VIII
Wenn Steinwald sein Kolleg beendet hatte, machte er immer einen weiten Spaziergang, bevor er nach Hause kehrte. Er ging durch die einsamen Anlagen der Stadt, grübelnd, sinnend, erwägend. Ihm war, als sei er seit seiner Verheiratung in ein tiefes Meer untergetaucht, voll von Wunderdingen. Jeder Tag erschien ihm wie eine goldene Fabel. Auf dem Meeresgrund herrscht purpurne Dämmerung. Auch in ihm herrschte sie. Klar sehen konnte er nicht. Aber das, was er sah, war lauterer Zauber, und für einen, der nicht vorhatte, noch lange auf der Erde zu weilen, von berauschender Wirkung. Leonhart hatte noch immer nicht das Rätsel gelöst. War sie Komödiantin, war sie ein Kind, das mit naiven Händen alles an sich riß, was es fesselte? Er wagte nicht, den kecken Griff zu thun, um die Maske von ihrem Antlitz zu reißen. Er durfte sich die Sonntagslaune vergönnen, eine solche Frau zu haben, weil er den Scheuertag, [58] Sonnabend, kaum erleben würde, an dem sie sich möglicher Weise als unpraktische Hausfrau erwies. Dürfen Menschen von kurzer Lebensdauer nicht ein wenig verschwenderisch und leichtsinnig sein?
Eines Nachmittags, als er nach Hause kam und sich an seinen Schreibtisch begab, kam sie leise herein, setzte sich auf seinen Schoß und sah ihn an.
»Nun, Zauberin?« fragte er.
»Ich habe Leid um dich. Du bist so schweigsam. Du bist so blaß. Du bist so gütig. Du bist die Gnade. Ich möchte deine Füße mit meinen Thränen benetzen und mit meinem Haar trocknen.«
»Magdalena?«
Sie lachte und erhob sich. Er ordnete mit zitternder Hand die Blätter, auf die er seine Notizen machen wollte. Sie verschwand aus dem Zimmer. Ihn schmerzte die Brust. Seit Monden hatte er die Vorschriften seines Arztes nicht mehr beobachtet. Das rächte sich. Und die beständige, tief innere Aufregung!
Er schrieb eine Stunde lang, dann näherten sich feste Fußtritte, und Friederike steckte das rote, dicke Gesicht herein. Ob der Herr Professor zum Nachtessen kommen möchte. Es stände alles bereit. Er ging ins Speisezimmer hinüber. Marie Therese saß in ihrem weißen Kleide am [59] Tisch. Eine Lampe mit gelbseidnem Schirm warf goldene Lichter auf sie.
»Warum ist das alles so festlich heute? So viele Blumen und geschmückte Schüsseln, doch kalt?«
»Gewiß, damit niemand hereinkommt und wir ganz ungestört bleiben.«
Er aß fast nichts und trank zwei Gläser schweren Weines, der ihm verboten war. Als er sich das dritte einschenken wollte, nahm Marie Therese es ihm aus der Hand.
»Ich will dein Wein sein. Sieh mich nicht so unsicher an. Ich will dein Wein sein.«
»Du bist es ja.«
»Nein, noch war ich es nicht. Hast du fertig gegessen?«
»Ja.«
»Dann komm doch ins Nebenzimmer, wir wollen uns aufs Sofa setzen, wie damals. Ich möchte dir allerlei mitteilen.«
»Klopft dein Herz, Marie Therese?«
»Fühl' doch selbst.«
Er legte ganz sachte seine Hand auf ihr weißes Gewand. »Nein, es geht ruhig wie ein weiter Strom.«
Sie traten in das nebenanliegende Zimmer.
»So. Laß mich an dich geschmiegt neben dir sitzen. Ich habe die Thür geschlossen, niemand wird uns stören. Geht dein Herz schnell?«
»Nein,« antwortete er trocken.
[60] »Du lügst, es tobt. Leonhart, findest du es nicht häßlich, daß man in der Ehe mit dem letzten zuerst anfängt. Ein fremder Mann fordert die größte Vertraulichkeit von einer fremden Frau. Denn daß sie einander kennen, können sie doch nicht behaupten, nach dem konventionellen Verkehr, den sie bis dahin miteinander gepflegt haben. Die Hochzeitsnacht müßte erst ein Jahr nach der Verheiratung stattfinden.«
»Du hast recht. Aber glaubst du, daß man sich dann wirklich kennt?«
»Mindestens in den Hauptzügen.«
»Dich würde ich auch dann nicht kennen.«
»Mich würdest du nie auskennen. Deshalb brauchst du auch nicht so lange zu warten.« Ihr Haupt glitt an seiner Brust nieder auf sein Knie.
Er saß mit geschlossenen Augen da und regte sich nicht.
»Leonhart!«
»Ja, Liebe.«
»Hast du mich ganz verstanden?«
»Ja.«
»Und bleibst so starr!«
»Klopft dein Herz, Marie Therese?«
»Nein!«
»Und du wolltest zärtlich sein können ohne –«
»Die Entschuldigung des Rausches. Ja, das will ich.«
»Aber ich will es nicht,« sagte er hart und erhob sich.
[61] Eine lange Pause trat ein. Er war ans Fenster getreten und sah in das Schneegetriebe hinaus. Sie kauerte in einer Ecke des Sofas. Nach einer Weile sagte sie leise: »Willst du nicht zu mir kommen, Leonhart?« Er kam zögernd und blickte sie nicht an.
»Willst du nicht mit mir sprechen?«
»Ich habe dir nichts zu sagen, als daß ich kein roher Geselle bin. Pflichtliebe brauch' ich keine.«
»Pflichtliebe? Mir sagst du das, der der Begriff Pflicht als der schlechte Witz eines Clowngehirns erscheint. ›Pflicht‹ ist ja Blödsinn. Pflicht ist immer innere Nötigung, also ein: Ich muß, nicht das dunkle, abstrakte: Ich soll, das es gar nicht giebt.«
»Reißt dich deine Liebe zu mir etwa so hin, daß es in dir schreit: Ich muß sein werden?«
»Dein Gesicht ist immer voll Güte und Schönheit. In diesem Augenblick aber siehst du aus wie ein verstoßner Satan. Höhne nicht, was du nicht kennst.«
»Was kenn' ich denn nicht?«
»Mich.«
»Hast du dazu beigetragen, daß ich dich kennen lerne?«
»Nein, aber ich will es thun.« Sie faßte seine Hände. »Ich werde niemals im Leben auch nur für einen einzigen Augenblick mich vergessen können. Weißt du, weshalb? Ich [62] bin einmal erschreckt worden, und das Entsetzen ist in mir haften geblieben. Mein Bewußtsein steht ewig Wache und hat die Fähigkeit verloren, seine Wimpern zu schließen.«
Er legte die Rechte auf ihr Haupt.
»Armes Weib!«
»Armes Kind!« hauchte sie in sein Ohr...
»Aber ich will dir etwas sagen: Ein Schuft, der dein Opfer annähme.«
Sie hörte ihn nicht. »Wenn einer die Braut sich aus einem Flammenberg holt, weshalb sollte ein anderer die seinige nicht aus einem Eisberg befreien können?«
»Weil er dabei – selbst zu Eis würde,« sagte Leonhart tonlos.
»Das wird also meine Zukunft sein.« Sie stand ruhig auf.
»Gute Nacht, Leonhart!«
Er schlang die Arme um sie und bedeckte ihr Gesicht, ihre Augen mit tausend Küssen.
»Vielleicht erweckt Gott einen Erzengel für dich, der deiner geängsteten Seele Augen zu schließen vermag, vielleicht kommt einer, der wie Sturm ist und dich dir selbst entführt ...«
»Du sagst das?«
»Ich werde es nicht mehr sehen; ich kann alles sagen, denn – ich wittere Morgenluft um mein Haupt ...«
Seit diesem Abend trug er sie noch mehr auf Händen als früher. Seit diesem Abend [63] glaubte er sie zu kennen. Ging sie nicht wie ein fremdes, einfältiges Kind hin, das vor allem, was ihm schön dünkt, stehen bleibt? Er konnte sie gewähren lassen, er wußte, daß ein allen andern unsichtbarer Panzer ihre Tugend beschützte. Sie hatte ihm Ehrlichkeit versprochen. Er konnte bei ihrem Stolz voraussetzen, daß, wenn einmal ein stärkeres Gefühl über sie kommen würde, er der erste wäre, dem sie es mitteilte. Vor diesem Augenblick graute ihm, er hoffte, ihn nicht mehr zu erleben. –
Ihre Ehe galt für sehr glücklich; nur einer hielt sie nicht dafür: Doktor Klausner, dessen scharfblickenden Augen Steinwalds schlechtes Befinden nicht entging. Einmal sprach er mit Marie Therese über ihn. Leonhart hatte in der Nacht mit fürchterlicher Atemnot zu kämpfen gehabt, und sie war geeilt, ihn an das Krankenbett zu holen.
»Was treibt er,« wandte sich der Arzt unmutig zu ihr, »er hat an Gewicht verloren, welche Aufregungen bringen ihn so herunter? Ich kenne seinen Organismus genau. Mit Vorsicht und Geduld war er zu retten.« Marie Therese zuckte die Schultern. »Vorsicht, Geduld? Ein solches Dasein ist ja kein Leben mehr, sondern ein künstliches Vegetieren. Leonhart ist zu klug dazu, um sich dies zu wünschen.«
»Und Sie?«
Sie sah ihn auf seine brüske Frage ruhig an.
[64] »Was nicht leben kann, soll sterben.«
»Gott sei Dank, daß Sie nicht Krankenwärterin sind!«
»Haben Sie keine Sorge! Die meisten Menschen sind zu dumm, um das Klügere einzusehen. Sie lassen sich von euch Ärzten erst halbtot machen, bevor sie ganz tot werden.«
»Sie haben eine glücklich veranlagte Natur, meine Gnädigste.«
»Nicht wahr, mich wird nie etwas überraschen, weil ich auf alles gefaßt bin.«
Der Doktor entfernte sich mit einer ironischen Verbeugung.
»Deine goldene Gesundheit muß ja geradezu beleidigend auf ihn wirken,« scherzte der Professor später, als sie ihm ihre Unterredung erzählte. Am anderen Morgen kam Born hergeeilt.
»Ich hab' mich bloß etwas verschluckt,« sagte Leonhart zu dem Freunde, »in einigen Tagen werden wir wieder auf Posten sein. Übrigens könntest du mir einen Gefallen thun. Hol' meine Frau täglich zu einem Spaziergang ab. Sie kommt fast garnicht an die Luft, wenn ich selbst nicht hinausgehe.«
Born errötete leicht und sah Marie Therese fragend an. »Möchten Sie 's auch?«
»Frag' sie doch erst nicht, hol' sie einfach.«
»Wollen wir gleich nachher den Versuch machen, ob wir Schritt halten können?«
»Ja, thu's, Marie Therese!«
[65] »Und du?«
»Ich schlafe indessen, ich bin müde.«
Sie ging zögernd, sich den Pelz umzulegen, den er ihr kürzlich geschenkt hatte. Auf der Straße sagte sie zu Born: »Ich glaube, er ist selbst daran schuld, daß er kränker wird. Er fühlt sich auf einmal überflüssig.«
»Überflüssig? Wieso?«
»Sehen Sie mich nicht so bös an, ich kann nicht dafür, daß die Natur eine große Utilistin ist. Seit sein Name Boden gefunden hat, wacht er nicht mehr so über sein Wohlergehen.«
Born schüttelte den Kopf. »Das ist unrichtig, das könnten Sie erst sagen, wenn Sie ihm ein Kind geschenkt hätten.«
»Nun, ich habe ihm mich selbst geschenkt; ist das nicht ebenso gut wie ein Kind?«
»Nein, denn das Kind muß später seinen Namen noch forttragen, Sie nicht.«
Sie kräuselte die Lippen.
»Haben Sie eigentlich ein gutes Herz, Frau Kollega?«
»Das glaube ich nicht. Weshalb auch? Das gute Herz ist die Ursache von viel Weh in der Welt.«
»Haben Sie das selbst erfahren?«
»Nein und ja. Hauptsächlich meine Mutter.«
»Wie konnten Sie nur Steinwald folgen, der die verkörperte Güte ist?«
[66] »Eben deshalb folgte ich ihm. Ich erwärme mich an ihr.«
»Ohne sie zurückzugeben?«
»Die empfangene, gewiß.«
»Mehr nicht?«
»Das kann man ja gar nicht. Wo kein Echo ist, kann man so viel rufen, als man will, es klingt nichts zurück. Wo aber eins ist, kommt genau dasselbe wieder, was man rief.«
Sie gingen mit raschen, frischen Schritten die Anlagen hinab, die jetzt in ihrem winterlichen Schmuck ganz besonders anmutig aussahen. Born blickte heimlich seine Begleiterin an. Sie war ein gut Teil höher als er.
»Sie können sehr überzeugend belehren, meine gnädige Frau; fahren Sie weiter fort.«
»Nicht eher, bevor Sie drei schlechte Witze gemacht haben.«
»Zwei gehen hier nebeneinander. Der dritte liegt zu Haus im Bett.«
»Fühlen Sie sich als Schöpfer?«
»Als mein eigner, gewiß. Man wird das, was man aus sich macht. Als Leonharts, ein gut Teil. Ich bin sein bester Freund. Ich hätte ihn gesund oder resigniert machen sollen. Als Ihrer in so fern, als ich Sie neue Werte kennen lehre. Zum Beispiel mich. Hätten Sie sich einen Mathematiker so vorgestellt?«
»Wahrhaftig nicht. Ich begreife es auch nicht, woher Sie Ihre Witzlust nehmen.«
[67] »Haben Sie nie gehört, daß zu den Spaßmachern von Ruf die Totengräber gehören? Wenn man beim letzten angelangt ist, überkommt einen ein spielender Humor, die Nichtigkeit des Daseins zeigt sich in ihrer ganzen Fratzenhaftigkeit. Da lacht man und wird lustig. Die Totengräber wühlen in der Tiefe, wir promenieren zwischen den Sternen und messen die Tanzschritte der jüngsten Sonnen und ihrer Trabanten. Wir beide sehen die Menschen in einer – wie soll ich sagen – in einer gewissen Verkürzung. Wenn so'n winziges Komma von der lotrechten in die wagerechte Lage gerät, was weiter?«
»Ja, so sah auch ich oft. Besonders in den Kinderjahren. Wenn ich abends an meiner Mutter Bett saß, und sie mir unter Thränen ihre tragische Lebensgeschichte wieder und wieder erzählte, kam mir oft ihr Leid recht thöricht vor. Ich fühlte mich fortgetragen in die Unendlichkeit hinein, in die weite, dunkle Nacht des Raumes, und vor der Gewaltigkeit des Ganzen zerschmolz die Bedeutung des Einzelnen. Mutter nannte mich herzlos.«
»Haben Sie selbst nie ein Leid erfahren?«
»O – vielleicht? Eine Stunde lang schrie ich wie ein gereiztes Tier, dann lachte ich mich aus.«
»So ist's recht.«
»Nun sagen Sie mir aber auch, weshalb Sie mich einen schlechten Witz nannten.«
[68] »Weil Sie eine Frau geworden sind. Das war eine Dummheit von Ihnen. Man kann Sie jetzt nicht lieb haben, wie man Sie lieb haben würde, wenn Sie ein männliches Individuum wären.«
»Aber weshalb denn nicht?«
»Mein Gott, der und die würden glauben, man sei in Sie verliebt.«
»Nun, was wär' da weiter dabei?«
»Sie haben recht, augenblicklich waren Sie klüger als ich. Neulich, als Sie der Widerspenstigen Zähmung aufführten, hielt ich Sie für eine Kokette. Absolvieren Sie mich von meiner Sünde!«
»Ich selbst trage Schuld an Ihrer Meinung. Ich schaue nämlich für mein Leben gerne in Menschenseelen. Wenn sie sich mir verschließen, schlage ich der Konvention die Thüre ein und hole mir meine Beute am Schopf heran. Zum Beispiel Frau Geheimrat Stetting.«
»Und?«
»Wie?«
»Seien Sie doch nicht so bescheiden! Verschweigen Sie Ihren zweiten Sieg nicht.«
»Gehen wir denselben oder einen andern Weg zurück?«
»Ah, Sie sind eine rechte Frau! Ich rate, denselben Weg zurückzukehren.«
»Eine Frau bin ich freilich. Aber, wenn Sie meinen, daß ich verlegen wurde, irren Sie [69] sich. Mein Blick fiel nur auf die Uhr da drüben am Turm, und ich fand, daß es Zeit wäre, heimzugehen.«
»Daß Sie Bernhart zu sich bekamen, imponiert mir sehr. Kein Mensch erinnert sich, ihn je in einer Gesellschaft gesehen zu haben.«
»Er ist so schön, daß ich fast an seiner großen Intelligenz zweifle.«
»Lieben Sie diese melancholischen Cassiusgesichter?«
»Ja, sehr.«
»Darf ich es ihm mitteilen?«
»Wenn Sie wollen. Ich verstehe nicht, weshalb eine Frau ihr Wohlgefallen an einer Geschlechtsgenossin äußern darf, hingegen ihr Urteil über den Mann zurückhalten soll. Das gehört auf dasselbe Gebiet, wie das Verbot, einem Herrn in den Überrock zu helfen. Ist das nicht der helle Blödsinn? Es erinnert an die Periode, wo man das Weib für ein Äffchen hielt, das stets zierlich auf seiner Stange zu sitzen hat.«
Born antwortete nicht. Er sah vor sich nieder. Sie gingen sehr langsam, dann sagte er plötzlich:
»Können Sie sich vorstellen, daß ein Mann eine Frau nur deshalb heiratet, weil er fürchtet, daß sie sich sonst ein Leid anthut?«
»O ja. Wenn er sehr weich ist.«
»Und daß sie es ahnt und glücklich dabei ist?«
»O ja. Die kleine Frau, die Sie meinen, [70] besitzt Naivität genug dazu. Ich habe alles neulich beobachtet. Es ist rührend. Er und sie! Sie müssen weiter in ihrer Einsamkeit bleiben und niemand um sich sehen, sonst werden sie Weh haben. Wenn ich sie wiedersehe, will ich ihr sagen, daß sie die reizendste Frau sei und ihr Gatte sie anbete.«
»Möchten Sie an ihrer Stelle sein?«
»Nein. Ich wünschte mir immer, eines Kämpfers Preis zu sein.«
»Leonhart schien mir ein Träumer zu sein. An Ihrer Seite wird er zum Kämpfer. Übrigens – doch nein, das sag' ich Ihnen später an seinem Bett.«
Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Der Professor sah ihrem Kommen mit unbewußter Spannung entgegen. Sie traten beide gleichzeitig bei ihm ein. Er war aufgestanden und hatte sich auf das Ruhebett gestreckt.
»Ihr bringt köstliche Schneefrische mit.«
»Professor Doktor Leonhart Steinwald, hier hast du deine mir ange- – anvertraute Frau, wollt ich sagen, wieder zurück. Und was ich mir vorhin für den jetzigen Augenblick aufhob: Ich mag Sie unmenschlich gern leiden! Adieu!« Er verbeugte sich und schritt rasch hinaus.
Steinwalds lachten.
»So nimm' doch ein Glas Wein, verrückter Junge!«
[71] Man hörte ihn draußen die Korridorthüre zuwerfen.
»Gut, daß er kein Adonis ist, der könnte dir gefährlich werden.«
»Das ist er schon, trotz der Kartoffelnase.«
»War es schön?«
»Ja, ganz schön.«
»Und weißt du, wer unterdessen hier war? Bernhart, aber ohne Frau.«
Marie Therese errötete brennend.
Leonhart lächelte. »Gefällt er dir?«
»Ja,« erwiderte sie ehrlich.
»Dann ist's ja ein Glück für mich, daß er verheiratet ist und eine Frau hat.«
»Und was für eine!« Sie nahm ein Nippesfigürchen vom Kamin. »So eine. Das muß geschützt und zärtlich behandelt werden. Ich werde sie bemuttern.«
»Sie hat ja eine Mutter.«
»Aber die kann ihr nicht so viel Gutes thun, wie ich.«
»Marie Therese, wer bist du eigentlich?«
»Dein barfüßig Prinzeßlein.«
[72]