2. Der Zweitag oder Montag
5. Zweitagsabendtheil

1. 25.
Am Christjerusalem vergehet,
Was sich dem altem gleich erhöhet,
Was nachgeafft di Jüdsche pracht,
Und sich zum Abgott stündlich macht.
Kein stein verbleibet an dem tempel,
Den Heiden zu dem lehrexempel,
Das Gott im innerm Himmel lehr,
Und was von aussen, nur zerstöhr.
Kurtz: was den Juden vorgeschehen,
Verzehnfacht hir der Christen flehen.
2. 26.
Bebabelt wird nach Wohlgefallen,
Was nur aus Gott durch Gott wird hallen:
Di heilge Schrifft wird umgekehrt,
[240]
Und alle falschheit draus bewährt.
Das Fleisch wird gantz den Geist entgeistern:
Vernunfft di Gottesweisheit meistern.
Der eusre Buchstab wird ihr kern:
Der inner sinn ist weit und fern.
Si suchen, was an sich vergänglich:
Verlihren, was ist überschwenglich.
3. 27.
Christ wird manch Antichrist genennet:
Christ wird vor Antichrist erkennet,
Weil Christi leben vil zuschlecht,
Und recht des Antichristus recht.
Drum müssen vil als Christus scheinen,
Di Christi leben gantz verneinen:
Es werden billichst vil verführt
Durch viler ich, das si gerührt.
Si werden Fleischlich Christum fassen,
Wann alle geistlich Christum lassen.
4. 28.
Di Krige werden täglich wachsen,
Und schrekken fast di Sonnenachsen.
Ein ider Volk wil sich erhöhn,
Ein Reich dem andern widerstehn.
Der hunger wil di länder treffen:
Di Pest verzehrn, was er vergessen.
Erdbeben dräuen idem Ort:
Vil tausend Angst vermehrt sich fort.
Di menschen wolln vor furcht schon schmachten,
Dar alls vor Boten erst zuachten.
5. 29.
Ein Geistchrist heist des Elends bringer;
Wird Christo gleich, weil er sein Jünger,
Verfolgt, verdrükkt, versätzt in spott,
Verspihen, das er dinet Gott:
Wird täglich änger eingeärkert,
Imehr er täglich eingekerkert,
Ein ärgernis in aller sinn,
Als wann ihn hilt der Teufel inn.
[241]
Sein eigenvolk wird sein verräther,
Und er verbleibt der Missethäter.
6. 30.
Falschheiten mehren aller nöthen:
Es sind geehrt di Falschpropheten,
Di von der höllen auferwekkt,
Das Gotteswarheit wi verstekkt.
Di menschen glauben nur der lügen:
Der Gotteszorn läst si betrügen
Durch falscher Geister lästermund:
Di ihnen fälschlich machen kund,
Was ewig wird vermehren schmertzen,
Und si zur Abgrundstiffe stertzen.

6. Zweitagsnachttheil

7. 31.
Gerechtikeit ist längst verreiset,
Weil ungerechtikeit gespeiset:
Di Bosheit wird in idem land
Behalten lang di oberhand.
Di libe wird von Lib entlibet:
Der eigennutz wird ausgeübet,
Der aller allereinstes zil,
Das ider eintzig treffen wil.
Di Freundschafft wird nach nutz geschätzet:
Wo Nutz es spricht, steht si verletzet.
8. 32.
Halb wird man Gott, halb welt sich theilen;
Zu Gott und auch zur Welt gleich eilen:
Halb fürchten Gott, halb Weltgewalt,
Das ider lau, nicht warm, nicht kalt.
Vil werden sich von Gott abwenden:
Sehr wenig werden glükklich enden,
Ob glükklich zwar vil anbeginnt,
Weil ihre hoffnung schnell verrinnt.
Das Christusreich wird ausgethönet,
Und auf dem gantzem Kreis verhöhnet.
[242] 9. 33.
Im Heiligtum, das auserkohren,
Ist alles Heiligthum verlohren:
Es herrschet drein di wüste Wüst,
Und nicht der einge Jesus Christ.
Was Daniel in ihm vorschauet,
Vor dem dem Antichrist selbst grauet,
Wird nun in ihm und seinem Bild
Zum allerhöchstem grad erfüllt.
Das ende, das di Heilgen sahen,
Wird endlich sich zum ende nahen.
10. 34.
Kein flihen wird vom flihen flihen,
Ein ider nur sein werk vollzihen:
Der auf den Bergen, gehn nach haus;
Der auf dem akker, hohln was raus.
Ein ider hat vil zeit zusäumen
Um sein Judæa noch zuräumen.
Wi in Judæa sich anfing,
Als dessen untergang anging:
So wird es hir zehnfächtig härter
Ergehen nun vor seine Wärter.
11. 35.
Leid über leid bekleidt di schwangern,
Di säugende auf Babelsangern:
Di trübsal grössert tausend Weh,
Und schwellt mit ihrer angstungsee.
Dis Ach bringt Ach, dem keins zugleichen,
Dem alles Ach mus gäntzlich weichen,
Das vor und nach von Gott bestimmt,
Weil Gottesgrimm ni so ergrimmt.
Weh, weh und weh, wo dis dahinter,
Im Sabath oder in dem Winter.
12. 36.
Man würde gantz in sich verstürtzet,
Wo nicht di zeit durch Gott verkürtzet.
Kein fleisch ertrüge das Gericht,
Und solch erschrekklich straffgesicht.
Es wird dis eher sein gezählet
[243]
Um dise, di Gott auserwählet.
Drum ist es schon hinweggeschafft,
Das böse, eh es kommt zur krafft.
Das Paradis wird ehr empfangen,
Das eher zweigt, als es solt prangen.

7. Zweitagsmorgentheil

13. 37.
Nun merkt, das ihr auf di nicht merket,
Da Christus hir und dar nur werket:
Dis werden falsche Christi sein,
Und di Propheten voller schein.
Si würken zeichen und vil wunder:
Ihr seid gewarnt! Seht, seid kein Zunder!
Ihr Gotteskinder! Seid zur hutt!
Wanns möglich, fil selbst ab, was gutt!
Wanns möglich, würden selbst verleitet,
Di Gott im Paradis begleitet.
14. 38.
Ob Christi zukunfft herrlich blitzet,
Und seine Heilgen unterstützet
Im eignem himmel ihrer Seel,
Doch sagt man erst: Sih in di höhl!
Sih in der Wüst! Sih in gemächern!
Sih auf dem feld! sih auf den dächern!
Sih hir, Ich bins! Ich bins, der kommt!
Glaubt keinem antlitz, das vermommt.
Di Adler sind beim aas verhanden,
Da Christus wird augblikklich landen.
15. 39.
Pein finstert dann di lichte Sonne:
Der Mond verleuhret seine Wonne.
Di Sterne fallen auf di Erd:
Der himmel kräffte sind beschwert.
Di Wasserwogen werden brausen,
Di stoltzen Winde mächtig sausen:
Ja Alles, was im Element,
Ist gegen sich von sich getrennt.
[244]
Rechtunaussprechlich ist zuschreiben,
Wi ides wird das andre treiben.
16. 40.
Qual quält di allerstoltzten Völker:
Ihr vorger hochmutt wird stets welker.
Si wollen zittern vor der kunfft:
Es mangelt ihnen nun Vernunfft.
Di Furcht enthartet alle harten:
Si wissen nicht, was zuerwarten.
Nun fürchten si des Menschensohn,
Der ihnen vor ein schertz und hohn.
Si fürchten sich und wollen kämpffen!
Christ stekkt si an, imehr si dämpffen.
17. 41.
Rekkt auf eur haupt! seid hocherfreuet!
Rekkt auf eur haupt, ob alles schreiet!
Man heult und bebt! Wi ist man bang?
Seht Jesum, seht! Welch schrekkgefang?
Seht Jesum, seht! mit seinen thronen!
Er kommt nach eurem dinst zulohnen!
Seht seine Heilgen, di bekrigt!
Weh euch, di ihr sein volk besigt!
Weh euch in euren tiffsten grüfften!
Weh euch in allen finstern klüfften.
18. 42.
Sein Engel sind nach allen Pfosten!
Nach Suden, Norden, Westen, Osten!
Si sind posaunend ausgeschikkt!
Mit tausend Kräfften angeschmükkt!
Si erndten alle Gottserkohrne!
Sie erndten all Christsneugebohrne!
Si sicheln si als garben ab!
O Christusreiches Morgengab!
Seht, seht, wi si zwar alle schneiden!
Seht, wi si frücht und halmen scheiden.
[245]

8. Zweitagsmittagtheil

19. 43.
Traut ni der Welt, di immer sicher!
Schlagt auf in euch di hertzensbücher!
Ach eilt und eilt zur Noachs Arch!
Seht, das di Welt wi jene schnarch.
Si wird mit jener so vergessen;
Heurathen, schertzen, trinken, essen;
Und Jesus sich noch nicht versehn,
Bis ihr, wi jener, gleich geschehn.
Si siht den baum rings um ausschlagen,
Und wil doch nichts vom Sommer sagen.
20. 44.
Verlasset Sodom, das voll strahlen!
Das rosenfärbicht sich wird mahlen!
In dem vom feuer keine spur,
Bis ihr das feuer widerfuhr.
Ach fliht mit Loth zur Stad und hügel!
Loths Weib sei Euch ein steter Spigel!
Seht nicht nach Sodom, das verdarb!
Ach lernt, was Sodoms sehnen warb!
Verlasset euch vor Sodoms lassen,
Wo euch nicht Sodoms straff sol fassen!
21. 45.
Wacht, wacht, weil Gotteskunfft verborgen,
Weil ungewis der letzte Morgen,
Der letzte Tag, di letzte stund,
Di selbst den Engeln ist nicht kund!
Wacht, wacht, imehr si Gott verschoben,
Sehr plötzlich hat er sich erhoben,
Da ers versprach zuvor so offt:
Er ward nach langer zeit gehofft.
Wacht, wacht! Gott wird sehr schnell euch kommen,
Das Euch sei wohl, wann er vernommen!
22. 46.
Xformt euch nach dem Jesusleben:
Verlangt am Kreutz mit ihm zuschweben.
[246]
Di That sei stets in eurem thun,
So könnt ihr dann ohn sorgen ruhn.
Thut immerfort, wi si verneinen,
Di nur mit leeren lampen scheinen!
Sucht säuberlich di Jesusehr!
Folgt säuberlich der Jesuslehr!
Halt Jesus Kreutz vor eure würde,
Und ni vor eure Kreutzesbürde!
23. 47.
Y sei stets eures lebens bildnis,
Das ihr verlasst di Drachenswildnis,
Und werdet recht ein Y dreieins,
An welchem unvollkommen keins.
Schlafft nicht zur Christi zukunfft draussen,
Wann si in euch, noch nicht von aussen!
Seid nimmermehr im schlaffen fett!
Sucht Christum stets im hertzensbett!
Wann Christus ist eur einger kummer,
Wird eines wachen oder schlummer.
24. 48.
Zeit schleust di zeit in ihrem ringe,
Das schnellste allerschnellster dinge,
Das doch so langsam uns fortläufft,
Und so gantzflüchtig uns fortstreifft.
Zeit wil sich selbst in sich entschlüssen,
Verschleust, was wir nicht wissen müssen
Im Anfang, da ihr end beginnt!
Im Ende, da ihr Anfang rinnt.
Wem Zeiten sind als Ewikeiten,
Der wird nicht mehr um zeiten streiten.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek