[88] An den Reichs-Grafen zu Stolberg-Wernigerode

O Graf nur klein ist unsers Lebens Werth
So bald in einem unsrer Glieder
Der Schmerz, wie ein Tyrann verfährt,
Fällt in des Menschen Bau der ganze Staat danieder;
Die Kranckheit saß in meiner Stirne tief
Und ganz betäubt von ihrem Grimme,
Als ob ich Todesschlummer schlief,
Hört ich noch kaum das Herz in eines Freundes Stimme.
O welch ein Tand! wie wenig schmeichlerisch
Ist diese Welt des Kranken Blicke!
Des Kranken, der des Fürsten Tisch
Nicht wünscht, nicht einen Sitz als Günstling bey dem Glücke!
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Wenn vor dem Herscher einer halben Welt
Leib-Aerzte stummen Zweifel sagen;
Dann reitzet, neben ihn gestellt,
Ihn nicht der Glanz vor dem die Völker kniend lagen.
Nicht Geld, nicht Ruhm, verwachter Nächte Preiß!
Erkaufen uns noch Lust zu leben:
Der Jüngling zittert wie der Greiß
Und kein Erfinder kann sich Kraft zur Freude geben.
Des Kranken Ohr hört nicht auf Sayten-Klang;
Er mag im Lenz auf Rosen liegen:
Doch singt der Nachtigal Gesang
Ihm keinen Schlaf ins Aug', ins Herze kein Vergnügen.
Von seinem öden Lager heißt er sich,
Der Lüste lockend Heer entfernen;
Und Troz, der keinem Menschen wich,
Muß sich vor kleinem Schmerz gehorsam beugen lernen.
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Ich nicht unbiegsam, nie zum Stolz gewöhnt,
Empfinde mehr der Krankheit Lasten,
Als jene Noth da ungestöhnt,
Mein Körper Tage lang mühselig muste fasten.
Graf, als ich fern von eines Reichen Saal
Holz trug zu kleingebautem Heerde;
Da war mein selbst bereitet Mahl
Mir köstlicher, als jetzt wenn ich geladen werde.
Bey schwarzem Brod und Wasser aus dem Quell
Saß frisches Roth auf meiner Wange;
Der Morgen fand mein Auge hell,
Und munter meinen Geist zu frölichem Gesange.
Nicht größres Glück, nicht fern gehohlter Wein
Macht seeliger die Erden-Gäste
Bleibt mäßige Gesundheit mein:
So feyret mein Gesang der Freundschaft Freudenfeste.

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