Die Bestimmung des Menschen

Als die Königin der Dinge,
Reich an unerschöpftem Reiz,
Wesen schuf, war nichts ihr zu geringe;
Sie begabete mit mildem Geiz;
Denn das Füllhorn aller Trefflichkeiten
War in ihrer Mutterhand,
Und sie paarte, was an Lieblichkeiten,
Wechselnd auch, zusammen je bestand.
Einen Schmuck von tausend Farben
Webte sie um Florens Brust;
Neu verjünget, wenn die Schwestern starben,
Treten Schwestern auf mit Siegeslust.
In ein Chor von tausend süßen Liedern
Theilte sich ihr mächt'ger Klang,
Der auf bunten schwebenden Gefiedern
Disharmonisch-schön zum Himmel drang.
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Stärke, Klugheit, sanfte Triebe,
Schönheit in jedweder Art,
Und in tausend der Gestalten Liebe
Ward umhergegossen ungespart.
Endlich trat sie in sich selbst und senkte
Tief sich in ihr Mutterherz:
»Meinem Liebling, wie wenn ich ihm schenkte
Aller meiner Kinder Lust und Schmerz?«
Und sie sann. Auf einem Wege
Ward aus Allem Sympathie.
»Ferne,« sprach sie, »sei von ihm die Träge;
Seine Lust sei ewig-süße Müh!
Angeboren werd' ihm nichts; geboren
Werd' in ihm ein ew'ger Trieb;
Und auch jedes Glück, durch Schuld verloren,
Werd' ihm tausendfach durch Reue lieb!
Nur in Andern sei sein Leben,
Wirksamkeit sein schönster Lohn!
Enkel, die ihm Dank und Ehre geben,
Lohnen ihn für seiner Brüder Hohn.
So vereint durch alle Folgezeiten
Strebe seine süße Müh;
Neu gestärkt durch Widerwärtigkeiten,
Steige mehr und mehr umfassend sie!
Auch im Kleinsten werd' ums Ganze
Ewig dies Geschlecht verdient;
Nur am Ziel, im schönsten Abendglanze,
Hängt der Kranz, der für den Menschen grünt.
Für die Leidenden, die ihn umringen,
Weih' ich ihn der Menschlichkeit,
Und sein Herz, wenn Seufzer auf ihn dringen,
Zum Altare der Barmherzigkeit.«
Mutterkönigin! das schwächste Wesen,
Das man einzeln nur beweint,
Hast Du Dir im Ganzen auserlesen
Und gesammt durch Lieb' und Noth vereint.
Deinen Sinn fürs Größere und Größte
Und Dein Mutterherz, Natur,
Gabst Du uns. Da Bessere und Beste
Weckt uns stets und lebt im Ganzen nur.

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