[306] Max und Dürer 1

Fürst, Troßbub, Ritter, Gauner durchwimmeln Augsburgs Gassen,
Im Saal die Rathsherrn zankend und zankend Volk auf den Straßen,
Hier doppelt volle Schenken, doch Armut rings im Land!
Wie mögt ihr solches heißen? Reichstag war's deutsch genannt.
Max sah vom Fenster düster aufs tolle Gewühl im Frei'n,
Da trat in schlichtem Wammse ein Mann gar schüchtern ein;
»Gott grüß' dich, Meister Dürer!« rief Max so freudig schnell,
»Wie kommt die Kunst zum Reichstag, nach Babel mein Apell?«
»Nur eine Gnade wollt' ich, o Herr, von euch erflehn,«
Erwidert drauf der Meister, »laßt freundlich es geschehn!
Ach, gerne malt' ich einmal noch euer Konterfei;
Hell strahlend wie sein Urbild, doch auch so wahr und treu.«
Der Kaiser faßt wehmüthig des Künstlers Hand und spricht:
»Bei mir will's Abend werden; drum, eh' die Nacht anbricht,
Willst du die Landschaft zeichnen, vom Spätlicht karg verklärt!
Gelt, Freund, so magst du meinen? Wohlan, gern sei's gewährt.«
Der Maler nimmt den Pinsel, Leinwand und Farbenschrein:
»Noch bitt' ich Eins, mein Kaiser, seht nicht so finster drein.«
Starr auf die graue Leinwand ist Maxens Blick gebannt:
»Ich denk' an Staub und Asche, auch grau wie diese Wand.«
Der Maler zeichnet weiter, Mund, Wange, Nas' und Blick,
Der Kaiser sinkt vor Lachen jetzt in den Stuhl zurück:
»Ho, ho, da droht sie wieder, als ob sie der Spiegel wies,
Die ungeheure Nase, die sich so oft schon stieß!«
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Und Farb' auf Farb' entlodert, wie Frühlingsblüthenglanz,
Und Leben, Frühlingsleben, durchschwillt den Farbenkranz,
Aufblüht die Farb', umkosend als Lächeln hier den Mund,
Als Ernst gar finster thronend dort auf dem Stirnenrund.
»Seht da den ganzen Menschen, dieß alte treue Haus,
Schmerz sieht zum einen Fenster wehmüth'gen Blicks heraus,
Die Freude steht am andern und nickt und lächelt mild,
Nur hängt an diesem Hause die Kron' als Aushängschild!
Leb' wohl nun, Bruder Albrecht! Ja, Bruder nenn' ich dich,
Ein König heiß' ich, König bist du so gut als ich;
Ein Stückchen Gold mein Zepter, mein Reich ein Stück grün Land,
Dein Zepter Stift und Kohle, dein Reich die Leinewand.
Die Heere bunter Farben sind Unterthanen dir,
Wohl treuer dir ergeben, traun, als die meinen mir!
Und Leben ist das Endziel, dem unsre Kraft geweiht,
Und Beider Müh' und Arbeit gilt der Unsterblichkeit.
Und doch, ist's einst gelungen, und glauben wir's vollbracht,
Wonach wir treu gerungen Tags über und bei Nacht,
Kommt, unser Werk besehend, manch nüchterner Gesell
Und meint: das Bild sei leidlich, der Thron steh' schief zur Stell'.
Behüt' dich Gott, mein Albrecht! Kehrst du nach Nürnberg heim,
So grüß' mir den Hans Sachse, den Mann mit Pfriem' und Reim;
Macht er ein Liedlein wieder, so sei's ein Leichenlied,
Bald hört er, daß ein König, der lieb euch war, verschied.«
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So sprach der Fürst. Ins Auge schaut er dem schlichten Mann
Und sieht ihn milden Blickes wohl lang und schweigend an,
Blickt dann aufs eigne Bildniß, geschmückt mit Kron' und Gold,
Und lächelt still, wie Einer, der lieber weinen wollt'.

Fußnoten

1 Als Maximilian zu Augsburg seinen letzten Reichstag hielt, befand sich auch Dürer daselbst, malte den Kaiser und nahm die Zeichnung zu dem trefflichen Bildniß, das er nach dem Tode seines Wohlthäters herausgab. Unmittelbar vorher vollendete er für den schon Erkrankenden die herrliche Darstellung des Todes der ersten Gemahlin desselben, Maria von Burgund, in Gegenwart ihres gebeugt dastehenden Gemahls, ihres Sohnes Philipp und der vertrautesten Freunde des Kaisers. Das Ganze ist symbolisch so gefaßt, daß es, wie in den Darstellungen des Todes der Jungfrau Maria, zugleich den Eingang des Sterbenden zur Seligkeit anzeigt. In einer Glorie erscheint nämlich der Heiland mit den Worten des hohen Liedes: Surge, propera, amica mea, veni de Libano, veni, coronaberis! S. Prof. Tölkens »Gedächtnißrede bei der Säcularfeier Albrecht Dürers 1828« im Berliner Kunstblatt. April 1828.

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