Die Vergötterung

1728.


An Phyllis.


Holde Phyllis, die Göttinnen
(Traue mir die Wahrheit zu)
Waren anfangs Schäferinnen
Oder Mädchen, so wie du.
Eine, die mit blauen Augen
Mehr als Männerwitz verband,
Konnte zur Minerva taugen
Und erwarb den Götterstand.
Dichterinnen hießen Musen
Und entzückten Herz und Ohr.
Reifer Schönen volle Busen
Bildete die Ceres vor.
Die durch Jugend uns ergötzte
Schien, mit Recht, des Tempels werth,
Den man ihr, als Heben, setzte,
Die der stärkste Held verehrt.
Eine ward, in spröder Blässe
Und in strenger Häuslichkeit,
Hüterin der Feueresse
Und die Vesta jener Zeit.
Die durch Reiz und Unglücksfälle
Sich den Raub der Grobheit sah,
[291]
Ward in ihres Ehstands Hölle
Kläglich zur Proserpina.
Majestätische Geberden,
Hoheit, die sich nie vergaß,
Ließen die zur Juno werden,
Die so großen Geist besaß.
Krone, Scepter, Wolken, Pfauen
Mußten ihren Muth erhöhn;
Zum Exempel aller Frauen,
Die das Regiment verstehn.
Ihr so wohlgepaarten Beide:
Schönheit und Empfindlichkeit!
Und auch du, o süße Freude!
Mund, der lächelnd Lust gebeut;
Rosen aufgeblühter Wangen;
Schlaue Blicke; lockigt Haar!
Ihr nur stellet dem Verlangen
Venus oder Phyllis dar.
Phyllis! ja, in jenen Zeiten,
In der alten Götterwelt,
Wären deinen Trefflichkeiten
Gleichfalls Opfer angestellt:
Gleichfalls würden deinen Wagen
Tauben oder Schwäne ziehn,
Dich die Liebesgötter tragen
Und mit mir nach Paphos fliehn.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek