[182] An Palemon

(Im Christmonath 1761.)


Fünf bange frostige Tage
Nicht vom Vergnügen durchwebt,
Von keinem sonnichtem Blicke
Für mich zu Tagen gemacht:
O Freund! von keinem geseegnet,
Der meinem Herzen verwand
Ward, durch gleichstimmiges Denken,
Hab ich sie traurig durchlebt.
Dich suchen wollt ich am Tage,
Den ein erschaffender Gott,
Nach der vollendeten Schöpfung,
Hochheilig machte zur Ruh.
[183]
Dich, dem in meinen Gesängen
Des Herzens Sprache gefällt –
Doch einsam fand ich die Wohnung.
Ich stand und dachte Verdruß,
Und gieng mit wankendem Schritt
Und warf die Augen herab
Nach der kleinstromigten Elbe,
Itzt breit umufert von Eis.
Der Mond mit glänzendem Antlitz
Gieng prächtig über ihr auf,
Und sah, mit Blicken des Stolzes
Auf ihrer Fläche sein Bild.
So sieht die Seele der Sapho
Ihr Bild im sanften Gesang.
Der Erde Ströme vertrocknen,
Auslöscht die Fackel der Nacht;
[184]
Nicht aber also die Seele!
Sie bleibt, und singet, o Freund!
Im Creyse meiner Geliebten,
Einst noch dem hohen Olymp.

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