Am frühen Morgen

Verschlafen glimmt der Morgen herauf,
Die Sterne versanken.
Ich stütz' in meinem Bette mich auf
In dunklen Gedanken.
Des Mondes bleiche Sichel verschwimmt
Hoch oben im Blauen.
Mein lauschend Ohr nur leise vernimmt
Ein rieselndes Tauen.
Kein Menschenlaut, kein Vogelsang
In dämmernder Weite.
Ein einzler Kahn fährt unten entlang,
Ein Totengeleite.
Zum Friedhof drüben rudert er fort
Mit lässigem Kiele.
Der schlichte Sarg ragt über den Bord,
Bald ist er am Ziele.
Du Armer, den zu Grabe man fährt,
Bald bist du geborgen.
Doch hast du gern den Rücken gekehrt
Dem tauenden Morgen?
[383]
Ein bunter Kranz umwindet dir heut
Die hölzerne Truhe.
Hast lebend wohl nicht oft dich erfreut
So spät noch der Ruhe!
Und doch – wie jetzt die Sonne sich hebt,
Wer wünschte zu scheiden
Vom goldnen Licht, und hätt' er erlebt
Nur Sorgen und Leiden!
Vom Lager spring' ich glühend, als sei
Ein Glück mir begegnet.
Du neuer Tag im sprossenden Mai,
O sei mir gesegnet!

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