[239] Colibri

»Mein Nam' ist Colibri, Mann von Hofe,
An Liebreiz ein klein Ungeheuer,
Der Königin Rose und ihrer Zofe,
Dem schönen Haideröslein, gleich theuer.
Ich summe Sonette zu ihrem Preise,
Umschwebe sie artig und dienstbeflissen;
Wer sich bewegt in so feinem Kreise,
Darf Anstand und fein Gewand nicht missen.
Ich trag' ein Barett demantenflimmernd
Staatsweste, Höslein goldbrokaten,
Den Frack von grüner Seide schimmernd
Und ausgenäht mit bunten Nahten.
Mein Schnäblein ist mein Galadegen,
Mein Zünglein beweglich ist die Klinge;
Was ich mit jenem nicht darf erlegen,
Mit dieser ich's sicherlich bezwinge.
Man sagt, ich sei treulos und flüchtig
Und meine Huldigung wetterwendig;
Untreu der einzlen Blume, die nichtig,
Bin treu ich der Lenzmacht, die beständig!
[240]
Ob sich die Meuter auch all' verschworen,
Den milden Zepter der Rose werden,
Ich weiß es, nimmer zerbrechen die Thoren,
Das Reich des Lenzes nimmer gefährden.
Da schießt der Hagel mit silbernen Pfeilen,
Da stürmt mit kristall'nen Lanzen der Regen,
Da seht ihr den grimmen Winter eilen,
Des Reiches Farben hinwegzufegen.
Da reißt der Sturm, ein gemeiner Scherge,
Der Rose den Purpurmantel vom Leibe;
Sie weiß, daß, ob sie im Tod sich berge,
Ihr Stamm doch frischere Sprossen treibe.
Besudelt mir nicht des Hofkleids Stoffe
Im Trümmerfall, im Kampfgetose!
Der Ausgang aber wird gut, ich hoffe,
Die Rose ist todt, es lebe die Rose!«

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek