[28] Mannesthräne
Mädchen, sahst du jüngst mich weinen? –
Sieh, des Weibes Thräne fließt
Wie der klare Thau vom Himmel,
Den er auf die Blumen gießt.
Ob die trübe Nacht ihn weinet,
Lächelnd ihn der Morgen bringt,
Stets nur labt der Thau die Blume
Und sie lebt ihr Haupt verjüngt.
Doch es gleicht des Mannes Thräne
Edlem Harz aus Ostens Flur,
Tief ins Herz des Baums verschlossen,
Quillt's freiwillig selten nur.
Schneiden mußt du in die Rinde
Bis zum Kern des Marks hinein,
Und das edle Naß entträufelt
Dann so golden, hell und rein.
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Bald zwar mag der Born versiegen,
Und der Baum grünt fort und treibt,
Und er grüßt noch manchen Frühling,
Doch der Schnitt, die Wunde – bleibt.
Denke, Mädchen, jenes Baumes
Auf des Ostens fernen Höhn;
Denke, Mädchen, auch des Mannes,
Den du weinen einst gesehn.