[344] Die beiden Sängerheere

Einst schlief ich im düstern Ulmenhain
Nicht fern von den Särgen der Barden ein,
Mich sangen die Vögel des Waldes in Ruh,
Es rauschten die Zweige wie Lieder dazu.
Als jegliches Aug' in Schlummer schon brach
Und Kummer allein und Liebe noch wach,
Da rüttelt's und schüttelt's an Riegel und Sarg,
Da rüttelt und sprengt es Riegel und Sarg.
Wie Woge an Woge im brausenden Meer,
Ersteht aus den Särgen ein Harfnerheer,
Wohl tausend Gestalten im regen Gewühl,
In knöchernen Armen ein Saitenspiel.
Die Lippen sind dürr und der Blick ist kalt,
Die bleiche Wange verfallen und alt,
Und mit den Händen ohne Gefühl
Gepocht und gehämmert am Saitenspiel.
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Und wie sie auch pochen und hämmern im Chor,
Kein Ton und kein Laut schlägt an mein Ohr;
Nur Eulen flattern aus dem Versteck
Und Kobolde grinsen im Felsenleck.
Und unter den Harfnern das Gras verdorrt,
Der Mond sein züchtig Antlitz umflort;
So klimpern allnächtlich zur Mitternachtzeit
Ihr ewiges Lied sie: Vergessenheit!
Jetzt schallt's wie der Engel Posannenruf,
Als Welten und Leben der Ewige schuf;
Es rauschen des Haines Gezweige so hell,
Es säuselt die Wiese, es rieselt der Quell.
Da klappen wohl tausend der Särge zu:
Das Lei'rergesindel taumelt zur Ruh;
Da springen wohl tausend Särge auf:
Ein Sängergeschlecht beginnt seinen Lauf!
Ein körnig Geschlecht für endlose Zeit,
Gesäugt an den Brüsten der Ewigkeit,
Das Auge ein Blitz und doch so mild,
Das Antlitz der Liebe rosiges Bild.
Und siehe, der herrliche Bardenchor
Hebt rauschend die klingenden Harfen empor,
Wie Seraphsgebet, wie Lavinenklang
Verhallt' es die weiten Gefild' entlang.
Es horchen die Wasser und hemmen den Lauf,
Die Rosen blühn, als sei Frühling, auf,
Und um sie in vollerem Mondenschein
Drehn schöne Elfenkinder den Reihn.
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In Wonne schüttelt sein Haupt der Baum,
Der Vogel am Ast träumt süßeren Traum;
So singen allnächtlich zur Mitternachtzeit
Ihr ewiges Lied sie: Unsterblichkeit!
Wie liederbegrüßt und rosenbekränzt
Die sinkende Sonn' im Berggrab glänzt,
So rauscht es noch einmal durch Erd' und Luft
Und alle die Sänger versinken zur Gruft.
Da rüttelt's mich rasch aus dem Schlummer auf;
Im Osten beginnt die Sonne den Lauf,
Die Steine sind fest, geschlossen die Gruft,
Und leis weht darüber die Morgenluft.
Und sind auch die Sänger alle zur Ruh
Und ihre ewigen Wohnungen zu,
Blieb eines der beiden Lieder mir doch,
Das sang ich und sing' es wohl sterbend noch.
Doch welches der Heere zum Sang mich geweiht?
Du wirst es enthüllen, Allrichterin Zeit!
Wenn über dem Sarg mir die Grabrose blüht,
Sing' ich wohl mit einem der Heere mein Lied.
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