[Maistresse meines Leibs/ Princesse meiner Glieder]
Ich wolte wünschen/ sagete Strephon/ daß der Verfasser dieser Reimen anjetzt bey uns wäre/ uns solte dann gewiß an Vrsachen zu lachen keines Wegs ermangelen.
Wer mag/ sagete Floridan/ dieser sonst seyn/ den ich/ die Warheit zu sagen/ noch nie gesehen/ aber über die massen gerne etwas von ihme und seiner Standsbewandschafft vernehmen möchte/ will ihn sonsten nicht verrahten was er gesungen/ als der vielleicht auch in Vorbringung so rohtwelscher Reden nicht begehret verstanden zu werden. Soviel zwar ich weiß/ fienge Mont. an so hat sich dieser (der ein Schäfer ist) vor der Zeit in Städten verhalten/ ist aber gar neulich aus dem Burgerrokk in die Hirtenjuppe gekrochen nur darüm/ weil er unsren Stand von so vielē hochsinnigen Schriftsabfasseren lobpreislichst beschreiben und herausstreichen hören/ sowol auch gelesen. Sonsten weil der abenteurliche Mensch sich von Kindsbeinē auf in Liebs- und Poetischē Büchern mit überflüssigen Fleiß ümgesehen/ und dabey sine eigenen Verstand und Vernunftsmaß/ in Auslegung solcher Lehr- und Lustgedichte/ (welche alle sich doch gemeiniglich auf etwas anders gründen/ und oft wohl gar das Gegenspiel wollen verstanden haben) nachgangen/ als gläubet er von allen den Lügenfünden der alten Dichtere/ als wann sie den Wortverstand nach zu fassen/ ja die natürliche Warheit selbst wären. Gebrauchet sich derhalben so seltsamer und Rhodomontischer Redarten in Beschreibung seiner Liebespossen und anderer Sachen/ daß einem die Ohren darüber schwitzen möchten/ und könde man mit seinen Schwänken zur Noht einer Kröten vergeben.
[87] Zum Wahrzeichen sehet hier einen Klafterlangen/und mit vielen/ zwar gestimmelten/ Mänglingswörtern geflikkten und gespikkten Brief/ welchen dieser Hasenhäubtige Mensch (also sagete Montano/ und zoge zugleich den langen Zettel aus seiner Tasche) an eine seiner Liebsten ablauffen lassen/ und welchen ich dieser Tagen in einer holen Baumrinden gefunden. Floridan/ begierig dessen Innhalt zu vernehmen/ nahme ihn sobald dem Montano aus den Händen/ befande aber/ daß solcher von eitel gebrochnen Worten geschrieben/ und daher unleslich ware. Strephon aber sagete/ er hätte dergleichen mehr gesehen/ und müste der Zettel üm einen Stab gewikkelt werden/ damit also die zergliederten Wörter zusammenträfen/ und der Innhalt vernemlich würde. 1 Welches dann Floridan ungesäumet ins Werk richtete/ und darauf den Brief ablasse/ welcher sich folgender Massen verhielte:
Madamoiselle.
Cupido hat sich mit eurer formosirtet armiret, und eine lange Zeit her meine libertet blocquiret gehalten/welche sich in den Furt meiner raison retiriret, so bald sie vermerket/ daß die blocquade in eine formalisirte Belägerung changiret werden solte. Wie dann auch subsequiret, gestalt prænominirter Copido durch eine escalade meine Augen überrumpelt/ meinen Sinn pedartiret, und mein Hertz auf discretion aufgefordert hat: Doch hab ich noch soviel faveur von diesem meinem Feind obteniret, daß er geruhet/meine Feder mit seinem Pfeil zu temperiren, und mich mit meinen lacrimis (welche ich an stat der Dinten gebrauche) dieses Handbrieflein concipiren zu lassen. Wie ihr dann/ Madamoiselle, observiren könnet/ daß ich es mit dem Wachs von seinem flambeau cachiret unn versiegelt habe. Diesem nach flagitire [88] ich nichts mehr/ als daß auch ihr wie Cupido dasquartir beziehen möget in dem Hertzen
Eures
realmente-Ergebenen
Hylas.
Alle lacheten sie darüber/ und: Hylas nennet sich/fuhre Montano fort/ dieser kluge Alber/ und ob es wohl allbereit ein halb Jahr ist/ seit daß er ein Schäfer worden/ so unterlässet er doch nicht/ sein beurlaubtes Stadtleben noch immer mit tausenderley Schmähworten anzustechen/ und dagegen seinen jetzigen Stand über die massen und mit nur ersinnlichen Farben auszumahlen/ gestaltsam aus abgehörtem satsam zu schliessen.
Aber sehet ihn dort an dem Vfer heransteltzen/ Wer ihn allein mit denen Füssen wahrneme/ der dörfte wohl Stein und Bein schwören/ es wäre ein Kalekutsher Han/ so aufgeblasen ist er/ ungeacht sein Rokk weniger nicht dann fünf Jubeljahre gesehen. Jetzt streicht er den Knebel/ sagete Klajus/ meine wehrten Schäfere kommen mit mir hinter diesen Strauch/damit wir ihn nicht irre machen/ was gilts/ Floridan wird bald erfahren/ daß er in Beschreibung eines Hasen mehr Worte machen dörfte/ als derselbe Haare am Wadel hat.
Kaum hatten sie sich verkrochen/ da fienge dieser mit pralender Stimme also an zu reden: 2 So bald als heutigen Morgen der nächtliche Schlaf-Gott Morpheus die Grotte meiner Augen quittiret, (zu euch rede ich/ ihr Lüfte/) hab ich mich retiriret aus meiner Federburg/ üm zu vermeiden das importune wekken weiner wakkren Rieden/ Darauf promovirte ich mich auf den pertistyliis meines Körperlichen Gebäudes/und verschraubete mich à propos zu Feld mit meinen Schafen/ welcher freudiges Fussen den Schos unsrer Tellus so hurtig gepflastert/ daß ich also fast unvermerkt in diesem buntbemahlten Pallast der Blumgöttinn Flora, mit höchstem meine [89] contento arriviret. Balanciret aber mit mir/ ihr Lüfte/ auf juster Wagschale/ wie sehr diese eure Serenation varire mit eurer gestrigen und aller vorigen: So gar aber embarquiret sich hierob die Verwunderung den Segeln meiner Gedanken/ daß ich mir die bonasse eures Wolkenmeers etwas von wichtiger importanz præsagiren lasse/ nemlich/ Diespiter habe heut die gesamtē Götter zu einen convivio solenniter invitiret, welche meine opinio so sie infallibel wäre/ würde sie mein Gemüt nicht wenig traversiren, als der ich allbereit die pedarten meiner Andacht eingeschraubet/ üm damit die Thor zu Jupiters güldnem Trohn zuruinirn, weil ich seiner adjutanz in einem propos expressement benötiget. Ich werde aber ungeacht dessen/ mich in der grossen Hofhaltung zu Olympo bey dem Vice Roy anmelden/ auch woferne derselbe/ mir hülflich zu succurirn, nicht bastant seyn wird/ nach dem Jovi, im Schloß Phœbi, selbst inquirirn und mein Anbringen bey ihme in optima forma ablegen: Wird er mich alsdann etwan hineinfüren/ und hernach mit poculirē viel importunirn wollen/ so will ich darwider bey aller Götter Leben protestirn, und ihnen ein par leges ex utroque jure, oder aber ein dutzet Verse aus einem alten Poeten/ so schikklich zu allegiren wissen/ daß sie mich ohne einiges Weigerndimittirn und noch Geld darzu geben sollen.
Häftig lacheten hierob die Schäfere/ als die in ihrem Busch dieses alles bey einem Wort vernemen konden. Es hieß ihn aber seine Reden fortsetzen die Erwitterung einer gemeinen Hirtin/ genandt Neride/welche sonst nicht viel holdseliger war als ihr zottichster Ziegenmann.
Wann mich/ fuhr er fort/ das perspectif meiner bewärten Stirnfenstere nicht mocquiret, so bländen mich von jenem Vfer her zwey mächtige Himmelsliechter: Ja/ ja/ die Götter belieben nun wieder diese sublunarische Anmutigkeiten zu [90] invisiren, weil der lieblicheZephyrus und seine Buhlerische Flora allbereit ihre grün-rot-blau-braun-gelbliche/ unn mit fünklenden Sternen üm und üm verbosementirte Tapeten auf denGalerien dieses Weltbaues ausgespannet. Vnd im fall mir mein memoire nicht banquerote drohet/ so hab ich dieser Tagen die Götter mehrerntheils/ als Irrliechter/ in dieser Elysischē Gegende herümvagiren sehen: Von dē Jove zwar dunkte mich/ als wann er eine andere Inachs Tochter/ oder eine Danaem, Europam, ja wohl gar noch einen Ganymedem suchete/ als der sich bald in formâ eines Menschen/ bald eines Stiers/ bald wieder eines Adlers sehen liesse/ ja endlich gar zum Goldreif wurde und nächst bey mir niederfiele/ welchen ich aber im minstē nicht an mich bringen konde/weil er sich fast sehr an der Tellus Haaren consolidiret: Aber der arme Gott hatte hohe Zeit/ sich par posta von dannen zu salvrin, dann die eifersüchtigeJuno kame kurtz hernach mit einem grausamen pusican, womit sie ihm sonder zweifel ein hartes requiem würde gesungen haben/ woferne er sich nicht mit dem Fersengeld ranzoniret. Vnd nun/ wie wann auch jenes eine von denen Himmels-Königinnen wäre? Ich dörfte schier wänen/ es sey die Jägermeisterin Diana: Doch/es möchte wohl auch der dreyen Göttinnen eine seyn/von deren Schönheit vor der Zeit der Schäfer Paris auf dem Berg Ida judicirn müssen. Was thue ich aber/ (fuhr er fort) daß ich nicht meinē Füssen die Sporen gieb/ damit sie mit mir sonder Säumnis zu diesem Wunderbild galopyren, und ich alsdann ihren mein devotes hommage tres-houmbement deferrin könne? Geschwind machet euch auf/ ihr meine Leibssteltzen/ und befleisset euch/ wie ihr mit einem par Schritte den port meiner affecten einholen möget.
Damit gienge der hasenhaffte Mensch unverwandtes Fusses auf die Neride zu/ und nachdem er ihr genähret/ fienge er also an gegen ihr:
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Neride hätte ihm (dem äusserlichen Ansehen nach) gerne geantwortet/ wann sie eines der Reden oder Reimen verstehen mögen/ Sie fassete aber so viel noch daraus/ daß er sie üm Liebe anlangete/ fienge derhalbē an/ als die solche Ansprechung (wegen deren seltnen Begebung) in der linken Fußsole kitzelte/ zu schmutzmäulen/ unterliesse aber unterdessen nicht mit ihren Schafen fortzutreiben/ und schwiege im übrigen damit sie ihm zu solcher Reden Fortsetzung veranlassete/ stokkstille/ worzu sich dann auch Hylas nicht lange bitten liesse/ und seine Aufschneidereyen verlängerte folgender massen:
Damit schwiege er wieder/ vielleicht von ihr erwartende einer erfreulichen Antwort. Doch sie bliebe auch auf dieses stummer als ein Fisch/ gabe ihm aber mit einem dutzet freundlicher Blikke zu vernemen/daß sie sich gerne mehr möchte also anbeten hören. Worüm er abermahls also fortfuhre: