4. Die beiden Mädchen bei dem Zwerge.

Mündlich vom Hakel.


Da war einmal ein Kuhhirt, der hatte eine Frau und zwei Töchter und die mußten ihm immer das Mittagbrot [326] hinausbringen auf die Weide; da trieb er nun auch eines Morgens fort und sagte beim Weggehen zu seiner Frau: »schick mir heut die Aelteste hinaus mit dem Mittagbrot.« Als es daher um Mittag kam, packte die Mutter das Eßen in den Korb und schickte die älteste Tochter damit hinaus; die aber suchte den Vater lange und konnte ihn gar nicht finden, und setzte sich endlich auf die Spitze eines Berges und sang sich ein Lied, denn sie dachte, »das hört der Vater vielleicht, und dann wird er doch rufen.« Und sie sang und sang, und sang immer lauter und voller, daß es herrlich weithin über die Berge klang; da stand auf einmal ein Zwerg vor ihr und sprach: »Ei, was kannst du herrlich singen, so schönen Gesang habe ich lange nicht gehört; möchtest du nicht ein wenig mit mir in den Berg kommen, ich will dir zum Dank dort alle meine Herrlichkeiten zeigen? – Warum nicht,« sagte das Mädchen und ging mit ihm hinab in den Berg; aber als sie nun unten alle Schätze und Pracht seiner Höhle gesehen hatte und wieder hinauf wollte, sagte er zu ihr: »Nein, das geht nicht an; wähle! Willst du meine Frau werden, oder deinen Kopf auf den Klotz legen.« Da sagte sie traurig: »So will ich lieber meinen Kopf auf den Klotz legen,« that's und sogleich hieb er ihr den Kopf ab. Als nun der Kuhhirt Abends nach Hause kam und erfuhr, daß die Frau seine älteste Tochter hinausgeschickt, die aber nicht heimgekehrt sei, da ward er sehr betrübt. Andern Tags aber, als er wieder hinauszog, sagte er zu seiner Frau: »schick mir heut die Jüngste hinaus mit dem Mittagbrot, aber beschreib ihr ja den Weg recht genau.« Da ging die Jüngste, als es um Mittag kam, hinaus und sie suchte wieder lange und konnte den Vater nicht finden und setzte sich endlich auf den Berg und fing an zu singen, so herrlich und so wunderschön, daß es weithin über die Berge klang. [327] Da stand auf einmal der Zwerg vor ihr und sagte: »Ei, was kannst du herrlich singen, so schönen Gesang habe ich lange nicht gehört; möchtest du nicht ein wenig mit mir in den Berg kommen, da will ich dir alle meine Herrlichkeiten zum Dank zeigen? – Warum nicht?« sagte das Mädchen und nun ging's grade wie bei der Aeltesten; als er sie aber fragte: »Willst du meine Frau werden, oder deinen Kopf auf den Klotz legen?« da sagte sie: »Nein, ich will lieber deine Frau werden« und blieb bei ihm. Nun war sie schon eine lange Zeit bei ihm, da bat sie ihn eines Tages, er möchte ihr doch einmal erlauben, daß sie nur ihre Aeltern noch einmal sehen könnte, sie wolle ja gewiß zu ihm zurückkehren. Da erlaubte er's ihr, aber sie mußte ihm versprechen, daß sie keinem Menschen verrathen wolle, wo ihre Wohnung sei. Nun ging sie zu ihren Aeltern und die freuten sich so sehr, ach so sehr, daß sie ihre liebe Tochter einmal wiedersahen, und sie erzählte ihnen nun Alles, wie es ihr ergangen; aber wo die Höhle sei, durfte sie nicht verrathen. Endlich als es nun Zeit war, aufzubrechen, da nahm sie traurig Abschied; aber die Mutter sagte: »Weine nicht so sehr, meine Tochter, wir wollen dich schon wiederfinden«, und füllte ihr die Tasche mit Erbsen und sagte: »die streue auf den Weg, wenn du zurückgehst.« Und das that sie denn auch und da gingen ihr die Aeltern nach mit dem ganzen Dorfe, und da fanden sie die Zwerghöhle und machten ein großes Feuer vor derselben an und verbrannten den bösen Zwerg.

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