298. Der Kirchthurm zu Enger.

Das Angerthal hatte gesiegt. Der Königssitz ward ihm zu Theil. Um so natürlicher war der Entschluß, den noch fehlenden Thurm jetzt in voller Ruhe und Muße recht würdig an die Kirche anzubauen und ihm weder an Höhe, noch an stattlichen Verzierungen irgend etwas mangeln zu laßen. Das war aber ein gar vergebliches Vornehmen. Man begann wol und ließ sich keine Mühe bei der Arbeit verdrießen; allein umsonst. Das Werk kam nicht weiter. Was am Tage gemauert war, fiel jedesmal des Nachts wieder zusammen. Endlich wurde ein Platz bemerkt, unweit der Baustelle, einige Schritte von der Kirche entfernt, welcher allein trocken war, indem alles umher bethaut lag. Drei Morgen nacheinander gewahrte man diese Wundererscheinung, da wurde beschloßen, den Thurm, der ja doch gar nicht an [260] der Kirche stehen wolle, an diesem Platze zu versuchen. Und siehe da, das gelang. Der Bau stieg anfangs ungehindert rasch und fröhlich empor. Allein noch hatte er eine gar geringe Höhe erst erreicht, als das alte Unwesen von neuem begann. Alle Bemühungen, weiter zu kommen, waren vergebens. So ist es denn geschehen, daß der Thurm zu Enger einige Schritte von der Kirche ab vereinzelt und ganz unansehnlich dasteht.


Vgl. Norddeutsche Sagen, Nr. 364.

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