(In Mordi's Garten.)
Ein breiter Weg zieht durch hohe, blühende Bäume: neben dem Wege blühen mancherlei Blumen. Ein wenig vom Wege entfernt steht ein Rosenstock mit einer einzigen eben aufblühenden Rose. Etwas ferner sieht man dichte Lauben und schattige Gänge. Im Hintergrunde steht ein prächtiges Schloß, über welches ein hohes Gebirge hervorragt, auf dem einzelne rauchende Hütten zerstreut liegen.
Schira,
auf einem schönen Arabischen Rosse reitend, hinter ihm seine Knechte mit reich beladenen Kameelen. Er hält sein Pferd an, und ruft zurück.
Er steigt ab, und winkt einem Diener.
Sami
nimmt das Roß, und führt es auf und ab.
Schira, umhersehend.
(Er ist ein Ungeheuer mit großem schwarzem Kopf mit zwei faustgroßen feuerfarbenen Augen; zwei große schwarzzottige Schlappohren hängen ihm bis auf die Schultern; auf der Stirne sitzen ihm zwei dicke aber kurze, stumpfe Hörner; zu dem Rachen stehn ihm, auf- und abwärtsgebogene große, sehr spitze Zähne hervor, und darzwischen hängt ihm eine große blutrothe Zunge weit herab. Die Nase ist aufwärts gebogen und beweglich. Sein Leib gleicht einer ungeheuern Raupe, ist mit schwarzen Schuppen auf dem Rücken, mit gelblich rothen am Bauche bedeckt, und endigt sich in einem langen Schlangenschwanz, auf dem er aufrecht steht. Die Arme sind riesenhafte Adlersfüße mit scharfen Krallen.
Es geht auf Schira zu, der zitternd stehen bleibt, umschlingt ihn mit seinem Schwanze, und packt ihn mit der Kralle an der Schulter; dann spricht er sehr dumpf und langsam:)
Schira ängstlich.
Mordi schäumend.
(Er reitet traurig und langsam ab. Die Diener und Knechte folgen ihm mit den hundert Kameelen in geordnetem Zuge.)
(In Schira's Hause. Wohnzimmer.)
Hirlande, Astralle und Roselinde.
(Sie bückt sich, hilft Besenstielchen die rothen Schuhe anziehen, und sich zieht sie die schwarzen Schuhe an.)
(Da Roselinde zu ihm kommt, hebt er sie in die Höhe, drückt sie an sein Herz, seufzt schwer, und die Thränen fallen ihm aus den Augen. Darauf stellt er sie wieder nieder, und spricht zu ihren Schwestern.)
(Er drückt sie noch einmal heftig und im Schmerz an sich; dann eilt er, seine Thränen verbergend, ab.)
Roselinde sieht ihm weinend nach.
(In Herrn Mordi's Garten.)
Ein freier, grüner Platz auf der hintern Seite des Schlosses; auf der einen Seite von einem Birkenwäldchen begränzt. Mordi liegt im Grase, nahe am Eingang in das Schloß.
Besenstielchen
kommt in einer prächtigen, aus Golde getriebenen Kutsche, die wie die Sonne glänzet, von acht schneeweißen Pferden mit Flügeln und schwarzen Mähnen und Hufen an rothem Sammtgeschirre gezogen. Die Polster in der Kutsche sind ebenfalls von rothem Sammt und [48] reich mit Gold gestickt. Besenstielchen gegenüber, auf dem vordern Sitze, sitzt ein Vehkätzchen in menschlicher Stellung. Auf dem Kutschbocke und den Pferden sitzen Affen als Kutscher; hinten auf stehen zwei Pudelhunde aufrecht als Bediente, und vor den Pferden laufen zwei sehr große langbeinige Störche als Läufer. –
Wenn sie bis an das Thor des Schlosses gekommen sind, halten die Pferde; die zwei Pudelhunde springen hinten herunter, und laufen an den Kutschenschlag.
Mordi ohne umzusehen.
Die Pudelhunde
nicken mit den Köpfen, steigen dann wieder hinten auf die Kutsche; das Kätzchen steigt ebenfalls aus, und halt sich hinter Besenstielchen; [49] die Affen steigen wieder auf den Kutschbock und die Pferde, und fahren durchs Thor in das Schloß.
(In Schira's Kaufgewölbe.)
Es liegen große Päcke, Ballen und Kisten mit Waaren umher. Schira ist damit beschäftigt, sie zu ordnen und zu zeichnen.
Schira, Astralle und Hirlande zusehend.
Ein Diener Mordi's.
Er ist sehr reich gekleidet. In der Hand trägt er einen kleinen Zauberspiegel, den er, indem er vor Schira tritt, demselben vorhält.
Schira erbleicht.
Astralle sieht auch hinein.
(Mordi's Schloß.)
In Roselindens Zimmer. Roselinde hat sich eben angekleidet; das graue Kätzchen hat ihr geholfen und ist eben mit der Aufräumung des Zimmers fertig.
(In Schira's Hause)
Schira auf einem Ruhebette. Der Arzt bei ihm.
(In Schiras Hofraum.)
Arzt, Sami, Guran, Lugar und viele andere Diener.
Ich wollte gern mein Leben lassen, wenn ich nur wüßte, daß ich das Leben meines Herrn damit erkaufen könnte.
Zweiter.
Freilich, das geht in seinen jetzigen Umständen nicht. Die Krankheit sitzt in ihm, da können wir nichts helfen. Ja, wär er äußerlich in Lebensgefahr, so solltet Ihr schon Eure Freude an mir erleben, Meister, wie ich sein Leben mit meinem Blute erkaufen wollte.
Wenn er im Walde von dreißig Räubern angefallen würde, und ich stünde allein an einem recht verborgenen, sichern Platz, so lief ich doch schnell darunter hinein, um ihn heraus zu hauen.
Nun, Sami, alter Haushofmeister! Du stehst allein still da? Sag doch auch, daß du deinen Herrn mehr liebst, als dein Leben.
Ich möcht' aber doch wissen, warum der Meister uns das fragt. Zum Spaß hat er's doch wohl nicht gethan; er ist ja sonst ein ehrenfester Mann.
Wir hofften dabei immer auf Euch, Herr. Aber es scheint, Ihr seid nicht gar zu wohl erfahren in Pflanzen und ihren Kräften, daß Ihr ihn nicht von seiner Krankheit heilen könnt.
Ei, so sammelt von dem Baum den Thau, so habt Ihr ihn, oder steht der Baum zu weit von hier, so sagt's so kann's schon Einer für den Herrn thun, und ihn holen.
Zweiter.
Das ist wahr. Was fragt Ihr da so lang unter uns[83] herum, und sprecht von Leben auf's Spiel setzen, wo doch nur ein Gang zu thun ist.
Ich? – Ei, behüte mich der Himmel! Ich kann gar nicht mit dem besten Willen. Es ist heute und morgen und die ganze Woche rein unmöglich; ich habe gar zu viel im Haus zu schaffen. Ich darf meinen Dienst nicht so vernachlässigen. Nein, von mir kann da gar nicht die Rede sein. Die Andern werden aber schon Zeit dazu haben. Ja, wenn's ein kurzer Gang von ein Paar Stunden wäre, so wollt ich's noch gerne thun, und wenn's auch noch so gefährlich wäre. Ihr sprecht aber von einem weiten Gange.
Alle außer Sami.
Ja, wir haben auch unsere Geschäfte. Zum Müßiggang hat uns der Herr nicht gedungen.
Das wär mir gelegen, mich in jungen Jahren von einem Unthier fressen zu lassen bei lebendigem Leibe. Daß ich ein Narr wäre!
Hört, Meister, wenn Ihr nichts Besseres wißt, als das, so hättet Ihr uns nicht zu rufen brauchen. Das könnt Ihr Euch denken, daß wir keine solchen Thoren sind. (Zu den Knechten:) Kommt laßt den Narren stehn. Wie kann man sich denn in aller Welt einbilden, daß es einen Menschen gibt, der so unsinnig sein wird, mit seinem eigenen Leben, das Leben eines andern zu erkaufen. Das Leben hat man nur einmal, und mit dem, was ich nur einmal habe, helf ich meinem Bruder nicht aus, und wenn's noch so gering wäre, denn wenn ich's weggebe, so [85] hab ich's gar nicht mehr – und auf jeden Fall bin ich, mir selbst der Nächste.
Guran.
Ei, so gebt nur selber Euer Leben hin, um den Herrn damit zu retten. Warum fragt Ihr da noch lang herum? Gelt, wir wären Euch gut genug, die Kastanien aus den Kohlen zu holen, und die Finger daran zu verbrennen, damit Ihr dann in Ruh die gebratenen Kastanien schälen und essen könntet! Ja? prosit! 's wird nichts gereicht.
Seid still, und laßt das Schelten, sonst schlagen wir Euch noch am Ende die Knochen im Leibe zu Brei.
[86] Sami zu dem Knechte.
Die Diener gehen murrend ab.
Sami zum Arzt.
Herr, sagt, wie sieht der Baum des Lebens aus!
Ach, das sind lauter Maulmacher, die reden viel und thun nichts, und zu solchen mag ich auch scheinsweise nicht gerechnet werden. Darum schwieg ich ganz; denn ich wußte wohl, daß an mich noch die Reihe kommen würde, wenn es Ernst gilt mit der Sache.
Nun, wundert Euch nur nicht. Eben weil ich alt bin, ist gar nichts Verwunderliches dabei. Noch ein Paar Jahre, so muß ich doch fort, – vielleicht! – wer weiß schon morgen. Sollt' ich da die Paar ungewissen Tage nicht mit Freuden hingeben, um meinem Herrn ein Paar gewisse Jahre dafür zu erkaufen?
(Saal im königlichen Schloß.)
(Abendgesellschaft.)
Die drei Königstöchter Rauna, Billowa und Lodissa sitzen vorn mit Astralle und Hirlande an einem Spieltische, und spielen mit Karten. Hinten stehen noch mehrere besetzte und unbesetzte Spieltische, die Großen von des Königs Hofstaate stehen hinten in [92] einem Halbkreise. Der König, auf- und abgehend, spricht bald mit diesem bald mit jenem ein Paar Worte.
(Mordi's Garten.)
Mordi.
(Er ist von seiner ungeheuern Größe und Dicke ganz zusammen gerunzelt und bis auf die gewöhnliche Mannesgröße eingeschrumpft. Seine Schuppenhaut hängt ihm in Falten um den Leib, seine rothe Zunge ist ihm ganz schwarzbraun eingetrocknet, und seine Augen sind trübgelb und ohne Glanz. Er spricht langsam mit tiefer, aber schwacher Stimme:)
(Roselindens Zimmer in Schira's Hause.)
(Nacht.)
Roselinde, Miß Käthe, ihre Dienerin leuchtet ihr herein.
(Mordi's Garten.)
Mordi im Grase liegend, Roselinde ihn suchend, Misekätzchen hinter ihr.
(In Schira's Hofe.)
Guran
sitzt, und sieht hinauf unter das Dach.
Ein Knecht kommt.
Guran.
Knecht.
Guran.
Und die Schwalben reißen sie selber ab. Ich seh schon lang zu. Sonst ziehen sie immer wohl um diese Zeit bald fort, aber die Nester lassen sie doch, daß sie eine Unterkommen haben, wenn sie zurückkehren.
Knecht.
Guran.
Geh! das werden die Vögel wissen? Das Vieh[118] kümmert sich nichts drum, ob Fried' oder Unfried' im Hause ist, wo sie ihr Nest ankleben, wenn's nur brav Ungeziefer gibt, von dem sie leben.
Knecht.
Guran.
Knecht abgebend.
Guran.
Lugar.
Ja, fort! und ich geh auch. (Zeigt einen Beutel mit Geld:) Sieh, das ist mein Lohn. Den hab ich mir gleich auszahlen lassen. Denn jetzt mag ich nicht hier bleiben. Die beiden Töchter des Herrn sind gar wunderlich und immer verdrießlich, wenn sie zu Hause sind. Ich glaube, die können nur am Spieltisch fröhlich sein.
Guran.
Wahr ists! Da wirds eine schöne Wirthschaft geben. [119] Aber wie ist es denn zugegangen? Warum ist der Herr denn fortgereißt.
Lugar.
Ja, warum? das kann ich nicht sagen. Sieh, ich war eben oben, da hör' ich die Beiden zanken und schelten, und als ich in das Zimmer ging – du hättest den Spektakel sehn sollen! – Da zankten sie sich um Roselindens Kleider. Die ist auch fort, und hat alle ihre kostbaren Sachen im Stich gelassen.
Guran.
Lugar.
Und wie sie so die Kleider herum rissen, und sich schier darüber schlugen, und sie einander aus den Händen zerrten, da sagt' ich so in aller Unschuld vor mich hin: »Nun, ja! wenn das der Herr wüßte!« Da fuhren sie aber alle Beide auf mich her, und schrieen durcheinander: »Was willst du? Jetzt sind wir Herrn! Jetzt haben wir zu befehlen!« Und die Eine hielt mir ein Blatt, von unserm Herrn geschrieben, vor die Augen, und stieß mir's fast unter die Nase, und rief: »Da, lies, und lerne Respekt haben!« Da las ich denn klar in drei, vier Zeilen, daß [120] er fort sei, und nicht mehr wieder käme, und daß seine zwei ältesten Töchter alle seine Güter und Schätze theilen sollten.
Guran.
Lugar.
Er ist mit der frommen Roselinde fortgefahren, und da geht's ihm gewiß gut. – Aber ich forderte gleich meinen Lohn, und gehe jetzt, den Herrn wieder aufzusuchen, oder doch in einen andern Dienst zu kommen. Denn in dem Hause wird kein Diener mehr lange bleiben.
Guran.
Ein Knecht kommt.
Jetzt reißt auch der Storch sein Nest vom Dach. Das beweißt, daß jetzt nur Gottlosigkeit in dem Hause wohnt.
Lugar.
Ein Diener kommt.
[121] Alle.
Diener.
Guran.
Diener.
Unsers Herrn Töchter zankten sich über ihrer Schwester goldgesticktes Kleid, jede hielt es, und keine wollte es lassen, und zerrten so daran, und kamen bis an die Treppe, und eine riß mit aller Macht, da riß das Kleid entzwei, und beide stürzten die Treppe von oben bis unten herab, und liegen nun da, und keine rührt ein Glied. Sie haben beide den Hals gebrochen. Aber jede hält noch das Stück Kleid in den Händen.
Guran.
Diener.
Knecht.
Das haben die Schwalben wohl gewußt, daß es Todtschlag in dem Hause geben wird. Gelt, Guran, du wolltest nicht glauben!
[122] Lugar.
Guran.
Das haben die beiden Mädchen wohl an ihrem Vater verdient, den sie hätten verschmachten lassen, als er krank lag.
Lugar.
Sie hätten gern schon früher mit seinem Vermögen geschaltet und gewaltet nach Gefallen. Darum wars ihnen leid, daß er wieder gesund ward.
Einige Diener.
Alle.
(Sie gehen ab, indem schlagen die Flammen an allen Enden aus dem Hause.)
(In dem Hofe von Mordi's Schloß.)
Sami mit vielen andern Dienern von Mordi's Hofgesinde.
Der Zug kommt aus dem Tempel.
Voraus geht eine vollständige Musik. Die Musikanten sind in himmelblauen Sammt gekleidet. Darauf folgen zwölf Knaben und zwölf Mädchen in weißen Flügelkleidchen mit silberdurchwirkten
himmelblauen Binden um den Leib. Dann folgt das Brautpaar, der König mit Roselinden, hinter ihnen geht Schira. Hinter Schira kommen wieder sechs Knaben und Mädchen in hellgrünen Flügelkleidern, nach ihnen kommt Besenstielchen als Braut gekleidet, und neben ihr geht des Königs erster Rath, ihr Bräutigam. Den Zug schließen lange Reihen von des Königs Räthen, Hofbedienten und Volk.
Einer der Diener zu Sami.