[256] Schlaf und Tod.
Ein Abendsegen

März 1767.


Komm, o Du des Todes Bild,
Sanfter Schlaf, und breite
Dein Gefieder über mich!
Süßen Schlummers Beute
Ist doch das ganze Leben!
Ist Traumwerk eitler Phantasie,
Die – ach, bald auch welket sie!
Sinkt mattem Schlummer zu!
In sanfter Ohnmacht Ruh
Schwimmen, schwinden hin der Seele Bilder!
Wie dämmernder Quell,
Alle Lebenswogen!
Wird's mir, wird es auch so sein
Im Todesschlummer?
Wie von später, ferner Zeit
Kommen dunkle Träume
Matt zurück! In neue Welt
Schatten Jugendbäume
Die stille Seel' hinüber!
Ist's immer nicht dieselbe Welt,
Die dem Schlummertraum gefällt?
Wird's ewig auch so sein?
Wirst, erster Jugend Pein,
Pein und Wonne, Du mir wiederkommen?
Zwar matter und spät,
Spät und doch dieselbe?
Schöpfer! ahnet mir ein Traum
Selbst Ewigkeiten?
Sanfter Schlaf, der Dich erfand,
Birgt auch diese Sorgen!
[257]
Grauer Schleier hüllet sie.
Und am schönen Morgen
Ist selbst der Schlafgedanke
Wie Traum! schon Traum mein Schlafgebet,
Das – Du weißt es, was? – erfleht!
Zu wiegen mich in Schlaf,
Zu wähnen noch im Schlaf
Theure, ferne Lebensfreunde. – Schirme,
Beschirme sie, Gott!
Schlaf und Lebenswachen
Sendest Du der Menschenzeit,
Ja, Alles Träume!

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