10.
Judæ Verzweiffelung

Auff die Melodie: O Welt ich muß dich lassen.

1.
O Gri i'ge Hertzenrisse!
O herbe Seelenbisse!
O allzuspäte Reu!
Was hilfft/ sich selbst anklagen!
Was hilfft/ vor allen sagen:
Von gar zu hart verletzter Treu?
2.
Nun der Verräther sihet/
Wie hoch man sich bemühet
Vmb Christi Todes Pein!
Wil Er in Tausend Nöthen
Vertäufft sich selbst ertödten/
Selbst Richter/ Zeug vnd Hencker seyn.
[127] 3.
Er bringt den Lohn voll Zagen
Den Priestern hergetragen/
Vnd rufft: Ich armer Mann!
Ich hab'/ ach Missethaten!
Vnschuldig Blut verrathen!
Wer ist der mir verzeihen kan?
4.
Die Hohenpriester sprechen/
Wehn kümmert dein Verbrechen/
Wehn geht der Vorruck an?
Du hast dein Geld bekommen:
Du hast es angenommen!
Verweiß es dir. Du bist der Mann.
5.
Er wirfft die Müntz auß Schmertzen/
Mit hartbeklämmten Hertzen/
Selbst in den Tempel hin;
Laufft zu verfluchten Stricken/
Vnd muß in Ach ersticken/
Das ist sein hochgeschätzt Gewin.
6.
Die Leiche muß zuspringen/
Sein Eingeweid' außdringen
Zum Scheusall aller Welt:
Wie wird man denn anlegen!
Wofür wird man außwägen
Diß durch den Mord befleckte Geldt?
7.
Die Priester selbst bekennen/
Man müß es Bluttgeld nennen/
Das/ wenn mans recht bedenckt/
Gar keinen Platz nicht habe/
Wo man zu Gottes Gabe
Ein nicht gezwungen Opffer schenckt.
8.
Doch als sie sich vergleichen:
Lässt man die Summe reichen
Vor eines Töpffers Grund/
[128]
Die Frembden zu begraben:
Gott wolt' es also haben/
Zu retten deß Propheten Mund.
9.
So schrecklich ist vergangen/
Der von dem Geitz gefangen/
Diß Blutt zu Marckte bracht!
In diese Wehmuth lauffen/
Die Christum noch verkauffen/
Wenn deß Gewissens Grimm erwacht.

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