Die Aeolsharfe
Nach Thomson.
1795.
Kommt, ätherische Wesen,
Luftbewohner, die Ihr über der Menschheit Loos
[116]Euch betrübt und erfreuet!
Aeol's Saiten erwarten Euch. –
Horch, sie kommen unsichtbar. –
Diesen traurigen Ton, sang ihn ein Liebender,
Der zum Tod in die Schlacht zog? –
Jenen zärteren, sanftern Laut,
Diesen Seufzer verhauchte
Braut und Mutter? – Erklang diesen ein flehender
Greis, der unter der Knechtschaft
Harten Fessel daniedersank? –
Süße Töne beginnen.
Seid Ihr Kindesgelall? oder der Säuglinge
Und des Knaben und Mädchens
Erste Freuden? O weilet, weilt! –
Weilt auch Ihr, die Ihr wieder-
Kehret, Seufzer des Manns, die Ihr den letzten Hauch
Seines brechenden Herzens
Einem fühlenden Weltgeist gabt!
Horch! In tieferem Tone
Bebt die Saite; wer ist's? Eines Hermiten Ton,
Der, ein heiliger Barde,
Sich beseufzt und das Vaterland.
Horch! An Babylon's Weiden
Klang die Harfe so dumpf, und so erhaben jetzt,
Da sie Freuden der Zukunft,
Hell in Tönen, frohlockend singt.
Horch! So klinget die Harfe
Eines Engels im Chor himmlischer Geister, wenn
Sich die lösende Seele
Sanft von Athem zu Athem hebt,
Bis allmächtig erklinget
Aller Seligen Chor, aller Befreieten,
Die, der drückenden Bande
Los, beginnen den Weltaccord.
[117]
Singt, Ihr Hauche des Weltalls,
Wandernde Stimmen, singt Eure phantastischen
Töne, denen erwartend
Meine künstliche Leyer schweigt.