577. Die acht Brunos

Zu alter Zeit herrschte Graf Gebhard mit seiner Gemahlin auf dem Hause Quernfurt in Sachsen. Diese gebar in Abwesenheit des Grafen neun Kinder auf einmal, worüber sie mit ihren Weibern heftig erschrak, und wußten nicht, wie sie den Sachen immer mehr tun sollten. Denn weil ihr Herr gar wunderlich war, besorgten sie, er würde schwerlich glauben, daß es mit rechten Dingen zugegangen sei, daß eine Frau auf einmal von einem Manne neun Kinder sollte haben können; sonderlich, weil er zum öfternmal beschwerliche Gedanken und Reden von den »Weibern gehabt hatte, die zwei oder drei Kinder auf einmal zur Welt brachten, und niemand ihn überreden mochte, dieselben für ehrlich zu halten. In dieser Furcht wurde die Gräfin mit ihren Weibern eins, dieser jungen Kindlein achte heimlich beiseite zu schaffen und nur das neunte und stärkste zu behalten. (Dieses wurde Burkhart genannt und nachmals Großvater Kaiser Lothars.) Eines der Weiber empfing demnach Befehl, die acht Kinder in einem Kessel, darein man sie gelegt, fortzutragen, im Teich über der Mühle unter dem Schlosse im Kessel mit Steinen zu beschweren, zu versenken und zu ertränken.

Das Weib nahm es auf sich und trug mit dem frühesten die Kinder aus der Burg. Nun war aber eben damals des Grafen Bruder, der heilige Bruno, mit dem Tage ins Feld gegangen, sein Gebet zu tun. Als er unterm Berge bei dem schönen Quellbrunnen (hernach Brunsbrunnen genannt) hin und her wandelte, stieß ihm das Weib auf und eilte stracks ihres Weges dahin, als fürchtete sie sich; im Vorübergehen hörte Bruno die Kindlein im Kessel unter ihrem Mantel winseln. Er wunderte sich und fragte, was sie da trüge. Ob nun gleich das Weib sagte: »Junge Wölferlin oder Hündlein«, so deuchte es Bruno doch nicht aller Dinge, als ob die Stimme wie junger Hündlein lautete; wollte deswegen sehen, was es doch Wunders wäre. Als er ihr nun den Mantel aufrückte, sah er, daß sie acht junge Kindlein trage. Über die Maßen erschrocken, drang er in die vor Furcht erstarrte Frau, ihm alsbald anzuzeigen, woher sie mit den Kindlein komme, [578] wem sie zuständig und was sie damit tun wolle. Zitternd berichtete sie ihm die ganze Wahrheit. Darauf verbot ihr Herr Bruno ernstlich, von dieser Sache keinem Menschen, auch der Mutter selbst, nicht anders, als ob sie deren Befehl vollzogen, zu melden. Er aber nahm die Kinder, taufte sie bei dem Brunnen, nannte sie insgesamt mit Namen Bruno und schaffte, daß die armen Waisen untergebracht wurden, eins oder zwei in der Mühle unterm Schloß, die übrigen an andern Orten in der Nähe. Denen er die Kindlein aufzuziehen befahl, gab er Geld her und hieß es heimlich halten, vertraute auch keinem Menschen davon; bis auf die Zeit, da er zum letztenmal aus Quernfurt ins Land Preußen ziehen mußte und dachte, er möchte nimmer wiederkehren. Da offenbarte er vernünftiglichen seinem Bruder Gebhard, was sich zugetragen, wie die Kinder geboren und lebendig erhalten worden und wo sie anzutreffen wären. Gebhard mußte sich aber zuvor verpflichten, daß er es seiner Gemahlin nicht unfreundlich entgelten, sondern hierin Gottes Wunder und Gnadenwerk erkennen wolle. Darauf ging der heilige Bruno auch zu der Gemahlin hin, entdeckte ihr alles und strafte sie wegen ihres sündlichen Argwohns. Da war groß Leid und Freud beieinander, die acht Kindlein wurden geholt und alle gleichgekleidet ihren Eltern vorgestellt. Diesen wallte das väterliche und mütterliche Herz, und spürte man auch an Gestalt und Gebärden der Kindlein, daß sie des neunten rechte Brüderlein waren. Den Kessel, darinnen das Weib diese acht Welfe soll von der Burg getragen haben, zeigt man noch heutigestages zu Quernfurt, da er in der Schloßkirche oben vor dem Chor in dem steinernen Schwibbogen, mit einer eisernen Kette angeschmiedet, zum Gedächtnis dieser Geschichte hängt. Der Teich aber heißt noch heutigestages der Wölferteich, gemeinlich Wellerteich.

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