[186] Die Sprüche Jehovah

1782.


Also lauten die Sprüche Jehovah, von Sinai's Höhen
Niedergerufen im Hall der Posaunen, in rasselnder Donner
Kriegsgeschrei, im Festgeläut wild reißender Stürme.
Also lauten die Stimmen vom Sina', die Stimmen Jehovah,
Eingegraben vom Finger Gottes in Tafeln von Demant,
Ueberliefert dem Manne Gottes mit sonnigem Antlitz,
Ueberliefert an uns von dem Mann mit strahlender Stirne.
Also lauten sie. Höret die Stürme des Odems Jehovah.
Ich bin Jehovah, dein Gott. Nur Einer bin ich. Nicht sollt du
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Neben mir fremde Götter ehren. Die fremden sind Götzen.
Ich bin schön vor allem, was schön ist im Himmel und Erden,
Schöner als Sonn' und Mond, und des Menschen leuchtendes Antlitz.
Darum sollst du mich inniger lieben, als irdische Schöne –
Schrecklich bin ich, ein Eifrer, ein Rächer, den Blitz in der Rechten.
Darum scheue dich, mich zu erzürnen. Mein Zorn ist ein Wetter –
Jugend verblüht, und Schöne verwelkt. Es scheitert die Stärke.
Menschen lecket die Zeit hinweg, wie die Sonne den Frühthau.
Ich bin ewig, ein Fels, der nicht sinkt, ein Schild, der nicht splittert.
Darum sollst du auf Jugend, auf Stärke, auf Menschen nicht bauen.
Bauen sollt du auf mich! Ich bin Jehovah, der Eine,
Endelos, und änderunglos, und immer derselbe.
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Ich bin Jehovah, dein Gott. Ich fülle Himmel und Erden,
Alldurchdringend und allumfangend – doch nicht zu ergreifen,
Noch zu erschau'n – unsichthar, gestaltlos, formlos, einfach!
Darum sollt du mich nicht in Gold und Silber gestalten,
Nicht aus adrigem Marmor hauen, nicht Gleichheit des Thieres
Noch des Menschen mir geben – Ich kenne dein Herz und die Schwäche
Deines Herzens. Du möchtest sonst bald das Bild statt des Bildners
Oder den Thon statt des Töpfers ehren. In gröberen Irrthum
Möchtest du sinken, von mir unwürdig denken, und selber
Täglich vergröbern, verschlimmern, versinnlichen – Sieh', ich weiß es,
Daß dein Herz am Sinnlichen klebt, wie die Schneck' am Dornbusch.
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Hehr ist mein Nam'! Ihn kennen, ist ewiges Leben. Erkennen
Magst du ihn wohl aus dem Buch der Natur, aus dem Munde der Seher!
Wohl dir, weißest du ihn, und brauchst ihn zum Preis' und Lobe,
Dir zum Trost in den Mühen des Lebens, im Dunkel zum Leitstern.
Weißest du ihn, und er frommt dir nicht zu reinerem Leben,
Nicht zu heißerm Liebesgefühl für mich und die Brüder,
Nicht zu hingeworfner Demuth in Staub' und in Aschen,
Nicht zu hoher brünstiger himmelgeflügelter Andacht –
Weh dann, wehe dir! Unheilbar bist du! Unfehlbar
Werden dich meine Strafen treffen, du Kalter, du Lauer!
Mensch, ich kenne dein Elend, und deine Mühen, die Schweiße,
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Die dir die Wang' hinunter rinnen, vom dämmernden Morgen
Bis zu den Schatten der Nacht. Ich kenne die Sorgen, die öfter
Deinen Wimpern den Schlaf entscheuchen – das jammert mich, Armer.
Sieh, ich setze dir einen Tag von Sieben. Den sollt du
Ruhen von deiner Arbeit, und deines Kummers vergessen,
Sollt dich freuen mit deinen Gespielen, am Kusse der Gattinn
Satt dich laben, im Zirkel der Deinen dein Leben genießen,
Dich ergetzen im heitern Spaziergang auf Feldern und Fluren,
Dich erlaben im Tempel am Preisgesang der Gemeinden,
Hören mein Wort, mit dem tröstenden Worte dich letzen, und weiser,
Ruhiger, besser geworden, mit neuen Kräften gegürtet
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Zu den Schweißen der harrenden Woche hinüber schlummern.
Also gebiet' ich dir. Von sieben Tagen sey Einer
Mir und der Ruhe heilig, und unverletzbar dem Dränger!
Ehre Vater und Mutter! Wer Vater und Mutter nicht ehret,
Sey verflucht! Vertilgt von des Himmels Angesicht. Modern
Müss' auf den Bergen sein Aas! Sein Auge hacken die Raben!
Ehre Vater und Mutter! Wer Vater und Mutter gehorchet,
Ihnen dient, sie lieb und werth hält, ihre Gebrechen
Freundlich duldet, sie pflegt im Alter, das Küssen der Krankheit
Ihnen kindlich zurecht legt – Lieben will ich den Guten,
Will ihn lohnen mit langem Leben. Sein Leben soll friedlich
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Auf der Erde verwallen, sein Haupt mit silbernen Locken
Schön bekränzt in Frieden hinunter fahren die Grube.
Tödte nicht! Wer das Blut des Bruders der durstigen Erde
Zu verschlingen gibt, deß Blut soll die durstige Erde
Wieder saufen! Sein Haupt nicht entrinnen der Rache des Rächers!
Tödte nicht! hasse nicht! Schilt nicht! Aergre nicht meine Geliebten,
Deine Brüder. Laß mir die Rache. Ich hasse das rasche
Zürnen, die schnaubende Wuth, das zähnefletschende Dräuen.
Sanftmuth lieb' ich, und bin sanftmüthig selber von Herzen.
Sanftmuth lohn' ich, und gebe dem Dulder Kronen zu erben.
Heilig sey dir die Eh'! Ich weihte sie selber. Ich selber
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Schuf den Menschen ein Männlein und Fräulein, auf daß sie beisammen
Wohnten, und an einander hingen in Eintracht und Liebe,
Treulich theilten die Mühen des Lebens, die Schweiße der Arbeit
Freundlich einander vom Antlitz trockneten – Rein sey die Ehe,
Heilig und unverletzlich! Und daß du reinerer Ehe,
Tugendlichen Gemahls gewürdiget werdest – o Jugend,
Zarter Jüngling, reisendes Mädchen – auf daß du der Wonne
Keuscher Eh'-Umarmung theilhaftig werdest – so wahre
Wahre der Unschuld Schneegewand! sey keusch und sey züchtig!
Eine verschämte Ros' im Garten Gottes! ein reiner,
Ungefälschter Lilienduft in den Düften des Gartens.
Stehlen sey fern von dir! Ernähre dich ehrlich, Sey sparsam,
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Daß dir des Nächsten Gut nicht lüsten dürfe – Und lüstet
Dir's – hinab mit dem Rabengedanken zum heimischen Abgrund.
Thürme nicht Schätze! Gedeiht dein Gut im Antlitz des Himmels,
Ach, so laß dir's Köder nicht seyn des Stolzes und Geitzes!
Stachel laß es dir seyn zur Milde! Sey mild und erwuchre
Mit dem nichtigen Mammon dir unvergängliche Güter.
Fleuch die Lüge! Sie ist Geburt der Hölle! Die Wahrheit
Ist mein geliebtes Kind, und wer sie liebet, mein Lieber!
Fleuch die Lüge. Ich hasse die Schändliche. Wer sie umarmet
Soll nicht vor mein Angesicht kommen, so wahr ich der Herr bin!
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Rein sey dein Herz und unentweiht von böser Begierde!
Unbefleckt von schnödem Gelüst nach der Habe des Nächsten,
Seinem Weib' und seinen Töchtern – Die böse Begierde,
Ach! wer sie hegt und nährt, deß Herz ist Gräu'l der Verwüstung,
Grab voll Todtengebeins. Wer der Gewaltigen wehret,
Sie mit Füßen tritt, die trotzige Riesinn, im ersten
Keim den Basilisken erstickt, den Helden, den Sieger
Will ich mit Lorbeer kränzen, will zu ihm kommen und Wohnung
Machen in seinem reinen Herzen! Sein Herz sey mein Tempel!
Also strömt es in tausend Gewittern vom Sinai nieder.
Israel horchte zitternd – Itzt wurde der Hall der Posaunen
Siebenmal gellender, lauter die Donner. Zuckende Flammen
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Rissen die gährende Luft aus einander. Die Wurzeln des Berges
Bebten. Es bebte sein rauchendes Haupt. Durch das grause Getümmel
Hallte Jehovahs Dräuung, ein tausendstimmiger Sturmwind:
Ich bin Jehovah, dein Gott, ein Starker, ein Eifrer. Die Frevler
Will ich schlagen in meinem Grimm, daß das Schäumen der Boßheit
Schäumen werde der Angst, daß die laute Lache des Hohnes
Werde Verzweiflungslache! Die Sünden der sündigen Väter
Will ich strafen an ihren Kindern, am Enkel des Enkels.
Wer kann tragen den Zorn, des Starken, des Eif'rers auf Sion.
Also stürzt' es, ein Wolkenbruch, vom Sinai nieder,
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Plötzlich wandelten sich die Stürm' in liebliches Säuseln,
Und der Posaunen Kriegsgeschrei in Harfengelispel.
Süßes Geduft, wie nach schweren regenrauschenden Wettern
Aus den thymianblühenden Auen mildiglich aufsteigt,
Duftet' um Sinai her. Und durch die wehenden Düfte,
Durch die Säusel und Lispel scholl die Stimme des Milden:
Ich bin Jehovah, dein Gott, barmherzig, geduldig und gnädig,
Und von unaussprechlicher Hulde den Frommen und Guten.
Wer mich liebet, den will ich lieben mit ewiger Liebe,
Wohl thun will ich dem Mann, dieweil er wallet auf Erden,
Wohl thun seinen Kindern und seiner Kinder Erzeugten,
Wohl thun seinem tausendsten Glied. – So redet Jehovah!

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