174. Heinrich der Löwe.
Mündlich.
Herzog Heinrich der Löwe ist im Bann gewesen; da ist er, um sich zu lösen, in's gelobte Land gezogen und hier ist es eines Tags geschehen, daß er im Kampf mit einem Pascha zusammengetroffen, der ihn, als er ihn eben niederhauen wollte, bat, er möchte ihm doch das Leben schenken, und als er das auch wirklich that, ihm zum Danke einen Löwen schenkte, der dem Herzog unsäglich treu gewesen und ihm überall hin gefolgt ist. Nun kommt eines Tages jemand zu ihm, der sagt ihm: »Eile, [145] daß du heim kommst, deine Gemahlin kann nicht länger widerstehen, sie wird sich wieder vermählen!« Das will ihm der Herzog nicht glauben, und indem er ihm nach den Füßen blickt, sieht er, daß er einen Pferdefuß hat. Da sagt er zu ihm: »Du bist der Teufel, der mich versuchen will!« Jener aber antwortet: ja, das sei er, aber versuchen wolle er ihn nicht, sondern ihm beistehen, denn weil er ein so braver Kerl sei, daure er ihn. Da ist der Herzog nach und nach wankend geworden, und ist einig mit dem Teufel geworden, er möge ihn heimbringen; als er ihn aber aufnimmt, da hat sich der Löwe an ihn gedrängt, und hat mit aller Macht seinen Fuß umkrallt und er hat das treue Thier nicht laßen mögen, so daß ihm der Teufel endlich versprochen, ihn am folgenden Tage nachzubringen, was er denn auch gethan. So sind sie denn nach Braunschweig gekommen und gerade noch zur rechten Zeit angelangt, ehe die Vermählung der Herzogin stattgefunden, und diese hat einmal über das andere freudig ausgerufen: »Hab ich doch, meinen Heinrich wieder!« So hat der Herzog noch lange glücklich mit seiner Gemahlin gelebt; als er aber endlich gestorben und man ihn im Dom beigesetzt, da hat ihm der Löwe auch dahin folgen wollen; man hat jedoch die Thüren verschloßen, und da hat er seine Krallen tief in die steinernen Pfosten eingehauen, um zu seinem Herrn hindurchzukommen, so daß man ihn nur mit Gewalt hat fortbringen können. Bald danach ist er denn auch gestorben, und da hat man zum Andenken an das treue Thier sein Bild in Erz gegoßen und es vor dem Schloße aufgestellt, und das, wie die Spuren seiner Krallen am Dom, sind noch heute zu sehen.