[34] 2.
Verlangen nach den Ewigen Hügeln

Satz. 1.


Der schnellen tage Traum:
Der leichten jahre raum
Rennet mit vnß nach der schwartzen Bar:
Eh' ich die zeit erkent
Wird meine zeit vollendt.

2.
Wir dringen durch die welt
(Die stündlich wächst vnd fällt/)
Nach der erblaßten Völcker schar!
Wir die wir lebend todt/
Vnd stets voll herber noth.
3.
Mit Thränen grüssen wir/
In thränen lebt man hier:
[35]
Mit thränen gibt man gutte nacht!
Was ist der Erden Saal?
Ein herber thränen Thal!
4.
Wie Rosen die wir zihn.
Auff Dörnern nur verblühn.
Wie ein verworff'nes Kind verschmacht:
So muß wer hie wil stehn
In kummer vntergehn.

Gegensatz. 1.

Wenn der Morgenglantz der Erden
Tausendfaches leidt entdeckt!
Ruff ich: Ach/ wie wird es werden!
Ach wie wird mein Hertz erschreckt/
2.
Wenn die Nacht nun eingeschlichen
Vnd der stille Mond erwacht:
[36]
Schrey ich! ach wer ich erblichen.
Würd' ich doch ins Grab gebracht.
3.
Platz der ewig-stätten wonne,
Ewig-lichter Himmelbaw/
Wie daß ich nicht deine Sonne/
Meiner Seelen licht anschaw?
4.
Wer mag die nicht seelig nennen
Die auff deinen lichtern gehn?
Vnd der Lichter Fürst erkennen;
Die an GOTTES seiten stehn.

Satz. 5.

O Burg der sterbligkeit!
O Kercker voll von Leidt!
O Erden Leichen-volle grufft!
O Schlachtbanck/ Stock vnd See/
O Abgrund-tieffes weh'!
[37] 6.
Wie lange zieh' ich noch
Beschwert an deinem Joch'.
Wie daß mir nicht mein Liebster rufft?
Der mich mit trost entsetzt/
Wenn mich die Angst verletzt!
7.
Ach! meiner Seelen licht!
Ach meine zuversicht!
Erquicke mich in diesem schmertz!
Ernewre die Gedult/
Vergiß der alten Schuldt!
8.
Reiß/ was mich bindt/ entzwey!
Vnd mach' auß nöthen frey
Ein dir so fest-verlobtes Hertz!
Vnd führ auß dieser pein
Mich in dein Wonhauß eyn.

[38] Gegensatz. 5.

Wenn wirst du die nassen wangen
Trücknen mit der sanfften Handt?
Ach/ wenn wirst du mich vmbfangen
Mit der süssen Arme bandt?
6.
Wenn wirst du von meinem Rucken
Reissen dieser Bürden pein/
Die mich vnauffhörlich drücken?
Komm' Erlöser brich doch ein!
7.
Kom gewündschter/ laß mich küssen
Dein liebreiches Angesicht!
Heiß den Himmel mir auffschlissen:
Nun mit wonung hier gebricht!
8.
Gutte Nacht verfluchtes Leben!
Das man vnrecht leben nennt!
[39]
Der sich einig dir ergeben;
Hatt/ was leben/ nie erkennt.

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