[721] [723]165.
Am frühen Morgen, wenn der Ost
Des Lebens milden Duft verhaucht,
Die Au das Paradies verhöhnt,
Weil sie in mild're Luft sich taucht;
Wenn Rosenduft, vertausendfacht,
Die Au in dichte Schleier hüllt,
Und Widerschein des Morgenroth's
Den Horizont mit Rosen füllt;
Wenn einer Harfe süsser Klang
So lockend ruft zum Morgenwein,
Dass selbst der Zelle frommer Greis
Die Strasse schlägt zur Schenke ein;
Wenn der Monarch des Firmament's,
Den gold'nen Schild vor dem Gesicht,
Sich mit des Morgens lichtem Schwert
Die Herrschaft einer Welt erficht;
Und wenn es, trotz des Rabens, nun
Dem Königsfalken, goldbeschwingt,
Auf diesem lazurblauen Dach
Sein Strahlennest zu bau'n gelingt,
Dann eile hin zum Wiesenfest,
Denn für die Schaulust ist's Gewinn,
Ergreift die Tulpe den Pocal
Des Ērgăwān und des Nĕsrīn.
Wie lieblich auf dem Wiesengrün
Die Rose ihre Wange zeigt!
Wie glutherfüllt das Morgenlied
Des Sprossers in die Lüfte steigt!
Doch welcher Strahl ist's, dem das Licht
Der Morgenfackel hell entsteigt?
Und welcher Funke ist's, der sich
Am Firmament als Leuchte zeigt?
[723][725]
Bestände in Hafisens Haupt
Der Wahn nicht, ein Monarch zu sein,
Wie nähm' er mit der Zunge Schwert
Das weite Feld der Erde ein?
Sieh, wie der Ost unausgesetzt
– Ein Trunk'ner, der nach Schönen schielt –
Bald mit der Rose Lippen kost,
Bald mit Basilienlocken spielt!
Verschiedenheit in dem Gebild
Und Einheit in dem Stoffe macht,
Dass jede Blüthe dem Verstand
Die Deutungen verhundertfacht.
Ich sinne nach, in wessen Brust
Der segenreiche Athem webt,
Der in der frühen Morgenzeit
Dies dunkle Staubgefäss belebt?
Warum der runde Himmel mich
Mit hundertfachem Gram umstellt,
Und, eines Zirkels Punkte gleich,
Beständig in der Mitte hält?
Erschloss ich Keinem mein Gemüth,
So hab' ich wohl sehr klug gethan:
Denn eifersüchtig ist die Zeit
Und stürmt oft unversehns heran.
Wer sein Geheimniss, Kerzen gleich,
Geschäftig And're wissen lässt,
Den hält der Scheere Zünglein Nachts
Bei seiner eig'nen Zunge fest.
Mein Schenke mit dem Mondgesicht,
Wo weilt er? Liebend reiche er
Mir, den er halb berauscht gemacht,
Den Becher dar, doch voll und schwer;
Auch bring' er Kunde von dem Freund
Und hinterher ein volles Glas,
Er leer' es auf des Freundes Wohl,
Der seiner Liebe nie vergass.
Und stimmt der Sänger dann ein Lied
In unser'm frohen Kreise an,
Sing' er bald Weisen aus Ĭrāk,
Und Weisen bald aus Īsfăhān.
[725][727]
Ein Alexander, der den Mann,
Der sein geweihtes Haus bewohnt,
Durch seinen Thürstaub, Chisern gleich,
Mit ew'ger Lebensdauer lohnt;
Ein Schmuck des Segensangesichts
Wird Scheïch Ĕbū Ĭshāk genannt,
Der Hohe, unter dessen Fuss
Wie Gärten blüht das ganze Land.
Wenn zu der Herrschaft Firmament
Empor er lenkt den stolzen Schritt,
So ist das Haupt der Fērkădān
Die erste Stuf', auf die er tritt.
Er ist das Augenlicht Măhmūd's
Und einem Blitze gleicht sein Schwert,
Aus dem das Feuer auf den Feind,
Versengend, in zehn Zungen fährt.
Zieht er das Schwert, so wogt das Blut
Bis zu des Mondes höchstem Stand,
Und zum Mercur reicht sein Geschoss,
Wenn kräftig er den Bogen spannt.
Es schämt die Braut des Ostens sich
Vor seiner Einsicht Strahlenschein:
Drum schlägt sie auch, wie sich's gebührt,
Den Weg des Unterganges ein.
O hoher, angesehner Fürst!
Wer deinen Diener sich genannt,
Erfasst – so hoch steigt seine Macht –
Die Zwillinge bei'm Gürtelband.
Glückswünsche werden vom Mercur
Zu Tausenden dir überreicht,
Weil dein Gedanke dem Befehl:
»Es werde und es wurde« gleicht;
Und deinem Neider, deinem Feind
Stellt immer sich zur Gegenwehr
Der Lanzenschwinger; darum trägt
Er Früh und Abends seinen Speer.
Der Himmel, der da freudig sieht,
Wie stattlich sich dein Pferd bewegt,
Hat ihm als schlechtes Lagerstroh
Die Jakobsstrasse unterlegt.
[727][729]
Das Missgeschick, das du ertrugst,
Wird noch dereinst dir Glück verleih'n:
Denn Jupiter schlägt diesen Weg
Bei seiner Art zu handeln ein.
Wenn dich die Zeit durch Leiden prüft,
Hat sie dabei die Absicht nur
Tief einzuprägen in dein Herz
Der Mässigkeit und Reinheit Spur:
Nur desshalb wird das heil'ge Buch
Vor allen ander'n hoch geschätzt,
Weil es bereits der Lauf der Zeit
Gar mancher Prüfung ausgesetzt.
Als einen Helden an Verstand
Erkenne man nur jenen Mann,
Der, eh' er eine Bahn betritt,
Bedenkt, ob er drauf wandeln kann.
Der Seele lauterer Geschmack
Bleibt frei vom bittern Gram der Welt
Bei Jedem, der in seinem Mund
Den Zucker deines Dankes hält;
In jedem Stand kann Jener nur
Geniessen seines Lebens Frucht,
Der, eh' er eine Bahn betritt,
Sich selbst erst prüfend untersucht
Und, sieht er keinen Grund zum Krieg,
Das Glas zu fassen sich erlaubt;
Doch, wenn des Handelns Zeit erscheint,
Zum Schwerte greift, das Seelen raubt.
Der Hoffnung auf verborg'ne Huld
Entsage nicht, bei aller Pein:
Das Mark, so lieblich und so weich,
Hat seinen Sitz im harten Bein.
Der Zucker wurde nur so süss
Nach längerer Enthaltsamkeit:
Drum sind auch enge Ritzen nur
Sein Aufenthalt in früh'ster Zeit.
Wo links und rechts des Unglück's Strom
Mit solcher Wildheit sich ergiesst,
Dass selbst der Rettung and'res nicht
Als abzutreten übrig ist,
[729][731]
Liegt nur dem Berge nichts daran,
Der fest auf seinem Grunde ruht,
Wenn noch so hohe Wogen schlägt
Die aufgeregte Meeresfluth.
Geht auch dein Feind jetzt frech einher,
Dir trüb' es nicht den heiter'n Sinn:
Denn diese Frechheit selber fasst
Zuletzt noch an dem Zügel ihn;
Und sprach er mit verweg'nem Mund
Von diesem Königshause schlecht,
So treff' ihn der verdiente Lohn
In Weib und Kind und in Geschlecht!
Lang währe deines Lebens Zeit,
Da sich dein Walten für den Geist
Der Menschen und der Geisterschaar
Als ein Geschenk der Huld erweist.
Der Worte erster König ist
Hafis; drum nimmt er immerdar
Das Feld der Rede in Besitz
Durch seines Wortes Sūlfĕkār.