– Jetzo wachst du wieder, Leser! Ich bekenn' es dir nun, daß ich dich schon in der vorigen Vorlesung mit allen meinen schwachen Kräften einzuschläfern getrachtet, weil ich zu gewiß voraussah, du würdest erst in dieser vierten Buch und Augen zugleich schließen wollen. Um nun dies um eine Vorlesung früher zu bewerkstelligen – letztes Zeitwort war eines von den vorhin gebrauchten Zeitwörtern aus dem Lexikon für Bettfedern, d.h. der für das Bett schreibenden Federn – drehete ich aus meiner bekannten Kunst, selber einzuschlafen 286, mit einem leichten Griffe zur Kunst, andere einzuschläfern, um durch langweiliges Luf-Springen ohne Ziel, wie du bei dem Wiederlesen alles selber bemerken kannst.
Jetzo aber hab' ich dich wach vor mir, mein teurer Leser, und ich kann mit mir wohl vor dir an dem schönen Himmelfahrttage von der Dichtkunst reden, dieser menschlichern Himmelfahrt, wo der Himmel selber zu uns herunterfahrt, nicht wir später in ihn hinauf. Es wohnt eine Kraft in uns, deren Allmacht uns ebensowohl Himmel als Höllen bauen kann, es ist die Phantasie. Im Leben kann uns diese Phantasie die heitersten Tage durch zurückgeworfene Schatten der Vergangenheit und nahgerückte [512] Schatten der Zukunft verdunkeln, sie kann die Freuden dünn und durchsichtig machen, und die Schmerzen dick und undurchsichtig – o! so gebt doch dieser gewaltigen Göttin das Reich der Dichtkunst zu verwalten, wo sie gerade die Gegenfüßlerin des Lebens werden kann und soll und nicht nur die Freuden vergrößern und die Schmerzen verkleinern, sondern auch beide verklären. Aber desto verwerflicher ist es, wenn sie auch in diesen Höhen ihre Entzauberkräfte in den Tiefen wiederholen wollte, und wenn sie, da unten der Erdboden knochige, scharfgezähnte Ungeheuer und lange Geiferschlangen genug trägt und entgegenführt, oben die zarten beweglichen Wolken des poetischen Himmels noch zu breiten und hohen Ungestalten und riesenhaften Furienmasken verdreht und formt anstatt zu weißen friedlichen Lämmerwolken und leichten hellen Gebirgketten, über die schweren finstern Bergrücken der Erde hinfliegend. – Warum hast du armer großer Dichter Byron, wie dein Leben, so dein Dichten zugleich im Hohlspiegel deiner Phantasie in- und auseinander gezerrt und das Heer der Sterne, wie auf einem Himmelglobus, durch Linien in Ungeheuer abgeteilt und verwandelt! – Und leider muß ich zu mir selber sagen: auch du hast früher gesündigt und zu oft die Gräber offen gezeigt, nicht bloß den Himmel offen. Aber gerade diesen Fehler nimmt das Alter am leichtesten, und der Mensch ist in seinem Spätleben der ihm überall verwandten Eintagfliege gern auch darin ähnlich, daß er wie sie, jahrelang im Dunkel des Tons und des Wassers verbringend, die letzten paar Abendstunden in dem warmen Glanze der untergehenden Sonne tanzt. Daher der alte Mann, wie sehr ernste Völker, lieber das Lustspiel als das Trauerspiel besucht.
Nur führe diese geöffnete Schulpforte nicht auf einen naheliegenden Irrweg der Goetheschen Nachspieler und Schulleute. Der Dichter erheitere nicht bloß wie Goethe, sondern erhebe auch wie Klopstock; er male nicht bloß das nahe Grün der Erde wie jener, sondern auch das tiefe Blau des Himmels wie dieser, das am Ende doch länger Farbe hält als das erbleichende Grün.
Und so tue denn, sag' ich zu mir selber, alles, was du noch vermagst in deinen abnehmenden Tagen – als wären es zunehmende –, [513] für die herrliche Dichtkunst, welche die armen und verarmenden Menschen tröstet und begeistert; und scheue keinen Aufwand von noch übrig gebliebnen Jahren und Kräften und absterbenden Augen für eine Aussaat, deren Mühe kleiner ist als die Ernte für die Freunde deines Herzens. – Und möge der hohe Geist, mit dessen Andenken ich mein früheres Werk über die Dichtkunst schloß und schmückte, meine letzten Anstrengungen und Entschlüsse billigen, – Herder!
Fußnoten
1 Eine Sammlung von Wielands Rezensionen im teutschen Merkur schlüge dem Künstler besser zu als eine neueste Ästhetik; oder überhaupt eine ehrliche Auslese von den besten ästhetischen Rezensionen aus den Literaturzeitungen und andern Jahrbüchern. In jeder guten Rezension verbirgt oder entdeckt sich eine gute Ästhetik und noch dazu eine angewandte und freie und kürzeste und durch die Beispiele – helleste.
2 Berlin. Monatsschrift 5. B. 1785. S.
4 Nur zwei undichterische und doch große Ästhetiker sind hier auszunehmen, Aristoteles und Kant, zwei philosophische Menächmen in Tiefsinn Formstrenge, Redlichkeit, Vielblick und Gelehrsamkeit.
5 Er hat es getan, z.B. in den Büchern über die indische Mythologie und über die altdeutschen Volkbücher, aber diesem Geiste sind durch die Fülle so verschiedener Kräfte und Kenntnisse fast überall und an entgegengesetzten Enden Flügel gewachsen, die ihm das Lenken erschweren.
7 Die Anmerkung ist bloß für die Gelehrten, welche in jedem Werke nichts lieber haben und nützen als ein anderes, nämlich die sogenannten Hasen-Öhrchen oder Gänseaugen und Gänsefüße, womit die Buchdrucker typisch genug die Anführ-Typen benennen.
8 Bekanntlich geht die halbjährige Winter-Nacht am Pole durch immer längere Morgenröten endlich in den Gleicher-Tag über, wo sich die Sonne als halbe Scheibe um den ganzen Horizont bewegt.
9 Und seltsam genug mußten zu oft die Heldendichter in Lebens-Stürmen ohne Land und Hafen sterben; und in das Leben eines Camoens, Tassos, Miltons, Dantens, Homers fiel so wenig Sonnenlicht, indes vieleTrauerspiel-Dichter oft das Beispiel glücklichster Menschen gaben, z.B. zuerst Sophokles, dann Lope de Vega, Shakespeare, Voltaire etc.
10 Nach Kant ist die Bildung der Weltkörper leichter zu deduzieren als die Bildung einer Raupe. Dasselbe gilt für das Besingen, und ein bestimmter Kleinstädter ist schwerer poetisch darzustellen als ein Nebel-Held aus Morgenland; so wie nach Skaliger (de Subtil. ad Card. Exerc. 359. Sect. 13) ein Engel leichter einen Körper annimmt (weil er weniger braucht) als eine Maus.
11 Aus diesem Grunde gibt Klopstocks Rach-Ode gegen Carrier »die Vergeltung« dem Geiste keinen poetischen Frieden; das Ungeheuer erneuert sich ewig; und die kannibalische Rache an ihm martert das fremde Auge ohne Erfolg, und die Strafe ahmet dem Verbrecher die prosaische Grausamkeit in poetischer nach.
12 Vor einiger Zeit wurde auch ein Preis auf die Besinnung von Sodoms Untergang gesetzt.
13 Bloß die Forderung der poetischen Übermacht und nicht der Menschenkenntnis machen das Lustspiel so selten und es dem Jünglinge so schwer. Aristophanes hätte sehr gut eines im 15 1/2. Jahre und Shakespeare eines im 20ten schreiben können.
14 Mit diesem schön-fürchterlichen Ausdruck bezeichnet die nordische Mythologie den Jüngsten Tag, wo der oberste Gott die übrigen Götter zerstört.
15 Bekanntlich lässet sich die Folge des Auf- und Zuschließens der Blumen nach Linné zu einer Stundenmessung gebrauchen.
16 Die Beschreibung des Schönen als eines allgemein Gefallenden ohne Begriff legt sich noch fester den Farben als den Umrissen an, wie alle Kinder und Wilde beweisen, welche das tote Schwarz dem lebendigen Rot und Grün nachsetzen, indes der Genuß der schönen Zeichnung ja an den Völkern nach deren Begriffen wechselt.
17 Im Ergänzungsblatte der Allg. Literatur-Zeitung. 1806. S. 67.
18 Delbrück über das Schöne.
19 Der Rezensent der Vorschule in der Jenaer Literaturzeitung.
20 So viele Wunder im Titan auch durch den Maschinisten, den Kahlkopf zu bloßen Kunststücken herabsinken: so ist der Betrüger doch selber ein Wunder, und unter dem Täuschen anderer treten neue Erscheinungen dazu, welche ihn täuschen und erschüttern.
21 S. das weitere davon Q. Fixlein, 2te Auflage, S. 343: über die Magie der Einbildungkraft.
22 Nur die Majorität und Minorität, ja nur die Minimität und Maximität verstatten diesen Ausdruck; denn eigentlich ist kein Mensch von einem Menschen qualitativ verschieden; der Übergang aus der knechtischen Kindheit in das moralische freie Alter, so wie das Erwachsen und Verwelken der Völker könnte den Stolz, der sich lieber zu den Gattungen als den Stufen zählt, durch diese offenbare Allmacht der Stufen-Entwicklung bekehren.
23 Eben weil er auf dem Traum-Boden die gewöhnlichen Geh-Muskeln gebrauchen will und nicht kann, in der Himmelluft aber keine Flieg-Muskeln nötig hat.
24 Da auch in der Moralität die beiden Klassen dessittlichen Sinns und der sittlichen Kraft zu beweisen sind: so würde Rousseau gleichfalls in die passive zu bringen sein.
25 Dies gilt vom philosophischen ebenfalls, den ich (gegen Kant) vom poetischen nicht spezifisch unterscheiden kann, man sehe die noch nicht widerlegten Gründe davon im Kampaner Tal S. 51 etc. Die erfindenden Philosophen waren alle dichterisch, d.h. die echt-systematischen. Etwas anderes sind die sichtenden, welche aber nie ein organisches System erschaffen, sondern höchstens bekleiden, ernähren, amputieren u.s.w. Der Unterschied der Anwendung verwandter Genialität aber bedarf einer eignen schweren Erforschung.
26 Denn Unbesonnenheit im Handeln, d.i. das Vergessen der persönlichen Verhältnisse verträgt sich so gut mit dichtender und denkender Besonnenheit, daß ja im Traume und Wahnsinne, wo jenes Vergessen am stärksten waltet, Reflektieren und Dichten häufig eintreten. Das Genie ist in mehr als einem Sinne ein Nachtwandler: in seinem hellen Traume vermag es mehr als der Wache und besteigt jede Höhe der Wirklichkeit im Dunkeln; aber raubt ihm die träumerische Welt, so stürzt es in der wirklichen.
27 Denn reine Negation oder Leerheit schlösse jedes entgegengesetzte Bestreben aus, und die negative Größe wirkte wie eine positive.
28 Unsichtbare Loge, I. 278.
29 Prophezeiung, oder deren Ganzes, Allwissenheit, ist nach unserm Gefühl etwas Höheres als bloßes vollständiges Erkennen der Ursache, mit welchem ja der Schluß oder vielmehr die Ansicht der Wirkung sofort gegeben wäre; denn alsdann wäre sie nicht ein Antizipieren oder Vernichten der Zeit, sondern ein bloßes Anschauen, d.h. Erleben derselben.
30 Platon bildet bekanntlich mit dem weißen das moralische Genie in uns ab, und mit dem schwarzen Kants Radikal-Böses.
31 Jacobi über Spinoza. Neue Auflage S. 17.
32 Über das Ganze des Lebens oder Seins gibt es nur Anschauungen; über Teile Beweise, welche sich auf jene gründen.
33 Bekanntlich werden im Alter die Gefäße Knorpel und die Knorpel Knochen, und es kommt so lange Erde in den Körper, bis der Körper in die Erde kommt.
34 Man hat das Verhältnis zwischen griechischen Dichtern und Philosophen, welche mit erobernder Kraft und in so kurzer Zeit fast auf allen neu entdeckten Eilanden der neuern Philosophie gewesen waren, noch nicht genug nachgemessen.
35 Wie heiliger war dies damals, als wenn in neuern Zeiten eine Pompadour Witz-Dichterlingen, welche mit der schillernden Pfauenfeder schreiben, zum Lohne das schwere lange Feldherrnschwert in die Hände gibt.
36 Unter der Regierung der Freiheit schrieb – wie später in Italien – jede Provinz in ihrem Dialekte; erst als die Römer das Land in Ketten legten kam auch die leichtere Kette hinzu, daß nur im attischen Dialekte geschrieben wurde. Siehe Nachträge zu Sulzers Wörterbuch I. 2.
37 Z.B. der jugendliche Jupiter zu Ägae, der Ismenische Apollo mußten den schönsten Jüngling zum Priester haben. Winckelmanns Geschichte der Kunst.
38 Götter ließen sich vom Areopag richten (Demosthenes in Aristocrat. und Lactant. Inst. de fals. relig. 1. 10.); dazu gehört Jupiters Menschenleben auf der Erde, sein Erbauen seiner eignen Tempel. Id. I. II. 12.
39 Daher die Franzosen in ihren gebildeten Zirkeln das allgemeine Wort vorziehen, z.B. la glace statt miroir, oder spectacle statt théatre.
40 Im Lateinischen und Russischen gälte wieder das Umgekehrte aus demselben Grunde. Wenn man in dem zwar talent-verworrenen, doch talentreichen Trauerspiele Cadutti aus der höhern Region des Allgemeinen plötzlich durch die Worte: »Und was sich mildern lässet, Soll in der Appellations-Instanz gemildert werden« in die juristische Region herabstürzt: so ist eine ganze Szene getötet, denn man lacht bis zur nächsten.
41 Jugend eines Volks ist keine Metapher, sondern eine Wahrheit, ein Volk wiederholt, nur in größeren Verhältnissen der Zeit und der Umgebung die Geschichte des Individuums.
42 Nach den alten Astronomen kreiseten II Himmel übereinander, der 12te oder kristallene stand.
43 Es ist dasselbe, wenn Fr. Schlegel »göttliche Faulheit und Glück des Pflanzen- und Blumenlebens« preiset; nur daß er sich dabei an seinem wörtlichen Übermute und an dessen entgegengesetzten Wirkungen zu sehr erfreuet.
44 Unsichtbare Loge I. S. 194.
45 S. dessen Schriften 11. S. 60: »Im griechischen Zustand macht, weil die höchste Übereinstimmung zwischen Denken und Empfinden war, die möglichst vollständige Nachahmung des Wirklichen den naiven Dichter, der sentimentale erhebt die Wirklichkeit erst zum Ideal, daher reflektiert er erst über den Eindruck der Gegenstände auf sich und hat die Wirklichkeit (S. 69) als Grenze, die Idee als das Unendliche.« – Inzwischen muß doch (S. 137) »jede Poesie einen unendlichen Gehalt haben; entweder unendlich in der Form, indem sie den Gegenstand mit allen seinen Grenzen darstellt(?), also absolute Darstellung des naiven Dichters; oder der Materie nach, wenn sie alle Grenzen entfernt, Darstellung eines Absoluten, oder sentimentale«. Allein S. 153 ist »nicht die wirkliche, sondern die wahre Natur das Subjekt der naiven Dichtung, welche selten existiert.« Und damit ist der ganze Unterschied wieder aufgehoben. Denn die wahre Natur wird nur durch Idee und Ideal von der wirklichern getrennt und vorher gesetzt, jene und diese ist folglich als solche nie das Urbild des poetischen Nach-Bildes, sondern die Idee ists; mithin kann keine vollständigste Nachahmung des Wirklichen allein entscheiden, oder keine absolute Darstellung desselben. Entweder wird durch die »wahre« Natur die ganze Auflösung der Frage vorausgesetzt und erschlichen, oder es gehört überhaupt kein äußerer Vorwurf und Stoff als solcher in den Unterschied beider Dichtungarten. Und letztes ist auch. Wenn die wahre Natur »selten« existiert: so ist daraus die griechische Dichtung wenig erklärt; und da jede Natur erst durch den Dichter dichterisch wird (denn sonst würde der Dichter gemacht, nicht das Gedicht, und jeder zu jenem), und da auch die plastischen Künstler die »wahre« Natur der Griechen doch idealisieren mußten, so kann in den Unterschied der naiven und sentimentalen Dichtung durchaus nicht ein Unterschied der Objekte (als ob die neuere Zeit alle würdigen verloren hätte) aufgenommen werden.
46 Schiller nennt ihn den modernen, als ob alles hinter den Griechen Geschriebene modern und neu wäre, gleichgültig ob ein Jahrtausend alt oder zwei Jahrtausend; ferner den sentimentalen, ein Beiname, welchen die Romantiker Artost und Cervantes ohne sonderlichen Ernst annehmen würden.
47 So sehr Ahlwardts Übersetzung durch den Fund des reinern Textes vorwiegen kann: so scheint es mir doch, daß der Leichtigkeit und Treue und den Wohllauten der Jungschen viel zu wenig lobende Gerechtigkeit widerfahren sei.
48 Man weiß, wie nach den Manichäern die ganze Körperwelt den bösen Engeln zugehörte, wie die Orthodoxen den Fluch des Sündenfalls auf alle Kreaturen ausdehnten u.s.w.
49 Oder das Überirdische knüpfte sich an unkünstlerische Verkörperungen, an Reliquien, Kreuze, Kruzifixe, Hostien, Mönche, Glocken, Heiligenbilder, die alle mehr als Buchstaben und Zeichen denn als Körper sprachen. Sogar die Taten suchten das Körperliche zu entbehren, d.h. die Gegenwart: die Kreuzzüge suchten eine heilige Vergangenheit mit einer heiligen Zukunft zu verbinden. So die Legenden der Wunderwerke. So die Erwartung des Jüngsten Tags.
50 Half nicht vielleicht der unbestimmte romantische Charakter der Musik es miterzeugen, daß gerade die nebligen Niederlande viel früher große Komponisten bekamen als das heitere helle Italien, das lieber die Schärfe der Malerei erwählte, so wie aus demselben Grunde jene mehr in der unbestimmten Landschaftmalerei idealisierten und die Welschen mehr in der bestimmten Menschengestalt?
51 Sogar ein Leibniz findet es findenswert, daß z.B. Christus im Zeichen der Jungfrau geboren worden. Otium Hanover. p. 187. Daher kann eine vorüberfliegende Anfahrung verziehen werden, daß, als im Kaiserbildersaale zu Frankfurt leerer Raum nur noch für ein einziges Bild eines deutschen Kaisers jahrelang leer stand, das Schicksal ihn wirklich mit dem Bilde des letzten füllte und schloß.
52 Bekanntlich entsteht das Lächeln schlafender Kinder aus Säuere im Magen, welche aber bei Erwachsenen sich nicht sonderlich durch Lächeln oder Engel verrät.
53 Fremde Träume hören wir nicht ohne ein romantisches Gefühl, aber unsere erleben wir ohne dasselbe. Dieser Unterschied des Du und des Ich reicht durch alle moralische Verhältnisse des Menschen und verdient und bekommt an einem andern Orte eine Erwägung.
54 Höchst wahrscheinlich hat eben darum Moritz, mehr ein Geisterseher als Geisterschöpfer, in seine Erfahrung-Seelenkunde so viele Träume, Erscheinungen, Ahnungen etc. öfter aufgenommen als darin erklärt und so hinter dem Schirme eines Sammlers und Exegeten seine Geisterseherei in etwas vor der berlinischen und gelehrten Körperseherei gedeckt.
55 Nur daß auf letzten, wie oft bei theatralischen Vorstellungen vorfällt, zuweilen eine aufgehende Bühnen-Türe das äußere Weltlicht hereinlässet und so die poetische Beleuchtung unterbricht durch eine weltliche.
57 Die Alten drückten sich unbewußt mit Kürze und Einfachheit aus und wollten einfältig nur die sie erfüllende Wirkung des Gegenstandes weiter geben. Die Neuen schneiden sich erst aus der selber bewußten Vielversteherei eine kokette Kürze zu, welche die Preise der Einfachheit und des Reichtums zugleich gewinnen will.
58 Dessen Geschichte der komischen Literatur I. B.
59 In der Zeitung für die elegante Welt. Febr. 1812.
60 Im 3ten Band des neu aufgelegten Hesperus S. 3 sagt' ich es unentwickelt. Ich merk' es an, damit man nicht glaube, daß ich meine eignen Diebe bestehle, wie es zuweilen scheinen kann. Der sonst treffliche Ästhetiker Platner setzt »die Schönheit in eine gemäßigte Mischung des Erhabnen und des Lustigen«. Durch die Addition einer positiven und einer negativen Größe bekommt ein definierender Philosoph allerdings den leeren Raum, in welchen die Anschauung des Lesers recht gut den verlangten Gegenstand unbefleckt hineinsetzen kann.
61 Man steigere die optische Intension, man überfülle das Auge mit Licht: es wird nie Kräfte, nur Größen finden.
62 Die Ewigkeit ist für die Phantasie ein mathematisches oder optisches Erhabene; oder so die Zeit ist die unendliche Linie, die Ewigkeit die unendliche Fläche, die Gottheit die dynamische Fülle.
63 Quintus Fixlein, 2te Auflage, S. 357.
64 Am Tage würden sie vor dem größern Lichte selber nur kleine Gegenstände.
65 Sogar dann nicht, wenn der sonst lächerliche Kontrast zwischen Äußern und Innern auf das Unbelebte trifft. Eine geputzte Pariser Puppe kann jeder mögliche Kontrast mit ihrem Putze nicht lächerlich machen.
66 Mich wundert daher, daß man diese fürchterliche Verdopplung der Gestalt nur komisch, nicht auch tragisch verwendet hat.
67 Daher können höhere Wesen zwar über uns, obwohl selten, lachen und unsere Handlungen mit ihren Einsichten kontrastieren, aber dazu sind nicht unsere törichten tauglich, sondern unsere weisen. – Daher ist Philosophie z.B. die Schellingische, welche den Verstand aus dem Gebiete der Vernunft verweiset, schwer lächerlich zu machen; denn unser subjektiver Kontrast, den wir ihr leihen wollen, ist eben schon ihr eigner.
68 Z.B. lächerlich ist die Darstellung des Schnellen – ferner der Menge ferner der Buchstabe s (versessen, besessen etc.) – ferner maschinenmäßige Abhängigkeit des Geistigen von der Maschine (z.B. so lange zu predigen, bis man ausdünstet), daher sogar das Passivum komischer ist als das Aktivum – ja der ist lächerlicher als die – ferner die Verwandlung eines lebendigen Wesens in ein abstraktes (z.B. etwas Blaues saß auf dem Pferde) u.s.w. Gleichwohl müssen hier so gut, aber auch so schwer die drei Bestandteile des Lächerlichen aufzuzeigen sein als im Lächerlichen, das einem Kinde als solches erscheint.
69 In seiner Gelehrten-Republik.
70 Man erlaube mir, aus dem Neujahrs-Taschenbuch 1801 folgende Stelle aus meinem eignen Aufsatze abzuschreiben: »Gerade in die andächtigsten Zeiten fielen die Narren- und Eselsfeste, die Mysterienspiele und die Spaßpredigten am ersten Ostertage, bloß weil da das Ehrwürdige noch seinen weitesten Abstand von diesen Travestierungen behauptete, wie der xenophontische Sokrates vom aristophanischen. Späterhin verträgt die Zweideutigkeit des Ernstes nicht mehr die Annäherung des Scherzes, so wie nur Verwandte und Freunde, aber nicht Feinde einander vor den komischen Hohlspiegel führen dürfen.« –
71 Die meisten und besten Bonmots fallen auf Geistliche und auf Schauspieler; – auf diese noch besonders darum, weil ihre Bühne die dunkle Kammer und kleine Welt der ganzen ist und folglich alle komischen Kombinationen dieser, zumal durch den Schein- und Vexier-Apparat der großen, so sehr zusammendrängt, daß in Hogarths Komödianten nicht sowohl der Reichtum als die Enthaltsamkeit in witzigen Vermählungen herauszuheben ist; – beide aber bieten gemeinschaftlich durch die Höhe ihrer wahren und ihrer scheinbaren Verhältnisse dem Zufall die größeren Kontraste dar. So war im christlichen Mittelalter in allen Ländern gerade die dunkelfarbige Geistlichkeit das ausersehene Schwarz der satirischen Zielscheiben.
72 Quintus Fixlein, zweite Auflage. S. 371.
73 Man erinnere sich, daß ich oben den objektiven Kontrast den Widerspruch des lächerlichen Bestrebens mit dem sinnlich-angeschaueten Verhältnis nannte, den subjektiven aber den zweiten Widerspruch, den wir dem lächerlichen Wesen leihen, indem wir unsere Kenntnis zu seiner Handlung leihen.
74 Z.B. sein Brief über Adam als die Mutterloge des Menschengeschlechts; sein anderer über den Ruhm u.s.w.
75 Empfindselig (ein Hamannsches Wort) ist besser als empfindelnd, noch außer dem Wohlklang; jenes bedeutet bloß das übermäßige schwelgende Frequentativum des Empfindens (nach den Analogien redselig, saumselig, friedselig), dieses aber bezeichnet indes ohne Wahrheit, zugleich ein kleinliches und ein erlognes Empfinden.
76 Flögels Geschichte des Grotesk-Komischen.
77 Aber mit Unrecht, denn das Komische arbeitet so wenig dem Pathetischen vor als die Abspannung jemals der Anspannung, sondern umgekehrt.
78 Flögels Geschichte des Grotesk-Komischen.
79 Tableau de Paris, ch. 648.
80 S. 5. B. seiner Reisen.
81 Dieses tat er nach Holberg, Foote, Swift etc.
82 D. Merkur 1779. 1. B. S. 275.
83 Musäus war später demütig genug, in die bleihaltigen Stollen der Allg. deutschen Bibl. seine goldhaltigen zu treiben und ihr Rezensionen der Romane zu schenken, es ist aber schade, daß man jetzo diese launigen Rezensionen ihren Büchern und ihrer Bibliothek nachsterben läßt, ohne diese untergesunkenen Perlen aus dem Wuste auszuheben und einzufädeln.
84 Die Perser sagen: nur Gott kann ein Ich haben; die Türken: nur der Teufel sagt Ich. Bibliothèque des Philosophes; par. Gautier.
85 Z.B. in the koran or the life etc.
86 Ad Aristophanis lucernam lucubrare. Siehe in Welckers Übersetzung der Frösche, Vorrede p. IV. Diese und die frühere der Wolken darf ich vielleicht wegen ihrer komischen Kraft ihrer leichtern Herüberleitung des großen Komus zu uns, wegen ihrer reichen sachlehrenden Anmerkungen und endlich wegen des hohen Standpunktes der ästhetischen Übersicht schon anzupreisen wagen, ohne darum den Vorwurf von Anmaßung eines Urteils über ein von so gewaltigen philologischen Königen beherrschtes Sprachgebiet auf mich zu laden.
87 Cicero sagt: adeo illum risi, ut pene sim factus ille.
88 Alle Lächerlichkeiten im Tristram, obwohl meist mikrologische, sind Lächerlichkeiten der Menschen-Natur, nicht zufälliger Individualität. Fehlt aber das Allgemeine, z.B. wie bei Peter Pindar, so rettet kein Witz ein Buch vom Tode. Daß Walter Shandy mehre Jahre, jedesmal so oft die Türe knarrte, sich entschließet, sie einölen zu lassen u.s.w., ist unsere Natur, nicht seine allein.
89 Sterne wird, je tiefer hinein im Tristram, immer humoristisch-lyrischer. So seine herrliche Reise im 7. Bande; der humoristische Dithyrambus im 8. B. c. II. 12. u.s.w.
90 Daher sollte man von jeder deutschen Stadt so viele benannte Einzelheiten (wie bei den Vieren schon geschehen ist) gäng und gäbe machen, als nur angehen will, bloß um dem Komiker mit der Zeit ein Wörter- und Flurbuch komischer Individuation in die Hand zu spielen. Ein solcher schwäbische Städte-Bund würde die getrennten Städte ordentlich zu Gassen, ja zu Brettern eines komischen Nationaltheaters zusammenrücken lassen – der Komikus hätte leichter malen und der Leser leichter fassen. Die Linden der Tiergarten – die Charite – die Wilhelmshöhe – der Prater- die Brühlische Terrasse sind zum Glücke für jeden komisch-individualisierenden Dichter zu seinem Spielraum urbar; aber wollte z.B. der Verfasser von den wenigen Städten, wo er gehauset, von Hof, Leipzig, Weimar, Meinungen, Koburg, Baireuth, die Eigennamen der besten, da sehr wohl bekannten und benannten Plätze und Verhältnisse zu komischer Individuation gebrauchen: so würde er wenig verstanden werden und folglich schlecht goutiert, nämlich auswärts.
91 An Sprach- und Bilder- und sinnlicher Fülle übertrifft Fischart weit den Rabelais und erreicht ihn an Gelehrsamkeit und aristophanischer Wortschöpfung; er ist mehr dessen Wiedergebärer als Obersetzer; sein goldhaltiger Strom verdiente die Goldwäsche der Sprach- und der Sittenforscher. Hier einzelne Züge aus seinem Bilde eines schönen Mädchens aus seiner Geschichtklitterung (1590) S. 142: »(Sie hatte) rosenblüsame Wänglein, die auch den umwebenden Luft mit ihrem Gegenschein als ein Regenbogen klärer erläuterten, wie die alten Weiber, wan sie aus dem Bad kommen: Schwanenweiß Schlauchkälchen dardurch man wie durch ein Mauranisch Glaß den roten Wein sahe schleichen: ein recht Alabastergürgelein: ein Porphyrenhaut, dardurch alle Adern schienen, wie die weißen und schwarzen Steinlein in eim klaren Brunwässerlein: Apfelrunde und lindharte Marmol-Brüstlein, rechte Paradießäpflin und Alabasterküglein, – auch fein nahe ans Hertz geschmückt und in rechter Höhe emporgeruckt, nicht zu hoch auff Schweitzerisch und Kölnisch, nicht zu nider auf Niderländisch – – sondern auf Frantzösisch etc.« Jenes Reimen der Prosa kommt bei ihm häufig und zuweilen, z.B. c. 26, S. 351, mit schöner Wirkung vor. So ist das 5te Kapitel über Eheleute ein Meisterstück sinnlicher Beschreibung und Beobachtung; aber keusch und frei wie die Bibel und unsere Voreltern.
92 Nach Pauw über die Griechen, I. B., der es aus dem Athenäus anführt. Nicolai bewies indes in der Rezension dieser Stelle, daß mich Pauw, belogen und daß das ganze Gericht nur eine Sammlung von schmarotzenden Possenreißern war.
93 Ich zitiere zum Beweise seine Dedikationen und Noten. Wer z.B. zur Welt – die überhaupt mit der Schwerfälligkeit übertragen ist, welche nur Montaigne gut ansteht, als antiker Rost der Zeit – S. 114. B. I. diese Note machen konnte: »Was ein Engländer doch wohl von Höflichkeitsbezeugungen sprechen mag! Er, der Jedermann, auch den Allervornehmsten, Ihrzet!! Hem!« – oder wer den erbärmlichen, von Mylius, Müller und andern nachgesprochnen Spaß-Laut de- und wehmütig wiederholen kann: dessen schaffende Kräfte stehen tief unter seinen nachschaffenden. Wie wenig die großen Muster – auch innigst verstanden und geliebt – die Zeugungkräfte veredlen, sieht man aus den matten siechen Geburten herrlicher Übersetzer und Anbeter der Neuern und Alten. Zur unbefleckten Empfängnis gehört stets auch eine unbefleckte Zeugung durch einen oder den andern heiligen Geist.
94 Eine Übersetzung mit angedruckter Urschrift wäre für den Forscher der französischen Sprache eine ungeheure Sprach-Schatzkammer (für das große Publikum wäre und sei sie nichts). Die schwierigen Zeit- und Ort-Anspielungen brauchte der Übersetzer nicht zu erklären, sondern nur zu übersetzen aus der trefflichen Ausgabe in Quart: Oeuvres de Maître François Rabelais avec des remarques historiques et critiques de Mr. le Duchat. A Amsterdam etc. 1741.
95 Ich meine jene Wendung des Ernstes, z.B. von einem Dummen zu sagen: er sei kein Mann von glänzenden Gaben.
96 Die Ironie muß stets die zwei großen Unterschiede, nämlich die Beweise eines Daseins und die Beweise eines Werts, (wie der Ernst) gegeneinander vertauschen; wo sie Wert zu erweisen hätte (wie hier), muß sie Dasein erweisen und umgekehrt.
97 »nicht absprechen.« statt »zuschreiben muß.«
98 Hier »geringste«. Da hier gerade der Superlativ den Ernst verstärkt, so darf er auch den Schein verstärken.
99 In der ruhigen, langsamen, ehrerbietigen Einführung niedriger Gleichnisse ist Swift der Meister.
100 »nicht sehr verschieden«. Man bemerke die Verneinung der Verneinung.
101 »Gestank«. Verträgt der Ernst ein niedriges oder ein sinnlich malendes Wort (wie weiter unten »abstumpfen«, oben »besticht«, wofür »bestechen« weniger anklänge), desto besser und swiftischer.
102 Dies sind die beiden einzigen ironischen Anfangsformeln, welche ich in der französischen ironischen Literatur und der deutschen Nachäfferei antreffe. Il faut avouer ist sogar schon so oft ironisch dagewesen, daß es kaum mehr rein ernsthaft zu gebrauchen ist.
103 Beider Zusammenarbeiten ist bekannt. Literarisch bemerk' ich hier, daß Lichtenbergs Satire gegen den Taschenspieler Philadelphia mit den Hauptideen und mehren Nebenideen aus der Satire Arbuthnots gegen einen Taschenspieler: The wonder of all the wonders that ever the world wondered at, genommen ist.
104 Er schrieb alle seine Satiren im Zwischenraume vom J. 1732 bis 1736; so unbegreiflich in diesen bloßen vier satirischen Jahrzeiten auf der einen Seite ein so großer Unterschied zwischen seiner ersten und lezten Satire, nämlich ein so schnelles Fortschreiten ist: so unbegreiflich ist auf der andern das nachherige Verstummen und Verschließen eines so reichen Geistes; eine literarische Seltenheit einziger Art! – Und doch gab uns das Schicksal noch eine zweite neuere, wofür es ebensosehr unsere Klage als unseren Dank verdient, die nämlich, daß der Jüngling, welcher durch die »Inokulation der Liebe« unsere besten komischen Dichter erreichte, seinen ganzen blühenden Jahrraum, worin er sie alle hätte übertreffen können, in stummen Sabbatjahren und Ernteferien zubrachte, bloß um im Alter mit seinen »Reisen« die komischen Prosaiker zu übertreffen.
105 Ich sagte schon an e. a. O., daß die Liebe ihr Geliebtes gern verkleinernd anrede, daher in den Jahrhunderten der größern Liebe mehre Verkleinerung-Wörter waren.
106 Die falsche Ironie hat nur ein lobendes, superlatives Beiwort, indes die wahre immer abwechselt und statt des höchsten das bestimmteste aussucht. Schade, daß sogar nicht nur Voltaire (die Franzosen ohnehin) bloß das ironische Beiwort: beau ewig gebraucht, sondern auch Rabelais.
108 Daher ziehe ich Swifts lahme Übersetzung durch Waser den neuern gelenken vor.
109 Denn tragische Leidenschaft widerspricht als Anlage auch nicht der edelsten Natur. Unmoralische Folge daraus als Maxime sondert auf eine eigne epische Weise den Spieler vom Menschen und ist eine bessere Maske der Individualität als die antike körperliche, der Schauspieler – nämlich der geniale und der moralische, sogar der unmoralische – wird zur bloßen Natur der Kunst, höchstens der juvenalischen Satire tritt er näher. Hingegen der komische Schauspieler muß jede Minute den Kontrast zwischen seinem Bewußtsein und seinem Spiele (fielen beide auch in fremden Augen in eins zusammen) erneuern und festhalten. Ein tragisches Stümperwerk könnte keinFleck, aber ein komisches wohl ein Iffland gut ma chen durch das Spiel. – Der Unterschied des Zuschauers vom Leser der Schauspiele gibt sowohl den tragischen als den komischen eigne Regeln, wenigstens Winke. Dem Leser des Lustspiels kann Witz und noch mehr Humor viel körperliche Handlung ersetzen, dem Zuschauer desselben dauert auf der Bühne der glänzendste Humor – und wär' es der eines Falstaffs – leicht zu lang und kühlt zu sehr, indes ihn körperliche Fehler, Stammeln, Fehlhören, Sprecheinflicksel, welche dem Leser wegen der Leichtigkeit ihrer Erfindung durch Wiederkommen unbedeutend werden, mit dem Reize der körperlichen Darstellung bereichern und bei Wiederholung sich durch den Reiz neuer Nachbarschaft und des vieleckigen Individualisierens verjüngen. So klingt z.B. in Kotzebues Pagenstreichen das Repetierwerk: »als ich von Stolpe nach Danzig reisete« immer komisch an. (Auch das Lesen erwartet und begehrt die Wiederkehr desselben Spaßes nur in ungleich größeren Zwischenräumen.) – Hingegen das Trauerspiel darf auf der Bühne das verhüllte leidende Herz in Seufzern von Worten auseinanderlegen, aber es muß die rohen Wunden-Dolche der äußern Handlung so viel wie möglich verhüllen; wir wollen die Schmerzen denken, nicht sehen, weil wir uns leichter die innere als die äußere vortäuschen.
110 Daher ist in der Wirklichkeit, wo der subjektive Kontrast außerhalb des Objekts liegt, kein Tor so toll als im Lustspiel.
111 Es ist für Kotzebue schade, daß er zu viel Witz und zu viel unpoetische Nebenrichtungen hat, um uns noch viel bessere Lustspiele zu geben, als einige seiner guten sind. Im dramatischen Almanach erhält ihn öfters die Kürze des Wegs auf dem rechten Wege.
112 Daher Schriftsteller, welche im lyrischen Ernste edel bis zum Erhabenen sind, im Scherze roh und widrig werden, weil sie ihr Feuer fortschüren. So z.B. wenn Schiller über Nicolai und über die satirischen Peitschen aussagt daß diese von Händen gehandhabt würden, welche besser die gemeinen darin hielten. Sogar der höhere Herder vergaß hierin zuweilen den hohen Herder.
113 In Shakespeare haben die Narren oder Rüpel in den eigentlichen Komödien mehr Witz als Laune aber in den ernsten Stücken tritt aus komischen Mitspielern die Laune bis zum Humor hervor.
114 Der Parasit der Alten ist der Harlekin, nach Lessings Vermutung.
115 Franzosen und Engländern fehlt es zu dieser Quelle des Komischen nicht am gegenseitigen Hasse, sondern ihren Sprachen an gegenseitiger Unähnlichkeit und Beugungsfreiheit. Nur ihre heroischen und burlesken Metra tauschen sie wechselnd gegeneinander aus.
116 Palingenesien II. p. 297.
117 Siehe Flegeljahre 1. S. 141.
118 Die nähern Bestimmungen folgen in den nächsten §.
119 Er meint das Schlachtgeschrei.
120 Die Unterschrift unter die Bildsäule eines untätigen französischen Königs: Statua Statuae, oder der Einfall über ein leeres Parterre, es sei le double de l'autre.
121 d.h. mehr mit einer Reihe bildlicher Ähnlichkeiten als mit einer Antithese, wie weiter unten bei dem bildlichen Witze gezeigt wird.
122 Denn unser Gottesdienst wird jetzo meist in Büchern gehalten.
123 Nur die Hamannsche ausgenommen, deren Kommata zuweilen aus Planetensystemen und deren Perioden aus Sonnensystemen bestehen, und deren Worte (gleich den ursprünglichen, nach Herder) ganze Sätze sind. Oft ist die Kürze leichter zu haben als zu lesen, der Verfasser kömmt zum ausgedrückten Gedanken durch lauter weggeschnittene Nebengedanken; der Leser muß diese erst ergänzen aus jenem.
124 Wenn uns Franzosen diese antithetische Wendung bis zum Ekel vorgemacht haben: so kommen noch die deutschen Affen und machen uns dieses Vormachen wieder nach.
125 Fixlein, 2te Auflage, S. 363.
126 Ohne Auflösung durch Wasser gibt es keinen Geschmack.
127 Es ist ordentlich bildlich, daß der Handel – dieser Gegner der Dichtkunst – die Bilderschrift in Zeichenschrift zu verwandeln veranlaßte (s. Buhle, Geschichte der Philosophie, I. Bd.), weil der Handelsmann gern kurz schreibt.
128 Dessen bürgerliche Verbesserung der Weiber, S. 342
129 Desselben Werke. 12. Bd. S. 123.
130 Dessen englische Geschichte Jakobs I.
131 Die Regel, welche Übersetzung zur Probe des echten Witzes macht, ist ganz willkürlich; z.B. der Papst gibt den Segen urbi et orbi. Kürze und Zuklang (Assonanz) vergehen in der Übersetzung, wenn man auch folgende für einen Fürsten macht: Dem Familien- (urbi) und dem Weltkreise (orbi). Alle Sprachen sind voll unübersetzlichen Witzes, und in der griechischen ists der attische. Der Witz, als Jäger der Kürze, greift eben darum zum Wortspiel; z.B. Τα κοινα καινως, τα καινα κοινως.
132 Dessen Gelehrtenwelt 1, S. 7.
133 Dessen Archimetr. p. 94., 95.
134 Z.B. in der witzigen kleinen Schrift über die Philister sind die Nachbeter der spekulativen Philosophie als eine Kette von Enten in Kupfer gestochen, welche sich am Faden eines Stückchen Speckes, den unverdauet jede wieder von der andern übernimmt, aneinanderfädeln. Diese Spekulanten schreibt der Verf. darauf so: Speck-cûl-anten.
135 Lichtenberg, Musäus, Hippel, Hamann sind zwar Helden des Witzes; aber man sieht ihnen solchen wegen reeller wahrer Verdienste nach und entschuldigt gern. Bloß witzige Schriftsteller (wovon ich nur einen gewissen Bergius, Verfasser der Blätter von Aleph bis Kuf und der Handreise, zweier strömend-witzigen Werke, oder einen Paulus Ämilius im t. Merkur nenne) werden mit jener Kälte aufgenommen, welche der Wiu, der selber sogar den Charakter erkaltet, sich gefallen lassen sollte. – Überhaupt verzeiht der Deutsche den Witz als Nebensache lieber denn als Sache – er will ihn als Putzkleid, nicht als Amtkleid erblicken, und er entschuldigt ihn zwar an einem gelehrten Professionisten als ein kurzes hors d'oeuvre, aber nicht an einem, dessen sämtliche Werke und opera solche hors d'oeuvre und opera supererogationis sind.
136 Z.B. die Menschheit kann nie zur Freiheit gelangen ohne geistige hohe Ausbildung und nie zu dieser ohne jene.
137 Unsichtbare Loge 1, S.201.
138 Daher ist nicht die Poesie (wie neue Ästhetiker nach dem Mißverstande Kants annehmen, welcher sie aus zu kleiner Achtung für ein Spiel der Einbildungkraft erklärte), sondern der Witz ein bloßes Spiel mit Ideen.
139 So wird der weiße Widerschein der langen Eisfelder am Horizonte genannt. S. Forster.
140 Es wäre daher die Frage, ob nicht eine Sammlung von Aufsätzen nützete und gefiele, worin Ideen aus allen Wissenschaften ohne bestimmtes gerades Ziel – weder künstlerisches noch wissenschaftliches – sich nicht wie Gifte sondern wie Karten mischten und folglich, ähnlich dem Lessingschen geistigen Würfeln, dem etwas eintrügen, der durch Spiele zu gewinnen wüßte; was aber die Sammlung anlangt, so hab' ich sie und vermehre sie täglich, schon bloß deshalb, um den Kopf so frei zu machen, als das Herz sein soll.
141 Bei diesem und dem folgenden, überhaupt bei allen Zeit-Anspielungen des Buchs muß man nicht vergessen, daß es schon 1803 geschrieben worden.
142 S. Kampaner Tal; die Holzschnitte, S. 100
143 Z.B. ein pedantischer Zierling tadelte in der Dykischen Bibliothek der schönen Wissenschaften in der Rezension von Lichtenbergs Hogarth die Statua pensilis als pedantisch.
144 Nämlich das bekannte von dem Despotismus und dem baumabhauenden Wilden. Nur unter den dürftigen Franzosen, nicht unter den Briten und Deutschen, konnte ein solches Gleichnis aufglänzen, welches am Ende nur die Gattung durch die Unterart darstellet; ich erbiete mich, das ähnliche, aber noch bestimmtere zu machen, dieses nämlich, daß der Despot dem Kinde gleicht, welches immer die Bienen tatet, um die Honigblase auszusaugen.
145 Sogar jedem Allwisser empfehl' ich dieses Sachwörterbuch, welcher nicht eben ein Vielwisser ist.
146 Z.B. der starke Leibgeber und der sanfte Viktor.
147 Aus Jean Pauls Briefen gehört folgende Stelle Seite 146 hieher: »Der Traum ist unwillkürliche Dichtkunst, und zeigt, daß der Dichter mit dem körperlichen Gehirne mehr arbeite als ein anderer Mensch. Warum hat sich noch niemand darüber verwundert, daß er in den Scènes detachées des Traums den spielenden Personen wie ein Shakespeare die eigentümlichste Sprache, die schärfsten Merkworte ihrer Natur eingibt, oder vielmehr daß sie es ihm soufflieren, nicht er ihnen? Der echte Dichter ist ebenso im Schreiben nur der Zuhörer, nicht der Sprachlehrer seiner Charaktere, d.h. er flickt nicht ihr Gespräch nach einem mühsam gehörten Stilistikum der Menschenkenntnis zusammen, sondern er schauet sie, wie im Traume, lebendig an, und dann hört er sie. Viktors Bemerkung, daß ihm ein geträumter Gegner oft schwerere Einwürfe vorlege als ein leibhafter, wird auch vom Schauspieldichter gemacht, der vor der Begeisterung auf keine Art der Wortführer der Truppe sein könnte, deren Rollenschreiber er in derselben so leicht ist. Daß die Traumstatisten uns mit Antworten überraschen, die wir ihnen doch selber eingegeben haben, ist natürlich: auch im Wachen springt jede Idee wie ein geschlagner Funke plötzlich hervor, die wir unserer Anstrengung zurechnen; im Traume aber fehlt uns das Bewußtsein der letzten, wir müssen die Idee also der Gestalt vor uns zuschreiben, der wir die Anstrengung leihen.«
148 Im Wachen tun wir das, was wir wollen; im Traume wollen wir das, was wir tun.
149 Das ohnehin schon wegen seiner Unform mehr zu den Maschinen als zu den Charakteren gehört.
150 Großer Verstand gilt für Stärke.
151 Und eben darin sind auch jene ätherischen platonischen Charaktere, welche, wie Götter die Tugend als Schönheit, so die rauhe erste Welt als eine zweite, den Tag als Mondlicht anschauen, schon begriffen, obwohl in prosaischer untergeordneter Darstellung welche sich nicht anmaßet, das Göttliche und das Teuflische der Individualität durch die breiten Worte Ehr- und Lieblosigkeit und ihre Gegenteile auszusprechen.
152 Er gewinnt viel Leben dadurch, daß er einen italienischen Edelmann der ihm eine Ohrfeige gegeben, dermaßen ausprügelte, daß derselbe erst 14 Tage darauf weiterreisen konnte.
153 Lovelace, dieser Polyklets-Kanon apokryphischer Charaktere, dieser alte Adam unzähliger Sünder auf dem Papier und in der Welt, welchen Franzosen und Deutsche bettelnd bestahlen, steht als ein Giftbaum noch über manchen niedrigen kalten Giftschwämmen der Wirklichkeit, denn er hat noch Ehre, Mut, Liberalität, sogar Schonung gegen sein »Rosenknöspchen«. Wie könnt' er sonst auf eine Klarisse und so viele Leserinnen wirken?
154 Z.B. Sterne schildert seine Menschenliebe – und so die Tobys, Trims Shandys – nicht durch Ausgießung von Geschenken vor, welche ihm nichts kosten als einen Tropfen Dinte, sondern durch Ergießung von Empfindungen, welche auch die kleinste Gabe verdoppeln und – was mehr ist – veredeln.
155 Er sagt: »Die also in der Epopöe wie im Trauerspiel den Charakter obenan setzen und aus ihm, wie in der Poesie überhaupt, alles herleiten wollen, knüpfen Fäden, die an nichts hangen, und die zuletzt ein Windstoß fortnimmt. Lasset beiden untrennbar ihren Wert, der Fabel und dem Charakter; oft dienen beide einander und vertauschen ihre Geschäfte, das Göttliche dem Menschlichen, die Fabel dem Charakter, zuletzt aber erscheinets doch, daß es nur Herablassung, Mitteilung der Eigenschaften war, und ohne geordneten Zusammenhang der Fabel kein Charakter etwas vermachte. Als die Welt begann, waren vor Konstruktion Himmels und der Erde charakteristische Geschöpfe möglich? In welcher Arche hauseten sie? ja waren auch in einem Limbus, ehe die Welt gedacht war, zu der sie gehören sollten, ihre Gestalten und Wesen nur denkbar? Wer also in Kunst und Dichtkunst das Charakteristische zu ihrer Haupteigenschaft macht, aus der er alles herleitet, darf gewiß sein, daß er alles aus nichts herleite.«
156 Z.B. in Mélanges d' hisroire etc. par M. de Vigneul-Marville II. p. 321.
157 Daher durfte Schillers Jungfrau von Orleans nicht die ruhigen langen Beschreibung-Reden der homerischen Helden halten oder hören; so wenig als umgekehrt Odysseus' Reden im Philoktet passen würden in die Odyssee.
158 Mehr über den zu wenig ermessenen Unterschied zwischen dichterischer und theatralischer Darstellung sehe man im Jubelsenior S.111–117 nach.
159 Daher geht durch die Menge bei Shakespeare oft das epische Drama in ein dramatisches Epos über.
160 Sie kann in einem Tage, aber die Klarisse kann – trotz ihren Fehlern nicht einmal in einem Jahre entstehen. Die Ode spiegelt eine Welt- und Geist Seite, der rechte Roman jede.
161 Adrastea III. 171. etc.
162 Nach jedem Göttermahle und mitten unter den feinen Feuer-Weinen wird in jenem Romane seltenes Eis herumgegeben. Überhaupt versorgen die Höhlen dieses Vesuvs unser jetziges brennendes Welschland mit allem dem Schnee, dessen es bedarf.
163 Herders Werke zur schönen Literatur etc. Zweiter Teil. S. 127–142.
164 Dessen Entwurf einer Theorie und Literatur der schönen Wissenschaft. Neue, umgearbeitete Ausgabe 1789.
165 Dessen Werke II. 50. Welcher Schall dazu! Aber er, Voß und Schlegel streicheln oft vorn das Ohr mit Selbstlautern, indes sie es hinten mit Mitlautern kratzen; auch wird die Melodie des Rhythmus oft mit Verlust der prosaischen Harmonie erkauft.
166 Nicht des großen Geistes. Jene empfindet neu, dieser schafft neu.
167 Man vergleiche sein Gedicht »Ich und das Schicksal,« welches Nataliens Neujahrwunsch an sich selber im Siebenkäs III. S. 255 in Verse setzt, mit dem Original; die ganze edle Einfachheit des letzten ging in der Nachbildung verloren.
168 Dazu kommt ihre häufigere Erscheinung in der Außenwelt.
169 Auch werde nie das schönste Werk Gleim des Dichters, Halladat, vergessen, denn was das schönste Werk Gleim des Menschen anlangt, so weiß er, der Deutsche, vielleicht es selber erst, seitdem er keiner mehr, sondern hinüber ist.
170 Mess. 1. Gesang S. 25.
171 Ich ziehe der geistreichen und schwierigen Soltauischen Übersetzung, welche ebensoviel Geist leiht als raubt, die alte Wasersche vor, die uns gerade die Gleichnisse Butlers und dessen Laune ungeschwächt über das Meer herübersetzt.
172 Dessen Orthographie 2te Auflage S. 32.
173 Nach du Chesne nahmen die Franzosen aus Haß gegen die Deutschen das Wort Bigot (bei Gott) an – St. Alivergot, ein Heiliger, ist unser: ach lieber Gott (beides in Kästners Schriften B. 2. Seite 129) – Krieggeschrei hieß selber Krieg, von Cri kommt Krieg (Geschichte der deutschen Nation von Anton S. 152) – Aventure, Zigzag, Landsquenet, Birambrot, Havresac Halt und Un vas-ist-das (das Rückfenster am agen) übersetzen sich selber.
174 Ja gegen das was, z.B. in: »das Gute, was stattwelches du tust,« sollte man Wohiklangs und der Kürze wegen sanfter sein.
175 Lessing führte beginnen aus dem Alter zu uns, und seine Muse verjüngte es; Adelung schickte aus Dresden die stärksten Beweise heraus und auf Messen umher, er habe das Wort als einen halbtoten Greis gekannt gleichwohl bleibt es als Jüngling unter uns wohnen und kann wohl so lange leben als sein Feind.
176 Siehe dessen grammatische Gespräche S. 309: »Mir kommt es vor, daß nur die Dichtkunst ›des Stromes Geräusch‹ sagen darf« – Und dies durfte er sagen, aber nicht folgendes: »Wenn ich in prosaischen Schriften blättere und diese poetische Umsetzung darin antreffe, so fange ich gewiß nicht an zu lesen. Denn ich weiß nun schon, woran ich mit dem Verfasser bin..« Woran? also vorzüglich mit Johannes von Müller, Herder, Goethe, Schiller, und mit wem sonst nicht? Wahrlich man hat großen Schriftstellern ganz andere Stellungen zu vergeben, als die des Zeugefalls ist.
177 Manche Provinzialismen sind der Kürze unentbehrlich, wie das oberdeutsche heuer, heurig (in diesem Jahre,) oder das Goethesche hüben als Gegensatz des drüben
178 Ich fange alphabetisch an: abbeizen, abbauen, Abbrand, abfalzen, abfleischen, abholzen, abjochen, abknabsen, abpfählen, abplätzen etc. etc.
179 Wenn Adelung wie Nicolai gerade an allen unsern genialen Dichtern, ja sogar an den liberalen Sprachforschern Heynatz und Voß Feinde hat: so schreib'er es teils seinem Schweigen über die Erbschaft fremder Sprachschätze (z.B. von Heynatz, Ramler) zu, teils seinem Mangel an allem philosophischen und poetischen Sinne. Wer wie A. die Gellerte von unsern wahren Dichtern und Genien nur in der Lebhaftigkeit verschieden findet wer das Genie für ein Mehr der niedern Seelenkräfte ausgibt und bei einer »fruchtbaren Einbildungskraft« fragt (Über den Stil II. S. 308): »wer hat die nicht?« und darauf antwortet: »der immer am meisten, der die höhern Kräfte am wenigsten bearbeitet und geübt hat«, – kurz, wem die Besten mißfallen muß sich nicht wundern, daß er ihnen noch mehr mißfällt, besonders da unter allen geistesarmen Mustern des Stils, die er wählt und lobt, keines so dürftig ist als das, welches er selber gibt. Ich führe zum Beweise die Zueignung seiner Sprachlehre für Schulen an Herzberg an: »Ew. – haben unter so vielen andern erhabenen Vorzügen auch die deutsche Sprache Ihrer Aufmerksamkeit gewürdigt und ihre Bearbeitung der unter Dero weisen Leitung von neuen aufblühenden königl. Akademie der Wissenschaften empfohlen; ein Verdienst, welches Dero Namen auch in den Jahrbüchern dieser von den Großen der Erde nur zu sehr verachteten Sprache unvergeßlich machen wird. Leibnizens Entwurf bei Errichtung dieser Akademie, nach welchem die Ausbildung der deutschen Sprache mit in den Wirkungskreis derselben eingeschlossen ward, war eines so großen Mannes würdig; aber es blieb einem so großen Minister, welcher in den Gefilden der Wissenschaften ebensosehr glänzt als in dem Gebiete der Staatskunst, vorbehalten, ihn nach mehr als einem Jahrhundertwerkstellig zu machen und dadurch der Schöpfer aller der bisher verspäteten Vorteile zu werden, welche der Sprache daraus zufließen müssen.«
180 Der Verfasser hat schon vor vielen Jahren ein kleines Wurzel-Register der sinnlichen und ein größeres aller Zeitwörter verfasset zum allgemeinen Besten seiner selber; die Haupteinteilung ist in die intransitiven und in die handelnden Verba. Der intransitiven der Bewegung nach einem Orte z.B. sind über 80 (gehen, schreiten, rennen, stürzen etc.), der handelnden über 70 (legen, stellen, werfen etc.), jetzo diese unendlich fortgepflanzt durch: be, an, ein, auf, ver etc. etc. Für den Schall haben wir 100; vom allgemeinen an: rauschen hallen etc. zum bestimmtern: knallen, schmettern etc.; dann zum musikalischen: klingen, tönen etc.; dann zum menschlichen: flüstern, lallen, plärren etc.; dann zum reichen tierischen: schnattern, piepen, zirpen etc. – Als kürzeste Probe setz' ich die Verba einer gewissen Bewegung im Orte, nämlich der zitternden, her: zittern, wirbeln, wanken, schwanken nicken, zappeln, flattern, zucken, tanzen, taumeln, gaukeln, schaukeln, beben, wogen, wallen, schwindeln, wedeln, wackeln, schweppern, schlottern, bammeln; jetzo noch enger: runzeln, kräuseln, fluten, gären, kochen, wirbeln, sprudeln, brudeln, strudeln, sieden, ringeln, perlen, flackern; – dann handelnd: regen, rühren, schwenken, wiegen, rütteln, gurgeln, schütteln, schüttern, schaukeln, schwanken, kräuseln, fächern, quirlen, wirbeln, ringeln, fälbeln lockern. – Ungeheuer ist der Reichtum an den Wörtern a) des Sterbens b) und des Tötens; aber am meisten des Hassens und Trennens. Nicht halb so reich ist die Sprache für paaren, gatten etc.; ganz arm für Wörter der Freude.
181 Doch bleibe seinen neuen Formen der physiognomischen Form, seinen gestaltenden Schöpfung-Wörtern der Ruhm.
182 Der Rezensent von Fichtens Reden an die deutsche Nation (in den Heidelberger Jahrbüchern) stimmt ganz mit dem Obigen ein und führt es bloß noch länger aus.
183 Beiträge zur weitern Ausbildung der deutschen Sprache von einer Gesellschaft von Sprachfreunden 1796. 2. B. 5. St. S. 41 – dieses leider schon von zwei Bänden geschloßne oder unterbrochne Werk wäre gerade jetzo als ein Leuchtturm fortgebauet zu wünschen, damit er der Babel-Turmbaute der Sprache jetzo in der Zeit der Wörter- und Völker-Wanderungen einige Grenzen setzte. – Allerdings läßt Campe selber die meisten obigen, schon rief in die Zeit eingewurzelten Fremd-Wörter unversehrt; nur sündigt er dann gegen den aufgestellten Grundsatz der Reinigung, daß die Sprache bloß aus sich allein treiben solle; oder er nimmt Rose (rosa) auf und verwirft doch den Reim Prose (prosa) gegen eine langweilige Deutsch-Umschreibung. Campens Nachreiniger hingegen suchen in dem eben angezeigten und von ihm herausgegebenen Werke wirklich die meisten oben angeführten Wörter durch neu-deutsche fortzujagen.
184 Auch der Verfasser des Obigen wirft sich hier etwas vor, nicht das, was er gegen Campe sagte, s. Fixlein Seite 209, 2. Auflage (denn er wiederholt es hier), sondern die Verspätung dessen, was er jetzo für ihn dazuzusetzen hatte. Ein wenig brachte Campe freilich sämtliche poetische Schreiber dadurch auf, daß er das beste Gedicht nicht so hoch anschlagen wollen als das Verdienst, »einen Stein Flachs gesponnen oder die Braunschweiger Mumme erfunden zu haben«. Aber wer eben erwägt, daß er gerade zwei Erfindungen wie Lumpen und Bier, ohne welche kein Gedicht erscheinen kann, so sehr auszeichnet, sollte sehen, daß der, dem es so sehr um das Mittel zu tun ist, natürlich den Zweck ehre und suche, nämlich Dichtkunst.
185 Sonderbar, daß er gerade dem letzten Kinde, Zerrbild, kein Glück versprach, das überall an jeder Göttertafel der Dichtkunst jetzo tafelfähig ist.
186 Dessen moral. Abhandlungen 2. B. III. 85.
187 Z.B. Affsprung (in den Beiträgen zur weitern Ausbildung 2. B. 5.St.): Belvedere heißt holländisch Schoonzigt (Schönsicht) – Chirurg Heelmeester – Charpie Plukzel (Pflücksel) – Idee Denkbeeld – Immaterialität Unstoffelykheid – Makulatur Vlakpapier – Miszellaneen Mengelstoffe – neutral onzydig (unseitig) – Repräsentant Vertegenwoordiger (Vergegenwärtiger).
188 So nannten die Franziskaner die Dominikaner, weil diese die unbefleckte Empfängnis der Maria leugneten.
189 Boswells Leben desselben.
190 Warum nicht auch gar Hauseshofesmeistersamt?
191 Späterer Zusatz. Nach der Vollendung dieses Bruchstückchens kamen dem Verfasser einundzwanzig Bogen von Wolkens längst gewünschtem Anleit etc. in die Hände. Wolke – vielleicht unser reichster und tiefster Sprachforscher – öffnet im Werke nicht einen Schatzkasten des Sprachschatzes, sondern ganze Goldschachte, verfallne und unbenutzte, und liefert noch gute Präg- und Rändelmaschinen zum Ausmünzen dazu. Indes läßt der Verfasser dies doch lieber seine Dürftigkeit oben im Texte stehen, als daß er einen Reichtum aufstellte durch Borgen. Da Wolke so oft und schreiend recht hat, so wären seine oft bloß erneuerte Altertümer der Sprache in die jetzige einzuverleiben, wenn die Schriftsteller genug Selbst-Entsagung und Muttersprachliebe hätten, um nur allmählich ohne Pochen auf Neuerungen und mit Schonen ungelehrter Ohren die Leser an Verbesserungen zu gewöhnen. Wenigstens die Meisterworte Wolkens über die oben berührte Materie müssen Schüler finden und über verdorbene Ohren siegen.
192 Z.B. »Einen Mann, durch edle Taten unsterblich, kann ja doch für die Nachwelt die niedrigste Geburtnicht um ein Haar breit tiefer senken, die vornehmste nicht um ein Sonnenstäubchen höher heben.« Unterstreichen ist wohl hier ausstreichen, und doch was bleibt? Kaum etwas Besseres als Engels Klingsatz: »Große Anstalten können scheitern, können fehlschlagen.« (dessen Schriften II. B. S. 426), worin die Wiederholung des können und die der Metapher, wovon die letzte die mattere ist, gut die Wiederholung eines alten Gedanken ausspricht.
194 Mélanges de Mad. Necker T. II. p. 259.
195 Nach Pigault le Brun. S. dess. Faschings-Kind B. II.
196 Sogar die Übergänge der Perioden begehren Wohl- oder Leichtklang. Z.B. anfangs hatte der Verfasser oben nach dem langen lieb wieder mit einem langen Schön beginnen wollen; wer ihn aber studiert oder weiterlieset, wird sehr leicht finden, warum er das Erfreulich mit der kurzen Vorschlag-Silbe vorgezogen. Ja wieder über die Längen- und Kürzen-Auswahl in dieser Note, sogar in der Erinnerung an diese wären neue Studien anzustellen, wenn dies nicht den Leser sozusagen ins Unendliche spazieren führen könnte heißen wollen.
198 Weit mehr als Tribrachyen und Daktylen, weil kurze Silben sich untereinander leichter auseinanderziehen als lange zu kurzen aufspringen.
199 Offenbar erwarteten die Leute aus Vorlesungen über die Kunst etwas für ihre eigene. Ein Kunstknecht heißet in Leipzig nicht ein Rezensent sondern ein angestellter Diener, der auf die Wasser-Kunst zu sehen hat.
200 Oeuvr. de Volt. T. 67, de l'imprimerie de la société littéraire typogr. 1785
201 Dessen Essai sur la poésie épique.
203 Prosaisch matt, anstatt brillés.
204 Die Konzerte sind also schon da und warten bloß noch auf Harmonie.
205 Es wird ihr eröffnet, was sie tut, aber nicht, wer die nature imitée, im Gegensatz der embellie, sei.
207 Noch mehr abgemattet; denn eine Tochter des Himmels ist mehr als eine Königin von Welschland.
208 Der Königin von Italien wird eröffnet, daß sie noch mehr Land habe, nämlich das Universum.
209 Der Liebenwürdigen befiehlt man von Ferney aus, es zu sein. Kann sie denn divine sein, ohne zu briller?
210 Matt nach dem Kommando des Universums.
211 Ihr wird nichts verhalten, was sie tut, aber es wird ihr nicht deutlich gemacht, wie sie sich als göttliche Himmelstochter in den Schoß des Donnergotts hebt.
212 Hat sie nichts Besseres? Und sind denn Trommeten die Stimme des Krieggottes, der mit ihnen bloß seine eigne begleitet?
213 »was heißt das? Wie seufzt die Harmonie in den Armen der Liebesgötter? Zwei Arme an einem Amor wären genug. Oder soll amours das Allgemeinste bedeuten und doch Arme haben?« könnte ein Rezensent sagen.
214 Der Schlaf wird der Natur entgegen- und dieser werden orientalisch Hände angesetzt. Ferner ists Nicht-Sinn.
215 Aufwecken kann die Mißharmonie noch leichter als die Harmonie; und was soll die Himmeltochter, die sich selber beschrieben wird, viel daran finden, ein Wecker zu sein, nämlich eine Weckerin, zumal da sie ebensooft und so schön einschläfert?
216 Mr. Badinage wird auf einmal ein Mann, bekommt Atem durch die fremde Stimme und Flügel durch Finger einer abstrakten Person, die selber schwach existiert.
217 Morgenblatt. N. 121. 1812.
218 Browaianer sollten, glaub' ich, das Prinzip der Kälte mehr von der mechanischen abtrennen; das Prinzip nenn' ich jene Kälte, welche auf das Steigen des Barometers und die Wetterschmerzen von Menschen und Tieren wirkt, ohne noch mechanisch auf der Haut oder im Wärmemesser gefühlt zu werden, und welche entkräftend auch den trifft, der im Winter nie das warme Zimmer verlässet. Der Brownische Satz, daß die Kälte Starke stärke, Schwache schwäche, gilt in Bezug auf diese Kälte nur mit seiner letzten Hälfte. Hingegen die mechanische, welche für die Haut ein Erregmittel ist, stärkt, mäßig und schnell gebraucht, wie jeder Reiz; ja die kurze mechanische durch Wasser und Luft wirkt dem Prinzipe der Kälte entgegen. Das Umgekehrte gilt folglich für die Wärme. Das Prinzip derselben gibt warmen Ländern und Jahrzeiten die Vollkraft, sogar den Zimmer-Gefangenen. Hingegen die mechanische auf der Haut erschlafft. Will man diese Erschlaffung für Überstärkung erklären: so müßte man doch vorher durch das Gefühl der Stärkung gehen. Überhaupt muß es zwischen dem erregenden und dem schwächenden Prinzip noch ein drittes, das nährende, geben, wodurch die basis constituens fortbesteht, weil das, was zu erregen ist, nicht durch Erregung geschaffen und erhalten werden kann, die sonst ein Komparativus ohne Positivus wäre. So sind z.B. Bier, Wein und Denken Reize, aber nur vom erstern ließe sich leben. Mit Vergnügen fand der Verf. diese der Arzneikunde gehörige Vermutung, welche, wie Ähnliches, Nicolai, hierin ebenso anmaßend als unwissend, getadelt, später bestätigt von Chiarugi über Wahnsinn 1. B. § 1 48 (Absolute Kälte schwäche, relative stärke); ferner von Becker: Kälte und Wärme wirken reizend (Allg. Lit. Zeitung N. 30. 1806); und davon Skjelderup: Kälte reize (Leipz. Lit. Zeitung 1805. S. 1029).
219 Zusätze zu Sulzers Wörterbuch 8.1.
221 Eben les' ich, was meine Behauptungen über die Schönheit der bildenden Künste (im 1ten und 5ten Programm) bestätigt, daß nämlich Blumenbach die Verhältnisse eines Mannes aus der Schönheit-Insel Nukahiwa ganz den Verhältnissen des Apollo von Belvedere gleich gefunden. Langsdorfs Reisen um die Welt. I. B.
222 Vielleicht darum auch, weil man Mäßigkeit nirgends so aufmerksam beobachtet als in Armenhäusern, Wüsten und Schiffen. Für den französischen Geschmack gilt, was Rackenitz von den französischen Gärten sagt daß sie in dürftigen magern Gegenden gar nicht zu verwerfen sind. Ein mäßiges Mittagessen, sagte Alexander, ist das beste Zugemüse des Abendessens, d.h. frühere Armut ist die würze der spätern.
223 Oft entstehen doch in organischen Werken Mißgeburten, aber durch übrig gebliebene Glieder nach Bonnets Meinung; man wende dies auf viele Verfasser an, z.B. auf den uns allen wohl bekannten.
224 In der Kritik der kongenialen Philosophie geschieht, wenn man Leibniz, Lessing, Jacobi und wenige ausnimmt, noch weniger. Ein philosophisches Werk glauben sie zu kosten, wenn sie einige Meinungen daraus als Proben vorzeigen, was nichts anders heißet, als Nägel und Haare eines Menschen abschneiden und sie als so viele Beweise produzieren, daß er keine Nerven und Empfindungen habe. Teilweiser Irrtum könnte ja in der System-Ganzheit eines Organismus relative Wahrheit sein. Wie in der Dichtkunst, so gibts in der Philosophie einen äußern Stoff (Meinungen überhaupt) und einen innern (den neuen Geist, der die Welt neu anschauet und seiner unbeschadet Meinungen wechseln kann); und dann eine äußere Form (Vernunftlehre) und eine innere (Dichtkunst), daher geschah noch keinem Heidenreich, Mendelssohn, sogar Kant so viel Unrecht als einem Jacobi oder wer ihm ähnlich wäre.
226 Histoire générale de la vie privée des Français dans tous les temps et dans toutes les provinces de la monarchie.
227 Alex. ab Alex. L. III.
228 Dieses Beiwort darf, um gerecht zu bleiben, nur den Geist des Werks bezeichnen; denn der Herausgeber des letzten hat es wenigstens durch seine Gelehrsamkeit und durch seine frühern Verdienste um theologische Geistes-Freiheit wohl verdient, daß man seinem Namen das Recht des Homerischen lasse, als Türhüter des Titelblattes unschuldig und unbefangen vornen stehen zu bleiben, ohne die geringste Einwirkung auf die Vorfälle im Bücherzimmer oder Bücherhause selber.
229 Z.B. in der Beilage zu den Denkwürdigkeiten des sel. Sokrates – Betrachtung über den Buchstaben H – An die Hexe zu Kadmonbor – Selbstgespräch eines Autors – Zweifel und Einfälle über eine vermischte Nachricht in der A. D. B.
230 Welche in Leipzig ein zweimaliges Läuten verkündigt, damit jeder laufen kann, der seinen Groschen ersparen will. Die Nachricht einer zweiten Vorlesung schien besonders oder fast allein einen schön und edel gebaueten Unbekannten dessen Leben noch üppig blühte, zu erfreuen, und er hatte einige Male leise den nach Hause gehenden Stilistikern nachgerufen: hear him! –
231 Beispiele dieser erfüllten Hoffnungen werden eben darum, aus Achtung hier nicht genannt, um nicht an abgelegte und abgebüßte Fehler der Kraft zu erinnern.
232 Unter den schon im ersten Bändchen gelobten launigen Schriftstellern hätt' ich am wenigsten den trefflichen Hebel mit seinem Schatzkästlein naiver Laune vergessen sollen.
233 Was auch die damalige Göttinger Zeitung tadelte und was Wieland nachher fast zu oft miteinander reimte.
234 Dessen sämtliche Werke I. B. der schönen Literatur S. 76 etc.
235 Hier setzte der Traum mich und die andern auf einmal in den berlinischen Tiergarten, aber ganz natürlich.
236 Nach Büsching tragen die Kopfgeld-Einnehmer in Konstantinopel stets ein Maß in der Tasche, das die steuerfreien Köpfe – wenn sie noch durch dasselbe gehen – leicht bezeichnet.
237 Es wäre eine psychologische Aufgabe, die Sprünge in diesem Traume z.B. von Ihr zu Sie, von der Leipziger Universität-Bibliothek in den Berliner Tiergarten philosophisch zu motivieren oder überhaupt in allen Träumen. An einem andern Orte davon mehr!
238 Diese Verteidigung ist das 4te Gelübde der Malteser Ritter.
239 Eine spätere Nachschrift oder Nachlese soll am Ende der Vorlesung das obige Urteil wenigstens mit der Achtung ausgleichen, welche man dem großen Dichter schuldig ist.
240 S. I.eipz. Adreß-, Post- und Reisekalender auf 1003.
241 Wie poetischer und menschlicher würde der Vers durch drei Buchstaben: »der stehle weinend sich in unsern Bund!« Denn die liebewarme Brust will im Freudenfeuer eine arme erkältete sich andrücken.
242 Was ist denn Sehen sonst?
243 Schill. Theat. I. B. S. 270.
244 Dies ist der wahre Name des Paracelsus.
245 Nach Cettis Naturgeschichte von Sardinien, wo man den ersten Wurf wegwirft und daher nie Gefahren hat.
246 Z.B. Spinoza, nicht Leibniz; – Shakespeare, nicht Swift, geschweige seine Nebenmänner; – Chamfort, nicht Voltaire.
247 Die Armut des Besitzes, die des Gebrauchs und die des Affekts, der sogar das Notwendige hasset.
248 Cic. in orat. num. 23: Primum igitur eum (stilum epistolarem) e vinculis numerorum eximamus – Verba enim verbis coagmentare negligat – Habet enim ille tanquam hiatus concursu vocalium molle quiddam et quod indicet non ingratam negligentiam de re hominis magis quam de v erbis laborantis.
249 Dennoch dringen die altdeutschen Volkmärchen und Geschichten auf den Sprachton ihrer Zeit, daherBüsching, Tieck u.a. das Alte mit Recht nur alt erzählen. Für Musäus war, auch mit Recht, die alte Sage nur Fahrzeug neuester Anspielungen. Weisser warf in das Orientalisch-Romantische der 1001 Nacht die Brand- und Leuchtkugeln des Verstandes; aber dafür bestreute er die Stätte mit desto mehr Salz.
250 Journal de lecture No. II. 1782.
251 Man hat die Unparteilichkeit des Vorschulmeisters mit welcher er aus vergänglichen Werken ebensowohl Beispiele des Schönen als aus unvergänglichen holte, gerade für Parteilichkeit genommen, als hab' er bei jenen mehr gesucht als ein Beispiel in der Nähe.
252 Bronners Leben. 2. B.
253 Lact. inst. de falsa relig. I. 21.
254 Seine Kritik der Moralsysteme wird eine neue Epoche der Ethikbegründen: ein Werk voll lichter und heißer Brennpunkte, voll antiken Geistes, Gelehrsamkeit und großer Ansicht. Kein Glückrad zufälliger Kenntnisse wird da von einem Blinden gedreht, sondern ein Schwung- und Feuerrad eines Systems bewegt sich darin, sogar in einem Stile dieses Geistes würdig.
255 Denn was ist das vorgebliche Konstruieren in der Physik und Philosophie anders als eine häßliche Verwechslung der Form mit der Materie, des Denkens mit dem Sein, welche sich nie in der Wirklichkeit zu jener Identität umgestaltet, die im schwarzen Abgrunde des Absoluten so leicht zu gewinnen ist, denn in der Nacht sind alle Differenzen – schwarz; aber in der rechten, nicht in der der Sehenden, sondern in der Nacht der Blindgebornen, welche den Gegensatz zwischen Finsternis und Licht in der höhern Gleichung des Nicht-Sehens tilgt.
256 Hier liefen die letzten Poetiker davon, und nur drei verblieben, worunter der schöne Jüngling war, obwohl verstimmt.
257 Pantagr. L. 4. ch. 43: un pet virginal c'est ce que les sainctimoniales appellent sonnet. Dazu gehört die Note in der von mir angeführten Ausgabe des Rabelais. Wahrscheinlich sollte bei den Nonnen sonnet nach der Ableitung von son oder sonner nichts bedeuten als das deutsche, »Klängchen«.
258 Vor der Kraft und Weltüberwindung der echten Mystiker schwinden selber die Stoiker in Zwerge ein; denn diese verpanzerten sich bloß in das Eis der Vernunft und genossen bloß das Glück, niemals unglücklich zu werden; jene aber, gleichsam wie vierte Personen in der Fülle der Gottheit wohnend, empfangen so wenig als diese von der Welt einen Schmerz, sondern die Liebe wandelt ihnen jeden in Genuß, und jedes Opfern in Bekommen, und ihnen fehlt fast nur die Freude, zu leiden. Wer die Gewalt der Idee und das schönste Sterben kennen lernen will, der trete nur an das Sterbebette der Mystiker, und er wird wenigstens wünschen, wenn nicht zu leben, doch zu sterben wie sie.
259 Journal London und Paris.
260 Schlichtegrolls Nekrolog.
261 Allgem. Welthistorie, 2ter
262 Band. Nat. Com. p. 1172.
263 Bekanntlich vergrößerte sich Östreich häufig durch Vermählungen.
264 Was später in der Vorlesung über Herder vorkommt, konnte weniger seine Seelengestalt als meine Empfindungen malen wollen. Der noch neue schwarze Grabhügel ist für die zitternde Hand nicht das Schreibpult oder Malergestell, um den abzuzeichnen, der unter dem Hügel liegt. Aber in der Beschreibung meines Lebens – wenn anders dieses flüchtige und sich vor dem ewigen Ich verflüchtigende Leben noch die Mühe einer Darstellung verdient – will ich, so gut ich kann, Herders Fürstenbild aufhängen und aus den schönen wenigen Jahren, die als Seelen- und Edenjahre ich mit ihm verlebte, die Strahlen zu seinen Seelenlinien holen und bringen. Freilich liegt in diesen letzten Jahren ein schwerer Schmerz für alle seine Liebenden; denn er erlebte seine jetzige Feier nicht, und dieses Gestirn ging, wie Lessing hinter dem Gewölke der Zeit bleich-verschleiert hinab.
265 Schillers Spieltrieb (von Kant geborgt) zerfällt wieder in einen höhern Stoff- und Formtrieb, und immer wird die letzte Synthese fehlen.
266 Möge Schelling sich immer mehr der Naturphilosophie geloben und ihr durch die seltene Vereinigung von Phantasie, Tiefsinn und Witz den zweiten Bako geben, der der ungeheueren atomistischen Welt von Erfahrungen noch als ordnende Weltseele gebricht.
267 Nach Augustin und den Scholastikern haben die Engel eine zweifache Erkenntnis, matutina cognitio oder die von der Gottheit, vespertina oder die von geschaffnen Dingen. Gerhard. loc. theolog. T. II. p. 24.
268 Adrastea XII. S. 277.
269 Seine Seelen-Worte lenkten zuerst den Verfasser von der jugendlichen Verwechslung der Kraft mit der Schönheit zurück.
270 Aus durchsichtigen Kieseln werden in London Brillen geschliffen.
271 Liscov erfuhr in Goethens Lebens-Beschreibung ein zu hartes Urteil, so wie Rabener ein zu günstiges; wahrscheinlich aber nur, weil Goethe beide in den Glühjahren seiner Jugend gelesen, denen freilich der hartgefrorne, nur auf literarische Toren hackende Spottvogel weniger zusagen konnte als der freundliche, über alles hinlaufende Leipziger Steuerverweser. Berühmte Schriftsteller wie Goethe sollten daher ihren Urteilen über Bücher immer die Jahrzahl anhängen, worin sie diese gelesen; damit man wisse, ob sie nicht aus Erinnerung loben oder tadeln und uns Empfindungen junger Jahre für Urteile gereifter geben.
272 Langsdorfs Bemerkungen auf einer Reise um die Welt. B. 2.
273 Im neunten Bande seiner Reise etc.
274 Ich will von dieser Rezension, die ungleich dem horazischen Ungeheuer nicht mit Mißgestalt endigt, sondern sogleich damit anfängt, soviel Anfang hier kopieren, als mein Ekel verträgt: »Der berühmte Verfasser hat bekanntlich viele wohlgedachte Bücher, aber alle in einem ziemlich übellautenden Stile geschrieben. Zu diesem Übellaute, der hauptsächlich im Mangel des (auch in der Prosa nicht wohl zu entbehrenden) Rhythmus besteht, hat nebenher auch der unmäßige Gebrauch willkürlich gebildeter Stammwörter beigetragen, wozu diesen Schriftsteller sein Überfluß an zuströmenden Vergleichungen der heterogensten Dinge und sein Hang zu bizarren Anspielungen auf entfernt liegende Ähnlichkeiten von jeher zu verleiten pflegte. Das mag er denn wohl endlich, wo nicht erkannt, doch gefühlt haben, und so ist er auf den Gedanken geraten den Organismus unserer Stammwörter von zwei angeblichen Krankheiten zu heilen. Die eine nennt er in seiner wunderlichen, bisweilen in das Ekelhafte sich verirrende Manier ›S-Krätze‹, worunter er den unnötigen und unrichtigen Gebrauch des bindenden S bei der Zusammensetzung (z.B. in Liebesbrief) versteht. Die zweite ist der ihm fehlerhaft scheinende Gebrauch der Mehrzahl statt der Einzahl (z.B. Mäusefell, Gänsefuß, Schneckenhaus) und wieder umgekehrt (z.B. Nußbäume) u.s.w.« Allg. Lit. Zeitung, Oktober 1820. – Diese wenigen Zeilen bauen einen der seltensten Augias-Ställe, wo von Zeile zu Zeile sich Verdrehung Lüge, Unwissenheit, Plattheit, Schiefheit des Ausdrucks und des Gedankens und Sprachfehler aufhäufen.
275 In den Wiener Jahrbüchern der Literatur, July 1821. B. 15
276 Wer diese Abschnittchen anführte, müßte, wenn er nicht obenhin wie ein Franzose zitieren wollte, in jedem Falle schreiben: Miserikordias-Vorlesung. Zweite Viertelstunde. Erstes Minutenfünf. So muß ich ja selber fremde Werke, obgleich mit unendlichem Überdrusse an der Weitläuftigkeit oft so anfuhren: Des ersten Bandes zweiter Teil. Dritte Abteilung, wo eine einfach fortlaufende Abteilung in lauter Bände viel vernünftiger wäre, aber nicht gelehrter.
278 Meiners Vergleichung des Mittelalters. B. z. Seite 540.
279 In Hoop, unweit Bergen; sogar das Dach ist papiern. Allg. Anzeiger Nro. 115. 1807.
280 Linn. amoenit. acad. V. II. disp. 19. § 21.
281 Denn die Papstwahl zeugt den heiligen Vater künftiger Heiligen, die sich aber nicht wieder fortpflanzen.
282 Vielleicht aber mit dem Unterschiede, daß Wieland am besten den Charakter historischer Personen (z.B. des Kaiser Augustus) aufgriff, Herder den Charakter der Massen, als Völker und Zeiten, und Goethe beides.
283 Die letzte Zeile werden Leser des originellen Buchs bildlich-treffend finden, da dessen Resultate sich oft in unbeweglichen Fohismus und Quietismus verlieren.
284 Ausswahl kleiner Reisebeschreibungen. B. I. S. 8.
285 Bekanntlich hatten die Alten keine Interpunktionzeichen.
286 Katzenbergers Badreise. B. 2.