Eine Satire auf die Verfassung von Schlesien, während der Kaiserlichen Regierung

1740.


Als Friedrichs große Macht in Schlesien marschiret,
Da bin ich gleichfalls mit als Volontair passiret:
Mich trieb der Vorwitz und die Neubegierde an,
So daß ich meinen Weg ein wenig seitwärts nahm.
Da ich mich von dem Marsch der Preussen abgetrennt,
Kam ich vor eine Stadt, die man Schwibus benennt,
Und als ich im Begriff daselbst hineinzugehn,
Sah ich ein Frauenbild bei einem Baume stehn.
Sie ließ die Traurigkeit aus allen Mienen blicken,
Die Hände waren ihr gebunden auf den Rücken,
Die Augen thränenvoll, die Haare ganz zerstreut,
Und als ich näher kam wars die Gerechtigkeit.
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Ich fragte ganz bestürzt, was ist euch denn geschehen,
Madame, daß man sie hier so betrübt soll sehen;
Wenns nach den Rechten ging, so sollet ihr ja schon
Heut auf dem Rathhaus seyn und bei der Session.
Ach, hub sie seufzend an, dem Himmel seys geklaget,
Man hat mich schon vorlängst aus dieser Stadt verjaget,
Da lebt ein jeder so wie es ihm selbst beliebt:
Das ist es, was mir jetzt so Geist als Herz betrübt.
Bemühet euch, mein Freund, ein wenig umzusehn,
Da wird ein neues Haus vor jenem Thore stehen,
Da wohnt ein Herr vom Rath, ein Schalk in seiner Haut,
Der mit Particken hat dies Häuschen aufgebaut.
Da geht der krumme Schalk, schaut wie er spekuliret,
Weil er Betrug und List in seinem Schilde führet:
So sieht er unter sich nach Art der falschen Welt,
Er sucht die Schlüssel zu der Bürger Gut und Geld.
Nun wollt ich euch noch mehr von gleicher Gattung zeigen;
Doch weil so Zeit als Ort mir itzt befiehlt zu schweigen,
So sag ich nur noch dies: der Consul und der Rath,
Die stimmen überein sowohl in Wort als That.
Der große Carolus, der noch in Schriften lebet,
Und dessen theure Seel itzt bei der Gottheit schwebet,
Der gab aus Gütigkeit der Invalidenschaar
Gewisses Gnadengeld zur Unterhaltung dar:
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Es theilt sich dieses Volk in unterschiedne Städte,
Das war nun eben recht vor unsre Herren Räthe.
Sie delibrirten bald, und machten diesen Schluß,
Daß man bei unsrer Stadt auch welche haben muß.
Indem sie dieses sagt, vergoß sie bittre Thränen:
Ach weh, o Grausamkeit, thät sie an mich erwähnen,
Man hat genommen mir die Wage, welcher Werth!
Die Händ gebunden mir, dazu geraubt das Schwerdt,
Die Großen legten an der Bürgerschaft viel Gaben,
Und das zu diesen Zweck, daß sie nichts sollten haben,
Ihr Güter brachten sie an sich mit Listigkeit,
Und die betrieben sie fast stets zu jeder Zeit.
Weil nun die Bürgerschaft die Steur nicht mehr konnt geben,
Also empfingen sie dreihundert Mann auch eben,
Mit sie ward bequartirt ein jeder Bürgersmann;
Doch wie es weiter ging hört mich nur ferner an:
Man richt ihm Zimmer zu, indem sie gute Zahler,
Ein jeder geben muß des Jahres Mieth sechs Thaler;
Und ob der meisten gleich nicht hier war ihr Bestand,
Indem sie mußten weg heim in ihr Vaterland,
Jedennoch kamen sie ihr Geld hier zu empfangen,
Und mußten auch sobald alda das Miethgeld langen.
Ja diese hatten all die Großen unter sich,
Kein einzger ihm zukam. Nun höret ferner mich:
Sie bauten vor das Volk aus Stall und Winkel Häuser
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Darein zu setzen sie, die nicht vor sie der Kaiser
Wohl aber dieser Stadt, die in der Bürgerpflicht
Die Gaben rechnen dran und sollten geben nicht.
Es konnten viele nicht nicht einen Mann erlangen,
Ob sie gleich oft und viel zum Herren seyn gegangen;
Sie sagten bald zu ihm: geht ihr habt eu'r Bericht
Nicht bei euch schickt es sich, und ihr verstehts auch nicht.
Sie machten sich gar frey, daß sie nichts durften geben,
Und also thäten sie bei großen Gütern leben.
Es mußten ihre Werk und Thun stets seyn gerecht,
Auch trotz dem, der nur was wieder das aufbrächt.
Im Gaben mußten sie die Bürger übertragen,
Und dieses konnten sie auch keinem Rechten klagen:
So also bin ich hier aus dieser Stadt verbannt,
Daß ich itzt und darin bin nun nicht mehr bekannt.
Ich sprach, sie sey getrost, man wird sie wieder kennen,
Ein jeder Mann wird sie sein Schatz und Freundin nennen:
Dem Könige gehört mit Recht das ganze Land,
Der der wird geben ihr ihr Schwerdt in ihre Hand;
Und ob er gleich noch ist in seiner Blüth der Jugend,
So find't man doch an ihm das Muster aller Tugend.
Er liebet Frömmigkeit, die reine Gotteslehr,
Und mit ihr zieht ins Feld Gott selbst sein Engelheer;
Ich selber werde ihm auch dieses alles sagen
Das was sie so betrübt und was sie mir thut klagen.
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Mit ihr macht ers bald aus, es ist geschehn der Schluß,
Daß sie sich packen soll, daß sie nun weichen muß.
Sie darf nunmehro nicht an keine Macht gedenken,
Sonst wird der König sie gewißlich lassen henken.
Ein jeder nehm sich nur vor diesem Weib in acht!
Auf daß er nicht mit ihr werd auf den Bau gebracht.
Sie glaub mir sicherlich, sie wird an ihm den finden,
Der ihre Hände wird auflösen und aufbinden:
Sie hoffe nur getrost, indem ich weiter geh,
Sie leb indeß vergnügt, ich sage ein Adieu.
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