[286] [An Eva Rosina Herbst (?)]
Mademoiselle,
Nun wüntsche ich, daß Ihr angenehmer Mund zu meiner Feder worden wäre, so würden Sie jezo ganz gewis die artigsten Gedancken und nettesten Ausdrückungen vor Augen sehen. So aber ist die erste Arie gar nichts werth, in den andern aber außer Dero werthestem Nahmen ebenfalls weder Geist noch Feuer. Laßen Sie mich nur bey Ihnen fein fleißig in die Schule gehen, ich versichere, in kurzem so viel zu begreifen, als ich zu Auskleidung einer galanten, schönen und vernünftigen Person in Versen nöthig habe. Meine Freyheit, Ihnen mit schlechten Papieren so oft beschwerlich zu fallen, entschuldige ich mit Dero Erlaubnüß und Befehl. Meine Poesie ist noch ein jung und unerzogen Kind; erlaubt man ihr einen Finger, so thut sie, wie Leute ihres Alters pflegen, und nimmt die ganze Hand. Doch weil auch die Verständigsten oft an dem Lallen der kleinen Mägdgen eine Vergnügung finden, so hofe, Ihnen werde eben diese meine schwazhaftige, noch unmündige Muse keinen Verdruß erwecken. In diesem guten Vertrauen empfehle ich mich gehorsamst und versichere, daß Dero ofterer Umgang niemanden mehr und vergnügter beßern sollte als eben,
Mademoiselle,
Dero
ergebenen
............