147. König Volmar.

Der Wirth in Volmarstein erzählte: Auf dem Hardenstein an der Ruhr hat sich in alter Zeit ein Zwergkönig, [136] Namens Volmar, aufgehalten, zu der Zeit, als dort ein Neveling Hardenberg wohnte. Er soll seinen Wohnsitz in einer Kammer aufgeschlagen haben, die noch lange nachher den Namen Volmar's Kammer geführt hat. Man erzählt auch, daß er um Neveling's Schwester gefreit und stets unsichtbar gewesen sei. Man habe daher seine Stimme gehört und seine Tritte vernommen, aber ihn selber nie gesehen. Nun ist einmal ein neugieriger Küchenjunge auf dem Schloße gewesen, der hat, um seine Spur zu verfolgen, Asche gestreut; aber das ist ihm übel bekommen. Denn als der Koch am andern Morgen in die Küche gekommen ist, hat er ihn mit umgedrehtem Genick am Bratspieß steckend gefunden.


Vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 282, 2., über die Liebe zu dem Fräulein vgl. das Heinzelmännchen bei Wolf, Heßische Sagen, Nr. 75, und Grimm, Deutsche Sagen, I, 116, 117; Grimm, Mythologie, S. 477; Simrock, Mythologie, S. 457 fg.


Von Steinen (Westfälische Geschichte, IV, 776-779) theilt die ältern Berichte über diese Sage mit: Gobelinus (Cosmodrom aet. VI. cap. 70; apud Meibomium Scriptores rerum germanicarum, I, 286) erzählt: Istis temporibus quidam iucubus, nominans se regem Goldemer, conjunxit se familiaritate cuidam viro, armorum mundanis actibus per omnia dedito, Neveling de Hardenberg nominato, in comitatu de Marka prope flumen Roere, in fortalitio seu munitiuncula habitanti, et loquebatur secum et cum aliis hominibus: Lusit dulcissime in instrumento musicali chordis aptato: Lusit ad taxillos, pecunias exposuit, vinum bibit et saepe cum eo in lecto uno per noctem requievit. Multi visitabant eum, tam viri religiosi quam saeculares, quibus responsa dedit: Sed saepe religiosos ad suae conditionis revelationem[137] anhelantes, scelera eorum occulta recitando confudit. Hospitem praedictum saepius de inimicorum suorum adventu praemonuit et qualiter eorum machinationes evaderet sibi consilia dedit. Manus sibi duntaxat palpandas praebuit, sed videri negavit, et erant manus graciles et molles, ut si quis tangeret murem aut ranam. Christianos fidem in verbis, Judaeos in lapidibus pretiosis et paganos in herbis ponere asseruit. Haec omnia tunc a multis audivi et post annos XXVI ab ipso Neveling plenius intellexi. Hic habuit tunc sororem pulcram, cuius gratia hunc incubum nonnulli moram secum trahere suspicabantur. Unde solitus erat eum nominare generum suum. Et ipse docuit eum, ut hoc versu se signaret: »Increatus pater, increatus filius, increatus spiritus sanctus.« Et postquam triennio secum morabatur sine cuiusquam laesione recessit.


In der gedruckten Genealogie der von Laer heißt es bei der Beschreibung des Schloßes Hardenstein:

Von dem Schloße Hardenstein wird die heidnische Fabel erzählt, daß sich vor Zeiten ein Erdmännchen (Woutermanneken) da aufgehalten, welches sich König Volmar genannt und diejenige Kammer bewohnt hätte, welche von den heidnischen Zeiten an bis auf den heutigen Tag Volmar's Kammer heißt. Dieser Volmar mußte jederzeit einen Platz am Tische und einen für sein Pferd im Stalle haben, da denn auch jederzeit die Speisen wie auch Hafer und Heu verzehret wurden, vom Menschen und vom Pferde aber sah man nichts als den Schatten.

Nun trug es sich zu, daß auf diesem Schloße ein Küchenjunge war, welcher, begierig seiend, diesen Volmar, wenigstens seine Fußtapfen zu sehen, hin und wieder [138] Asche streuete, um ihn solchergestalt fallend zu machen. Allein es wurde sein Vorwitz sehr übel bezahlet, denn auf einen gewissen Morgen, als dieser Knabe das Feuer anzündete, kam Volmar, brach ihm den Hals und hieb ihn zu Stücken, da er die Brust an einen Spieß steckte und briet, etliches röstete, das Haupt aber nebst den Beinen kochte.

Als der Koch bei seinem Eintritt in die Küche dieses erblickte, wurde er sehr erschrocken und durfte sich fast nicht in die Küche wagen. Sobald die Gerichte fertig, wurden solche auf Volmar's Kammer getragen, da man denn hörte, daß sie unter Freudengeschrei und einer schönen Musik verzehret wurden. Und nach dieser Zeit hat man den König Volmar nicht mehr verspüret, über seiner Kammerthür aber war geschrieben, daß das Haus künftig so unglücklich sein sollte, als es bishero glücklich gewesen wäre, auch daß die Güter zersplittert und nicht eher wieder zusammenkommen sollten, bis daß drei Hardenberge von Hardenstein im Leben sein würden. Der Spieß und Rost sind lange zum Gedächtniß verwahrt, aber 1651, als die Lotharinger in diesen Gegenden hauseten, weggeplündert worden, der Topf aber, der auf der Küche eingemauert ist, ist noch vorhanden.

In gleicher Weise zerhackt Hütchen auf der Winzenburg den Küchenjungen, weil er ihn mit siedendem Waßer begoßen hatte; Grimm, Deutsche Sagen, Nr. 74; angeblich soll auch dort im Jahre 1606 noch der Topf vorhanden gewesen sein, in welchem der Kobold den Küchenjungen kochte; Neues vaterländisches Archiv, III, 128 fg.; von Steinen gibt sogar eine Abbildung desselben. [139]

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