Frühlingsbotschaft
Max steht am Gitterfenster. Weit über den Zinnen der Stadt
Lag wieder im Frühlingsprangen die Ebne grün und glatt,
Da setzte sich aufs Gitter ein freies Vögelein
Und sah zum gefangenen König sorglos und ruhig herein.
»O Max, siehst du's in der Ferne dort schimmern weiß und licht?
Das sind des Lenzes Blumen und seine Blüthen nicht!
Das sind Paniere und Helme! Dein Vater Friederich
Bringt sie von fern für Flandern, als Frühlingsgabe, mit sich.
Was taucht dort aus der Fläche wie junge Halme hervor?
Das sind nicht schlanke Aehren, die Frühling trieb empor!
Die Halme heißen Speere, und ihre Blüth' ist roth,
Zur Ernte an jeder Aehre hängt einst als Frucht der Tod.«
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Der König aber errieth nicht, ob so das Vöglein sang,
Ob tief im eignen Herzen das süße Trostlied klang.
Doch wie ein Kranz von Rosen sinkt auf ein düstres Grab,
So sank jetzt Ruh' und Friede mild auf sein Herz herab.
Am Marktplatz standen die Zünfte; da stürmte vom Thurme nieder
Herr Kopp'noll, bleich im Gesichte, ihm zitterten alle Glieder,
Nach ihm der Thürmer brüllend: »Lauft, wer noch laufen kann!
Zahllos wie Fliegen im Sommer rückt Deutschlands Heermacht an!
Die Kerle sind von Brügge kaum eine Meile weit,
Und haben Knochen wie Gäule, und Schwerter wie Ruder breit,
Und Bärte wie Tannenäste. Für uns bringt jeder Mann
O weh, einen hohen Galgen! Drum laufe, wer laufen kann!«
Da rannten die Zunftgenossen und rannten einander nieder,
Und liefen nach den Waffen, und standen und liefen wieder,
Und murmelten durch einander, bis endlich laut es scholl
Vom Mund des Volks und der Häupter: »Laßt hängen den Koppenoll!«