[57] Auf das Glücke

Du Abgott niederträchtger Sinnen,
Dich, falsches Glücke, red ich an,
Was wilstu noch von dem gewinnen,
Der nun nichts mehr verlieren kan?
Du stäupst nur einen tauben Rücken,
Der Draht und Geißel müde macht
Und, ohne sich vor dir zu bücken,
Den aufgefangnen Streich verlacht.
O spare die zerschmißne Ruthe
Auf einen, welcher beßer fühlt!
Ich troze dich mit diesem Blute,
In welchem sich dein Jachzorn kühlt.
Mir jagt der Bliz von deinem Keile
Kein blind und tödtlich Schröcken ein,
Und eh ich kläglich fleh und heule,
Eh soll mein Fleisch zerrißen seyn.
So, so, verdopple Schlag und Eifer!
Schlag schärfer und begreif dich nicht!
Der Schmerz erregt mir Jäscht und Geifer,
Den spei ich dir ins Angesicht.
Dein Rasen dient mir zum Gespötte,
Und könte mir mein Wuntsch geschehn,
Daß jede Wunde Lippen hätte,
So wollt ich dich recht grausam schmähn.
Was ist das Absehn deiner Tücke?
Wie, soll ich vor dein Altar knien?
Wie, soll ich mit bethräntem Blicke
Dein schnelles Seegel an mich ziehn?
Wie, soll ich, o du stummer Göze,
Der wahren Weißheit untreu seyn
Und vor den Koth geringer Schäze
Dir Herz und Ruh und Andacht weihn?
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Du wilt vielleicht, ich soll dich ehren?
Ach las dir nur die Lust vergehn.
Dies soll man wohl nicht eher hören,
Als bis die Bäum am Himmel stehn.
Wie, soll ich mich zu Tode grämen?
Nein, dir zu Liebe sterb ich nicht.
Und wiltu mir die Zunge lähmen,
So flucht der Augen finstres Licht.
Ich leb, und das nur dir zu Truze;
Du kriegst kein gutes Wort von mir.
Ein Narr verlangt nach deinem Schuze
Und klopft an deine Gnadenthür;
Eh ich dein Tischgast heißen sollte,
Eh fräß ich Kleyen, Leim und Stroh,
Und eh ich dir gehorchen wollte,
Eh dient ich gar dem Pharao.
Versuche mich mit schärferm Grimme,
Versalze mir die junge Zeit,
Verändre meine Menschenstimme
Und mach ein glühend Rind bereit,
Denn will ich dir zur Schande brüllen
Und mehr verstockt als jammervoll
Das Ohr mit solchen Flüchen füllen,
Daß Tag und Licht verschwarzen soll.
Komm, las mich in dem Mörser stoßen,
Komm, flicht die Glieder um dein Rad:
Was gilt's? Du solt dich mehr erboßen,
Wenn keine Marter Würckung hat.
Und würde mir der Hals gebrochen,
Dies kanst und schafstu nicht so leicht,
So soll dich auch mein Aaß noch pochen,
Das manchmahl desto schwerer weicht.
Man seh nur deine großen Knechte,
Die Gold und Ehr und Stand erdrückt,
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Sie machen die Gewalt zum Rechte
Und werden nimmermehr erquickt;
Sie hungern bey den vollen Schüßeln
Nach ruhiger Zufriedenheit,
Der Geiz beschwert sie nebst den Schlüßeln
Mit Argwohn, Müh und Furchtsamkeit.
Vor diesem war man bey der Eichel
In Fried und Sicherheit vergnügt,
Jezt lechst man nach der Fürsten Speichel
Und sucht Gefahr, wo Purpur liegt.
Die meisten ringen nach den Sorgen,
Erwerben, was den Kummer nährt,
Und rechnen bis an lichten Morgen
Und wüntschen, bis die Seel ausfährt.
Mein Herz ist viel zu hoch gebohren,
Als daß ich in der Sclaverey,
Zu der des Pöbels Mund geschworen,
Ein Schimpf vor seinen Adel sey.
Die Weißheit ist mein Leibgedinge,
Mit dieser reis ich durch die Welt,
Und machen wir gleich kurze Sprünge,
So glaub ich, daß man seltner fällt.
Es mag mich Neid und Feind verlezen,
Es mag sich mir der Heuchler Heer,
Ja selbst der Tod entgegensezen,
Es komme Schmach und Unrecht her,
Sie sollen doch nichts mehr erhalten,
Als daß mein ungerächter Geist,
So scharf sie mir die Brust zerspalten,
Ein Herz voll kluger Hochmuth weist.
Da hastu deine schöne Tittel:
Du Wetterhahn, du blindes Weib,
Du Blaustrumpf, du Verderbungsmittel,
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Du Hure vor des Pöbels Leib,
Du Zauberbalg, du Thorheitsschwester,
Du Wildfang, du Betriegerin –
Wer straft mich, daß ich im Geläster
An dir ein Atheiste bin?

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