ihr, die kalte Weltweise haben schauernd gemacht. – Mein Vater, ich kann noch nicht mit nach England. Ich werde heilen, ich muß heilen, aber ich muß mich noch erst erholen, eh ich so stark bin, es selber zu wollen.
Komm! so bald du vernünftig wirst, wirst du glücklich sein und mich und uns alle glücklich machen, am meisten aber die, die du anbetest.
Sie wollen mich durch Mummereien und Vergnügen und Rasereien wieder zu meinem Verstand bringen. Sie haben recht gehabt, sie haben mich wenigstens so weit gebracht, daß ich durch eine verstellte Gleichgültigkeit ihr Argusauge betrügen und ihren bittern Spöttereien über die schönste Torheit meines Lebens ausweichen kann. Ha, unter allen Foltern des Lebens, auf die der Scharfsinn der Menschen gesonnen haben kann, kenn ich keine größere, als zu lieben und ausgelacht zu werden. Und die Marmorherzen machen ihrem Gewissen diese Peinigung ihrer Nebenmenschen so leicht, weil sie ihnen so wenig Mühe kostet, weil sie ihrem Stolz und eingebildeten Weisheit so sehr schmeichelt, weil sie die schlechteste Erdensöhne mit so geringen Kosten über den würdigsten Göttersohn hinaus setzt. Ha! sie sollen diese Freude nicht mehr haben. – Mich auslachen! – mich dünkt, ein Teil von dem Hohn fällt auch auf den Gegenstand zurück, den ich anbete –Springt auf. und das ist ärger, als wenn Himmel und Erde zusammen fielen und die Götter ein Spiel der Säue würden – Ruhig, Robert! da kommen sie.Wirft sich wieder in den Lehnstuhl und scheint zu schlummern.
Wenn nur ein Mittel wäre, ihm den Geschmack an Wollust und Behäglichkeit beizubringen; er hat sie noch nie gekostet; und wenn das so fortstürmt in seiner Seele, kann er sie auch nie kosten lernen.
[340]Ich kenne hier eine, die einen Antonius von Padua verführt haben würde. Augen, so jugendlich schmachtend, als Venus zum erstenmal aufschlug, da sie aus dem Meerschaum sich loswand und die Götter brünstig vom Himmel zog. Es ist ein so vollkommnes Meisterstück der Natur, daß alle Pinsel unserer Maler an ihr verzweifelt sind. Ihre Arme, ihr Busen, ihr Wuchs, ihre Stellungen – Ach wenn sie sich einladend zurück lehnt und tausend zärtliche Regungen den Schnee ihres Busen aufzuarbeiten anfangen –
Geduld, Lord Hot! ich bitte dich. Geduld, Mann! Es wird sich alles von selber geben. Ich billige diese Hitze an Roberten, er hat sie von dir. Du hättest es nicht besser gemacht, wenn du in seinen Jahren wärst – Es wird sich legen, ich versichere dich. Ich hoffe noch die Zeit zu erleben, da Robert über sich lachen wird.
Das mein ich, daß er kein Kind ist. Wie hoch diese Leute über mich sind, wie sie über mich wegschreiten! wie man über eine verächtliche Made wegschreitet[341] – Und ihr Vorzug! daß sie kalt sind; daß sie lachen können, wo ich nicht lachen kann – Nun, es wird sich alles von selbst geben, Robert wird ein gescheuter, vernünftiger Mann werden! Es wird schon kommen, nur Geduld! – Unterdessen – Öffnet ein Fenster und springt heraus.
Hast du kein Mitleiden mit mir, Unbarmherzige? Fühlst du nicht, wer hier herumgeht, so trostlos, so trostlos, daß die Steine sich für Erbarmen bewegen. Was hab ich begangen, was hab ich verbrochen, daß ich so viel ausstehen muß? Womit hab ich dich beleidigt, erzürnter Himmel, ihr kalten und freundlichen Sterne, die ihr so schön und so grausam auf mich niederseht? Auch in dem Stück ihr ähnlich. Muß denn alles gefühllos sein, was vollkommen ist; nur darum anbetenswert, weil es, in sich selbst glücklich, seine Anbeter nicht der Aufmerksamkeit würdig achtet. – Wirft sich nieder auf sein Angesicht, dann hebt er sich auf. Ja, Hamilton hat recht geweissagt, ich bin so weit gekommen, daß ich über mich selbst lachen muß. Ist es nicht höchst lächerlich, so da zu liegen, dem Spott aller Vorübergehenden, selbst dem Geknurr und Gemurr der Hunde ausgesetzt; ich, der Einzige meiner Familie, auf dessen sich entwickelnde Talente ganz England harrte? Robert, du bist in der Tat ein Narr. Zurück! zurück! zu deinem Vater, und werd einmal klug. Leiert auf seiner Marmotte.
O – o! geben Sie mir doch einen Heller, Eure kaiserliche Majestät – Eure päpstliche Heiligkeit – O – o! Das Fenster geht auf, es fliegt etwas heraus in Papier gewickelt. Robert fängt's begierig auf. O, das Geld kommt von ihr – Küßt es. In Papier – Wer weiß, was drauf geschrieben steht.Macht das Papier auf und tritt an eine Laterne. Nichts! – Robert! – weiß – ganz weiß! – Du hast nichts, Robert, du verdienst nichts. – Wer weiß, warf's ein Bedienter heraus. – Ja doch; es kam nicht aus ihrem Fenster; es kam aus dem obern Stock, und wo mir recht ist, sah ich einen roten Ärmel. Geh zurück in deines Vaters Haus, Robert! es ist eben so gut – – – Wenn nur die Bedienten meines Vaters ihm von diesem Aufzug nichts sagen, sonst bin ich verloren. Ich schleiche mich noch wohl hinein. –
Nun, es wird schon besser werden; ich hoff, [343] ich vertreib sie dir. Steh auf, und zieh dich an, du sollst mit mir zur Prinzessin von Carginan.
Verlangt – sie hat wohl viel Zeit, an dich zu denken. Sie empfängt gegenwärtig die Glückwünschungen des ganzen Hofs, und du wirst doch auch nicht der letzte sein, vor deiner Abreise nach London ihr auch die deinige abzulegen.
Nun er wird wieder aufleben. Ihn gleichfalls vergeblich zu ermuntern suchend. Man muß ihm eine Ader schlagen. Streift ihm den Arm auf. Geschwind, Bediente, eine Lanzett oder einen Chirurgus, was ihr am ersten bekommen könnt.
Wir müssen ihn allein lassen, daß er sich erholen kann; der Zwang, den er sich in unserer Gegenwart antut, ist ihm tödlich. – Es wird sich alles von selbst legen.
Also vermählt! Das Schwert, das am letzten Haar über meinem Kopfe hing, fällt. – Aus! – alles aus. Springt auf und tappt nach einem Gewehr. Ich vergaß es – O deine elende väterliche Vorsicht! Rennt mit dem Kopf gegen die Wand und sinkt auf den Boden. Also ein anderer – ein anderer – und vermutlich ein junger, schöner, liebenswürdiger, vollkommener – einer, den sie lang geliebt hat, weil sie so ernstlich auf meine Heilung bedacht war. – Desto schlimmer, wenn er vollkommen ist, desto schlimmer! – er wird ihr ganzes Herz fesseln, und was wird für mich übrig bleiben? nicht einmal Mitleid, nicht ein einziger armer verirrter Gedanke für mich – Ganz aus ihrem Andenken verschwunden, vernichtet – Daß ich mich nicht selbst vernichten kann! –
Ich wollte sehen, was es für Wetter gäbe – Ich bin dein Herzensfreund, Hamilton; ich wollt, ich hätte deinen Sohn oder deine Tochter hier.
Ihr seid der Stärkere. Gewalt geht vor Recht. Legt sich freiwillig nieder und fängt an zu rufen. Georg! Johann! Eduard! He, wer ist da! Kommt und fragt den Lord Hamilton, was er von euch haben will!
Ihr sollt mir den jungen Herrn hier bewachen. Seht zu, daß ihr ihn zum Einschlafen bringt – Ihr sollt mir Red und Antwort für ihn geben.
Gebt Acht auf ihn; ihr sollt mir für alles stehen, ich sag's euch! und wenn er's zu arg macht, so ruft mich nur – und ich will den Junker an sein Bett schließen lassen.
Nicht wahr, Williams, der Mensch ist nicht gescheut. Sagt mir aufrichtig, scheint er euch nicht ein wenig verrückt zu sein, der Lord Hamilton? Er bildt sich wohl ein, daß ich ein Kind oder ein Narr oder noch was Schlimmers bin, weil ich nicht Sich ehrerbietig bückend. Lord Hamilton sein kann.
Maulaffe! bist du auch angesteckt? – Komm du her, Peter, du bist mir immer lieber gewesen als der weise Esel da. Sagt mir doch, habt ihr nichts von Feierlichkeiten gehört, die in der Stadt angestellt werden sollen, von Illuminationen, Freudenfeuer? –
Immer dieselbe Leier; wenn ich nicht närrisch wäre, könntet ihr mich dazu machen. – Die Prinzessin [346] von Carignan soll morgen Hochzeit halten, ob was dran ist? Habt ihr nichts gehört?
Seid ihr denn stumm geworden, ihr Holzköpf? Ist's euch verboten, mir's zu sagen? Wer hat's euch verboten? Geschwind!
Lieber junger Herr, wenn Sie sich zudeckten und sähen in Schweiß zu kommen. Er will ihn anfassen, Robert stößt ihn von sich. Wenn Sie nur in Ruh kommen könnten, allerliebster junger Herr.
Daß dich Gott verdamm, mit deiner Ruh! – Setz dich! Er setzt sich aufs Bett, Robert faßt ihn an Kragen. Den Augenblick sag mir, Bestie, wie heißt der Gemahl der Prinzessin von Carignan?
Gut, daß ich mit dir reden darf, mitleidige Wand. Es ist mir doch, als ob du dich gegen mich bewegtest, dich herab zu mir neigtest und stumm, aber gefühlig zu meiner Verzweiflung zittertest. Sieh, wie ich verraten daliege! alles, alles verrät mich – Zieht das Bild der Prinzessin aus seinem Busen und macht das Futteral auf. Auch dies. Auch diese schwarzen Augen, die keinen Menschen scheinen unglücklich sehen zu können, die Liebe und Wohltun wie die Gottheit selber sind. Sie hat alles das angestellt. – Sie will mich wahnwitzig haben – Sie heuraten! könnte sie das, wenn ihr Herz weich und menschlich wäre. Nein, sie ist grausamer als alle wilde Tiere, grausamer als ein Tyrann, grausamer als das Schicksal [347] selbst, das Weinen und Beten nie verändern kann. Sie kann mich leiden sehen und an Hochzeitfreuden denken – Und doch, wenn sie muß! wenn sie glücklicher dadurch wird – Ja, ich will gern leiden, will das Schlachtopfer ihres Glücks sein – Stirb, stirb, stirb, Robert! es war dein Schicksal, du mußt nicht darüber murren, sonst wirst du ausgelacht. Bleibt mit dem Bild ans Gesicht gedrückt eine Weile stumm auf seinem Kissen liegen.
Still, er schläft! – das ist ein Glück. Wir dachten schon, er sollt uns zum Fenster heraus springen. Die Hitze ist gar zu groß bei ihm.
Schöner junger Herr! werden Sie nicht böse, daß ich so ungebeten herein komme. Ich bin hieher gewiesen, ich bin eine arme Waise, die Vater und Mutter verloren hat und sich kümmerlich von ihrer Hände Arbeit nähren muß.
Alles, was ich mir verdiene, wend ich auf meine Kleidung. Ich denke, es steht einem jungen Mädchen nichts so übel an, als wenn sie das bißchen Schönheit, das ihr der Himmel gab, nicht einmal sucht an den Tag zu legen. Ich will nicht gefallen, gnädiger Herr, Ihn zärtlich ansehend. ich weiß wohl, daß ich nicht im Stande bin, Zärtlichkeit einzuflößen; aber zum wenigsten bin ich hochmütig genug, daß ich niemand durch meine Gestalt beleidigen mag.
Von Ihnen? – was ich von Ihnen will? – Das ist eine seltsame Frage, die ich Ihnen so geschwind nicht beantworten kann. Ich höre, daß Sie [348] krank sind, schöner junger Herr, Sie brauchen Pflege, Sie brauchen Aufwartung; Sie brauchen vielleicht auf die Nacht eine Wärterin.
Niemand, gnädiger Herr – die Frau vom Hause hat es mir gesagt – und in der Tat, man sieht es Ihnen an. Seine Hand fassend. Dieser Puls will mir nicht gefallen. Streift ihm den Arm auf. Was für einen schönen weißen Arm Sie haben – und wie nervigt! dieser Arm könnte Herkules' Keule tragen.
Das gesteh ich. – Haben Sie noch nie geliebt? – Ich muß Ihnen doch sagen, hier ward gestern eine neue Oper gegeben – Die Scythen, oder der Sieg des Liebesgottes – Unvergleichlich, Mylord; gewiß – Es war auch so ein junger Herr drinne wie Sie, der alles Frauenzimmer verachtete. Aber was meinen Sie wohl, womit die Liebesgöttin und die Amors ihn bekämpften? Raten Sie einmal, ich bitte Sie, was für fürchterliche Waffen sie seiner knotigten Keule entgegen setzten?
Blumen, junger Herr, nichts als arme Blumen – Reißt sich eine Rose von der Brust und wirft ihn damit. Sehen Sie, so machten sie's – Spielend Eine aus ihrem Haarputze. spielend Wieder eine andere von ihrer Brust. spielend überwanden sie ihn. Hahaha, Ihn an die Hand fassend. ist das nicht lustig, mein kleines Herzchen?
O unbarmherziger Himmel! – Armida! – Tognina ans Kinn fassend. [349] Ihr seid gefährlich, Kleine! voll Lüsternheit! voll Liebreiz! Laßt uns allein bleiben, ich habe Euch viel zu sagen.
Seht, hier hab ich ein Bild, das allein ist Euch im Wege. Wenn Ihr Meisterin von meinem Herzen werden wollt, gebt mir eine Schere, daß ich es von diesem Halse löse, an den ich es damals leider, ach, auf ewig knüpfte! Ich bin nicht im Stande, Euch in Euer zauberreiches Auge zu sehen, Eure weiche Hand gegen mein Herz zu drücken, Euren glühenden Lippen meinen zitternden Mund entgegen zu strecken, so lang dies Bild an meinem Halse hängt.
Ist's denn so weit! – Breitet die Arme aus. Ich komme, ich komme! – Furchtbarstes aller Wesen! an dessen Dasein ich so lange zweifelte; das ich zu meinem Trost leugnete, ich fühle dich – du, der du meine Seele hieher gesetzt! du, der sie wieder in seine grausame Gewalt nimmt. Nur nicht verbiete mir, daß ich ihrer nicht mehr denken darf. Eine lange, furchtbare Ewigkeit ohne sie. Sieh, wenn ich gesündigt habe, ich will gern Straf und Marter dulden; Höllenqualen dulden, wie du sie mir auflegen magst; nur laß das Andenken an sie sie mir versüßen.
Verbindt ihn; er verblutet sich. Reißt ein Schnupftuch aus der Tasche und sucht das Blut aufzuhalten. Kommt denn der Wundarzt noch nicht? So lauft denn jemand anderswo nach ihm! lauft alle mitnander nach ihm! – Das sind die Folgen deiner Politik, Hamilton.
Nein, Armida! nein! – so viel Augen haben nach mir gefunkelt! so viel Busen nach mir sich ausgedehnt! ich hätte so viel Vergnügen haben können – nein, das ist nicht dankbar.
Nein, das ist nicht artig – Ich war jung, ich war schön! o schön! schön! ich war zum Fressen, sagten sie – Sie wurden rot, wenn sie mit mir sprachen, sie stotterten, sie stammelten, sie zitterten – nur eine, sagte ich, nur eine – und das mein Lohn!
Nun – nun – nun – meine Armida! jetzt gilt es dir zu beweisen, wer unter uns beiden recht hat – jetzt – jetzt – Laß meinen Vater sagen! laß die ganze Welt sagen –
[351]Du hast mich um meinen Sohn gebracht, Hamilton – Dein waren alle diese Anschläge! – du sollst mir dran glauben, oder ich –
So helfen Sie uns wenigstens seine junge Seele retten. Es war sein Unglück, daß er in der Kindheit über gewisse Bücher kam, die ihm Zweifel an seiner Religion beibrachten. Aber er zweifelt nicht aus Libertinage, das kann ich Ihnen versichern. Reden Sie ihm zu, Mann Gottes, da er am Rande der Ewigkeit steht.
Lord Robert, ich weiß nicht, ob Sie mich noch verstehen, aber ich hoffe zu Gott, der Sie erschaffen hat, er wird wenigstens einige meiner Worte den Weg zu Ihrem Herzen finden lassen, wenn Ihr Verstand sie gleich nicht mehr fassen kann. Bedenken Sie, wenn Sie noch Kräfte übrig haben, welchem entscheidenden Augenblick Sie nahe sind, und wenden Sie die letzte dieser Kräfte an, das, was ich Ihnen sage, zu beherzigen.
Sie gehen in die Ewigkeit über! Lord Robert, Lord Robert, machen Sie Ihr Herz los von allem Irdischen. Sie sind jung, Sie sind liebenswürdig, Sie haben Ihrem Vaterlande die reizendste Hoffnungen vernichtet; aber Ihr Herz ist noch Ihre; wenden Sie das von den Geschöpfen, an denen Sie zu sehr hingen, zu dem Schöpfer, den Sie beleidiget haben, der Ihnen verzeihen [352] will, der Sie noch liebt, wenn Sie ihm das Herz wieder ganz weihen, das Sie ihm entrissen haben.
Unglücklicher! Sie wollen nicht? Bedenken Sie, wo Sie stehen, und vor wem. – Wollen Sie mir die Hand drauf reichen, daß Sie sich seinem Willen unterwerfen wollen – noch ist es Zeit – Sie bewegen die Lippen. – Sie wollten mir etwas sagen.
Unter Bedingungen! – Bedenken Sie, was Sie verlangen – Bedingungen mit Ihrem Schöpfer? Robert hält ihm die Hand, er reicht ihm das Ohr noch einmal hin. – Daß er Ihnen erlaube, Armiden nicht zu vergessen – O lieber Lord Robert! in den letzten Augenblicken! – Bedenken Sie, daß der Himmel Güter hat, die Ihnen noch unbekannt sind; Güter, die die irdischen so weit übertreffen, als die Sonne das Licht der Kerzen übertrifft. Wollten Sie denen entsagen, um einen Gegenstand, den Sie nicht mehr besitzen können, zu Ihrer Marter auf ewig im Gedächtnis zu behalten?