Heinrich Heine
Aphorismen und Fragmente
[363] Wir haben das körperliche Indien gesucht und haben Amerika gefunden; wir suchen jetzt das geistige Indien – was werden wir finden?
Wie überhaupt jeder einen bestimmten Gegenstand in der Sinnenwelt auf eine andre Weise sieht, so sieht auch jeder in einem bestimmten Buche etwas anderes als der andre. Folglich muß auch der Übersetzer ein geistig begabter Mensch sein, denn er muß im Buche das Bedeutendste und Beste sehen, um dasselbe wiederzugeben. Den Wortverstand, den körperlichen Sinn kann jeder übersetzen, der eine Grammatik gelesen und ein Wörterbuch sich angeschafft hat. Nicht kann aber der Geist von jedem übersetzt werden. Möchte dies nur bedenken jener nüchterne, prosaische Übersetzer Scottscher Romane, der so sehr prahlt mit seiner Übersetzungstreue und über das »braune Bier« so hübsch lacht et sic porro. Wie es auf den Geist ankommt, beweise zunächst Forsters Wiederübersetzung der »Sakontala«.
Es ist zu wünschen, daß sich das Genie des Sanskritstudiums bemächtige; tut es der Notizengelehrte, so bekommen wir bloß – ein gutes Kompendium.
Der Indier konnte nur ungeheu'r große Gedichte liefern, weil er nichts aus dem Weltzusammenhang schneiden konnte, wie [363] überhaupt der Anschauungsmensch; die ganze Welt ist ein Gedicht, wovon der »Mahabharata« nur ein Kapitel. – Vergleich der indischen mit unsrer Mystik, diese übt den Scharfsinn an Zerteilung und Zusammensetzung der Materie, bringt es aber nicht zum Begriff. – Anschauungsideen, etwas, das wir gar nicht kennen. – Die indische Muse ist die träumende Prinzessin in dem Märchen –
Goethe, im Anfang des »Fausts« benutzt die »Sakontala«.
Die epischen Gedichte der Indier sind ihre Geschichte; doch können wir sie erst dann zur Geschichte benutzen, bis wir die Gesetze entdecken, nach welchen die Indier das Geschehene ins phantastisch Poetische umwandeln; dies ist uns noch nicht bei der Mythologie der Griechen gelungen, doch mag es bei diesen schwerer sein, weil diese das Geschehene beständig zur Fabel ausbildeten in immer bestimmterer Plastik. Bei den Indiern hingegen bleibt die phantastische Umbildung noch immer Symbol, das das Unendliche bedeutet und nicht nach Dichterlaune in bestimmteren Formen ausgemeißelt wird.
Der Kaiser Napoleon I. – keusch wie Eisen – Seine Feinde – die Nebelgespenster, die des Nachts die Vendômesäule umtanzen und hineinbeißen –
Man weiß nicht, warum unsere Fürsten so alt werden – sie fürchten sich zu sterben – fürchten in der anderen Welt den Napoleon zu finden –
Wie die Griechen das Leben blühend und heiter darstellten und zur Aussicht gaben die trübe Schattenwelt des Todes, so [364] hingegen ist nach christlichen Begriffen das jetzige Leben trüb und schattenhaft, und erst nach dem Tod kommt das heitre Blütenleben. Das mag Trost im Unglück geben, aber taugt nicht für den plastischen Dichter. Drum ist die »Ilias« so heiter jauchzend, das Leben wird um so heiterer erfaßt, je näher unsre Abfahrt zur zweiten Schattenwelt, z.B. von Achilles.
Der preußische Adel ist etwas Abstraktes, er bezieht sich rein auf den Begriff der Geburt, nicht auf Eigentum – sie haben kein Geld –
Clauren ist jetzt in Deutschland so berühmt, daß man in keinem Bordell eingelassen wird, wenn man ihn nicht gelesen hat –
Russisches Datum –
Ich habe jetzt die letzte Gelegenheit, etwas...
Die beste Geschichte:
Marktschreier zu Pferd, ironisch spricht er von den Ärzten zu Fuß, von ihrer Operation beim Zahnausziehn, ominöses Niedersetzen – ein Buckeliger läßt sich den Zahn ausziehn –
Blinder Scharlatan auf dem Markt, verkauft Augenwasser, das gegen Blindheit schützt, er hat selbst nicht dran geglaubt und ist blind geworden. Tragische Schilderung der Blindheit –
Der Taschenspieler hat das Bild von der Hochzeit zu Kana aufgesteckt, wie Christus Wein und Brot macht, ein Stückchen, welches weder Bosco noch Habit, ja nicht mal Jancke von Amsterdam nachmachen können.
[365] ›Priestertum, ein Rest frühester Zivilisation, nichts ist davon übriggeblieben als der Betrug –‹
Eine Dame, welche schon anfing, nicht mehr jung zu sein –
Die Toren meinen, um das Kapitol zu erobern, müsse man zuerst die Gänse angreifen –
Mel in ore, verba lactis,
Fel in corde – fraus in factis.
Philologie in Handelsstädten – Handwerker oder Philologe soll man werden, man wird zu allen Zeiten Hosen brauchen, und es wird immer Schulknaben geben, die Deklinationen und Konjugationen gebrauchen –
Gefährlicher Gedanke – hatte ihn outside of a stage-coach –
Da und da hatte ich einen großen Gedanken, hab ihn aber vergessen. Was mag es wohl sein? Plage mich mit Erraten –
Tragödienkritik, wo angenommen wird, der Held wolle ganz etwas anderes, als er sagt. Durchführung des Verschweigens –
Ein gefühlvoll helles Auge, ruhige, sinnreiche Lippen – schöne, lächelnde Blume – tiefsinnige Stimme –
[366] Süßlich zerquetschtes eingemachtes Gesicht mit ängstlich kleinlichen Augen – lächelnder Gang – Er sprudelte von Dummheit.
Er ist der witzigste Kopf – es wird interessant und wichtig für die Wissenschaft sein, wenn man an seinem Schädel einst phrenologische Untersuchungen machen kann. Ich wünsche, daß man ihm den Kopf schone, wenn man ihn prügelt, damit die Beulen, die neu sind, nicht für Witz und Poesie gehalten werden –
Er lobt sich so stark, daß die Räucherkerzchen im Preise steigen.
Sie blinzelte mit den Augen wie eine Schildwache, der die Sonne ins Gesicht scheint.
Bei keinem Volke ist der Glaube an Unsterblichkeit stärker gewesen wie bei den Kelten; man konnte Geld bei ihnen geliehen bekommen, um es in der anderen Welt wiederzugeben. Fromme christliche Wucherer sollten sich daran spiegeln!
Bei den Alten rühmen sich die Patrioten beständig, z.B. Cicero. Auch zur Zeit der höchsten Freiheit die Neuern, z.B. Robespierre, Camille Desmoulins usw. Kommt bei uns diese Zeit, so werden wir uns rühmen. – Die Ruhmlosen haben gewiß recht, wenn sie die Bescheidenheit predigen. Es wird ihnen so leicht, diese Tugend auszuüben, sie kostet ihnen keine Überwindung, und durch ihre Allgemeinheit bemerkt man nicht ihre Tatenlosigkeit.
[367] Junius, der Ritter der Freiheit, der mit geschlossenem Visier gekämpft –
Bei der Einnahme des Tempels zu Peru fiel auf den Anteil eines Spaniers, Manecco Serre de Lequicano, das ganze Bild der Sonne. Dieses bestand aus einem Stück, so groß, daß es die ganze Wand einnahm. Da es gar zu groß war und der Spanier ein leidenschaftlicher Spieler war, setzte er die Sonne aufs Spiel und verlor sie in einer Nacht; daher bei den Spaniern das Sprüchwort: »Er verspielt die Sonne, ehe es Tag wird.«
»Allgemeine Geschichte der Reisen«, 9. Band, S. 476;15. Band, S. 580.
Maecenas aß am liebsten junges Eselfleisch. (Meibomius in vita Maecenatis p. 165.)
Im warmen Nestchen einer dürren Pappel sitzt der Spatz und die Spätzin und piepen von häuslicher Zufriedenheit und ehlichem Glück –
Es steigt herab die große Nacht mit ihren kühnen Sternen –
Kritiker – wie Lakaien vor der Saaltüre bei einem Hofball, sie können schlechtgekleidete und unberechtigte Leute abweisen und gute einlassen, aber sie selbst, die Türsteher, dürfen nicht hinein.
Professoren, in der Livree der Wissenschaft, blau mit Ponceau –
[368] Die alte Harfe liegt im hohen Gras. Der Harfner ist gestorben. Die talentvollen Affen kommen herab von den Bäumen und klimpern drauf – die Eule sitzt mürrisch rezensierend – die Nachtigall singt der Rose ihr Lied; sobald es ganz dunkel wird, überwältigt sie die Liebe, und sie stürzt auf den Rosenstrauch, und zerrissen von den Dornen, verblutet sie – der Mond geht auf – der Nachtwind säuselt in den Saiten der Harfe – die Affen glauben, es sei der tote Harfner, und entfliehen.
M. hat mir vorgeworfen: ich hätte keine Religion. Nein, ich hab sie alle, ich glaube, daß Brahma etc.
Es ist wahr, vom Himmel hab ich nie viel gehalten, und aus wichtigen Gründen: wenn ich auf dem Rücken lag im Gras und an die Herrlichkeiten des Himmels dachte, dacht ich oft: warum fällt nicht mal etwas davon herunter, z.B. eine goldne Uhrkette, ein Stück Kuchen etc. – statt dessen fällt nur Wasser herunter – wäßrichter Himmel –
In der Kirche – wehmütiger Orgelton – die letzten Seufzer des Christentums –
Anblick eines Doms – sechshundert Jahr wurde dran gebaut, und du genießest in einem Augenblick die Ruhe nach einer sechshundertjährigen Arbeit – wie Meereswellen sind die Generationen daran vorbeigewogt, und noch kein Stein ist bewegt worden – Mausoleum des Katholizismus, das er sich noch bei Lebzeiten bauen lassen – steinerne Hülle eines erloschenen Gefühls – (Ironisch droben die Uhr) – Drinnen in diesem Steinhause blühte einst ein lebendiges Wort, drinnen ist es tot und lebt nur noch in der äußeren Steinrinde (hohler Baum).
[369] Ester, Medicis, Gonzagen, Scalas sind berühmt als Mäzene. Unsre Fürsten haben gewiß ebenso guten Willen, aber es fehlt ihnen die Bildung, die wahren Talente und Genies herauszusuchen – denn diese melden sich nicht bei ihren Kammerdienern –, sie protegieren nur solche, die mit ihnen selbst auf gleicher Bildungsstufe stehen, und wie man die italienischen Fürsten kennt, indem man bloß zu nennen braucht, wer ihre Protegés waren, so wird man einst die unsren gleich kennen, wenn man die Männer nennt, denen sie Dosen, Becher, Pensionen und Orden verliehen. Man sagt, es sei von großen Schriftstellern unklug, die obskuren, und sei es auch durch bittere Schilderung, auf die Nachwelt zu bringen – aber wir tun es zur Schande ihrer Mäzene.
Pückler 3. Teil, S. 250, Schilderung des Porträts von Cromwell.
Pücklers Schilderung von Punsch – geistreicher als wahr – ich dachte, als ich den Tower verließ und Punsch sah, doch an Heinrich VIII. Polizinell alt wie die Pyramiden, vielleicht ein Ägypter, er hat kein Gemüt, ist kein Christ, läßt wie die Pyramiden das Christentum an sich vorübergehn – er ignoriert es, hat sich nie drüber geäußert.
Reiche Juden – der junge Schweinehirt will als Reicher seine Schweine zu Pferde hüten – jene haben sich aufs hohe Pferd gesetzt und treiben noch immer das alte Schmutzhandwerk –
Ich liebe sie persönlich –
Erster Abend. Nicht bloß der Pöbel, sondern jener honette Bürgerstand, der in Paris alles tat, jene Krämer, die in Pantoffeln vor ihren Türen stehn, das Geschäft bequem treiben, im [370] Gegensatz zu jenen Hausierern. Vorwurf: Zeitglossen – »Morgenblatt« – es stand vielleicht ein Gedicht von mir drin.
Zweiter Abend. Ein Jude wehrt sich, aber wie bei Navarino siegte das Kreuz, und christlicher Heldenmut, zwölf Mann hoch, überwältigte den Juden – die Butterbrode mit Schinken glänzten vor Freude, ob dieser Niederlage der Nationalfeinde des Schweinefleisches und des Christentums.
Dritter Abend. Bei Hase fand man einen Königsanzug und eine Proklamation an die Franzosen in Jamben, um so gefährlicher, da sich ergab, daß sie größtenteils aus Schillers »Jungfrau von Orleans« –.
›Haben Sie schon gehört, wir haben Revolution in Hamburg? Auf öffentlicher Straße –‹
Charakteristisch: die Revolutionäre vollenden erst ihre Tagesgeschäfte, eine Abendrevolution – Volkslied »ein freies Leben«.
Montag Masaniello – Ein Freund, der im Schauspielhaus, behorcht das Gespräch der Mäuse –
Unter den Schlachtopfern der Revolution nennt man Herrn M. Er ist auf dem Steinweg geblieben.
Ein Mädchen von vierzehn Jahren stürzte von der dritten Etage ein Geschirr mit Eau de Cologne auf die Feinde des Vaterlandes.
Ein junger Schneider drohte, einen Hanseaten zu erschießen. Wirte geben Wein und Schnaps gratis, der Staat wird sie dafür belohnen.
Kellerbewohner, Troglodyten.
ooo – werden ins Zuchthaus gesetzt, oo – bekommen Schläge – das ist die Contrerevolution –
Eine Partei sagt: sie rebelliere, weil sie doch wisse, daß sie nächsten Winter verhungern müsse – der Pöbel tut nichts [371] aus Furcht vor künftiger Not, nur die gegenwärtige Not treibt ihn, sich gegenwärtigen Gefahren auszusetzen – wer die Zukunft fürchtet, der ist in der Gegenwart wenig gefährlich –
Ich war bei van Aken während des Tumults: Der Löwe war am ruhigsten, vornehm indigniert, die Affen freuten sich, die Schlangen wanden sich, die Hyäne war unruhig gierig, der Eisbär streckte sich bequem hin und wartete, das Chamäleon veränderte jeden Augenblick die Farbe, rot, blau, weiß, endlich sogar dreifarbig – die Tiere sahen menschlich vernünftig aus, im Gegensatz zu den Menschen, die tierisch wild rasten.
Ein Jude sagte zum andern: »Ich war zu schwach«. Dies Wort empfiehlt sich als Motto zu einer Geschichte des Judentums.
Eine Phryne, welche am Dammtor stand, sagte: »Wenn heute die Juden beleidigt werden, so geht's bald gegen den Senat und endlich gegen uns.« Kassandra der Drehbahn, wie bald gingen deine Worte in Erfüllung!
Senat
Mißkennt mich nicht, ich will nicht das Volk gegen euch aufwiegeln, sondern nur eu'r besseres Gefühl aufwiegeln – ich, der ungefährlichste Sprecher in der Stadt – ich spreche eine Sprache, die von den wenigsten verstanden und vielleicht von niemandem gern gehört wird, ich predige das Evangelium der Freiheit und Gleichheit, der Uneigennützigkeit, der Aufopferung – versteht ihr mich?
Seid gerecht – Alles auf Erden ist vergänglich, und einst kommt die Stunde, wo diese Stadt untergeht – Venedig des Nordens. Sorgt, daß diese Stunde euch nicht unvorbereitet finde, daß ihr ein rühmliches fällt und nicht unbeklagt oder gar... zu Boden liegt, daß nicht die glücklichen Enkel der gedrückten Unglücklichen mit Verachtung und Unwillen eurer gedenken – Vgl. Venedig, man sagt, die nächtlichen Gespenster,[372] die des Nachts über die Seufzerbrücke gehen, seufzten noch immer, aber das ist nicht wahr, sie freuen sich über den Fall Venedigs, es seufzen nicht jene Tagesgespenster, die mittags hungrig und dürftig über den San Marco schleichen –
– B – Redner – der entfernteste Verwandte von Benjamin Constant.
Ruhm von Paris. Aber die Götter, neidisch ob der Größe der Menschen, suchen sie herabzudrücken, demütigen sie, durch erbärmliche Ereignisse, z.B.
Die Hamburger beseelt von einer unüberwindlichen Feigheit, von der man sich kaum eine Vorstellung machen kann.
*, ein Lafayette par force, an der Spitze der Garde, lief er den Bajonetten voraus, gleichsam eine Parforcejagd –
– Suchst du die Märtyrer der Franzosen, der Platz mit dem schwarzen Kreuz – suchst du die der Hamburger, im Backhaus – Etymologie – das Volk von Paris hat die Welt befreit und keinmal ein Trinkgeld dafür angenommen.
Steuern, erhöht wegen der Entfestigung und Promenaden, die sehr schön sind, wie sich denn Hamburg überhaupt gern ein schönes Äußere geben will und Promenaden anlegt, damit der, welcher im Innern der Stadt nichts mehr zu essen hat, während den Mittagstunden eine Promenade um die Stadt machen kann – auch Bänke zum Lesen, z.B. ein Kochbuch, elegische Trauerweiden –
Wenn ich von Pöbel spreche, nehme davon aus: erstens alle, die im Adreßbuch stehen, und zweitens alle, die nicht drin stehen.
[373] ›Gesichter ernst wie die Bank‹ – die besten Häuser zitterten, und rote Dächer wurden blaß – ›und blasse schwangere Weiber, die flüchteten, auch zarte Mädchen –‹
Senat – Seid ganz bekannt oder gar nicht, geht den guten Weg oder den bösen; um am Scheidewege zagend stehenzubleiben, dazu seid ihr zu schwach, dies vermochte kein Herkules, und er mußte sich für einen der beiden Wege bald entscheiden –
Vergleich mit der französischen Revolution – ein Frauenzimmer in Mannskleidern hat Scheiben eingeworfen, ihr Name – die Zöglinge der Roggenkist = die polytechnische Schule – Polizei = Tuilerien. Dammert I.
Juden – sie waren die einzigen, die bei der Christlichwerdung Europas sich ihre Glaubensfreiheit behaupteten –
Das martialische Gesetz –
In den Flaschen sehe ich Greul, die ihr Inhalt erzeugen wird – glaube im Naturalienkabinett Flaschen mit Mißgeburten, Schlangen und Embryos zu sehen –
Trost im Unglück: Juden Hoffnung; wir sind in der Gefangenschaft, Jehova zürnt uns, er schickt einen Retter – Mahometaner: Fatalismus, keiner entgeht seinem Schicksal, es steht oben geschrieben auf Steintafeln, Ergebung, Allah il Allah – Christen, spiritualistische Verachtung des Angenehmen und der Freude, schmerzsüchtiges Verlangen nach dem Himmel, auf Erden Versuchung des Bösen, oben Belohnung – was bietet der neue Glauben?
Die Form alles, der Stoff gilt nichts; Staub berechnet für den Frack, den er ohne Tuch geliefert, denselben Preis, als wenn [375] ihm das Tuch geliefert worden. Er lasse sich nur die Fasson bezahlen, und das Tuch schenke er.
Nach den fetten Kühen die mageren, nach den mageren gar kein Fleisch.
Geflügel bekommen wir nur dann, wenn uns etwa eine Fliege in die Suppe fällt.
Die Affen sehen auf die Menschen herab wie auf eine Entartung ihrer Rasse, so wie die Holländer das Deutsche für verdorbenes Holländisch erklären.
Ich erinnere ihn an:
Parallele – Voltaire huldigt dem Papst ironisch (Dedikation des »Mahomet«) und freiwillig.
Rousseau kann nicht dazu gebracht werden, sich dem König präsentieren zu lassen – sein Instinkt leitete ihn richtig; es war der Enthusiasmus, der nicht sich abfinden kann.
Napoleon haßt die Boutiquiers und die Advokaten – er mitrailliert jene und jagt diese zum Tempel hinaus. Sie unterwerfen sich, aber sie hassen ihn (sie glauben die Revolution für sich gemacht zu haben, und Napoleon benützt sie für sich und für das Volk) – sie sehen die Restauration mit Vergnügen.
[376] Diese Bankiers, so reich sie sind, setzen sie doch das Geschäft des Gelderwerbens fort = der Junge, der seine Schweine zu Pferd hüten will.
Lessing sagt: hätte man Raffael die Hände abgeschnitten, so wär er doch ein Maler gewesen; in derselben Weise können wir sagen: schnitte man Herrn * den Kopf ab, er bliebe doch ein Maler, er würde weiter malen, ohne Kopf, und ohne daß man merkte, daß er keinen Kopf –
Einfluß der Zeit – mildernde Gesinnung durch beständige Beschäftigung mit dem Gegensatz – der Gardemunizipal, welcher den Cancan am Ende gar nicht mehr so unanständig findet und wohl gar mittanzen möchte – der Protestant, der nach langer Polemik mit dem Katholizismus ihn nicht mehr für so greulhaft ansieht und vielleicht nicht ungern eine Messe hörte –
Die Apologeten mußten um so eher sich auf das Feld des Philosophen hinauswagen, da die Philosophie damals (Marc Aurel, Antonius bis Julian) auf dem Throne saß – durch Polemik arbeitet sich das Dogma aus.
Gibt's in der Geschichte auch Tag und Nacht wie in der Natur? – Mit den drei ersten Jahrhunderten des Christentums beginnt die Dämmerung, wehmütiges Abendrot der Neoplatoniker, Mittelalter dicke Nacht, jetzt Morgenlicht – ich grüße dich, Phöbus Apollo – welche Träume in jener Nacht, welche Gespenster, welche Nachtwandler, welcher Straßenlärm, Mord und Totschlag – ich werde davon erzählen –
[377]Eine Philosophie der Geschichte im Altertum unmöglich. Erst die Jetztzeit hat Materialien dazu: Vico, Herder, Bossuet – Ich glaube, die Philosophen müssen noch tausend Jahr warten, ehe sie den Organismus der Geschichte nachweisen können – bis dahin, glaube ich, nur folgendes ist anzunehmen: Für Hauptsache halte ich: die menschliche Natur und die Verhältnisse (Boden, Klima, überlieferte Gesetzgebung, Krieg, unvorhergesehene und unberechenbare Bedürfnisse), beide in ihrem Konflikt oder in ihrer Allianz geben den Fond der Geschichte, sie finden aber immer ihre Signatur im Geiste, und die Idee, von welcher sie sich repräsentieren lassen, wirkt wieder als Drittes auf sie ein; das ist hauptsächlich in unseren Tagen der Fall, auch im Mittelalter. – Shakespeare zeigt uns in der Geschichte nur die Wechselwirkung von der menschlichen Natur und den äußern Verhältnissen – die Idee, das Dritte, tritt nie auf in seinen Tragödien – daher eine viel klarere Gestaltung und etwas Ewiges, Unwandelbares in seinen Entwicklungen, da das Menschliche immer dasselbe bleibt zu allen Zeiten – Das ist auch der Fall bei Homer – beider Dichter Werke sind unvergänglich – Ich glaube nicht, daß sie so gut ausgefallen wären, wenn sie eine Zeit darzustellen gehabt hätten, wo eine Idee sich geltend machte, z.B. im Beginne des aufkommenden Christentums, zur Zeit der Reformation, zur Zeit der Revolution –
Der Engel, der Karikaturen malt: Bild des Pantheisten, der seinen Gott in der Brust trägt –
Wieviel hat Gott schon getan, um das Weltübel zu heilen! Zu Mosis Zeit tat er Wunder über Wunder, später in der Gestalt Christi ließ er sich sogar geißeln und kreuzigen, endlich in der Gestalt Enfantins tat er das Ungeheurste, um die Welt zu retten: er machte sich lächerlich – aber vergebens. Am Ende erfaßt ihn vielleicht der Wahnsinn der Verzweiflung, und er [378] zerschellt sein Haupt an der Welt, und er und die Welt zertrümmern.
Weise erdenken die neuen Gedanken, und Narren verbreiten sie.
Ihr müßt den Rhein töten –
Sollte es wahr sein, daß Frankreich zum Christentum zurückverlangt? Ist Frankreich so krank? will es sich auf dem Sterbebett bekehren? Verlangt es die Sakramente? Gebrechlichkeit, dein Namen ist Mensch! Läßt sich Märchen erzählen.
Hegels Angst, verstanden zu werden – fürchtete, in der Intimität ein klares Wort fallenzulassen – er ging deshalb mit H. Beer um – war sicher, bei ihm nicht verstanden zu werden.
Sklaverei der Deutschen. Der Sklave, der dem Herrn gehorcht ohne Fessel, ohne Peitsche, durch das bloße Wort, ja durch einen Blick – die Knechtschaft ist in ihm selbst, in seiner Seele – schlimmer als die materielle Sklaverei die spiritualisierte – Man muß sie von innen befreien, von außen hilft nichts –
Jacobi – diese greinende, keifende Natur – dieser religiöse Wurm, der an der Frucht der Erkenntnis nagte, um uns solche zu verleiden – diese klebrichte Seele –
[379] Deutsche – werden nicht besser im Ausland, wie das exportierte Bier –
Wenn das Laster so großartig, wird es minder empörend. Die Engländerin beim Anblick eines ungeheuren Herkules, sie, die sonst eine Scheu vor nackten Statuen, war hier weniger schockiert: »Bei solchen Dimensionen scheint mir die Sache nicht mehr so unanständig.«
›Das Laster eine Erziehung, Durchbruch, Vergeistigung‹
›War er nie bei Wisotzki?‹
Wenn er wiederkommt, die Grisetten werden ihn zerreißen, wie die thrazischen Weiber seinen Kollegen, den Orpheus –
›Savigny – ein Römer? Nein, ein Bedienter des römischen Geistes, un valet du romanisme –‹
Im Christentum kommt der Mensch zum Selbstbewußtsein des Geistes durch den Schmerz – Krankheit vergeistigt, selbst die Tiere –
›B – die Schönheit, welche nach Wahrheit dürstet –‹
Der Engländer, welcher van Amburgh nachreist, allen seinen Vorstellungen beiwohnt, überzeugt, daß der Löwe ihn doch am Ende zerreißt, und dieses Schauspiel durchaus betrachten will – Vergleich mit dem Historiker, der darauf wartet in Paris, bis das französische Volk endlich den Louis Philippe zerreißt, diesen Löwen täglich beobachtet und wartet –
[380] Daß der Gatte Xanthippes ein so großer Philosoph geworden, ist merkwürdig. Während allem Gezank noch denken! Aber schreiben konnte er nicht, das war unmöglich: Sokrates hat kein einziges Buch hinterlassen.
Von Savignys Eleganz des Stils – Vergleich mit dem klebrichten Silberschleim, den die Insekten auf dem Boden zurücklassen, worüber sie hingekrochen.
Vergleich: der * im Dorfe war ein Ochs, der so alt war, daß er endlich kindisch ward, und als man ihn schlachtete, schmeckte sein Fleisch wie bejahrtes Kalbfleisch.
Musik bei Hochzeitgeleit, wie bei in die Schlacht ziehenden Soldaten –
Kampf der Philosophen gegen die Religion – zerstören die heidnische, aber eine neue, die christliche, steigt hervor, auch diese ist bald abgefertigt, doch es kommt gewiß eine neue, und die Philosophen werden wieder eine neue Arbeit bekommen, jedoch wieder vergeblich: die Welt ist ein großer Viehstall, der nicht so leicht wie der des Augias gereinigt werden kann, weil, während gefegt wird, die Ochsen drinbleiben und immer neuen Mist anhäufen –
Dichter – während des Dichtens wird ihm zumute, als habe er, nach der Seelenwandrungslehre der Pythagoreer, in den verschiedensten Gestalten ein Vorleben geführt – ihre Intuition ist wie Erinnerung –
[381] Der Gedanke: Kunst und Philosophie getrennt durch die Griechen, das Bild und der Begriff – Religion beiden vorangehend, Verschmelzung beider – Verschiedenheit der früheren und jetzigen Religionen – der Geist der Zeit ausgesprochen durch einzelne und bestätigt durch Mirakel, und der Geist der Zeit ausgesprochen durch viele und bestätigt durch Vernunft – Jetzt keine Mirakel, nachdem die Physik ausgebildet; Oken sieht dem lieben Gott auf die Finger, und dieser will nicht mit Bosco rivalisieren – Saint=Simonismus, einziges Mirakel bezahlte Schneiderrechnung – es sollen sich mehre Schneider bekehrt haben –
Der Gedanke die unsichtbare Natur, die Natur der sichtbare Gedanken –
Moral: Unsere Begriffe: Veredlung, Recht und Unsterblichkeit haben Realität in der Natur. Was wir Heiliges denken, hat Realität, es ist kein Hirngespinst.
Kunst: Das Genie trägt im Geiste ein Abbild der Natur, und durch diese erinnert, gebiert es dieses Abbild; das Talent bildet die Natur nach und schafft analytisch, was das Genie synthetisch schafft. Charaktere, welche zwischen beiden schweben –
Kunstwerk: Das sichtbare Werk spricht harmonisch den unsichtbaren Gedanken aus: daher auch Lebenskunst: Harmonie des Handelns und unserer Gesinnung –
Schön ist das Kunstwerk, wenn das Göttliche sich dem Menschlichen freundlich zuneigt: Diana küßt Endymion – erhaben, wenn das Menschliche sich zum Göttlichen gewaltsam emporhebt: Prometheus trotzt dem Jupiter – Agamemnon opfert sein Kind – Christus schön und erhaben zugleich –
[382] Neue Periode in der Kunst: man entdeckt in der Natur dieselben Gesetze, die auch in unserem Menschengeiste walten, vermenschlicht sie (Novalis), man entdeckt in dem Menschengeiste die Gesetze der Natur, Magnetismus, Elektrizität, anziehende und abstoßende Pole (Kleist) – Goethe zeigt das Wechselverhältnis zwischen Natur und Mensch – Schiller ist ganz Spiritualist, abstrahiert von der Natur, Kantische Ästhetik –
Goethes Abneigung, sich dem Enthusiasmus hinzugeben – diese Abneigung ist ebenso widerwärtig wie kindisch – solche Rückhaltung ist mehr oder minder Selbstmord – die Flamme, die nicht brennen will, aus Furcht, sich zu konsumieren – Die großmütige Flamme, die Seele Schillers loderte mit Aufopfrung – Jede Flamme opfert sich selbst – je schöner sie brennt, desto mehr nähert sie sich der Vernichtung, dem Erlöschen – Ich beneide nicht die stillen Nachtlichtchen, die so bescheiden ihr Dasein fristen –
Schiller: hier feiert der Gedanke seine Orgien – nüchterne Begriffe, weinlaubumkränzt, schwingen den Thyrsus, tanzen wie Bacchanten – besoffene Reflexionen –
»Mahabharatas«, »Ramayana« und ähnliche Riesenfragmente – geistige Mammutsknochen – zurückbleibend auf dem Himalaja –
Die wehmütige, niedergedrückte Zeit, der alles Laute untersagt war und die auch sich vor dem Lauten fürchtete, gedämpft fühlte, dachte und flüsterte, fand in dieser gedämpften Poesie ihre gedämpfte Freude – Sie betrachtete die alten gebrochenen Türme mit Wehmut und lächelte über das Heimchen, das darin melancholisch zirpte –
[383] In den altdänischen Romanzen: alle Gräber der Liebe sind hier Heldengräber – große Felsmassen sind dar aufgetürmt mit schmerzwilder Riesenhand – In den Uhlandschen Gedichten sind die Gräber der Liebe mit hübschen Blümchen, Immortellen und Kreuzchen verziert, wie von Händen gefühlvoller Predigertöchter –
Die Helden der Kämpeviser sind Normannen, die Helden des Uhland sind immer Schwaben, und zwar Gelbfüßler –
In der Zeit der Romantiker liebte man in der Blume nur den Duft – in unserer Zeit liebt man in ihr die keimende Frucht – Neigung zur praktischen, zur Prosa – zum Hausbackenen –
Hauptzug der jetzigen Dichter: Gesundheit, westfälische, östreichische, ja ungarische Gesundheit –
Ein Buch will seine Zeit, wie ein Kind. Alle schnell in wenigen Wochen geschriebenen Bücher erregen bei mir ein gewisses Vorurteil gegen den Verfasser. Eine honette Frau bringt ihr Kind nicht vor dem neunten Monat zur Welt.
Die Mutter, die sich an einem Franzosen versehen –
Die Franzosen sind sicherer im Umgang, eben weil sie positiv und traumlos – der träumende Deutsche schneidet dir eines Morgens ein finsteres Gesicht, weil ihm geträumt, du hättest ihn beleidigt oder sein Großvater hätte von dem deinigen einen Fußtritt bekommen usw.
Die Franzosen sind allem Traumwesen so entgegengesetzt, daß man selbst von ihnen nie träumt, sondern nur von Deutschen –
[384] Autour de la lune, dont la lueur était pâle et fausse, il y avait une masse de nuées jaunâtres. On eût dit cette espèce de couleur meurtrie, ce cercle plombé qui borde les yeux longtemps baignés de larmes.
Ihr Lächeln ist wie ein strahlendes Netz. Sie warf es aus, und meine Seele verfing sich darin und zappelt in den holden Maschen wie ein Fisch seit Jahren –
Finde in einem einsamen Gärtchen eine Rose, die allerlei Erinnerungen weckt – ihr Mund en cœur, ihr ganzes graziöses Wesen, ihr Leichtsinn, ihre Innigkeit –
Chateaubriand will das Christentum gegen den brillanten Unglauben, dem alle huldigen, predigen – umgekehrter Fall mit dem neapolitanischen Kapuziner, der das Kreuz den Leuten vorhält: Ecco vero policinello! – Chateaubriand ist ein Polizinell, der seine Marotte den Leuten vorhält: Ecco il vero cruce! –
Dilettanten des Christentums, schwärmen für die Kirche, ohne ihr Symbol gehorsam umzuhängen, catholiques marrons.
Die katholischen Schriftsteller haben gute Kriegswerkzeuge, wissen sie aber nicht zu gebrauchen. Wie die Chinesen haben sie gute Kanonen, auch Pulver und Kugel, aber schießen ist eine andre Sache. Kinder; große Säbel, die sie nicht aufheben können, Helme, die ihnen den Kopf eindrücken. Und gar die Kanonen...
[385] Die römische Kirche mißtraut ihren modernen Séiden – sie fürchtet, daß so ein Eiferer, statt den Pantoffel zu küssen, ihr in den Fuß beiße, mit rasender Inbrunst –
Christianisme pompadour.
Das Christentum tritt auf zur Tröstung: die, welche in diesem Leben viel Glück genossen, werden im künftigen davon eine Indigestion haben – die, welche zu wenig gegessen, werden nachträglich das beste Gastmahl aufgetischt finden – die irdischen Prügelflecken werden von den Engeln gestreichelt werden.
Heilige wie der Stylite sind jetzt unmöglich, da die Philanthropie sie gleich in einer Irrenanstalt unterbringen würde –
›Ehe * Mystiker wurde, war er ein schlichter verständiger Mensch.‹
Wie Mahomet nur ein Kameltreiber war, ehe ihn der Engel zum Propheten erleuchtete, so war * zwar nicht ein Kameltreiber, aber ein Kamel selbst, ehe ihm das neue Licht gekommen.
Die Herrlichkeit der Welt ist immer adäquat der Herrlichkeit des Geistes, der sie betrachtet – Der Gute findet hier sein Paradies – der Schlechte genießt schon hier seine Hölle –
Alte Dame, den Busen entblößt, diese verbirgt nicht ihr Alter –
Britinnen – sie tanzen, als wenn sie auf Eseln ritten.
[386] Verehrung für Rom – wie mancher ging aus, die Kirche zu schmähen, zu befeinden, und änderte plötzlich seinen Sinn und kniete nieder und betete an – es ging manchem wie Bileam, dem Sohn Boers, der Israel zu fluchen auszog und gegen seine Absicht es segnete, warum? Und doch hatte er nur die Stimme eines Esels gehört –
Der Gott der besten Spiritualisten, dieser Gott, eine Art von luftleerer Raum im Reich des Gedankens – angestrahlt von der Liebe, die wieder ein Abglanz der Sinnlichkeit –
Nach der Erzählung einer edlen Tat der Ausruf: größer als die Pyramiden, als der Himalaja, als alle Wälder und Meere ist das menschliche Herz – es ist herrlicher als die Sonne und der Mond und alle Sterne, strahlender und blühender – es ist unendlich in seiner Liebe, unendlich wie die Gottheit, es ist die Gottheit selbst –
Älian erzählt, daß der Löwe, wenn er zornig, einen Affen essen müssen; nichts anderes kann ihn besänftigen.
Der Kampf im Grabe zwischen dem toten und dem lebenden Freund.
Christen – die, welche den Kelch der Freude hienieden getrunken, bekommen dort oben den Katzenjammer.
G. S. – der Giftbereiter muß gläserne Handschuh' an ziehen –
[387] Die ältern französischen Schriftsteller hatten einen bestimmten Standpunkt: Licht und Schatten sind immer richtig, nach den Gesetzen des Standpunkts – Die neueren Schriftsteller springen von einem Standpunkt auf den andern, und in ihren Gemälden ist eine widerwärtige Konfusion von Licht und Schatten – hier eine Bemerkung, die der pantheistischen Weltansicht angehört, dort ein Gefühl, das aus dem Materialismus hervorgeht, Zweifel und Glauben sich kreuzend – Harlekinsjacke –
Vergleich der französischen Literatur mit den Restaurants des Palais Royal – wenn man in der Küche gelauscht hat, die Ingredienzien der Gerichte und ihre Zubereitung gesehen, würde man den Appetit verlieren – der schmutzige Koch zieht Handschuh' an, wenn er auf blanker Schüssel sein Gemätsch aufträgt –
Autoren, Restaurants à 2 Francs – anfangs munden sie, später entdeckt man, daß sie die Materialien aus zweiter und dritter Hand und schon alt oder verfault bezogen –
Michel Chevalier ist Conservateur und Progressivster zugleich – mit der einen Hand stützt er das alte Gebäude, damit es nicht den Leuten auf den Kopf stürze, mit der andern zeichnet er den Riß für das neue, größere Gesellschaftsgebäude der Zukunft –
Traum Metternichs: er sieht sich im Sarg mit einer roten Jakobinermütze.
Traum Rothschilds – er träumt, er habe 100000 Francs den Armen geschenkt und wird krank davon –
[388] Die französische Kunst – Nachbildung des Realen; da aber die Franzosen seit fünfzig Jahr soviel erleben und sehen konnten, so sind ihre Kunstwerke durch die Nachbildung des Erlebten und Gesehenen viel bedeutender als die Werke deutscher Künstler, die nur durch Seelentraum zu ihren Anschauungen gelangten.
Nur in der Architektur, wo die Natur nicht nachgebildet werden kann, sind die Franzosen zurück –
In der Musik geben sie den Ton ihrer Nationalität: Verstand und Sentimentalität, Geist, Grazie – Drama: Passion. Eklektizismus, eingeführt durch Meyerbeer.
›Skulptur – Manchetti –
Das Glas, woraus eine solche Gesundheit getrunken ward, wird zerbrochen – Sage von dem Skulptor, dem die Augen ausgestochen wurden, damit er nicht eine ähnliche Statue gieße –‹
Ein Skulptor, der zugleich Napoleon und Wellington meißelt, kommt mir vor wie ein Priester, der um zehn Uhr Messe lesen und um zwölf Uhr in der Synagoge singen will – Warum nicht? Er kann es, aber wo es geschieht, wird man bald weder die Messe noch die Synagoge besuchen. Musiker. Meyerbeer (maître de plaisir der Aristokratie).
Dichter – ihnen wird es noch schwerer, zwei Sprachen zu reden – ach! die meisten können kaum eine Sprache reden –
Delaroche – Hofmaler der Geköpften –
Kleine Propheten – wenige Deutsche drunter, die meisten kommen nach Frankreich, um zu zeigen, daß sie auch in der Fremde keine Propheten –
[389] Gebt Gott, was Gottes, dem Cäsar, was des Cäsars – Aber das gilt vom Geben, nicht vom Nehmen –
Cadmus – bringt die phönizische Buchstabenschrift, die Schriftkunst, nach Griechenland – diese sind die Drachenzähne, die er gesäet, die avozierten geharnischten Männer zerstören sich wechselseitig –
Ließ mich nicht naturalisieren aus Furcht, daß ich alsdann Frankreich weniger lieben würde, wie man für seine Mätresse erkühlt, sobald man bei der Mairie ihr legal angetraut – werde mit Frankreich in wilder Ehe fortleben –
Mein Geist fühlt sich in Frankreich exiliert, in eine fremde Sprache verbannt.
Allianz zwischen Rußland und Frankreich. Ihre Affinität – in beiden Ländern der Geist der Revolution; hier in der Masse und hieß einst Konvent, dort konzentriert in einer Person und heißt Zar; hier in republikanischer, dort in absolutistischer Form; hier die Freiheit, dort die Zivilisation im Auge haltend, hier idealen Prinzipien, dort der praktischen Notwendigkeit huldigend, an beiden Orten aber revolutionär agierend gegen die Vergangenheit, die sie verachten, ja hassen. Die Schere, welche die Bärte der Juden in Polen abschneidet, ist dieselbe, womit in der Conciergerie dem Ludwig Capet die Haare abgeschnitten wurden, es ist die Schere der Revolution, ihre Zensurschere, womit sie nicht einzelne Phrasen oder Artikel, sondern den ganzen Menschen, ganze Zünfte, ja ganze Völker aus dem Buche des Lebens schneidet – Niklas war gegen Frankreich, weil dieses seiner Regierungsform, dem Absolutismus, propagandistisch gefährlich war, nicht seinen Regierungsprinzipien;[390] ihm mißfiel an Ludwig Philipp das beschränkt Bürgerkönigliche, das ihm eine Parodie der wahren Königsherrlichkeit dünkte, aber dieser Unmut weicht in Kriegsfällen vor der Notwendigkeit, die ihm das höchste Gesetz – die Zaren unterwerfen sich demselben immer, und müssen sie dabei auch ihre persönlichen Sympathien opfern; das ist ihre Force – sie deshalb immer so stark, und ist einer schwach von Natur, so stirbt er bald an der Familienkrankheit und macht einem Stärkeren Platz –
Richtig beobachtete Custine: ihre Gleichgültigkeit gegen die Vergangenheit, gegen das Altertümliche – er bemerkte auch richtig den Zug der Raillerie bei den Vornehmen; diese muß auch im Zar ihre Spitze finden; von seiner Höhe sieht er den Kontrast der kleinen Verhältnisse mit den großen Phrasen, und im Bewußtsein seiner kolossalen Macht muß er jede Phraseologie bis zur Persiflage verachten – der Marquis verstand das nicht – Wie kläglich müssen ihm die chevaleresken Polen erscheinen, diese Leichen des Mittelalters mit modernen Phrasen im Munde, die sie nicht verstehen; er will sie zu Russen machen, zu etwas Lebendigem; auch die Mumien, die Juden, will er beleben, edler Wille, schreckliche Mittel – Klage über die Bärte und Schubbez –
Gemeine Russen: zweibeiniges Vieh, das er zu Menschen heranknutet –
Grausamkeit der Russen, welche den polnischen Juden das Schubbez nahmen – sie brauchten kein Hemd darunter zu haben, war so bequem zum Kratzen – und die Bärte – die Hauptsache, er selber ging so hinterher – die Pajes, die heiligen Schlaflocken, ihr einziger Stolz –
Wir sollen uns auf Rußland stützen – auf den Stock, womit wir einst geprügelt werden –
[391] Ihr habt den Rhein, wascht euch –
Eine Nation kann nicht regeneriert werden, wenn seine Regierung keine hohe moralische Kraft zeigt – diese Kraft regeneriert. Daher Notwendigkeit der fünfzehnjährigen Regierung des Napoleon – er heilte durch Feu'r und Eisen die kranke Nation, seine Regierung war eine Kurzeit – er war der Moses der Franzosen, wie dieser sein Volk durch die Wüste herumzieht, um es durch diese Kurzeit zu heilen, so trieb er die Franzosen durch Europa – Dieser Regierung steht die Partei der Pourris gegenüber als Opposition, und zu ihr gehörte Frau von Staël. Ihre Koterie ist geistreich, witzig, liebenswürdig – aber faul. Talleyrand der Doyen der Putrifikation, der Nestor der Lüge, le parjure des deux siècles. Chateaubriand – wir ehren ihn, wir lieben ihn, aber er ist le grand inconséquent, ein unsterblicher dupe, ein Dichter, ein Pilger mit einer Flasche Jordanwasser, eine wandlende Elegie, un esprit d'outre=tombe, aber kein Mann. Ihre andre Freunde einige Edelleute des edlen Faubourg, ritterliche Schatten, liebenswürdig, aber krank, leidend, ohnmächtig –
Napoleon – er war nicht von jenem Holz, woraus man die Könige macht – er war von jenem Marmor, woraus man Götter macht –
Madame = ihr wird nachgesagt, sie hätte grüne Flöh' –
Je näher die Leute bei Napoleon standen, desto mehr bewunderten sie ihn – bei sonstigen Helden ist das Umgekehrte der Fall – Seufzer Lafayettes – Bei Thiers ist es aber auch der Fall –
[392] Sie schimpfen auf ihn, aber doch immer mit einem gewissen Respekt – während sie mit der rechten Hand Kot auf ihn werfen, halten sie in der linken den Hut –
Benjamin Constant war der Beste, und der hat noch auf dem Todbett Geld genommen von Ludwig Philipp – Sie selbst, als Napoleon von Elba kommt, offeriert ihre Feder für eine Million –
Vgl. Thiers –
* ist ein Faselhans, Royalist durch Prinzip, Republikaner durch Inklination, ein Ritter, der eine Lanze bricht für die Keuschheit jeder Lilie und statt Mambrins Helm eine rote Mütze trägt mit einer weißen Kokarde –
Sie rühmt Wellington: ce héros de cuir avec un cœur de bois et un cerveau de papier maché –
Frau von Staël = Schweizerin. Die Schweizer haben Gefühle so erhaben wie ihre Berge, aber ihre Ansichten der Gesellschaft sind so eng wie ihre Täler –
Ihr Verhältnis zu Napoleon: sie wollte dem Cäsar geben, was des Cäsars war, als dieser aber dessen nicht wollte, frondierte sie ihn, gab sie Gott das Doppelte –
Deutschland war für sie daher das Geisterland – sie schildert uns, als hätten wir keine Leiber, beständen aus lauter Metaphysik und Moral – als seien wir Ossiansche Geister – ihr Deutschland ist ein spiritualistisches Nebelchen, sie hat das Volk nicht gesehn, sondern nur dünne Gelehrte –
Es war keine Ruhe in ihr, nichts Stilles, Sturmwind – und so tourbillonierte sie unter uns herum und schrie: »O wie das hübsch stille ist« – Seelenspektakel.
[393] Sie hat nichts bei uns gesehn, als was sie sehen wollte – Spiritualismus – sie sah nicht, daß nur die Hunde auf der Straße aufeinanderspringen – Sie hat nichts gehört, als was sie wiedererzählen wollte, auch sprach sie beständig – ihre tolle Fragen verwirrten unsere bescheidenen Gelehrten, aus Blödigkeit gaben sie ihr immer recht – »Was ist Geist«, sagte sie zu dem blöden N., indem sie ihr brennendes Bein auf seine zitternde Lenden legte –
Sie war geistige Einquartierung, und das Land war schon gedrückt von der leiblichen – Sie und Napoleon haben uns gedrückt –
Hinterdrein meckerte Schlegel, ihr Marketender – –
Das Deutscheste in Deutschland: die Anschauung und das Naive konnte sie nicht fassen, die unruhige Frau, die sentimental passionierte Französin –
Hatte keinen Witz; Unsinn über Napoleon: Robespierre zu Pferde! Unsinn. Robespierre war nur ein aktiver Rousseau, wie Frau von Staël ein passiver Rousseau, und man könnte sie selber viel eher Robespierre in Weibskleidern nennen –
Ihre Gefühle oben mit moralischem Schnee bedeckt wie ihre Berge –
Sie brachte Schlegel mit nach Paris, als Wahrzeichen, wie Chateaubriand Wasser aus dem Jordan brachte (Lamartine bringt die zweite Ausgabe).
Sie hatte sich in Frankreich echauffiert und kam sich bei uns abzukühlen – o wie hübsch frisch es da! Sie betrachtete unsere Philosophien wie gewisse Eissorten: Vanille, Pistache, Ideal, Schelling, Melée – auf sie anwendbar: je pense quand une fois je serai calme, je croirai être sur la roue –
Sie wollte Sultanin des Gedankens werden und band einen schönen Turban um ihr Haupt und nahm August Schlegel als Eunuch in Dienst. Sie ließ unsgeistig die Revue passieren, fragte wie Napoleon: »Wie alt sind Sie? wieviel Bücher haben Sie gemacht? Sind Sie Kantianer? Was halten Sie von Fichte?« Dann gab sie uns in ihrem Buche die Légion d'honneur –
[394] Als Napoleon zu der Staël sagte: die größte Frau sei die, welche die meisten Kinder zur Welt gebracht, ging sie nach Deutschland und sagte unsern Gelehrten: der größte Mann ist der, welcher die meisten Bücher gemacht –
Die Staël: überall spricht sie Religion und Moral – nirgends aber sagt sie, was sie darunter versteht –
Sie spricht von unserer Ehrlichkeit und unserer Tugend und unserer Geistesbildung – sie hat unsere Zuchthäuser, unsere Bordelle und unsere Kasernen nicht gesehen – sie sah nicht unsre Buchhändler, unsere Clauren, Bühnendichter, unsere Leutnants –
Le style c'est l'homme – c'est aussi la femme – Unwahrheit, ein ganzes Ratelier von unwahren Gedanken und Redeblumen, welche bösen Dünsten gleichen –
Über das Aussehen der Madame will ich mich nicht aussprechen. Aber ich darf vielleicht ohne Indiskretion behaupten, daß, wenn die Helena von Sparta so ausgesehen hätte, der Trojanische Krieg nimmermehr entstanden, das zehnjährige Blutvergießen unterblieben und Ilion vielleicht noch heute stehen würde. ›Ich will nicht damit sagen, daß Helena nicht auch unter dieser Form das Haupt des Menelas verschont hätte.‹
Man sagte ihr nach, sie habe einen grünen Schweiß –
Vgl. Aristoteles (Rhetoric. L. 2, c. 17, p. 240. T. IV. ed. Bipont.) macht die Bemerkung:
Irdisches gewährte und verhieß das Heidentum, und darum [395] pflegten die Glücklichen, welchen die Erfüllung ihrer Wünsche und das Gelingen ihrer Werke von dem Walten gnadenreicher Götter und von der Gunst derselben zeugte, frömmere Götterdiener als die Unglücklichen zu sein.
Christoph Meiners: »Allg. kritische Geschichte der Religionen«. Hannover 1806. 2 B.
Daß ich Christ ward, ist die Schuld jener Sachsen, die bei Leipzig plötzlich umsattelten, oder Napoleons, der doch nicht nötig hatte, nach Rußland zu gehn, oder seines Lehrers, der ihm zu Brienne Unterricht in der Geographie gab und ihm nicht gesagt hat, daß es zu Moskau im Winter sehr kalt ist.
Neben dem Denker ein prosaischer Mensch, der ruhig sein Geschäft treibt – neben jeder Krippe, worin ein Heiland, eine welterlösende Idee, den Tag erblickt, steht auch ein Ochse, der ruhig frißt –
Niemals von jüdischen Verhältnissen sprechen – Der Spanier, welcher sich im Traume mit der Muttergottes allnächtlich unterhält, berührt nie ihr Verhältnis zu Gott Vater: aus Delikatesse: die unmakulierteste Empfängnis sei doch immer eine Empfängnis –
Die blaue Luft der Provence wußte das Christentum zu entheitern und erfüllte sie mit seinem Glockengeläute –
›Dante, der öffentliche Ankläger der Poesie‹
Gozlan – hier tötet nicht der Buchstabe, sondern der Geist –
[396] Die Erde der große Felsen, woran die Menschheit, der eigentliche Prometheus, gefesselt ist und vom Geier ›des Zweifels‹ zerfleischt wird – Sie hat das Licht gestohlen und leidet Marter –
Die Felsen, minder hart als Menschenherzen, die ich vergebens anflehte, öffnen sich, und der schmerzlindernde Quell rieselt hervor –
Festspiel: die Reise des chinesischen Kaisers zur Semiramis –
Ranke – puce travailleuse –
Raumer – lederner Hanswurst –
Johannes von Müller – Vergleich mit Klopstock, den jeder rühmte und keiner las, steiflangweilig, Alpen und keine Idee darauf. Wir glaubten ein Epos und einen Historiker zu haben – Ranke und Johannes von Müller –
Guizot, nicht ein Engländer, sondern ein Schotte – Puritaner, aber für sich, weil's sein Naturell; da er aber die entgegengesetztesten Naturen begreift, ist er tolerant selbst gegen die Frivolität – ›Wir haben reinere Hände. Er sollte eigentlich büffellederne Handschuh' tragen.‹
Sein Stolz. Wenn er in den Himmel zum lieben Gott kömmt, wird er diesem ein Kompliment machen darüber, daß er ihn so gut erschaffen.
Vergleich Thierrys mit Merlin – Er liegt wie lebendig begraben, der Leib existiert nicht mehr, nur die Stimme ist geblieben – der Historiker ist immer ein Merlin, er ist die Stimme einer begrabnen Zeit, man befragt ihn, und er gibt Antwort, der rückwärts schauende Prophet.
[397] Ein fetter dicker Mastbrite.
Raumer – das räsonierende Leder – der literarische Laufbursche der Brockhausischen Buchhandlung – wenn er älter, wird er ein Ladenhüter –
Gervinus' Literaturgeschichte – Die Aufgabe war: was H. Heine in einem kleinen Büchlein voll Geist gegeben, jetzt in einem großen Buche ohne Geist zu geben – die Aufgabe ist gut gelöst.
Wenn ich Weltgeschichte lese und irgendeine Tat oder Erscheinung mich frappiert, so möchte ich manchmal das Weib sehen, das als geheime Triebfeder dahintersteckt (als Agens mittel- oder unmittelbar) – Die Weiber regieren, obgleich der »Moniteur« nur Männernamen verzeichnet – sie machen Geschichte, obgleich der Historiker nur Männernamen kennt – Herodots Anfang ist ingenios –
Und dieser unwissende Hase gebärdet sich als der Champion des deutschen Volks, des tapfersten und gelehrtesten Volks, eines Volks, das auf tausend Schlachtfeldern seinen Mut und in hunderttausend Büchern seinen Tiefsinn bewiesen hat, ein Volk, dessen ganze breite Brust mit glorreichen Narben bedeckt ist und über dessen Stirne alle großen Gedanken der Welt dahingezogen und die ehrwürdigsten Furchen hinterlassen haben – Wäre ich Zensor, ich striche...
[398] Grabbes »Gothland« – Zuweilen eine Reihe fürchterlicher und häßlicher Gedanken, wie ein Zug Galeeristen, jeder gebrandmarkt, der Dichter führt sie an der Kette in das Bagno der Poesie –
Wie vernünftige Menschen oft sehr dumm sind, so sind die Dummen manchmal sehr gescheut.
Er sieht nicht aus wie ein Jude, sondern wie zehn Juden – mit ihm allein schon könnte man Minnjen machen –
Verzweiflungsvoller Zustand der Menschheit zur Zeit der Cäsaren erklärt den Sukzeß des Christentums – Selbstmord der stolzen Römer so häufig, auf einmal die Welt aufgebend. Wer den Mut nicht hatte, auf einmal von der Welt Abschied zu nehmen, ergriff den langen Selbstmord der Entsagungsreligion. (Christus' Passion eine Art Selbstmord) – Sklaven und unglückliches Volk die ersten Christen – durch Menge und neuen Fanatismus wurden sie eine Macht, die Konstantin begriff, und der römische Weltherrschaftsgeist bemächtigte sich bald derselben, disziplinierte sie, durch Dogma und Kultus –
Die Germanen ergriffen das Christentum aus Wahlverwandtschaft mit dem jüdischen Moralprinzip, überhaupt dem Judaismus – Juden waren die Deutschen des Orients – und jetzt sind die Protestanten in den germanischen Ländern (Schottland, Amerika, Deutschland, Holland) nichts anders als altorientalische Juden.
Die Griechen gaben dem Christentum die Kunst: – Kunst des Wortes (Dogmatik und Mythologie), Kunst der Sinne [399] (Malerei und Baukunst): die gotische ist nichts als kranke Kunst – Als ich doppelt sah im Dom von Toulouse (St. Severin), sah ich das Zentrum gebrochen in der Mitte und begriff die Entstehung des gotischen Spitzbogens aus dem römischen Kreisbogen –
Die römische Kirche stirbt an jener Krankheit, wovon niemand genest: Erschöpfung durch die Macht der Zeit. Weise, wie sie ist, lehnt sie alle Ärzte ab: sie hat in ihrer langen Praxis so manchen Greis schneller als nötig sterben sehen, weil ein energischer Arzt ihn kurieren wollte. Doch wird ihre Agonie noch lange dauern. Sie wird uns alle überleben, den Verfasser dieses Artikels, den Drucker, der ihn setzt, selbst den kleinen Lehrjungen, der die Druckbogen abholt –
Der Autor hält sich ängstlich in dem Kreis des Kirchenglaubens, er kennt die Schrecknisse, die außerhalb desselben die begabtesten Geister überwältigt – er gleicht dem Zauberer, der nicht den Kreis zu überschreiten wagt, wo er sich selbstwillig gebannt und sicher ist –
Polemik zwischen Christen und heidnischen Philosophen – im Kampfgetümmel vertauschen sie oft die Waffen – ein christlicher Vorsehungshelm auf dem Haupt des Griechen, ein griechisches Götterschwert in der Hand des Christen – Ketzereien entspringen – Glaubenshelden verfallen in Irrtum und Zweifel –
Das Heidentum endigt, sobald die Götter von den Philosophen als Mythen rehabilitiert werden – das Christentum ist auf denselben Punkt gelangt, Strauß ist der Porphyrius unserer Zeit –
[400] Im Altertum kein Gespensterglauben – die Leiche wurde verbrannt, der Mensch entschwand als Rauch in die Höhe, er ging auf in dem reinsten, geistigsten Element, im Feuer – Bei den Christen wird der Leib (aus Hohn oder Verachtung?) der Erde zurückgegeben – er ist wie das Korn und sproßt wieder hervor als Gespenst (ein körperlicher Leib wird gesät, ein geistiger entsproßt) – er behält die Schauer der Verwesung – die Ertrunkenen, als Gespenster, nicht so schaurig –
Es sind in Deutschland die Theologen, die dem lieben Gott ein Ende machen – on n'est jamais trahi que par les siens.
Der Prediger, der die Gemeinde weinen sieht: die ganze Geschichte ist vielleicht nicht wahr –
Wie die Männer der Wissenschaft während der mittelalterlich christlichen Periode aus der Bibel heraus die wissenschaftlichen Wahrheiten zu entdecken suchten: so suchen jetzt die Männer der Religion die theologischen Wahrheiten in der Wissenschaft zu entdecken, in der Geschichte, in der Philosophie, in der Physik: die Dreieinigkeit in der indischen Mythologie, die Inkarnationslehre in der Logik, die Sündflut in der Geologie usw.
Deutsche Theologie: der mitleidige Pfarrer: vielleicht ist die ganze Geschichte nicht wahr –
In dunkeln Zeiten wurden die Völker am besten durch die Religion geleitet, wie in stockfinstrer Nacht ein Blinder unser bester Wegweiser ist; er kennt dann Wege und Stege besser als ein Sehender – Es ist aber töricht, sobald es Tag ist, noch immer die alten Blinden als Wegweiser zu gebrauchen –
[401] Fortdauer nach dem Tode: Gott hat nichts manifestiert, was darauf hinwiese, auch redet Moses nicht davon. Es ist Gott vielleicht gar nicht recht, daß die Frommen die Fortdauer so fest annehmen – In seiner väterlichen Güte will er uns vielleicht damit eine Surprise machen –
Ich sah einen Wolf, der leckte an einem gelben Stern, bis seine Zunge blutete –
Place de la Concorde – ich möchte wissen, wenn man auf diesen Ort säet, ob Korn wachsen wird –
Persönlichkeit Gottes als Geist ist ebenso absurd wie der rohe Anthropomorphismus. Denn die geistigen Attribute bedeuten nichts und sind lächerlich ohne die körperlichen. Zum Beispiel Gott ist die Liebe (er hat ja keine Galle), Gott ist gerecht (er hat keinen Magen, der ihn zwingt, um gefüttert zu werden, Ungerechtigkeiten zu begehen), er ist weise (kein Schnupfen hindert ihn am Nachdenken), er ist die Tugend selbst (er hat ja keine Geschlechtsteile) –
Notwendigkeit des Deismus – ER und Ludwig Philipp – notwendig – Ludwig Philipp des Himmels –
V. H.
Lafayette – die Welt wundert sich, daß einmal ein ehrlicher Mann gelebt hat – die Stelle bleibt vakant –
[402] Wie im Homer die Helden auf dem Schlachtfeld ihre Rüstungen, so tauschten die Völker dort ihre Haut, die Franzosen zogen unsre Bärenhaut, wir ihre Affenhaut an – Jene tun nun gravitätisch, wir klettern auf Bäumen, jene schelten uns Voltairianer – seid ruhig, wir haben nur eure Haut an, wir sind doch Bären im Herzen –
Der tugendhafte Fleischerhund, welcher immer den Fleischkorb unangetastet zu den Kunden seines Herrn brachte, ward von andern Hunden überfallen, die sich über das Fleisch hermachten. Als er sah, daß die ganze Welt aß, aß er mit.
Um meine Wiege spielten die letzten Mondlichter des achtzehnten und das erste Morgenrot des neunzehnten Jahrhunderts.
Wo das Weib aufhört, fängt der schlechte Mann an –
Die deutsche Sprache an sich ist reich, aber in der deutschen Konversation gebrauchen wir nur ein zehntel Teil dieses Reichtums – faktisch sind wir also spracharm –
Die französische Sprache an sich ist arm, aber die Franzosen wissen alles, was sie enthält, in der Konversation auszubeuten, und sie sind daher sprachreich in der Tat –
Nur in der Literatur zeigen die Deutschen ihren ganzen Sprachschatz, und die Franzosen, davon geblendet, denken wunders, wie glänzend wir zu Hause – sie haben auch keinen Begriff davon, wie wenig Gedanken bei uns im Umlauf zu Hause – Bei den Franzosen just das Gegenteil, mehr Ideen in der Gesellschaft als in den Büchern, und die Geistreichsten schreiben gar nicht oder bloß zufällig –
[403] Man muß ganz Deutschland kennen, ein Stück ist gefährlich. Vergleich: der Baum, dessen Blätter und Früchte wechselseitiges Gegengift –
Steckbrief der Natur – nicht Beschreibung –
Theater ist nicht günstig für Poeten –
In dem öden ausgestorbenen Himmel sitzt auf eisernem Stuhl die letzte Göttin, die Notwendigkeit, mit ihrem traurigen Herzen –
Gefährliche Deutsche:
Sie ziehen plötzlich ein Gedicht aus der Tasche, Gespräch über Philosophie – wieviel –
In bezug auf die Frage von den eingeborenen Ideen – Lösung: es gibt Menschen, denen alles von außen kommt, die sogenannten Talente, wie Lessing, erinnernd an Affen, wo die äußere Nachahmung – nichts ist in ihrem Geiste, was sie nicht durch die Sinne aufgenommen. Es gibt aber auch Menschen, denen alles aus der Seele kommt, Genien, wie Raffael, Mozart, Shakespeare, denen das Gebären aber schwerer wird wie dem sogenannten Talente – Bei jenen ein Machen ohne Leben, ohne Innerlichkeit, Mechanismus – Bei diesen ein organisches Entstehen –
Assoziation der Ideen in dem Sinne wie Assoziation in der Industrie – z.B. Verbindung philosophischer Gedanken mit staatswissenschaftlichen, neue Resultate –
[404] Plagiatismus in Frankreich. Hier hat ein Geist die Hand in der Tasche des andern, und das gibt ihnen einen gewissen Zusammenhang. – Bei diesem Talent des Gedankendiebstahls, wo einer dem andern den Gedanken stiehlt, ehe er noch ganz gedacht, wird der Geist Gemeingut – In der Republik des lettres ist Gedankengütergemeinschaft.
Shakespeare
Die dramatische Form von den Zeitgenossen, Unterscheidung dieser Form von der französischen –
Den Stoff immer bis ins Detail entlehnt, sogar die rohen Umrisse, wie die ersten Ausmeißelungen des Bildhauers, behält er –
Ist die Teilung der Arbeit auch im geistigen Produzieren vorteilhaft? Das Höchste wird nur dadurch erreicht –
Wie Homer nicht allein die »Ilias« gemacht, hat auch Shakespeare nicht allein seine Tragödien geliefert – er gab nur den Geist, der die Vorarbeiten beseelte –
Bei Goethe sehen wir Ähnliches, seine Plagiate –
Es gibt Leute, welche den Vogel ganz genau zu kennen glauben, weil sie das Ei gesehen, woraus er hervorgebrochen.
Er = der zahmste Charakter, der sich an die wildeste Stoffe vergreift – für den Zuschauer ein pikantes Schauspiel, wie Kaninchen, die eine Pistole losschießen –
Der kühlste Geist, welcher die hitzigsten Gegenden besucht – der westfälische Pumpernickel enthusiasmiert sich für Kokosnüsse und Ingwer –
[405] Freiligrath
Wesen der neuern Poesie – ihr parabolischer Charakter – Ahnung und Erinnerung – Mit diesen Gefühlen korrespondiert der Reim – seine musikalische Bedeutung – durch seltsame fremdgrelle Reime gleichsam reichere Instrumentation, die aus der wiegenden Weise ein Gefühl besonders hervortreten lassen soll – wie sanfte Waldhornlaute durch plötzliche Trompetentöne unterbrochen. So weiß Goethe die ungewöhnlichen Reime zu benutzen, zu grell barocken Effekten Schlegel, Byron – Übergang in den komischen Reim. Vergleiche damit den Mißbrauch der fremdklingenden Reime bei Freiligrath, Barbarei beständiger Janitscharenmusik – Fabrikantenirrtum – Uneingeweihter in das Geheimnis – keine Naturlaute –
Der Ausdruck und der Gedanke entspringen nicht zu gleicher Zeit – Er gebraucht Hammer und Meißel und verarbeitet die Sprache wie einen Stein – der Gedanke ist Material, und nicht immer Material aus den Steinbrüchen des eignen Gemütes – z.B. Plagiat von Grabbe und Heine.
Alles kann er machen, nur kein Lied – Ein Lied ist das Kriterium der Ursprünglichkeit.
Das eigentliche Gedicht, halb episch, halb lyrisch (was wir gewöhnlich so nennen), partizipiert mehr oder minder vom Lied, selbst in den breitesten Rhythmen – nicht so bei Freiligrath. Sein Wohllaut ist meistens rhetorischer Art –
Ähnlichkeit zwischen Freiligrath und Platen, dieser hat feineres Ohr für Wortmelodie, vermeidet weit mehr die Härten, klingt musikalischer – aber diesem fehlt die Zäsur, die Freiligrath besser hat, weil er gesunder fühlt – Zäsur ist der Herzschlag des dichtenden Geistes und läßt sich nicht nachahmen, wie Wohllaut –
Nachahmung Hugos –
Er ist Genremaler – gibt Genrebilder des Meeres, nicht Historienbilder des lebendigen Ozeans –
Gibt morgenländische Genrebilder – türkische Holländerei –
[406] Sein Charakter: Sehnsucht nach dem Orient und Hineinträumen in südlichen Zuständen – Aber der Orient ist ihm nicht aufgegangen in seiner Poesie, wie bei andern Dichtern, denen jener fabelhafte, abenteuerliche Orient vorschwebt, den wir aus den Kreuzzügentraditionen und »Tausendundeine Nacht« uns zusammengeträumt – ein real unrichtiger, aber in der Idee richtiger, Poesie=Orient – Nein, er ist exakt wie Burckhardt und Niebuhr, seine Gedichte sind ein Appendix zum Cottaschen »Ausland«, und die Verlagshandlung hat seine Kenntnis der Geographie und Völkerkunde sehr bedeutungsvoll gerühmt – daher sein Wert für die große Masse, die nach realistischer Kost verlangt – seine Anerkennung ein bedenkliches Zeichen einreißender Prosa.
(Die große Masse glaubt an seine Meisterschaft der Form: laßt uns also diese beleuchten:)
Schöne Reime bei F. goldne Krücken für lahme Gedanken –
Es gibt hohe Geister, die über alle materielle Herrlichkeit erhaben sind und den Thron nur für einen Stuhl ansehen, der bedeckt mit rotem Sammet – Es gibt niedre Geister, denen alles Ideale unbedeutend dünkt und denen der Pranger nur ein Halsband von Eisen ist – sie haben keine Scheu vor der eisernen Krawatte, wenn sie nur dadurch ein Publikum um sich versammeln können; diesem imponieren sie durch Frechheit, welche durch die Routine der Schande erlangt worden.
Tortillard littéraire –
Der Diamant könnte sich etwas drauf einbilden, wenn ihn ein Dichter mit einem Menschenherzen vergliche –
[407]Gutzkow – Er hat Heine nachahmen wollen, aber es fehlte ihm an aller Poesie, und er brachte es nur bis zur Nachahmung Börnes –
Die höchste Blüte des deutschen Geistes: Philosophie und Lied – Die Zeit ist vorbei, es gehörte dazu die idyllische Ruhe, Deutschland ist fortgerissen in die Bewegung – der Gedanke ist nicht mehr uneigennützig, in seine abstrakte Welt stürzt die rohe Tatsache – Der Dampfwagen der Eisenbahn gibt uns eine zittrige Gemütserschüttrung, wobei kein Lied aufgehen kann, der Kohlendampf verscheucht die Sangesvögel, und der Gasbeleuchtungsgestank verdirbt die duftige Mondnacht.
Unsre Lyrik ist ein Produkt des Spiritualismus, obgleich der Stoff sensualistisch – : die Sehnsucht des isolierten Geistes nach Verschmelzung mit der Erscheinungswelt: to mingle with nature – Mit dem Sieg des Sensualismus muß diese Lyrik aufhören, es entsteht Sehnsucht nach dem Geist: Sentimentalität, die immer dünner verdämmert, nihilistische Pimperlichkeit, hohler Phrasennebel, Mittelstation zwischen Gewesen und Werden: Tendenz.
In Deutschland wird das Christentum gleichzeitig in der Theorie gestürzt und in den Tatsachen: Ausbildung der Industrie und des Wohlstandes –
Bild: Haushalt Josephs und Marias. Ersterer sitzt an der Wiege des Kindes und schaukelt es, singt auch Eiapopeia: Prosa. Maria sitzt am Fenster zwischen Blumen und streichelt ihre Taube –
[408] De mortuis nil nisi bene – man soll von den Lebenden nur Böses reden.
›Leo läßt sie schwören auf das Buch – Madame L. gibt ihr die Akkolade und stößt ihr fast einen Zahn aus – Schaden von zwanzig Francs – Ißt harte Butterschnitte – die pains d'azyme – Madame sagt die hebräischen Worte: dignus es intrare in nostro corpore –‹
Rührung. Der dramatische Dichter, der es versteht, Tränen zu entlocken – Dieses Talent hat auch die kümmerlichste Zwiebel, mit dieser teilt er seinen Ruhm.
G. = der M. hat noch einen Buchhändler gefunden, der ihm eine Ohrfeige gab, der G. aber ist so verworfen, daß nicht einmal ein Buchhändler sich fand, der seine Hand an seinem Gesichte beschmutzen wollte –
Vision – Place Louis XVI – Eine Leiche, der Kopf dabei – der Arzt macht Versuche, ob er wieder zusammenzuheilen, schüttelt das Haupt: »Unmöglich! Wenn ein König den Kopf verloren, ist ihm nicht zu helfen« und geht seufzend fort – Höflinge versuchen das tote Haupt festzubinden, es fällt aber immer herunter.
Ein Gesicht wie ein Fötus in Weingeist –
Gutzkow – sonderbares Phänomen – Er hat alles Schlechte der Vergangenheit in sich aufgenommen, und schon das Schlechte der Zukunft findet zu ihm den Weg – Übergang von [409] einem Mist zum andern – während die Vergangenheit noch in ihm ihre letzten Mißdüfte aushaucht, stinkt schon in ihm die Zukunft –
Die Natur war sehr bescheiden, als sie ihn schuf, ihn, den Unbescheidensten.
Gutzkow – dieser schlechte Dichter, dieser uneh'liche Musensohn, dieser Sohn einer Mutter, die nichts von ihm wissen will –
Gutzkow hat in seiner Darstellung und Sprache etwas Polizeiliches –
Gutzkow ebenso kriechend gegen die, welche er gewinnen will, wie frech gegen die, von welchen er nichts mehr hofft. Sein Brief mit der Aromastelle. Meine Schwäche. Er prellte mich um 200 Francs – soviel kostet mir mein Aroma –
Villemain – Buffon sagt, der Stil sei der Mensch selbst. Villemain ist eine lebendige Widerlegung dieses Axioms. Sein Stil ist schön, wohlgewachsen, reinlich und edel.
Weiß auch keine Politik, Vergleich mit Hausfrau und Magd –
Gutzkow ewig auf der Lauer, um die Tagesschwächen des Publikums zu erspähen, sie auszubeuten in seinem Privatinteresse. Jenen Schwächen huldigend und schmeichelnd, darf er immerhin Talent, Kenntnisse und Charakter entbehren, er weiß es. Er gibt dem Publikum keine eigne Impulsionen, sondern er [410] empfängt sie von demselben; er zieht die Livree der Tagesidee an, er ist ihr Bedienter, ihr Kanzeleidiener, er katzenbuckelt und verlangt sein Trinkgeld.
Der T. liebt die Juden nicht – Als ich ihn drüber befragte: sie sind schlecht ohne Grazie, flößen Abscheu ein gegen die Schlechtigkeit und schaden mir mehr, als sie nutzen –
Warum jetzt widersprechen – in wenigen Jahren bin ich tot, und dann muß ich mir alle Lügen ja doch gefallen lassen – G. hat nicht zu fürchten, daß man nach seinem Tode Lügen von ihm sagt – – –
B. Wenn ich von dem Stamme wäre, dem unser Heiland entsprossen, ich würde mich dessen eher rühmen als schämen –
A. Ach! das tät ich auch, wenn unser Heiland der einzige wäre, der diesem Stamm entsprossen – aber es sind demselben so viel Lumpengesindel ebenfalls entsprossen, daß diese Verwandtschaft anzuerkennen sehr bedenklich –
Judentum: Ein Gott hat die Welt erschaffen und regiert sie, und alle Menschen sind seine Kinder, die Juden sind seine Lieblinge, und ihr Land ist sein auserwähltes Dominium. Juden sind der Adel und Palästina das Majorat, Exarchat Gottes – Aristokratie –
Christentum: Demokratie: ein Gott, der alles erschaffen und regiert, aber alle Menschen gleich liebt und alle Reiche gleich beschützt, kein Nationalgott mehr, Universalismus –
Unterschied des Heidentums (Inder, Perser) vom Judentum – sie haben alle ein Urwesen, unendliches, ewiges, aber dieses ist [411] bei jenen in der Welt, mit welcher es identisch, und es entfaltet sich mit dieser aus dem Gesetze der Notwendigkeit – der Gott der Juden ist außer der Welt und erschafft sie durch einen Akt des freien Willens –
Schöne Geschichte die jüdische – Aber die jungen Juden schaden den alten – die man weit über die Griechen und Römer setzen würde – ich glaube, gäbe es keine Juden mehr und man wüßte, es befände sich noch irgendwo ein Exemplar von diesem Volk, man würde hundert Stunden reisen, um es zu sehen und ihm die Hände zu drücken – und jetzt weicht man uns aus.
Tragische Geschichte die Geschichte der neueren Juden, und schrieb man über dieses Tragische, so wird man noch ausgelacht – das ist das Allertragischste –
Der Judenhaß beginnt erst mit der romantischen Schule (Freude am Mittelalter, Katholizismus, Adel, gesteigert durch die Teutomanen – Rühs –)
Die Juden – das Volk=Gespenst, das bei seinem Schatze unabweisbar wachte; dieser Schatz war die Bibel. ›Vergebens der Exorzismus – Deutsche hoben ihn –‹ Ist ihre Mission geendigt? – ich glaube, wenn der weltliche Heiland kommt: Industrie, Arbeit, Freude – Der weltliche Heiland kommt auf einer Eisenbahn – Michel bahnt ihm den Weg – Rosen werden gestreut auf...
Das Porzellan, das die Juden einst in Sachsen kaufen mußten – die, welche es behielten, können dafür jetzt den hundertfachen Wert bezahlt bekommen – Am Ende wird Israel für sein [412] Opfer entschädigt, durch die Anerkennung der Welt, durch Ruhm und Größe –
Friedliche Gesinnung. Wünsche: bescheidene Hütte, Strohdach, aber gutes Bett, gutes Essen, Milch und Butter, sehr frisch, vor dem Fenster Blumen, vor der Türe einige schöne Bäume, und wenn der liebe Gott mich ganz glücklich machen will, läßt er mir die Freude erleben, daß an diesen Bäumen etwa sechs bis sieben meiner Feinde aufgehängt werden – Mit gerührtem Herzen werde ich ihnen vor ihrem Tode alle Unbill verzeihen, die sie mir im Leben zugefügt – ja, man muß seinen Feinden verzeihen, aber nicht früher, als bis sie gehenkt worden. – Versöhnlichkeit, Liebe, Barmherzigkeit.
Nicht vindikativ – aber ich möchte meine Feinde lieben, kann sie aber nicht lieben, ehe ich mich gerächt – dann aber öffnet sich ihnen mein Herz – Solange man sich nicht gerächt, bleibt immer eine Bitterkeit im Herzen –
Demokratische Wut gegen das Besingen der Liebe – warum die Rose besingen, Aristokrat! besing die demokratische Kartoffel, die das Volk nährt –
Gedanken, schön gekämmt, frisiert.
Schiffer auf stürmischem Meer, auf einer Küstenklippe ein Kloster, die weißen Nonnen stehen dort singend – Vergleiche Kunstwerke in politischer Zeit –
Girouetten – sie beschwören Stürme und verlassen sich auf ihre Beweglichkeit – sie vergessen, daß ihnen ihre Beweglichkeit [413] nichts helfen wird, wenn mal der Sturmwind den Turm stürzt, worauf sie stehen –
Wenn man wie Nodier in seiner Jugend mehrmals guillotiniert worden, ist es sehr natürlich, daß man im Alter keinen Kopf mehr hat –
›An den Kö – wird sich I. für E. M. guillotinieren lassen.‹
›Wir haben beide keine Kinder – um Kinder zu machen, dazu gehört eine Überzeugung –‹
Ein Talent können wir nach einer einzigen Manifestation anerkennen – für die Anerkennung eines Charakters bedürfen wir aber eines langen Zeitraums und beständiger Öffentlichkeit. »Vor seinem Tode«, sagt Solon, »ist niemand glücklich zu schätzen« – und wir dürfen auch sagen, niemand als Charakter zu preisen. Herr R. ist noch jung, und es bleibt ihm Zeit genug zu künftigen Schuftenstreichen – wartet nur einige Jährchen, er tauft sich in der *Kirche, er wird der Advokat für Schelmenstreiche – vielleicht aber hatte er schon die Muße dazu angewendet, und wir kennen seine Taten nicht, wegen seiner obskuren Weltstellung.
Der Hund, dem man einen Maulkorb anlegte, bellt mit dem Hintern – Das Denken auf Umweg äußert sich noch mißduftiger, durch Perfidie des Ausdrucks –
Ja, nicht der Vortrefflichkeit ihrer Lehre wegen, sondern wegen der Vulgarität derselben, und weil die große Menge unfähig [414] ist, eine höhere Doktrin zu fassen, glaube ich, daß die Republikaner, zunächst in Frankreich, allmählich die Oberhand gewinnen und für einige Zeit ihr Regiment befestigen werden. Ich sage für einige Zeit, denn jene plebejischen Republiken, wie unsere Radikalen sie träumen – – – – – – – –
Das ist es. Indem wir mit Gewißheit ihre kurze Dauer voraussehen, trösten wir uns ob der Fortschritte des Republikanismus. Er ist vielleicht eine notwendige Übergangsform, und wir wollen ihm gern den verdrießlich eingepuppten Raupenzustand verzeihen, in der Hoffnung, daß der Schmetterling, der einst daraus hervorbricht, desto farbenreicher beflügelt seine Schwingen entfalten und im süßen Sonnenlichte mit allen Lebensblumen spielen wird! – Wir sollten euch eigentlich wie griesgrämige Väter behandeln, deren zugeknöpft pedantisches Wesen zwar unbequem für weltlustige Söhne, aber dennoch nützlich ist für deren künftiges Etablissement. – Aus Pietät, wenn auch nicht schon aus Politik, sollten wir daher nur mit einer gewissen Zurückhaltung über jene trüben Käuze unsere Glossen aussprechen. Wir wollen euch sogar ehren, wo nicht gar unterstützen, nur verlangt nicht zuviel, und werdet keine Brutusse an uns, wenn etwa eure allzu einfache Suppen uns nicht munden und wenn wir manchmal zurückschmachten nach der Küche der Tarquinier! – – –
Die Stelle in Börnes Briefen –
Sonderbar! wir wiegen und trösten uns mit dieser Hypothese in derselben Weise wie jene greisen Anhänger des alten Regimes, die aus Verzweiflung über die Gegenwart nur in dem Siege der Republikaner ihr Heil sehen und, um Heinrich den V. auf den Thron zu bringen, mit Todesverachtung die Marseillaise anstimmen...
[415] Wir begreifen die Ruinen nicht eher, als bis wir selbst Ruinen sind –
Die Gesellschaft ist immer Republik – die einzelnen streben immer empor, und die Gesamtheit drängt sie zurück.
S. B. C. u. Co. sind die Filzläuse der Freiheitsgöttin – Es war eine schöne Julinacht, als ich in deinen Armen lag etc. etc. – ach, dieses Jucken erinnert uns dran – ihre Mission ist, mich vor Heimweh zu bewahren –
Ich sehe die Wunden der Vergangenheit klar. Ein Schleier lag auf der Zukunft, aber ein rosafarbiger, und hindurch schimmern goldene Säulen und Geschmeide und klingt es süß –
Das alte Märchen der drei Brüder realisiert sich. Der eine läuft hundert Meilen in einigen Stunden, der andre sieht hundert Meilen weit, der dritte schießt so weit, der vierte bläst Armeen fort – Eisenbahn, Fernrohr, Pulver ›oder Presse‹ – er hält das eine Nasloch zu – wird
Das junge Mädchen sagte: »Der Herr muß sehr reich sein, denn er ist sehr häßlich.« Das Publikum urteilt in derselben Weise: Der Mann muß sehr gelehrt sein, denn er ist sehr langweilig. – Daher Sukzeß vieler Deutschen in Paris.
Es ist erstaunlich, wie in so kleinem Köpfchen eine solche Masse von Unwissenheit stecken kann –
[416] Alter Karrengaul und Esel, den Dampfwagen vorbeirollen sehend.
Pferd: Das wird uns eine ganz neue Zukunft bereiten, wir werden nicht mehr soviel Lasten ziehen und laufen müssen: Wohl dem Enkel, das Paradies ist vor uns – oder ist die Hoffnung nicht mit Gefahr geknüpft: werden wir nicht überflüssig sein? wird man uns nicht töten und speisen?
Der Esel: Wir haben von allen solchen Umwälzungen nichts zu hoffen noch zu fürchten: wir werden immer nach wie vor zur Mühle traben, die Welt wird immer Esel brauchen und sie zu schätzen wissen –
Lockender als je klangen diesen Winter die Zaubertöne.
Anstrengung bei allen Freuden – Paris, die Galeere des Vergnügens – besonders für Ehepaare, welche die Kette am Bein – doch immer besser als das deutsche Zellensystem des einsamen Nachdenkens – Man kann sich nicht sammeln, klagen unsre Landsleute – die Zerstreuung sei zu groß – Ach! das ist nicht so schlimm, schlimmer, daß sich auch das Geld so schnell zerstreut – Wenn dieser Talisman unseren Händen entrissen, schwindet der Zauber, und man sieht:...
Nicht alle waren Hexenmeister, die dies Jahr den Tanz anstimmten – Allgemeiner Rausch – die neubürgerliche Gesellschaft will hastig den letzten Becher leeren, wie die altadlige vor 89 – auch sie hört schon im Korridor die marmornen Tritte der neuen Götter, welche ohne anzuklopfen in den Festsaal eintreten werden und die Tische umstürzen.
Musikphilister – Tom Pouce, die einzige große Reputation, welche Amerika uns zugeschickt – Ist es Ironie, weil wir ihnen den Raumer schicken?
Dieser langweilige Pianistenpöbel –
[417]Der Wahnsinnige – will nicht in den Tuilerien spazierengehn – sieht die Bäume zwar schön grün, aber die Wurzeln in der Erde blutrot –
Lese das Buch, langweilig, schlafe drüber ein, im Schlafe träume ich weiterzulesen, erwache vor Langeweile, und das dreimal –
Fanny Elßler – die Tänzerin beider Welten.
Lanzillote und der König von Preußen – Aristoteles und Alexander –
Hütet euch vor Hengstenberg – der stellt sich nur so dumm, das ist ein Brutus, der einst die Maske fallen läßt, sich vernunftgläubig zeigt und euer Reich stürzt –
X – er gehört zu jenen Engeln, die Jakob im Traume gesehen und die eine Leiter nötig hatten, um vom Himmel auf die Erde herabzusteigen – ihre Flügel sind nicht stark genug –
Hoffnung – schöne Jungfrau, kindliches Gesicht, welke Brüste wor –...
Die Verfertiger des Codex hatten glücklicherweise in Revolutionszeiten gelebt, wo sie die Leidenschaften und höchsten Lebensfragen mitfühlen lernten –
[418] Wie die Theater mehrmals abbrennen müssen, ehe sie als ganz prachtvoll gebaut hervorsteigen, wie ein Phönix aus der Asche, so gewisse Bankiers – jetzt glänzt das * Haus, nachdem es drei- bis viermal falliert, am glänzendsten. Nach jedem Brande – die Gläubiger waren nicht verassekuriert –
Die Parabel vom Schauspieler – der Hund, der Esel – Du sollst bellen, du sollst Stroh fressen – der arme *, er bellt schon –
Man nennt * einen zweiten Duprez – man wird bald Herrn Duprez einen zweiten * nennen, so schlecht singt er schon –
Rachel – Vater Kaninchen und Mutter Fisch –
Ob sie tugendhaft war, weiß ich nicht – aber sie war immer häßlich, und Häßlichkeit bei einem Weibe ist schon der halbe Weg zur Tugend –
›Schrieb anonyme Briefe, unterschrieben »eine schöne Seele« –‹
Er hat es in der Ignoranz am weitesten gebracht.
Wenn Montalembert Minister wird – mich von Paris fortjagen wollte, würde ich katholisch werden = Paris vaut bien une messe.
[419] König Ludwig nimmt den Luther nicht auf in Walhalla – man darf's ihm nicht verübeln, er fühlt im Herzen, daß, wenn Luther eine Walhalla gebaut hätte, er ihn als Dichter nicht darin aufgenommen hätte –
Ich betrachtete den Dombau immer als ein Spielzeug, ich dachte, ein Riesenkind, wie das deutsche Volk, bedarf ebenfalls eines so kolossalen Spielzeugs, wie der Kölner Dom ist – aber jetzt denk ich anders. Ich glaube nicht mehr, daß das deutsche Volk ein Riesenkind, jedenfalls ist es kein Kind mehr, es ist ein großer Junge, der viel natürliche Anlagen hat, aus dem aber doch nichts Ordentliches wird, wenn er nicht ernsthaft die Gegenwart benutzt und die Zukunft ins Auge faßt. Wir haben keine Zeit mehr zum Spielen oder die Träume der Vergangenheit auszubauen –
Rußland – Einheit der Autorität, durch politische, nationale und sogar religiöse Gleichheit; die Autorität geübt durch die höchste Intelligenz, terroristisch gegen sich selbst, jede Schwäche von sich ausscheidend: Peter III. stirbt, Paul stirbt, Konstantin tritt ab, und eine Reihe der ausgezeichnetsten Herrscher tritt auf, seit Peter I., z.B. Katharina II., Alexander, Nikolas – Die Revolution trägt hier eine Krone und ist gegen sich selbst so unerbittlich, wie es das Comité du salut public nur jemals sein konnte –
Judäa – dieses protestantische Ägypten.
Pozzo di Borgo und Stein – saubere Helden, der eine ein Renegat, der für ein paar Rubel sein Vaterland, seine Freunde und sein eignes Herz verkaufte, der andre ein hochnasiger Krautjunker, der unter dem Mantel des Patriotismus den Wappenrock der Vergangenheit verbarg – Verrat und Haß –
[420] Niklas – Erbdiktator –
Gleichgültigkeit gegen das Herkömmliche, das Verjährte, das Geschichtliche.
Wieviel höher steht die Frau bei Moses als bei den andern Orientalen – noch auf heutigen Tag bei den Mahometanern – diese sagen bestimmt, daß die Frau nicht einmal ins Paradies kommt. Mahomet hat sie davon ausgeschlossen. Glaubte er etwa, daß das Paradies kein Paradies mehr sei, wenn jeder seine Frau dort wiederfände?
Chasles als Literarhistoriker ordnet die Schriftsteller nicht nach Äußerlichkeiten (Nationalität, Gattung der Werke ›z.B. Epos, Drama, Lyrik‹, Zeitalter), sondern nach dem inneren geistigen Prinzip, nach Wahlverwandtschaft – so will Paracelsus die Blumen nach dem Geruch klassifizieren – wieviel sinnreicher als Linné nach Staubfäden! – Wenn man die Literaten nach ihrem Geruch klassifizierte? Die, welche nach Tabak, die nach Zwiebeln riechen usw.
Blaze de Bury – die kleinen Schriftsteller beobachtet er durch ein Vergrößerungsglas – die großen durch ein Verkleinerungsglas –
Hinrichtungen in Masse auf der Grève und Place Louis XV. Argument – jeder konnte hier sehen, daß das adlige Blut nicht schöner als das Bürgerlicher – Der wahnsinnige Bürger, der jeder Exekution beiwohnt, wie einem praktischen Experiment zum Beweis der idealen Theorie –
Im dritten Teil des Gisquet – der Polizeiagent, welcher den Dieb errät, der die Medaillen gestohlen – wegen der feinen [421] Arbeit des Erbrechens, das gutgeflochtene Seil, das Stück Wachslicht in der Diebeslanterne statt des Talgs – So errate ich * in dem Anonymenartikel.
Rothschilds Walhalla – Pantheon aller Fürsten, die bei ihm Anlehn gemacht –
Die Presse – vergleiche der fabelhafte Baum, genießt man die Frucht, so erkrankt man, genießt man die Blätter, so genest man von dieser Krankheit, und umgekehrt – Legitimistische und republikanische Blätter –
Die französischen Journale tragen sämtlich eine ganz bestimmte Parteifarbe: sie weisen jeden Artikel zurück, der sich nicht mit den augenblicklichen Tagesinteressen, den sogenannten Aktualitäten, beschäftigt. – In Deutschland ist just das Gegenteil der Fall, und wenn ich auch zuweilen darüber lächeln muß, daß die deutschen Blätter so viele Gegenstände, die mit den zeitlichen Landesfragen in keiner entferntesten Berührung stehen, so gründlich behandeln, z.B. die chinesischen oder ostindischen Kulturbezüge: so muß ich dennoch mich freuen über diesen Kosmopolitismus der deutschen Presse, die sich selbst für die abenteuerlichsten Nöten auf dieser Erde interessiert und alle menschentümlichen Besprechungen so gastlich aufnimmt!
Rossinis »Othello« – ein Vesuv, der strahlende Blumen speit –
Der Schwan von Pesaro hat das Gänsegeschnatter nicht mehr ertragen können –
Aufhören der Poesie im Künstler. Der Kranz, der ihm vom Haupte schwindet –
Sein Pasticcio hat für mich von vornherein etwas Unheimliches[422] – mahnend an den heiligen Hieronymus in der spanischen Galerie, der als Leiche die Psalmen schrieb. Frösteln beim Anfühlen der Statue.
Alle Bilder Ary Scheffers zeigen ein Heraussehnen aus dem Diesseits, ohne an ein Jenseits recht zu glauben – vaporöse Skepsis.
Eindruck bei der Rückkehr in Deutschland: Zuerst das weiße Haar – Weiß gibt immer die Idee des Märchenhaften, Gespenstischen, des Visionären – weiße Schatten – Puder – Totenlaken –
Bei den Griechen Identität des Lebens und der Poesie – Hatten also keine so großen Dichter wie wir, wo das Leben oft den Gegensatz der Poesie bildet. Shakespeares große Zeh enthält mehr Poesie als alle griechischen Poeten (mit Ausnahme des Aristophanes) – Die Griechen große Künstler, nicht Dichter; mehr Kunstsinn als Poesie – Plastik eben weil die Wirklichkeit nur verkörperte Poesie war und die besten Modelle bot – brauchten nur zu kopieren –
Ende der Literatur in der Demokratie: Freiheit und Gleichheit des Stils. Jedem sei es erlaubt, nach Willkür, also so schlecht er wolle, zu schreiben, und doch soll kein anderer ihn stilistisch überragen und besser schreiben dürfen –
[423] E. = ist mehr ein Freund der Gedanken als der Menschen –
Demokratischer Haß gegen die Poesie – der Parnaß soll geebnet werden, nivelliert, makadamisiert – und wo einst der müßige Dichter geklettert und die Nachtigallen belauscht, wird bald eine platte Landstraße sein, eine Eisenbahn, wo der Dampfkessel wiehert und der geschäftigen Gesellschaft vorübereilt.
Sowie die Demokratie zur Herrschaft wirklich gelangt, hat alle Poesie ein Ende – der Übergang zu diesem Ende ist die Tendenzpoesie, deshalb, nicht bloß weil sie ihrer Tendenz dient, wird die Tendenzpoesie von der Demokratie begünstigt – sie wissen, hinter oder vielmehr mit Hoffmann von Fallersleben hat die Poesie ein Ende –
Hamborger –
Deutsche Ehe keine wahre Ehe. Der Ehemann hat keine Ehefrau, sondern eine Magd, und lebt sein isoliertes Hagestolzleben im Geiste fort, selbst im Kreis der Familie. Ich will darum nicht sagen, daß er der Herr sei, im Gegenteil, er ist zuweilen nur der Bediente seiner Magd, und den Servilismus verleugnet er auch im Hause nicht.
[424] Man ist tugendhaft in Deutschland, weil man es so lange war und jetzt es nicht der Mühe wert hält, lasterhaft zu werden, ungefähr wie Damen, die bis zum vierzigsten Jahr tugendhaft waren – daher große Toleranz, laxe Prinzipien, bei strengen Sitten –
Die Deutschen arbeiten an ihrer Nationalität, kommen aber damit zu spät. Wenn sie dieselbe fertig haben, wird das Nationalitätswesen in der Welt aufgehört haben, und sie werden auch ihre Nationalität gleich wieder aufgeben müssen, ohne, wie Franzosen oder Briten, Nutzen davon gezogen zu haben –
Deutsche Frauen, gefährlich wegen ihrer Tagebücher, die der Mann finden kann –
Deutsche und französische Frauen: Die deutschen Öfen wärmen besser als die französischen Kamine, aber daß man hier das Feuer lodern sieht, ist angenehmer; freudiger Anblick, aber Frost im Rücken –
Deutsche Öfin, wie wärmst du treu und scheinlos!
Vergleiche den harmlosen Dichter, der plötzlich politisch wird, mit dem Kind in der Wiege: Vater, iß nicht, was die Mutter gekocht –
Hannöversche Junker – Esel, die nur von Pferden sprechen –
Bediente, die keinen Herrn haben, sind darum doch keine freie Menschen – die Dienstbarkeit ist in ihrer Seele –
[425] Vor der Geburt: Die Mutter erzählt, sie habe im fremden Garten einen Apfel während ihrer Schwangerschaft hängen sehen, ihn aber nicht abbrechen wollen, damit ihr Kind kein Dieb werde – im Leben hindurch behielt ich ein geheimes Gelüste nach schönen Äpfeln, aber verbunden mit Respekt vor fremdem Eigentum und Abscheu vor Diebstahl –
Es ist nicht der arme Ungar Niembsch oder der Handlungsbeflissene aus Lippe = Detmold, welcher das schöne Gedicht hervorgebracht, sondern der Weltgeist, nur diesem gebührt der Ruhm, und es ist lächerlich, wenn jene sich etwas darauf einbilden, etwa wie der père Rachel auf den Sukzeß seiner Tochter – da steht ein alter Jude im Parterre des Théâtre Français und glaubt, er sei Iphigenie oder Andromache, es sei seine Deklamation, welche alle Herzen rühre, und applaudiert man, so verbeugt er sich mit errötendem Antlitz –
Sensible – englische, französische und deutsche Bedeutung –
Die Mlle. bemerkt, daß der Anfang der Bücher immer so langweilig – erst in der Mitte amüsiere man sich, man sollte jemand dafür haben, der für uns die Bücher zu lesen anfängt, wie man Stickerinnen dafür bezahlt, die Teppiche anzufangen zu brodieren –
Zur »Himmelfahrt«
[426] ›Die Maikäfer, die aufeinander hockend umherfliegen. Vergleich = Beischlaf mit Engeln, die unterdessen ihre Flügel ausbreiten, fliegender Genuß im Himmel –‹
Wie kommt es, daß der Reichtum seinen Besitzern eher Unglück bringt als Glück, wo nicht gar das furchtbarste Verderben? Die uralten Mythen vom Goldnen Vlies und vom Niblungshort sind sehr bedeutungsvoll. Das Gold ist ein Talisman, worin Dämonen hausen, die alle unsre Wünsche erfüllen, aber uns dennoch gram sind ob des knechtischen Gehorsams, womit sie uns dienen müssen, und diesen Zwang tränken sie uns ein durch geheime Tücke, indem sie eben die Erfüllung unserer Wünsche zu unserem Unheil verkehren und uns daraus alle möglichen Nöten bereiten.
Der Kommunist, welcher mit Rothschild teilen will; seine 300 Millionen; dieser schickt ihm seinen Teil, neun Sous – Nun laß mich zufrieden.
Ruge – der Philister, welcher sich mal unparteiisch im Spiegel betrachtet und gestanden, daß der Apoll vom Belvedere doch schöner sei.
Er hat die Freiheit schon im Geiste, sie will ihm aber noch nicht in die Glieder, und wie sehr er auch für hellenische Nacktheit schwärmt, kann er sich doch nicht entschließen, die barbarisch modernen Beinkleider oder gar die christlich germanischen Unterhosen der Sittlichkeit auszuziehen. Die Grazien sehen lächelnd diesem inneren Kampfe zu –
Meyerbeer ist ganz Jude geworden. Wenn er wieder nach Berlin in seine früheren Verhältnisse zurücktreten will, muß er sich erst taufen lassen –
[427] Die Hauptarmee der Feinde Rothschilds besteht aus allen, die nichts haben: sie denken alle, was wir nicht haben, hat Rothschild. Hinzufließt die Masse derer, die ihr Vermögen verlieren; statt ihrer Dummheit diesen Verlust zuzuschreiben, glauben sie, die Pfiffigkeit derer, die ihr Vermögen behalten, sei daran schuld. Sowie einer kein Geld mehr hat, wird er Rothschilds Feind.
Daguerreotype – Zeugnis gegen die irrige Ansicht, daß die Kunst eine Nachahmung der Natur – die Natur hat selbst den Beweis geliefert, wie wenig sie von Kunst versteht, wie kläglich, wenn sie sich mit Kunst abgibt –
Das Öl, das auf die Köpfe der Könige gegossen wird, stillt es die Gedankenstürme?
Ich will prophezein: Ihr werdet einmal im Winter eine Revolution erleben – die wird schrecklicher sein. Wenn das Blut im Schnee rinnt – – –
Kommunisten Achselzucken und Widerwillen gegen: Patriotismus, Ruhm und Krieg.
Die gefährlichen Deutschen – Gedichte aus der Tasche ziehend – die wie im Schattenspiel die Deutschen mir hier vorbeiziehen, keiner entwickelt sich.
Durch Eisenbahnen plötzlich Vermögenswechsel, dieser in Frankreich gefährlicher als in Deutschland. Deshalb die Regierung mit Scheu an die Eisenbahnen geht.
[428] Sonne und Mond – Fußschemel Gottes – die alternden Füße zu wärmen – grauwollne Jacke mit Sternen gestickt –
Es gibt Menschen, welche den Vogel ganz genau zu kennen glauben, weil sie das Ei gesehen, woraus er hervorgegangen.
Die schöne junge * heuratet den alten A. – Der Hunger trieb sie dazu – sie hatte zu wählen zwischen ihn und den Tod, der noch magerer und noch grauenhafter – A.! sei stolz darauf, daß sie deinem Skelett den Vorzug gab!
Die Juden, wenn sie gut, sind sie besser als die Christen – wenn sie schlecht, sind sie schlimmer –
Der Engländer, der mit seiner Miß an den Badestrand immer geht, damit der Anblick der nackten Männer sie gegen Sinnlichkeit abstumpfe –
Ihr Amor ist noch ein Gelbschnabel. Sie sind noch zu jung, um die Liebe in ihrer ganzen Schrecklichkeit zu kennen. Das kann man erst in späteren Jahren. In der Jugend ist die Liebe stürmischer, aber nicht so stark, so allmächtig wie später. Auch ist sie in der Jugend nicht so dauernd. Denn der Leib liebt mit, in der Jugend, und lechzt nach leiblichen Offenbarungen in der Liebe und leiht der Seele allen Ungestüm seines Blutes, die Überfülle seiner Sehnenkraft... Später, wo diese aufhört, wo das Blut langsamer in den Adern sintert, wo der Leib nicht mehr verliebt ist, liebt die Seele ganz allein, die unsterbliche Seele, und da ihr die Ewigkeit zu Gebote steht, da sie nicht so gebrechlich ist wie der Leib, nimmt sie sich Zeit und liebt weit dauernder und stürzt sich furchtloser in die Abgründe der Leidenschaft.
[429] Der Volksstrom gleicht dem empörten Meere: die Wolken darüber geben ihm nur die Färbung, weiße Wellen (Müller und Brauer) dazwischen; Schriftsteller färben mit dem Wort die vorhandenen Empörungselemente.
Courtoisie: Wenn man einen König prügelt, muß man zugleich aus Leibeskräften »Es lebe der König!« rufen.
Was * betrifft, so sagt man, daß er von mehreren Juden abstamme –
Auffenberg hab ich nicht gelesen – ich denke, er ist ungefähr wie Arlincourt, den ich auch nicht gelesen habe.
Diese Menschen müssen Stockschläge im Leben haben; denn nach ihrem Tode kann man sie nicht bestrafen, man kann ihren Namen nicht schmähen, nicht fletrieren, nicht brandmarken – denn sie hinterlassen keinen Namen –
Beweis der Güte der Republik gleich demjenigen, den Boccaccio für die Religion anführt: sie besteht trotz ihrer Beamten –
Geheimer Haß der höchsten Republikbeamten gegen die Republik gleich dem Geheimhaß der vornehmen Römer, die als Bischöfe und Prälaten ihre alte Auctoritas fortsetzen mußten –
Calmonius = Sucht nach Ordensbändern, dieser nagende Bandwurm seiner Seele, sein Leib laboriert an einem minder lächerlichen Bandwurm.
[430] Historiker, welche selbst alle Geschichte machen wollen, vergleiche mit den Komödianten in Deutschland, welche die Wut hatten, selbst Stücke zu schreiben – Haller bemerkt, daß man desto besser spiele, je schlechter das Stück – schrieben sie schlecht, um sich als gute Schauspieler zu zeigen? oder spielten sie schlecht, um als gute Schriftsteller zu scheinen? Ebenso unsre Historiker –
Es will mich bedünken, als seien es immer dieselben Ochsen –
Amaury = der Patron der Schriftstellerinnen – hilft den Dürftigen – ihr petit manteau bleu – ihr Beichtiger – seine Artikel kleine Sakristei, wo sie verschleiert hineinschleichen – sogar die Toten – beichten ihm ihre Sünden – Eva gesteht ihm Dinge, die ihr die Schlange gesagt und wovon wir nichts erfuhren, weil sie solche dem Adam verschwieg –
Kein Kritiker für große, aber für kleine Schriftsteller – Walfische haben keinen Platz unter seiner Lupe, wohl aber interessante Flöhe –
Es gibt kein deutsches Volk: Adel, Bürgerstand, Bauern, heterogener als bei den Franzosen vor der Revolution –
Man wird am Kamin sich erzählen von Christentum wie von einer Gespenstergeschichte – man wird die Symbole des Christentums zeigen, um die Lebenslust zu wecken, wie die Mumien bei den Ägyptern – man wird sich bekränzt umarmen – Wein und Brot genießen – und das Brot wird kein Leichnam und der Wein kein Blut bedeuten –
[431] Die wahnsinnige Jüdin, die das Jahrzeitlämpchen des Kindes wiegt –
Jeder, wer heuratet, ist wie der Doge, der sich mit Adriatische Meer vermählt – er weiß nicht, was drin, was er heuratet: Schätze, Perlen, Ungetüme, unbekannte Stürme –
Bei der Erklärung der Liebe muß entweder ein physikalisches Phänomen oder ein historisches Faktum angenommen werden. Ist es Sympathie, wie der dumme Magnet das rohe Eisen anzieht? Oder ist eine Vorgeschichte vorhanden, deren dunkles Bewußtsein uns blieb und in unerklärliche Anziehung und Abstoßung sich ausspricht? –
Die Guillotine von Zucker –
Louis Philippe – wenn ein Prix Monthyon für Könige gestiftet würde, er wär der beste Kandidat – Unter ihm Glück und Freiheit – Roi d'Yvetot der Freiheit –
Gott wird mir die Torheiten verzeihen, die ich über ihn vorgebracht, wie ich meinen Gegnern die Torheiten verzeihe, die sie gegen mich geschrieben, obgleich sie geistig so tief unter mir standen, wie ich unter dir stehe, o mein Gott!