Fünftes Gespräch
THEANO. Vergönnen Sie mir, meine Freude, daß ich heut Ihre sichtbare Zuhörerin sein darf, wie ich's bisher unsichtbar gewesen. Vieles von Ihren Gesprächen habe ich nicht verstanden, und auch heut begehre ich nicht eben Alles zu verstehen; gnug für mich wenn ich nur im Ganzen dem Sinn Ihrer Unterredung folge. Meine Gegenwart soll sie nicht stören; ich werde schweigend meine Arbeit verrichten und nur mit meinen Gedanken Sie begleiten.
THEOPHRON. Sie sind willkommen unserm Gespräch, Theano; denn auch Sie haben gewiß nichts dagegen, Philolaus, daß Theano zuhöre?
PHILOLAUS. Sehr viel, wenn sie bloß zuhören wollte. Sie müssen Sich in unser Gespräch mischen, Theano, und ihm, wenn es sich in eine leere Scholastik verirrt, wieder auf den Schauplatz der Menschheit helfen. Versprechen Sie uns dies?
THEANO. Ich will Sie so wenig unterbrechen, als es sein kann, und Ihren dafür gleich jetzo zum Gespräch helfen. Sie wünschten gestern, Philolaus,Regeln der Haushaltung Gottes in der Welt oder, wie Sie es nannten, ausdrückende Symbole seiner Wirklichkeit, Macht, Weisheit und Güte kennen zu lernen: wie ist's möglich, daß Theophron aus dem Ocean, der uns umfließt, einige Tropfen schöpfe? Fast mit Widerwillen hörte ich Sie gestern Meinungen anführen, als ob das Dasein Gottes unerweislich sei, und wunderte mich, Theophron, daß Sie Sich in dies Wortgewirr einließen. Das Dasein eines Wesens kann, wie mich dünkt, nur durch Dasein und durch die Erfahrung desselben, nicht durch willkürliche Begriffe und leere Worte erkannt werden, so wenig als es durch diese auch weggeräumt werden mag. Man hat ein Sprichwort, daß man durch Träume weder reich noch satt werde; durch Worte wird man's [103] ebenso wenig. Wir sind Menschen, und als solche, dünkt mich, müssen wir Gott kennen lernen, wie er sich uns wirklich gegeben und dargestellt hat. Durch Begriffe empfangen wir ihn als einen Begriff, durch Worte als ein Wort; durch Anschauung der Natur, durch den Gebrauch unsrer Kräfte, durch den Genuß unsers Lebens genießen wir ihn als wirkliches Dasein voll Kraft und Leben. Nennen Sie, abstracte Herren, dies Schwärmerei, so will ich gern eine Schwärmerei sein; denn ich mag lieber die wirkliche Rose sehen und genießen, als von einer erdichteten, gemalten Rose mit ödem Kopfbrechen träumen.
THEOPHRON. Wohl, Theano! Sie sehen doch aber die Rose, die Sie genießen, und werden Sich dieses Genusses wegen die Augen nicht verbinden. Und was arbeiten Sie da? Sie sticken selbst diese Blume. Sie ahmen also einer Kunst der Natur nach, die Ihnen nur Ihr bemerkendes Auge sichtbar machte und jetzt das Auge Ihrer Seele, Ihre lebhafte Erinnerung der Nadel gleichsam vorzeichnet. Schließen Sie also von keinem Gefühl, von keinem Genuß der Schöpfung den Gedanken aus; er ist uns zum Innenwerden Gottes so nothwendig als Ihrer arbeitenden Nadel das Bild der Zeichnung in Ihrer Seele. Der verkennte die Menschheit, der den Schöpfer nur schmecken und fühlen wollte, ohne ihn zu sehen und zu erkennen.
THEANO. Den Vorwurf verdiene ich nicht, Theophron, da ich unsern Philolaus eben vor einem gleichen Fehler einseitiger Trennung warne. Ich habe die Philosophie herzlich gern, wenn sie bei Gegenständen, bei wahren Dingen der Natur bleibt und solche ins Licht setzt. Ich habe mich sehr gefreut, da Sie Ihren Freund auf die innere Schönheit, Güte und Wahrheit aufmerksam machten, die allen Gegenständen der Schöpfung nicht als Willkür aufgeheftet ist, sondern als Wirklichkeit selbst in jedem Wesen liegt und dies Wesen ausmacht. Seit der Zeit bemühe ich mich, in Allem, was um mich ist, diesen Punkt der reinen Nothwendigkeit auszufinden, und bemerke in ihm immer Wahrheit, Güte, Schönheit. Ich wollte, daß ich mein Leben hindurch alle meine Geschäfte, meine kleinste Kunst, ja selbst diese armselige Blume so schaffen und einrichten könnte, daß die webende Minerva selbst sagen müßte: »Anders als also konnte sie nicht gemacht werden.« Wie viel Trost, welche süße Anmuth liegt in dem Wort »Nothwendigkeit« insonderheit für unser Geschlecht, dem durch die Ordnung der Natur und durch die Einrichtungen der Menschen so wenig Willkür erlaubt [104] ist! Ich danke der guten Adrastea, daß sie uns so wenig erlaubte, da unser Geschlecht eben am Meisten nach Willkür strebt. Jetzt liebe ich diese Tochter der gütigen Weisheit und hasse alle Launen. Ich überlasse sie den Männern, die sich ja willkürliche Herren der Erde zu sein dünken.
THEOPHRON. Halten Sie nicht viel von diesen willkürlichen Herren, liebe Theano! Je weniger Vernunft, desto mehr hat und liebt man Willkür. Ich wollte den Mann kennen lernen, der, welches kleine Geschäfte des Lebens es auch sei, solches auf unzählige Arten gleich gut verrichten könnte und es seiner blinden Wahl überlassen glaubte, welche von diesen Arten er vorziehen wolle. Der schönste und schwerste Zweck des männlichen Lebens ist, von Jugend auf Pflicht zu lernen; solche aber, als ob es nicht Pflicht sei, in jedem Augenblick des Lebens auf die leichteste, beste Weise zu üben und also jedesmal den höchsten Punkt der Kunst, das Gesetz des einzigen Besten, der holden und schönen Nothwendigkeit, zu erreichen. Diese ist nicht Zwang, nicht Nothdurft von innen oder von außen, ob sie gleich einem unerfahrenen, trägen, muthwilligen Menschen also dünkt; ihr Joch ist sanft, ihre Last ist leicht, wenn man derselben einmal gewohnt. Wehe dem Mann, der in übeln Gewohnheiten hart ward; wohl aber jedem vernünftigen, thätigen Wesen, dem seine Pflicht und die schönste Art, sie zu üben, zur Natur, d.i. zur Nothwendigkeit ward! Er hat den Lohn der guten Engel in sich, von denen die Religion sagt, daß sie, im Guten bestätigt, nicht mehr fallen können, noch fallen wollen, weil ihre Pflicht ihnen Natur, weil ihre Tugend ihnen Himmel und Seligkeit ist. Wir wollen uns auch bestreben, meine Freunde, den innern Lohn dieser seligen Wesen zu genießen; ja warum dürften wir bei ihnen stehen bleiben, da uns allenthalben in der Natur das Vorbild unseres Vaters selbst vorleuchtet, der im Kleinsten und Größten ohn' alle schwache Willkür mit der ganzen Schönheit und Güte einer selbstständigen Vernunft, Wahrheit und Nothwendigkeit handelt.
Wolan denn, meine Freunde, und die Gottheit selbst wird uns beistehen, da wir die Natur ihrer Werke als die weiseste, beste Nothwendigkeit zu entwickeln streben! Was konnte sie, indem sie auf eine uns unbegreifliche Art Wesen darstellte, was konnte sie [105] ihnen Höheres geben, als was in ihr selbst das Höchste ist? Wirklichkeit, Dasein. In Gott ist's, nach unsern Begriffen, der Grund alles Genusses, die Wurzel aller seiner unendlichen Kräfte; in jedem daseienden Dinge nicht minder. Aller unsrer Abhängigkeit ohngeachtet sind oder dünken auch wir uns Substanzen und fühlen unser Dasein mit so inniger Gewißheit, mit so zuversichtlicher Freude, daß wir an die Zerstörung unsrer nicht nur ungern denken, sondern auch mit aller Gewalt sie uns nicht vorzustellen vermögen. Es ist das Wesen des denkenden Geistes, daß er vom Nichts durchaus keinen Begriff hat, so daß eine sonderbare Verödung des Kopfs dazu gehört, sich nur einzubilden, daß das Nichts ein denkbarer Begriff sei. Ein Zeichen für dasselbe 0 oder √-1 kann man sich erdenken, und indem man zwei Dinge einander widersprechend erkennt, eins durch das andre wegräumen. Der Verstand vermag deutlich einzusehen, daß, indem er das eine sich vorstellt, er zu eben der Zeit sich nicht auch das andre als jenes denken könne; damit aber hat er nichts Wirkliches weggeräumt, hat auch von nichts weniger als vom absoluten Nichts einen Begriff. Statt des vollen Raums z.B. kann er sich einen ungeheuern schwarzen leeren Raum einbilden; damit aber bildete er sich noch kein Nichts ein. Kurz, das Nichts ist Nichts; es ist also auch jedem Wesen, das da ist, geschweige dem Grunde und Inbegriff aller Wirklichkeit, Gott, ein leeres Nichts, d.i. undenkbar. Bemerken Sie, Philolaus, was auf dieser innern Nothwendigkeit des Begriffs vom Dasein ruhe?
PHILOLAUS. Die schönste Wahrheit ruht darauf, nämlich: daß es kein Nichts in der Natur gebe, daß es nie gewesen sei und nie sein werde, weil es etwas Undenkbares, ein Nichts ist. So wenig der Ausdruck: »aus Nichts ein Etwas schaffen«, oder die Schilderung des Dichters:
[106] »Befruchtet mit der Kraft des wesenreichen Wortes
Gebiert das alte Nichts« –
»Als mit dem Unding noch das neue Wesen rung« –
»Als auf die Nacht des alten Nichts
Sich goß der erste Strom des Lichts«,
einen andern als dichterischen Sinn haben, so wenig hat unsre Seele einen Begriff davon, was es heißt: »etwas vernichten, ein Etwas in Nichts verwandeln«, oder wenn der Dichter singt:
»Wenn ein zweites Nichts wird diese Welt begaben;
Wenn von dem Alles selbst nichts bleibet als die Stelle«;
denn wenn die Stelle noch da ist von dieser Welt, mithin eine Stelle zu neuen Welten, so ist noch nichts weniger als das Nichts da. Wie sehr sind mir jetzt alle diese Scheinausdrücke, leere Gespenster einer scholastischen Phantasie, zuwider! Wenn manche Metaphysiker alles Denkbare, die Welt, Gott selbst rein wegräumen und finden ein ungeheures Nichts als das reinste Objekt ihrer Vernunft sehr denkbar, finden es ganz natürlich, daß sich aus diesem Nichts mit aller Vernunft kein Etwas, weder Gott noch die Welt hervordemonstriren lasse –
THEANO. Ich bitte, endigen Sie, Philolaus, mit dem gräßlichen Nichts!
PHILOLAUS. Oder wenn gar das Dasein, das erfreuliche, nothwendige, innigste Dasein ihnen gräßlich dünkt. »Die reine Nothwendigkeit«, sagen sie, »sei als der letzte Träger aller Dinge ein Abgrund für die Vernunft. Selbst Haller's Ewigkeit mache lange nicht den schwindlichten Eindruck auf das Gemüth als das nothwendige Dasein Gottes; denn jene messe zwar, aber sie dürfte nicht tragen. Man könne den Gedanken nicht ertragen, daß ein Wesen, wenn wir es uns auch als das höchste unter allen möglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: ›Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit; außer mir ist nichts, ohne das, was blos [107] durch meinen Willen etwas ist; aber woher bin ich denn?‹ Hier,« sagen sie, »hier sinkt Alles unter uns, und die größte Vollkommenheit wie die kleinste schwebt ohne Haltung blos vor der speculativen Vernunft, der es nichts kostet, die eine so wie die andere ohne die mindeste Hinderniß verschwinden zu lassen.« 71
THEANO. Erretten Sie mich, Theophron, von den öden Vorstellungen, die Philolaus anführt! Ich bin ein Weib und werde mir, seitdem ich Ihre letzten Gespräche angehört habe, weder Haller's Ewigkeit als eine messende noch die weiseste Nothwendigkeit als eine Trägerin noch den Höchsten als einen Speculanten denken, der ruhmredig mit sich selbst spricht und sich thöricht fragte: »woher er sei«. Ich weiß auch nicht, ob bei den Philosophen dergleichen Phantasmen deutliche Begriffe setzen oder wegräumen, noch ob es ein Triumph der Vernunft sei, die größte Vollkommenheit wie die kleinste willkürlich »ohne die mindeste Hinderniß vor sichverschwinden zu lassen«; aber das weiß ich, daß nach meiner Idee es kein höheres, seligeres Dasein geben kann als Dessen, durch den Alles ist, durch den Alles genießt und lebt. Er darf, wenn das Dasein jedes Dinges auf einer innern Nothwendigkeit seiner selbst, einer durch sich bestehenden höchsten Weisheit und Güte ruht, nichts mühsam tragen; Alles trägt sich selbst, wie die Kugel auf ihrem Schwerpunkt ruht; denn alles Dasein ist ja in seinem eignen ewigen Dasein, in seiner Macht, Güte und Weisheit gegründet. Sie haben uns zwar vor Bildern gewarnt, Theophron; aber (Wirklichkeit dem Phantom entgegengestellt) ist's unerträglich, zu denken, daß die Wurzel den Baum trage? Sie wäre keine Wurzel, wenn sie die schöne Schöpfung des Stammes mit seinen Aesten, Zweigen, Blüthen und Früchten nicht zu tragen hätte und gern trüge. So die ewige Wurzel vom unermeßlichen Baum des Lebens, der, durch das Weltall verbreitet, [108] mit unzählig in einander verschlungenen Zweigen da ist und grünt. Er, die unendliche Quelle alles Daseins, des größten Geschenks, das nur er mittheilen konnte.
THEOPHRON. Und welch ein Pfand, meine Freunde, haben wir mit diesem Geschenk zur ewigen Fortdauer unsers Lebens! Dasein ist ein unzertheilbarer Begriff, Wesen. Es kann so wenig in ein Nichts verwandelt werden, als wenig es ein Nichts ist; oder auch das höchste Dasein, die Gottheit, könnte sich selbst vernichten. Wir reden hier nicht von Erscheinungen, von Zusammensetzungen irgend einer Gestalt in dem, was wir Raum und Zeit nennen. Alles, was erscheint, muß verschwinden; jedes Gewächs der Zeit trägt den Keim der Verwesung in sich, der da macht, daß es in dieser seiner Erscheinung nicht ewig daure. Was zusammengesetzt ist, wird aufgelöst; denn eben diese Zusammensetzung und Auflösung heißt Weltordnung und ist das immer wirkende Leben des Weltgeistes. Auch reden wir selbst noch nicht von der Unsterblichkeit einer Menschenseele, um uns etwa Phantome der Einbildungskraft vorzuzeichnen, wie sie im Raum und in der Zeit, d.i. in der großen Weltordnung andere Organe annehmen und ihre Kräfte neu üben werde. Wovon wir reden, ist ein einfacher Begriff,Wirklichkeit, Dasein, an welchem das niedrigste mit dem obersten Wesen Theil hat. Nichts kann untergehen, nichts vernichtet werden, oder Gott müßte sich selbst vernichten. Da nun im unendlichen Dasein Alles liegt, was sein kann und ist, wie endlos wird die Welt! Endlos nach Raum und Zeit und in sich selbst beständig. Gott hat den Grund seiner Seligkeit Wesen mitgetheilt, die auch, wie er, das kleinste wie das größte, Dasein genießen und, damit ich Ihr Gleichniß brauche, Theano, als Zweige von seiner Wurzel Lebenssaft schöpfen. Mich dünkt, wir zeichneten uns also, Philolaus, das erste Naturgesetz der heiligen Nothwendigkeit auf.
PHILOLAUS. Mit Vorbehalt meiner Fragen darüber:
I. Das höchste Dasein hat seinen Geschöpfen das Höchste gegeben, Wirklichkeit, Dasein.
THEOPHRON. Aber, meine Freunde, Dasein und Dasein, so einfach der Begriff ist, sind in ihrem Zustande sehr verschieden, und [109] was meinen Sie, Philolaus, was die Stufen und Unterschiede desselben bezeichnet?
PHILOLAUS. Nichts anders als Kräfte. In Gott selbst fanden wir keinen höheren Begriff, wodurch sich Wirklichkeit offenbart, als Macht; alle seine Kräfte waren Eins und Dasselbe. Die höchste Macht konnte nicht anders als die höchste Weisheit und Güte sein, ewig lebend, ewig wirksam.
THEOPHRON. Das Höchste also oder vielmehr das All (denn Gott ist nicht ein Höchstes auf einer Stufenleiter von Seinesgleichen), wie konnte es sich wirkend offenbaren als im All? Er selbst das All Aller. In ihm konnte nichts schlummern, und was er ausdrückte, war er selbst, ein Untheilbares, Weisheit, Güte, Allmacht. Die Welt Gottes ist also die beste; nicht weil er sie unter schlechteren wählte, sondern weil ohne ihn weder Gutes noch Schlechtes da war und er nach der innern Nothwendigkeit seines Daseins nichts Schlechtes wirken konnte. Alles ist also da, was da sein konnte; alle Kräfte ein Ausdruck seiner Kraft, einer Allweisheit, Allgüte, Allschönheit. Im Kleinsten und Größten wirkt er; in jedem Punkt des Raumes und der Zeit, d.i. in jeder Wirklichkeit des Weltalls. Denn Raum und Zeit sind nur Phantome unser Einbildungskraft, Maßstäbe eines eingeschränkten Verstandes, der Dinge nach und neben einander sich bekannt machen muß; vor Gott ist weder Raum noch Zeit, sondern ein All in einer ewigen Verbindung. Er ist vor Allem, und es besteht Alles in ihm, die Welt ein Ausdruck, eine Darstellung der Wirklichkeit seiner ewig lebenden, thätigen Kräfte.
THEANO. Auf einer wie hohen Stufe stehen wir menschliche Wesen also, in denen, so nichtige Erscheinungen wir sind, dennoch ein lebender Ausdruck der drei höchsten Gotteskräfte, Macht, Verstand und Güte, mit innerm Bewußtsein wohnt! Wir können uns keine andre, geschweige höhere Eigenschaften gedenken; [110] denn was wir in allen Werken der Natur Göttliches sehen, führt sich auf diese drei zurück, deren eine die andre erklärt, deren höchster Inbegriff und Ursprung uns alsGottheit erscheint. Das wesentliche Gesetz Gottes wohnt also in uns, unsre obwohl beschränkte Macht nach reinen Ideen der Wahrheit und Güte zu ordnen, wie solches der Allmächtige seiner vollkommensten Natur nach selbst thut und allenthalben ausdrückt, ausübt. Er hat uns darin etwas Wesentliches von sich mitgetheilt und uns zu Ebenbildern seiner Vollkommenheit gemacht, indem es in der Natur einer göttlichen Kraft liegt, nicht blind, sondern mit Einsicht, nicht eingeschränkt und boshaft, sondern mit einer alles Nichts ausschließenden Güte zu wirken. Jeder willkürliche, vernunft- und gütelose Gebrauch unsrer Kräfte, der uns von dieser Regel entfernt, macht uns uneinig mit uns selbst, verwirrt, schwach, ohnmächtig.
THEOPHRON. Mich dünkt, Philolaus, wir können also den zweiten Satz einer göttlichen Nothwendigkeit setzen:
II. Die Gottheit, in der nur eine wesentliche Kraft ist, die wir Macht, Weisheit und Güte nennen, konnte nichts hervorbringen, als was ein lebendiger Abdruck derselben, mithin selbst Kraft, Weisheit und Güte sei, die ebenso untrennbar das Wesen jedes in der Welt erscheinenden Daseins bilden.
PHILOLAUS. Ich wünschte, daß Sie für Theano und mich den Satz in Beispielen zeigten. Die Grade der Vollkommenheit in der Welt sind so zahllos mannichfaltig, daß die niedrigsten derselben uns Unvollkommenheiten scheinen.
THEOPHRON. Konnte dies anders sein, Philolaus? Wenn alles Mögliche da ist und nach dem Principium einer unendlichen göttlichen Kraft da sein muß, so muß in diesem All die geringste wie [111] die höchste Vollkommenheit da sein; aber alle sind von der weisesten Güte verbunden, und auch in der geringsten ist kein Nichts, d.i. nichts wesentlich Böses. Verzeihen Sie, Theano, daß ich abermals das gräßliche Unding nennen muß, ob es gleich ein Unding ist, das sich selbst aufhebt. Sie wissen, Philolaus, was Leibniz von seinen einfachen Substanzen für große Dinge rühmte: »sie seien Spiegel des Weltalls, mit Vorstellungskräften begabt, das Universum, jede nach ihrem Standpunkt, darzustellen und abzuschildern. Der Unendliche sehe im Kleinsten das All« u.s.w. So erhaben diese Idee war, die wir uns nur in reinen Zahlverhältnissen annährend begreiflich machen, und so nothwendig sie ist, sobald man die Welt als eine in allen Theilen zusammenhangende Wirkung der höchsten Voll kommenheit denkt, so falsch ward sie von Manchen verstanden, und insonderheit wurden die unendlich kleinen einfachen Spiegel des Weltalls unwürdig gedeutet. Wir lassen das Bild weg und sagen: »Jede Kraft ist ihrem Wesen nach ein Ausdruck der höchsten Macht, Weisheit und Güte, wie solche sich an dieser Stelle des Universum, d.i. in Verbindung mit allen übrigen Kräften darstellen und offenbaren konnte.« Um dies einzusehn, bemerken wir, wie jede dieser Kräfte in der Welt wirke. Nicht wahr, Philolaus, sie wirkt organisch?
PHILOLAUS. Mir ist keine Kraft bekannt, die außer Körpern, d.i. ohne Organe sich erweise; ob mir wohl ebenso unbekannt ist, wie diese Kräfte und diese Organe sich zusammengefunden haben.
THEOPHRON. Wol durch ihre beiderseitige Natur, Philolaus; im zusammenhangenden Reich der vollkommensten Macht und Weisheit konnten sie nicht anders. Denn was nennen wir Körper? was nennen wir Organe? Im menschlichen Körper z.B. ist nichts unbelebt: von der Spitze des Haars bis zum Aeußersten Ihres Nagels ist Alles von einer erhaltenden, nährenden Kraft durchdrungen, und sobald diese das kleinste Glied verläßt, stirbt es ab und trennt sich vom lebenden Leibe. Sodann, dem Gebiet der lebendigen Kräfte unsrer Menschheit entnommen, ist's im Reich andrer Naturkräfte; dem entfällt es nie. Das verwelkte Haar, [112] der verworfne Nagel tritt jetzt in eine andre Region des Zusammenhanges der Welt, in welchem er abermals nicht anders als seiner jetzigen Naturstellung nachwirkt oder leidet. Gehen Sie die Wunder durch, die uns die Physiologie des menschlichen oder irgend eines thierischen Körpers herzählt: Sie sehen nicht alsein Reich lebendiger Kräfte, deren jede, an ihre Stelle gesetzt, Zusammenhang, Gestalt, Leben des Ganzen durch Wirkungen hervorbringt, deren jede aus der Natur ihres und des Wesens folgt, dem sie angehört. So bildete, so erhält sich der Körper; so löst er sich täglich, so löst er sich endlich gar auf. Was wir Materie nennen, ist also mehr oder minder selbst belebt; es ist ein Reich wirkender Kräfte, die nicht nur unsern Sinnen in der Erscheinung, sondern ihrer Natur und ihrer Verbindung nach ein Ganzes bilden. Eine Kraft herrscht (sonst wäre es kein Eins, kein Ganzes); mehrere auf den verschiedensten Stufen dienen. Alle diese Verschiedenheiten aber, deren jede aufs Vollkommenste bestimmt ist, haben was gemeinschaftlich Thätiges, in einander Wirkendes; sonst könnten sie kein Eins, kein Ganzes bilden. Da nun im Reich der vollkommensten Macht und Weisheit Alles aufs Weiseste zusammenhängt, da in ihm nichts sich anders als nach inwohnenden nothwendigen Gesetzen der Dinge zusammenfügen, helfen und bilden kann: so sehen wir auch allenthalben in der Natur unzählige Organisationen, deren jede in ihrer Art nicht nur weise, gut und schön, sondern ein Vollkommnes, d.i. ein Abdruck der Weisheit, Güte und Schönheit selbst ist, wie solche sich in diesem Zusammenhange sichtbar machen konnte. Nirgend in der Welt also, in keinem Blatt eines Baums, in keinem Sandkorn, in keinem Fäserchen unsers Körpers herrscht Willkür; Alles ist von Kräften, die in jedem Punkt der Schöpfung nach der vollkommensten Weisheit und Güte wirken, bestimmt, gesetzt, geordnet. Gehen Sie, mein Freund, die Geschichte der Mißgeburten, der Verwahrlosungen und Ungeheuer durch, da durch fremde Ursachen die Gesetze dieser einzelnen organischen Natur in Unordnung gesetzt zu sein scheinen: die Gesetze der allgemeinen Natur kamen nie in Unordnung, jede Kraft wirkte ihrer Natur getreu, selbst da eine andre sie störte; denn auch diese Störung selbst konnte nichts Anders bewirken, als daß die gestörte organische Kraft auf anderm Wege sich zu compensiren suchte. Man hat über diese Compensationen in [113] einem System gestörter Kräfte eine Reihe Bemerkungen gemacht, von denen wir uns zu einer andern Zeit unterhalten können; allenthalben aber, auch im scheinbar verworrenen Chaos waltet die beständige Natur nach unwandelbaren Regeln einer in jeder Kraft wirkenden Nothwendigkeit, Güte, Weisheit.
PHILOLAUS. Mit Freude, Theophron, sehe ich den dunkeln Begriff der Materie sich mir aufhellen und ordnen; denn ob ich gleich dem System des Leibniz gern beitrat, daß sie nichts als eine Erscheinung unsrer Sinne, ein Aggregat substanzieller Einheiten sei, so bleib mir doch in diesem System die sogenannte »idealische Verbindung dieser Substanzen zu solcher und keiner andern Erscheinung eines Ganzen« ein Räthsel. Leibniz verglich die Materie mit einer Wolke, die aus Regentropfen besteht und uns Wolke scheint, mit einem Garten voll Pflanzen und Bäume, mit einem Teich voll Fische u. dergl.; dadurch aber konnte ich mir das Bestehen dieser Erscheinung, den Zusammenhang dieser Kräfte in ihr nicht erklären. Die Regentropfen in der Wolke, die Pflanzen im Garten, die Fische im Wasser haben ein Medium der Verbindung; und welches könnte bei diesen die Materie ausmachenden Kräften ein solches Medium sein als die Kräfte der sogenannten Substanzen selbst, mit denen sie auf einander wirken? Dadurch also bilden sich Organe; denn auch das Organ ist ein System von Kräften, die in inniger Verbindung einer herrschenden dienen. Jetzt wird mir die Materie nicht blos eine Erscheinung in meiner Idee, d.i. ein durch Ideen vorstellender Geschöpfe allein verbundenes Ganzes; sie ist's durch ihre Natur und Wahrheit, durch den innigen Zusammenhang wirkender Kräfte. Nichts steht in der Natur allein; nichts ist ohne Ursache, nichts ohne Wirkung; und da Alles in Verbindung und alles Mögliche da ist, so ist auch nichts in der Natur ohne Organisation, jede Kraft steht in Verbindung mit andern ihr dienenden oder über sie herrschenden Kräften. Wenn meine Seele also eine substanzielle Kraft ist und ihr jetziges Reich der Wirkung zerstört wird, so kann es ihr in einer Schöpfung, in welcher keine Lücke, kein Sprung, keine Insel stattfindet, an einem neuem Organ nie fehlen. Neue dienende Kräfte werden ihr beistehen und in ihrem neuen Zusammenhange mit einer Welt, in welcher Alles zusammenhangt, ihren Wirkungskreis bilden.
THEOPHRON. Um so mehr, Philolaus, ist's unsre Pflicht, zu schaffen, daß sie in ihrem Innern, im System ihrer Kräfte selbst wohlgeordnet von dannen gehe; denn nur, wie sie ist, kann sie [114] wirken; nur nach der Gestalt ihrer innern Kräfte kann ihre äußere Gestalt erscheinen. Unser Körper ist nicht etwa nur ein Werkzeug, er ist ein Spiegel der Seele, jede Organisation ein äußerer Abdruck inniger Bestrebungen, die ihrer Erscheinung Bestand geben.
PHILOLAUS. Ich erinnere mich hiebei mancher schönen Bemerkungen des Spinoza, die er über die Verbindungen des Leibes und der Seele gemacht hat. Denn ob er beide gleich, dem Cartesischen System zufolge, unabhängig von einander, wie den Gedanken und die Ausdehnung betrachten mußte, so konnte es doch nicht fehlen, daß ein scharfsinniger Geist wie er über das Cartesische System auch hier hinausdachte. Indem er den Begriff vom Leibe zur wesentlichen Form der menschlichen Seele macht, schließt er daraus auf die Beschaffenheit, auf die Veränderungen, die Vollkommenheit und Unvollkommenheit dieses Begriffs vortrefflich. Es ließe sich aus seinen Grundsätzen eine Physiognomik entwerfen, die das gewöhnliche Chaos unsrer physiognomischen Träume sehr ordnete und auf eine bestimmte Wahrheit zurückführte. Insonderheit war es mir angenehm, daß er auf die Lebensweise, d.i. auf die Veränderungen in der Beschaffenheit des Körpers so viel hält und die Gedankenweise, d.i. die Form des Begriffs der Seele mit ihr ganz homogen betrachtet. Aus dem Umriß eines Beins oder Knochens leitet er nicht die wandelbarsten, feinsten Triebfedern der Seele, ihrer Fähigkeiten und ihres Charakters her, ob es wol Niemand leugnen wird, daß auch jeder kleine Umriß des Körpers zur Analogie des Ganzen gehöre. – Sie schweigen, Theano?
THEANO. Ihr Gespräch ist mir sehr lieb, meine Freunde; weil Sie mich doch aber einmal dazu bestellt haben, Sie, wenn Sie Sich verirren, wieder an den Weg zu erinnern, so wollte ich, Sie ließen die Physiognomik und kehrt zu Ihrer allgemeine Betrachtung zurück. Mir, die ich immer nur mit dem Wenigsten zufrieden bin, ist's gnug, daß jede Organisation die Erscheinung eines Systems innerer, lebendiger Kräfte sei, die nach Gesetzen der Weisheit und Güte eine Art kleiner Welt, ein Ganzes bilden. Ich wünschte, daß ich den Geist der Rose zu meiner Arbeit zaubern könnte, daß er mir sagte, wie er ihre schöne Gestalt gebildet habe, oder da auch sie nur eine Tochter des Rosenbusches ist, daß mir die Dryade desselben es erklärte, wie sie von der Wurzel aus bis [115] zum kleinstem Zweige ihr Bäumchen belebe. Als Kind schon bin ich oft vor einem Baum, einer Blume stille gestanden und habe die sonderbare Harmonie angestaunt, die sich in jedem lebendigen Geschöpf von unten zu bis oben aus zeigt; ich verglich mehrere derselben und habe mit Vergleichung und Musterung der Blätter, der Zweige, der Blüthen, der Stämme, des ganzen Wuchses der Bäume und Pflanzen manche müssige Stunden verträumt. Die Begierde, solche eigenthümliche schöne Gestalten lebendig nachzuzeichnen, schärfte meine Aufmerksamkeit, und oft kam ich in ein so vertrauliches Gespräch mit der Blume, dem Baum, der Pflanze, daß ich glaubte, ihr ergriffenes Wesen müßte in meine kleine Schöpfung wandern. Aber vergebens; diese blieb ein todtes Nachbild, und jenes schöne vergängliche Geschöpf stand da mit aller Fülle stiller Selbstgnügsamkeit und eines gleichsam in und für sich selbst vollendeten Daseins. Ueber diese Materie reden Sie mehr und helfen meiner stammelnden Natursprache!
THEOPHRON. Liebe Theano, die wird nun wol immer eine Stammlerin bleiben. Ins innere Wesen der Dinge hineinzuschauen, haben wir keine Sinne; wir stehen von außen und bemerken. Mit je scharfsinnigerm, stillerem Blick wir dies thun, desto mehr offenbart sich uns die lebendige Harmonie der Natur, in der jede Organisation das vollkommenste Eins und doch Jedes mit Jedem in ihr so vielfach und mannichfaltig verwebt ist. Die Kunst schleicht dieser Beobachtung de Natur nach; die neuere aufmerksamere Naturlehre ist ihre Schwester. Sie beobachtet in jedem Dinge, was es sei, wie es sich gestalte, wie es leide und wirke, und hat über Pflanzen, Bäume, Mineralien, Thiere u.s.w., über ihre Entstehung, ihr Wachsthum, ihre Verwandlung, über Krankheiten, Tod und Leben derselben Schätze von Erfahrungen gesammelt, die uns bei jedem einzelnen Gegenstande eine Welt von selbstbestehender Harmonie, Güte und Weisheit zeigen. Hievon ist aber jetzt nicht zu reden; man wird dies Alles in schönen Frühlings- und Sommermorgen lieber sehen wollen, als jetzt im dunkeln Abendgespräch davon hören. Worauf ich Sie aufmerksam machen möchte, sind die einfachen Gesetze, nach welchen alle lebendigen Kräfte der Natur ihre tausendfältige Organisationen bewirken; denn Alles, was die höchste Weisheit thut, muß höchst einfach sein. Die Gesetze nämlich scheinen mir in drei Worten zu liegen, die im Grunde alle wieder nur ein lebendiger Begriff sind
[116]1. Beharrung, d.i. innerer Bestand jeglichen Wesens.
2. Vereinigung mit Gleichartigem und vom Entgegengesetzten Scheidungen.
3. Verähnlichung mit sich und Abdruck seines Wesens in einem andern.
Wollen Sie mich darüber (damit ich Ihnen Ausdruck brauche, Theano) auch stammeln hören, so steht Ihnen meine Rede zu Dienst. Wir wenigstens, Philolaus, setzen unsern Gesprächen über Spinoza damit den Kranz auf; denn Sie wissen, daß er selbst, obwohl in seiner eigenthümlichen Sprache, die Moral auf ähnliche Begriffe baut.
Zuerst also. Jedes Wesen ist, was es ist, und hat vom Nichts weder einen Begriff noch zu ihm Sehn sucht. Alle Vollkommenheit eines Dinges ist seineWirklichkeit; das Gefühl dieser Wirklichkeit ist der einwohnende Lohn seines Daseins, seine innige Freude. In der sogenannten moralischen Welt, die auch eine Naturwelt ist, hat Spinoza alle Leidenschaften und Bestrebungen der Menschen auf diese innere Liebe zum Dasein und zur Beharrung in demselben zurückzuführen gesucht; in der physischen Welt hat man den Erscheinungen, die aus diesem Naturgesetz folgen, mancherlei zum Theil unwürdige Namen gegeben. Bald heißt es die Kraft der Thätigkeit, da jedes Ding bleibt, was es ist, und ohne Ursache sich nicht verändert; bald heißt es, wiewol in einem andern Betracht, die Kraft der Schwere, nach welchem jedes Ding seinen Schwerpunkt hat, worauf es ruht. Trägheit und Schwere sind ebensowol als ihre Gegnerin, die Bewegung, nur Erscheinungen, da Raum und Körper selbst nur Erscheinungen sind; das Wahre, Wesentliche in ihnen ist Beharrung, Fortsetzung seines Daseins, aus welchem es sich selbst nicht stören kann noch mag. Daß jedes Ding nun nach einem Zustande der Beharrung strebe, zeigt selbst seine Gestalt an, und Sie werden, liebe Theano, als eine Naturzeichnerin sich in der Form der Dinge Manches erklären können, wenn Sie darauf merken. Wir wollen das leichteste Beispiel aus dem System der Dinge neh men, die mit der größten Gleichartigkeit die leichteste Beweglichkeit verknüpfen und sich also gleichsam eine Gestalt wählen können. Wir nennen dies flüssige Dinge. Wolan! alle flüssigen Dinge, deren Theile gleichartig zu einander ohne Hinderniß wirken, welche Gestalt nehmen sie an?
[117] PHILOLAUS. Die Gestalt eines Tropfens.
THEOPHRON. Warum eines Tropfens? Sollen wir etwa ein Tropfen bildendes Principium in der Natur annehmen, das diese Gestalt willkürlich liebe? und die Regel festsetzen: »Alles in der Natur ballt sich durch eine verborgne Qualität«?
PHILOLAUS. Mit nichten! Der Tropfe ist eine Kugel; in einer Kugel treten um einen Mittelpunkt alle Theile gleichartig in Harmonie und Ordnung. Die Kugel ruht auf sich selbst; ihr Schwerpunkt ist in der Mitte; ihre Gestalt ist also der einfachste Beharrungszustand gleichartiger Wesen, die um diesen Mittelpunkt in Verbindung treten und mit gleichen Kräften einander das Gegengewicht leisten. Nach nothwendigen Gesetzen der Harmonie und Ordnung wird also eine Welt im Tropfen.
THEOPHRON. Mithin, lieber Philolaus, haben Sie in dem Gesetz, darnach sich der Tropfe bildet, zugleich die Regel, nach welcher sich unsre Erde, die Sonne und alle Himmelssysteme bildeten. Denn auch unsre Erde ging einst als Tropfe hervor oder sammelte sich zum Tropfen. So die Sonne und jenes ganze System, in dem sie mit anziehender Gewalt herrscht. Alles senkt sich in Radien herab und wird nur durch andre Kräfte im Umlauf erhalten; so bilden sich Planeten und Planetenbahnen, Sonnen und Sonnenbahnen, Systeme von Sonnen, Milchstraßen, Nebelsterne. Allesammt lichte Tropfen aus dem Meer der Kräfte, die nach einwohnenden ewigen Gesetzen der Harmonie und Ordnung in ihrer Gestalt und in ihrem Lauf ihren Beharrungszustand suchten und fanden. Nicht anders als in ihrer Gestalt, in ihrer Bahn, dem Product entgegenstrebender Kräfte (sei diese Kreis oder Ellipse, Parabel oder Epicykloide), konnten sie ihn finden; nicht aus Willkür, sondern nach innern gleichartig wirkenden Gesetzen selbst, die sich in der Kugelgestalt wie in der Ellipse, in der Sphäroidenbewegung wie in der Parabel offenbaren. Die [118] kleine Thräne, Theano, die Sie des Morgens im Kelch einer Rose finden, zeigt Ihnen das Gesetz, nach welchem sich Erde, Sonnen und alle Sonnen, ja alle Weltsysteme bildeten und bestehend erhalten. Denn wenn wir unsere Phantasie den ungeheuern Flug verstatten, sich das Weltall zu denken, so wird kein Riese daraus, der sich streckt und sträubt, sondern mit allen Epicykloiden aller Sonnensysteme eine Kugel, die auf sich selbst ruht.
THEANO. Eine unermeßliche Aussicht! Kommen Sie zu unsrer Erde oder wenigstens zu unserm Sonnensystem zurück; ich ermatte im Fluge. Sie sprachen von einem zweiten Naturgesetz, daß sich alles Gleichartige vereine und das Entgegengesetzte scheide; wollen Sie nicht davon Beispiele geben?
THEOPHRON. Ich dächte, wir bleiben bei unserm flüssigen Tropfen. Sie kennen, Theano, den Stein des Hasses und der Liebe in der Naturwelt?
THEANO. Den Magnet, meinen Sie.
THEOPHRON. Ihn selbst, und seine zwei Pole und deren freundliche oder feindliche Wirkung.
THEANO. Auch daß es einen Punkt der größten Liebe und einen Punkt der völligen Gleichgiltigkeit auf seiner Achse gebe, ist mir bekannt.
THEOPHRON. Sehen Sie also diesen Stein als einen Tropfen an, in den sich die magnetische Kraft so gleichartig und regelmäßig vertheilt hat, daß ihre entgegenstehenden Enden den Nord- und Südpol machten. Einer kann ohne den andern nicht sein. –
THEANO. Und wenn man sie verändert, verändert man beide.
THEOPHRON. Sie haben also am Magnet ein Bild von dem, was Haß und Liebe in der Schöpfung sei; bei jedem System von Wirksamkeit muß sich daß Nämliche finden.
[119] PHILOLAUS. Und dies Nämliche ist –?
THEOPHRON. Daß, wo ein System von vielartigen Kräften eine Achse gewinnt, sie sich um dieselbe und um ihren Mittelpunkt so lagern, daß jedes Gleichartige zum gleichartigen Pol fließt und sich von demselben durch alle Grade der Zunahme bis zur Culmination, sodann durch den Punkt der Gleichgiltigkeit bis zum entgegengesetzten Pol nach festen Gesetzen ordne. Jede Kugel würde auf diese Weise eine Zusammensetzung zweier Hälften mit entgegengesetzten Polen; so jede Ellipse mit ihren Brennpunkten u.s.w.: die Gesetze dieser Construction lägen nach festen Regeln in den Wirkungskräften des Systems selbst, das sich also bildete. So wenig es bei einer Kugel einen Nordpol ohne einen Südpol geben kann, so wenig kann es bei jedem System von Kräften, das sich regelmäßig bildet, eine Gestalt geben, in der sich nicht ebensowol das Freundschaftliche und Feindschaftliche trennt, mithin eben durch das Gegengewicht, das beide einander nach ab- und zunehmenden Graden des Zusammenhanges leisten, ein Ganzes bildet. Wahrscheinlich gäbe es kein System elektrischer Kräfte, wenn es nicht zwei einander entgegengesetzte Elektricitäten gäbe; ein gleiches ist's mit der Wärme und Kälte, ein Gleiches mit dem Cyklus der Farben und jedem System von Erscheinungen, die nur durch das Mannichfaltige Einheit und durch das Entgegengesetzte Zusammenhang erhalten können. Die bemerkende Naturlehre, die nicht eben alt ist, wird in diesem Allen gewiß einmal so weit reichen, daß durch eine Reihe von Analogien jede blinde Willkür aus der physischen Welt verbannt sein wird, bei welcher Willkür Alles auseinanderfiele und im Grunde alle Gesetzte der Natur aufhörten. Denn, meine Freunde, wirkt der Magnet, die elektrische Kraft, das Licht, die Wärme und Kälte, die Anziehung, die Schwere u.s.w. willkürlich; ist das Dreieck willkürlich ein Dreieck, der Zirkel willkürlich ein Zirkel: so mögen wir nur alle Bemerkungen der Physik und Mathematik für Unsinn erklären und auf Offenbarungen dieser getroffenen Willkür warten. [120] Ist's aber gewiß, daß wir schon bei so vielen Kräften mathematisch genaue Naturgesetze gefunden haben, wer wollte die Grenze setzen, wo sie nicht mehr zu finden seien, wo ein blinder Wille anhübe? In der Schöpfung ist Alles Zusammenhang, Alles Ordnung; findet also irgendwo nur ein Naturgesetz in ihr statt, so müssen allenthalben Naturgesetze walten, oder die Schöpfung wird ein Chaos und stäubt aus einander.
THEANO. Sie entfernen Sich vom Gesetz des Hasses und der Liebe, Theophron, wo nach Ihnen System Eins ohne das Andre nicht sein kann.
THEOPHRON. Weil Alles in der Welt da ist, was da sein muß, d.i. was zu ihrem System gehört, so muß auch das Entgegengesetzte da sein, und ein Gesetz der höchsten Weisheit muß eben aus diesen Entgegengesetzten, aus dem Nord- und Südpol allenthalben das System bilden. In jedem Kreise der Natur ist die Tafel der zweiunddreißig Winde, in jedem Sonnenstrahl der ganze Farbenumkreis; es kommt nur darauf an, welcher Wind jetzt und dann wehe, welche Farbe hie oder da erscheine. Sobald aus dem Flüssigen das Feste hervortritt, krystallisirt und bildet es sich nach den innern Gesetzen, die in diesem System organisirender Kräfte lagen. Alles zieht an oder stößt zurück oder bleibt gleichgiltig gegen einander; die Achse dieser wirkenden Thätigkeiten geht zusammenhangend durch alle Grade. Der Chemiker veranstaltet nichts als Verbindungen und Trennungen; die Natur zeigt allenthalben Verwandtschaften, Freundschaften, Feindschaften auf die reichste, innigste Weise. In ihr sucht und findet sich, was sich einander liebt; daher die Naturlehre selbst nicht umhin gekonnt hat, eine Wahlanziehung bei den Verbindungen der Körper anzunehmen; was einander entgegengesetzt ist, entfernt sich von einander und kommt nur durch den Punkt der Gleichgiltigkeit zusammen. Oft wechseln die Kräfte rasch, ganze Systeme verhalten sich wie die einzelnen Kräfte de Systems zu einander: Haß kann Liebe, Liebe kann Haß werden; Alles aus einem und demselben Grunde, da jedes System nämlich in sich selbst Beharrung sucht und darnach seine Kräfte ordnet. Die Kräfte dieser Systeme können sehr verschieden [121] von einander sein und doch nach einerlei Gesetzen wirken, weil in der Natur zuletzt Alles zusammenhangt und nur ein Hauptgesetz sein kann, nach welchem sich auch das Verschiedenste ordnet.
THEANO. Nach unsrer Vorstellungsart kommt, dünkt mich das Gesetz der Beharrung, des Hasses und der Liebe diesem Hauptgesetz nah; denn ohngeachtet aller zahllosen Verschiedenheiten und entgegengesetzten Erscheinungen in der Natur erscheint allenthalben. Ich möchte einige Augenblicke ein höherer Geist sein, um diese große Werkstätte in ihrem Innern zu betrachten.
THEOPHRON. Warum ein höherer Geist, Theano? Hat es der Zuschauer von außen nicht angenehmer als ein Zuschauer von innen, der doch auch nie das Ganze übersehen konnte? Steht der Zuschauer vor dem Schauplatz nicht bequemer, als der in der Coulisse lauscht? Nach Wahrheit forschen, reizt; Wahrheit haben, macht vielleicht satt und träge. Der Natur nachzugehen, ihre hohen Gesetze zu ahnen, zu bemerken, zu prüfen, sich darüber zu vergewissern, jetzt sie tausendfach bestätigt zu finden und neu anzuwenden, allenthalben endlich dieselben weise Regel, dieselbe heilige Nothwendigkeit wahrzunehmen, lieb zu gewinnen, sich selbstanzubilden; das macht den Werth eines Menschenlebens. Denn, Theano, sind wir blos Zuschauer? sind wir nicht selbst Schauspieler, Mitwirker der Natur und ihre Nachahmer? Herrschen im Reich der Menschen nicht auch Haß und Liebe? und sind beide zu Bildung des Ganzen nicht gleich nothwendig? Wer nicht hassen kann, kann auch nicht lieben; nur er muß recht hassen und recht lieben lernen. Es giebt auch einen Punkt der Gleichgiltigkeit unter den Menschen; dies ist gottlob aber in der ganzen magnetischen Achse nur ein Punkt.
PHILOLAUS. Jetzt muß ich Sie erinnern, Theophron, daß Sie uns noch Ihr drittes Stück des großen Naturgesetzes schuldig sind, nämlich, »wie sich die Wesen einander verähnlichen und in Abdrücken ihrer Art eine fotwährende Reihe bilden«.
[122] THEOPHRON. Das heiligste und gewiß göttliche Gesetz. Alles was sich liebt, verähnlicht sich einander; wie zwei Farben zusammenstrahlen, daß eine mittlere dritte werde, so werden auf eine wunderbare Weise schon durch das theilnehmende Beisammensein menschliche Gemüter, ja sogar Geberden und Gesichtszüge, die feinsten Uebergänge der Denkart und Handlungsweise einander ähnlich. Schwärmerei, Wahnsinn, Furcht, alle Affecten sind ansteckende Uebel; nicht durch das, was in ihnen Uebel oder ein Nichts ist, sind sie so mächtig, sondern durch die Stärke ihrer wirkenden Kräfte; wie dann sollte sich nicht die Wirkung regelmäßiger Kräfte, d.i. Ordnung, Harmonie, Schönheit mit viel wesentlicherer Macht auf Andere erstrecken und sich ihnen mittheilen? Nur dadurch sahen wir Organisationen werden, daß stärkere Kräfte die schwächern in ihr Reich ziehen und nach eingepflanzten Regeln einer in sich nothwendigen Güte und Wahrheit sie zu einer Gestalt bilden. Alles Gute theilt sich mit; es hat die Natur Gottes, der sich nicht anders als mittheilen konnte; es hat auch seine unfehlbare Wirkung. Die Regeln der Schönheit z.B. drängen sich uns auf, sie strahlen uns an; unvermerkt gehen sie in uns über; eben dies ist das Geheimniß der überall zusammenhangend wirkenden, in sich selbst bestehenden Schöpfung. Das freundschaftliche Beisammensein menschlicher Gemüther verähnlicht sie einander ohne Gewalt, ohne Worte. Jener idealische Einfluß, den Leibniz bei seinen Monaden annahm, ist das ebenso mächtige als geheime Band der Schöpfung, das wir bei allen empfindenden, denkenden, handelnden Wesen unwidertreiblich und unzerstörbar bemerken. Verzweifle Niemand an der Wirkung seines Daseins; je mehr Ordnung in demselben ist, je gleichförmiger den Gesetzen der Natur er handelt, desto unfehlbarer ist seine Wirkung. Er wirkt wie Gott, in Gott; er kann nicht anders als ein Chaos [123] um sich her ordnen, Finsterniß vertreiben, damit Licht werde; feiner schönen Gestalt verähnlicht er Alles, was mit ihm ist, selbst mehr oder minder was streitend ihm entgegenfährt, sobald er durch Güte und Wahrheit überwindet 72
THEANO. Erquickende Wahrheit, Theophron! Schon dadurch zeigt sie ihr himmlisches Siegel, daß sie unserm Herzen zuspricht und tausend Erfahrungen meines Lebens in mir aufruft. Es liegt eine unnennbare Kraft im Dasein eines Menschen, ich meine, wie sein handelndes Beispiel wirkt. Das innigste, stillste Gute in mir ist auf diese Weise mein worden; ohne Geräusch der Worte ging es in mich über. Auch deswegen ist mir Ihre Gedankenweise lieb, Theophron, da sie mir allenthalben dies Dasein, diese Wirklichkeit und in ihr den Allwirksamen gegenwärtig macht, der durch das Dasein seiner Geschöpfe selbst in wesentlichen Regeln der Harmonie und Schönheit fortgehend, still und tief auf uns wirkt. Jetzt sehe ich's, wie Alles Gott ähnlich werden soll, ja, wenn ich so sagen darf, ihm ähnlich werden muß, was in seinem Reich lebt. Seine Gesetze, seine Gedanken und Wirkungen drängen sich uns auch wider unsern Willen in tausend und abermal tausend Erweisen seiner Ordnung, Güte und Schönheit als unwandelbare Regeln auf; wer nicht folgen will, muß folgen; denn Alles zieht ihn, er kann der allgewaltigen Kette nicht entweichen. Wohl Dem, der willig folgt: er hat den süßen täuschenden Lohn in sich, daß er sich selbst bildete, obwohl ihn Gott unablässig bildet. Indem er mit Vernunft gehorcht und mit Liebe dient, so prägt sich ihm aus allen Geschöpfen und Begebenheiten das Gepräge der Gottheit auf: er wird vernünftig, gütig, geordnet, glücklich; er wird Gott ähnlich. – Aber lassen Sie uns zur Haushaltung der Natur zurückkehren! Ist nicht ein Zwang[124] darin, daß eine Kraft die andere überwältigt, sie an sich zieht, zu sich zwingt und mit sich einigt? Wenn ich bemerke, daß alles Leben der Geschöpfe auf der Zerstörung andrer Gattungen ruht, daß der Mensch von Thieren, Thiere von einander oder auch nur von Pflanzen und Früchten leben, so sehe ich freilich Organisationen, die sich bilden aber die zugleich andre zerstören, d.i. Mord und Tod in der Schöpfung. Ist nicht ein Gräschen, eine Blume, eine Frucht des Baumes, endlich ein Thier, das dem andern zur Speise wird, eine so schöne Organisation, als die Organisation Dessen ist, der es zerstörend in sich verwandelt? Verjagen Sie diese Wolke, Theophron; sie zieht sich mir wie ein Schleier vors Angesicht der Sonne, die mir aus jedem Geschöpf strahlte.
THEOPHRON. Sie wird fliehen, Theano, wenn Sie bemerken, daß ohne diesen scheinbaren Tod in der Schöpfung Alles wahrer Tod, d.i. eine träge Ruhe, ein ödes Schattenreich wäre in welchem alles wirksame Dasein erstürbe. Eben jetzt sprachen Sie wie eine Schülerin des Plato; haben Sie in Ihrem Lehrer nicht gefunden, daß in dem Veränderlichen Alles Veränderung, daß auf dem Flügel der Zeit Alles Fortgang, Eile, Wanderung sei? Hemmen Sie ein Rad in der Schöpfung, und alle Räder stehen stille; lassen Sie einen Punkt dessen, was wir Materie nennen, träge und todt sein, so ist Tod allenthalben.
PHILOLAUS. Ich erinnere mich hiebei so manches unphilosophischen Wahnes, daß es z.B. Atomen, absolut harter Körper und dergleichen in der Natur gebe. Giebt es solche, so wird an ihnen alle Bewegung zu Schanden; ein unendlich kleiner Atom hemmte die Räder der ganzen Schöpfung.
THEOPHRON. Wolan als, wenn es keine absolute Ruhe, keine völlige Undurchdringlichkeit, Härte, Träge geben kann, die ein Alles entkräftendes Nichts, mithin ein Widerspruch wäre, so müssen wir uns schon, meine Freunde, mit unsern Gedanken auf den Strom des Plato wagen, wo alles Veränderliche eine Welle, wo alles Zeitliche ein Traum ist. Erschrecken Sie nicht, Theano; fürchten Sie nicht: es ist sie Welle eines Stromes, der selbst ganz [125] Dasein ist, der Traum einer selbstständigen, wesentlichen Wahrheit. Der Ewige, der in Erscheinungen der Zeit, der Untheilbare, der in Gestalten des Raumes sichtbar werden wollte, konnte nicht anders als jeder Gestalt das kürzeste und zugleich das längste Dasein geben, das nach dem Bilde des Raums und der Zeit ihre Erscheinung fordert. Alles, was erscheint, muß verschwinden; es verschwindet, sobald es kann, es bleibt aber auch, so lange es kann; hier wie allenthalben fallen die beiden Extreme zusammen und sind eigentlich eins und dasselbe. Jedes beschränkte Wesen bringt als Erscheinung den Keim der Zerstörung schon mit sich: mit unaufhaltbarem Schritt eilt es zur größten Höhe hinauf, damit es hinuntereile und unsern Sinnen verschwinde. Bemerken Sie die Linie, die ich hier zeichne!
THEANO. Traurige Bemerkung!
THEOPHRON. Sehen Sie die Blume an, wie sie zu ihrer Blüthe eilt! Sie zieht den Saft, die Luft, das Licht, alle Elemente an sich und arbeitet sie aus, damit sie wachse, Lebenssaft bereite und eine Blüthe zeige; die Blüthe ist da, und sie verschwindet. Sie hat alle ihre Kraft, ihre Liebe und ihr Leben daran gewandt, damit sie Mutter werde, damit sie Bilder ihrer selbst zurücklasse und ihr kräftiges Dasein vermehrend fortpflanze. Nun ist auch ihre Erscheinung hin: sie hat solche im rastlosen Dienst der Natur verzehrt, und man kann sagen, daß sie vom Anfange ihres Lebens an auf ihre Zerstörung gearbeitet habe. Was aber ist ihr zerstört als eine Erscheinung, die sich nicht länger halten konnte? die, da sie dem höchsten Punkt unsrer Linie erreicht hatte, in welchem das Maximum ihrer Bestimmung, die Gestalt und das Maß ihrer Schönheit lag, wider hinabwärts eilte? Dies that sie nicht etwa (welches ein trauriges Bild wäre), jüngern lebendigen Erscheinungen als eine jetzt todte Platz zu machen; als eine lebendige vielmehr brachte sie mit aller Freude des Daseins das Dasein derselben hervor und überließ es in dauernden Keimen dem fortblühenden Garten der Zeit, in welchem auch sie blühte. Denn sie selbst ist mit dieser Erscheinung nicht gestorben, so lange die Kraft ihre Wurzel fortdauert; aus ihrem Winterschlaf wird sie wieder erwachen und aufstehen in neuer Frühlings- und Jugendschöne, die Töchter ihres Daseins, jetzt ihre Freundinnen und [126] Schwestern, an ihrer jungfräulichen Seite. Es ist also kein Tod in der Schöpfung; er ist ein Hinwegeilen dessen, was nicht bleiben kann, die Wirkung einer ewig jungen, rastlosen, dauernden Kraft, die ihrer Natur nach keinen Augenblick müssig sein, stille stehen, unthätig bleiben konnte. Immer und immer arbeitet sie auf die reichste, schönste Weise zu ihrem und zu so viel Anderer Dasein, als sie Dasein hervorzubringen, mitzutheilen vermochte. In einer Welt, wo sich Alles verwandelt, ist jede Kraft in ewiger Wirkung, mithin in fortgesetzter Verwandlung ihrer Organe; diese Verwandlung selbst ist eben der Ausdruck ihrer unzerstörbaren Wirksamkeit voll Weisheit, Güte und Schönheit. So lange die Blume lebte, arbeitete sie zu ihrem eigenen Flor wie zur Vervielfältigung ihres Daseins; sie ward (das Höchste, was ein Geschöpf werden kann) eine Schöpferin durch eigne organische Kräfte. Als sie starb, entzog sich der Welt eine verlebte Erscheinung; die innere lebendige Kraft, die sie hervorbrachte, zieht sich in sich selbst zurück, um sich abermals in junger Schönheit der Welt zu zeigen. Können Sie Sich ein schöneres Gesetz wesentlicher Weisheit und Güte in dem, was Veränderung heißt, gedenken Theano, als daß sich Alles zum neuen Leben, zu neuer Jugendkraft und Schönheit im raschesten Lauf drängt und daher jeden Augenblick verwandelt?
THEANO. Ich sehe einen schönen Schimmer, Theophron; aber die Morgenröthe sehe ich noch nicht.
THEOPHRON. Gedenken Sie Sich nun alle Naturkräfte in dieser rastlosen Arbeit, in Eile zur Verwandlung auf dem Flügel der Zeit. Was scheint uns geringer als ein Blatt? Und kein Theilchen eines Blattes darf einen Augenblick müssig sein: es zieht an, es stößt hinweg (dazu hat es seine zwei so verschieden gebildeten Seiten); immer und immer wechseln die Theile seines organischen Kleides, bis es fällt und auflöst. Leben ist also Bewegung, [127] Wirkung, Wirkung einer innigen Kraft mit dem Genuß und Bestreben einer Beharrung verbunden. Und da im Reich der Veränderung nichts unverändert bleiben kann, und doch Alles sein Dasein erhalten will und muß, so ist Alles in einer ewigen Palingenesie, damit es immer daure und immer jung erscheine.
THEANO. Ob diese Verwandlung aber auch Fortrückung wäre?
THEOPHRON. Gesetzt, sie wäre dies nicht, sie wäre aber das einzige Mittel, dem Tode und einem ewigen Tode zu entgehen, d.i. sie erhielte unsre lebendige Kraft im fortdauernden Wirken, in innig gefühltem Dasein, so wäre sie schon eine so wünschenswerthe Wohlthat, als ein ewiges Leben vor einem ewigen Tode wünschenswerth ist. Nun aber, Theano, können Sie Sich wol ein fortgesetztes Leben, eine immerhin fortwirkende Kraft ohne Fortwirkung, d.i. einen Fortgang ohne Fortgang denken?
THEANO. Es scheint ein Widerspruch.
THEOPHRON. Und ist einer. Zwar muß jede Kraft, die im Raum und in der Zeit Erscheinungen annimmt, die Schranken behalten, die ihr Raum und Zeit geben; mit jedem Wirken aber macht sie ihr folgendes Wirken leichter, und da sie dies nicht anders als nach eingepflanzten innern Regeln der Harmonie, Weisheit und Güte thun kann, die sich jedem Geschöpf liebreich aufdringt, einprägt und ihm bei jeder seiner Wirkungen beisteht, so sehen Sie allenthalben ein Fortrücken aus dem Chaos zur Ordnung, d.i. eine innige Vermehrung und Verschönerung der Kräfte in neu erweiterten Schranken nach immer mehr beobachteten Regeln der Harmonie und Ordnung. Jeder blinden Kraft dringt sich Licht, jeder regellosen Macht Vernunft und Güte auf; keine ihrer Uebungen, keine Wirkung in der Schöpfung war vergebens. Es muß also Fortgang sein im Reiche Gottes, da in ihm kein Stillstand, noch weniger ein Rückgang sein kann.
[128] THEANO. Aber die Gestalt des Todes!
THEOPHRON. Ist kein Tod in der Schöpfung, so giebt es auch keine Todesgestalt. Heiße diese, wie sie wolle, sie ist Uebergang zur neuen Organisation, das Einspinnen der abgelebten Raupe, damit sie als ein neues Geschöpf erscheine. Sind Sie be friedigt, Theano?
THEANO. Ich bin's und verlasse mich auf die weise Güte, die mich hieher brachte, mir ohne mein Verdienst so viele Kräfte, gewiß nicht umsonst, gab und mich mit tausend Kräften voll Liebe und Güte umringt, meinen Verstand, mein Herz, meine Handlungen nach einer ewigen Regel nothwendiger, in sich selbst gegründeter Weisheit und Güte zu ordnen. Sie schweigen, Philolaus?
PHILOLAUS. Ich will nachholen und sogleich eine Reihe Folgen hinzusetzen, die aus Theophron's System einer in sich selbst nothwendigen Wahrheit und Güte zu folgen scheinen. Beim zweiten Satz bleiben wir; also:
III. Alle Kräfte der Natur wirken organisch. Jede Organisation ist ein System lebendiger Kräfte, die nach ewigen Regeln der Weisheit, Güte und Schönheit einer Hauptkraft dienen.
IV. Die Gesetze, nach denen diese herrscht, jene dienen, sind: innerer Bestand eines jeglichen Wesens, Vereinigung mit Gleichartigem und vom Entgegengesetzten Scheidung, endlich Verähnlichung mit sich selbst und Abdruck seines Wesens in einem andern. Sie sind Wirkungen, dadurch sich die Gottheit selbst offenbart hat; und keine andern, keine höheren sind denkbar.
V. Kein Tod ist in der Schöpfung, sondern Verwandlung; Verwandlung nach dem Gesetz der Nothwendigkeit, nach welchem jede Kraft im Reich der Veränderung sich immer neu, immer wirkend erhalten will und also durch Anziehen und Abstoßen, durch Freundschaft und Feindschaft ihr organisches Gewand unaufhörlich ändert.
[129]VI. Keine Ruhe ist in der Schöpfung; denn eine müssige Ruhe wäre Tod. Jede lebendige Kraft wirkt und wirkt fort; mit jeder Fortwirkung also schreitet sie weiter und arbeitet sich aus, nach innen ewigen Regeln der Weisheit und Güte, die auf sie dringen, die in ihr liegen.
VII. Je mehr sie sich ausarbeitet, desto mehr wirkt sie auch auf Andre; indem sie ihre eignen Schranken erweitert, organisirt sie und prägt auf Andre das Bild der Güte und Schönheit, das in ihr wohnt. In der ganzen Natur also herrscht ein nothwendiges Gesetz, daß aus dem Chaos Ordnung, aus schlafenden Fähigkeiten thätige Kräfte werden. Die Wirkung dieses Gesetzes ist unaufhaltbar.
VIII. Im Reich Gottes existirt also nichts Böses, das Wirklichkeit wäre. Alles Böse ist ein Nichts; wir nennen aber Uebel, was Schranke oder Gegensatz oder Uebergang ist, und keins von dreien verdient diesen Namen.
IX. So wie aber Schranken zum Maß jeder Existenz im Raum und in der Zeit gehören und im Reich Gottes, wo Alles da ist, auch das Entgegengesetzte da sein muß, so gehört es mit zur höchsten Güte dieses Reichs, daß das Entgegengesetzte selbst sich einander helfe und fördre; denn nur durch die Vereinigung beider wird eine Welt in jeder Substanz d.i. ein bestehendes Ganzes, vollständig an Güte sowie an Schönheit.
X. Auch die Fehler der Menschen sind einem verständigen Geist gut; denn sie müssen sich ihm, je verständiger er ist, desto eher als Fehler zeigen und helfen ihm also wie Contraste zu mehrerem Licht, zu reinerer Güte und Wahrheit. Und auch dies Alles nicht als Willkür, sondern nach Gesetzen der Vernunft, Ordnung und Güte.
Sind Sie mit meinen Folgerungen zufrieden, Theophron?
THEOPHRON. Sehr. Ihr scharfsinniger Geist eilt voran, Philolaus, wie ein edles Roß, dem man nur die Rennbahn öffnen [130] darf und es fliegt zum Ziele. Ich danke dem Schatten des Spinoza, daß er uns so angenehme Stunden des Gesprächs mit einander verschafft hat; mir kommt die Gelegenheit, über Materien dieser Art zu reden, selten. Und doch erheben sie den Geist so einzig und bilden ihn zur hellen, scharfen, nothwendigen Wahrheit. Noch gewähren mir diese Gespräche mit Ihnen ein zweites Vergnügen, daß sie mir nämlich Ideen der Jugend zurückbringen, mit denen ich an Leibniz', Shaftesbury's und Platon's Seite manche süße Stunde gewiß mehr als verträumte.
THEANO. Um so lieber wäre es mir, Theophron, wenn Sie etwas Zusammenhangendes hierüber aufzeichneten. Ein Gespräch verfliegt, und einem geschriebenen Gespräch über Materien dieser Art scheint immer etwas zu fehlen. Man wird fortgezogen und ist am Ende, ehe man's dachte; man fühlt aber einen Trieb, zurückzukehren.
THEOPHRON. So kehre man zurück, Theano, bis das Gespräch uns gleichsam selbst aus der Seele fließt. Bei manchen seiner Nachtheile hat es dochdas Gute, daß es uns vor dem Auswendiglernen bewahrt, und wahre Philosophie muß nie auswendig gelernt werden.
THEANO. Die Regel möchte ich meinem Bruder wünschen. Er ist seit einiger Zeit mit einem Wortkram befangen, der ihm den Kopf verwirrt, sobald er davon redet. Er spricht nie mit seinen eignen, natürlichen, sondern mit fremden Worten, als ob er in fremden Zungen oder als ob ein Dämon aus ihm spräche. Er hat sich, wie er sagt, in ein System hineinstudirt. Ich wünsche, Theophron, daß Sie den Spinoza, Descartes, Leibniz, und wer es sonst sei, wegließen und blos Ihre Gedanken aufschrieben.
THEOPHRON. Ich halte mich gern an Fußtapfen, die vor mir sind, Theano; es fehlt mir auch noch viel, ein Werk entwerfen zu können, auf welches die nothwendige, ewige Wahrheit selbst ihr Siegel drückte.
[131] PHILOLAUS. Darf ich jetzt mit meinem Vorbehalt erscheinen, Theophron? Ihr erster Grundsatz hieß:
»Das höchste Dasein hat seinen Hervorbringungen das Höchste gegeben, Wirklichkeit, Dasein«.
Gerade dies, sagt man, mangelt dem System unsers Philosophen: nach ihm giebt sich kein Dasein, es ist nur eine Substanz; wir sind blos Modificationen.
THEOPHRON. Modificationen wessen? Des Daseins im höchsten Verstande. Die eine Partei zürnt, daß Spinoza uns zu viel, die andre, daß er uns zu wenig einräumt; beide können sich vielleicht in keinem schicklichern Ausdruck als dem seinigen vereinen. Weisen der Existenz sind wir; diese nennen wir Individualitäten. Jeder hat und ist eine eigne Weise, d.i. eine eigne Individualität. Wissen Sie einen bessern Ausdruck?
PHILOLAUS. Man glaubt gerade das Gegentheil: »Spinoza habe uns unsre Individualität genommen, aus diesem Standpunkt lasse sich sein System am Bündigsten anfechten und zerstören«. –
THEOPHRON. Wie man denn auch glaubt, er habe dem höchsten Dasein sein Dasein, sein Selbstbewußtsein geraubt. »Todt ist Osiris; seine zertheilten Glieder flattern hie und dort als Modificationen umher. Modificationen ohne Wesen, Radien ohne Mittelpunkt; wiederum der wirksamste Mittelpunkt ohne Radien, das wirklichste Wesen ohne Darstellungen seiner Wirklichkeit« – denken Sie den sich selbst widersprechenden Unsinn! Theano soll uns zurechthelfen; was ist bei Ihnen selbstständig, wirksam-bleibend und bleibend-wirksam, was sind Sie selbst, Theano?
THEANO. Meine Gestalt gehört mir an; aber ich bin nicht meine Gestalt. Das sagt mir das Gemälde meiner Kindheit, das sagt mir in Leid und Freude, in Gesundheit und Krankheit mein Spiegel.
THEOPHRON. Und doch waren und sind Sie in diesem Wechsel von Zuständen immer Dieselbe, dasselbe Individuum.
THEANO. Mit meiner Phantasie nicht; die änderte sich mit den Jahren. Mit dem, was wir Geschmack, Liebhaberei, Affectionen nennen, nicht; auch sie sind Kleider, die wir unvermerkt ändern. Daß endlich unser Gedächtniß ermatte, unsre Erinnerung welke – lassen Sie mich an diese trübe Jahreszeit des menschlichen Lebens nicht gedenken. Uns Allen komme sie spät!
[132] THEOPHRON. Wenn also im Reich der Sinnlichkeit, der Phantasie, des Geschmacks, der Begierden der Mittelpunkt der Selbstbestandheit nicht liegt, wo liegt er?
THEANO. In meinem Selbst; weder als Begriff noch als Empfindung läßt sich, wie mich dünkt, das Wort weiter zergliedern. Ich war Kind und erwuchs, war krank und ward gesund, schlief und wachte; bei allen Veränderungen, die mit mir vorgingen, von innen und außen, nannte man mich nicht nur, sondern ich empfand und nannte michDieselbe.
THEOPHRON. Dies Principium der Selbstheit hing also nicht von Ihnen ab, als ob es, aus Raisonnement entstanden, durch Reflexion unterhalten werden müsse, als ob es auf dieser beruhe und ohne sie verschwände.
THEANO. Wie könnte dies sein? Daß trotz aller Veränderungen mein Körper und Geist zwar nicht dieselbe, aber ich dieselbe, ein Selbst bleibe, hängt von meinem Raisonnement nicht ab. Wachend raisonnire ich nicht zu viel, schlafend gar nicht, und in den Zaubergegenden des Traums war ich oft eine Andre. Reflectire ich wachend über mich selbst, so finde ich mein kleines Selbst getheilt; ich theile es selbst künstlich.
THEOPHRON. Also liegt die Ueberzeugung von unserm Selbst, das Principium unsrer Individuation tiefer, als wohin unser Verstand, unsre Vernunft, unsre Phantasie reicht. Sie haben es getroffen, Theano; als Begriff und als Empfindung liegt es in dem Worte Selbst selbst. Selbstbewußtsein, Selbstwirksamkeit, sie machen unsre Wirklichkeit, unser Dasein; auf ihnen ruht die Leiter aller unserer ausgebildeten und unausgebildetetn Vermögen, Triebe und Thätigkeiten, die von der Erde gen Himmel reicht. Glauben Sie nun wol, Theano, daß die Principium der Individuation (wir mögen es Selbstgefühl, Selbstbewußtsein oder anders nennen) bei Allem, was da ist, in gleichem Grad wirksam und thätig sei?
THEANO. Gewiß nicht. Eine lebendige und diese gestickte Rose, der Rosenbusch und die Nachtigall, die auf ihm singt, der Schmetterling, der an der Rose hängt, können weder dieselbe Art noch denselben Grad des Selbstgefühls, des Selbstbewußtseins, mithin des Daseins haben; und wir Menschen?
THEOPHRON. Also sind sie und wir verschiedne »Weisen der Existenz«, mit verschiednen Arten und Graden des Selbstbewußtseins, Modificationen der Wirklichkeit tiefer und tiefer hinab, höher und höher hinan: und wir Menschen! Glauben Sie wol, daß alle unsers Geschlechts ein gleich tiefes Selbstgefühl, [133] ein gleich wirksames Selbstbewußtsein, mithin ein gleich inniges Dasein haben?
THEANO. Am Wenigsten. Manche menschliche Organisation möchte man im Innern kaum der Individualität der Blume, des Vogels, ja manches wilden Thiers vergleichen.
THEOPHRON. Vergleichen, immer jedoch im Kreise menschlicher Gefühle; denn die Basis seines Geschlechts kann kein Individuum verleugnen. Welche, meinen Sie nun , wäre die höchste, reinste, schönste Individuation?
THEANO. Kein Zweifel! Die Form aller Formen. Sie, die Alles umfaßt, deren Wirksamkeit sich durch Alles verbreitet. Je mehr sie umfassen kann, je mehr sie mitzutheilen vermag, desto mehr muß siehaben, d.i. sein.
PHILOLAUS. Nicht mehr, meine Freunde; jedes fernere Wort wäre zu viel. Das einzige und ewige Principium der Individuation sehe ich im System unsers Philosophen an einen Faden entwickelt, der und in unser innerstes Selbst leitet. Je mehr Leben und Wirklichkeit, d.i. je eine verständigere, mächtigere, vollkommnere Energie ein Wesen zur Erhaltung eines Ganzen hat, das sich angehörig fühlt, dem es sich innig und ganz mittheilt, desto mehr ist es Individuum, Selbst. Hiernach bestimmte Spinoza die Vorzüglichkeit des menschlichen Körpers, die Fähigkeiten der menschlichen Seele und führte Alles auf Den zurück, durch den Alles lebt, in dem wir leben und sagen dürfen: »Wir sind seines Geschlechts durch Bewußtsein durch die uns eigensten, mächtigsten Kräfte.«
THEOPHRON. Statt also mit Worten in der Luft zu fechten, lasset uns unser wahres Selbst aufwecken und das Principium der Individuation in uns stärken! Je mehr Geist und Wahrheit, d.i. je mehr thätige Wirklichkeit, Erkenntniß und Liebe des Alls zum All in uns ist, desto mehr haben und genießen wir Gott, als wirksame Individuen, unsterblich, unzertheilbar. Nur Der, in dem Alles ist, der Alles hält und trägt, darf sagen: »Ich bin das Selbst, außer mir ist Keiner.«
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