[275] Zweiter Aufzug
Ebene an den Ufern der Moldau. Rechts ein Teil von Libussas Wohnung. Auf derselben Seite nach vorn ein kleines Gebüsch, vor dem ein Weib mit einem etwa vierjährigen Kinde sitzt. Links gegenüber ein Tisch mit plaudernden und zechenden Gesellen. Zwei darunter spielen eine Art rohes Brettspiel. Im Hintergrunde wird zu einer Zither getanzt.
DAS WEIB
ihren Knaben emporhebend.
Nun, Tomyn, spring!
EINER DER SPIELENDEN.
Ei ja, der schwarze Stein,
Er stand erst hier.
ZWEITER.
Dir fällt wohl gar noch ein,
Daß ich betrüg im Spiel?
ERSTER.
Wer denkt an das?
Sei mir nicht bös und zieh!
Sie spielen weiter.
EIN ALTER.
Ja, laßt euch sagen:
Fürst Krokus war ein Held in seinen Tagen.
Der schlug, wenns etwa galt, auch einmal los
Und ließ den Mann am Herde nicht vertöffeln,
Da saßen wir die Hände nicht im Schoß
Und suppten Frieden aus mit breiten Löffeln.
EIN JÜNGERER.
Je nun, der Löffel hat noch keinen Mund zerrissen,
Des Krieges Messer schneidt mitunter harte Bissen.
Der Großen breiter Schlund mag derlei noch vertragen,
Den Kleinen stumpft die Zähn er und verdirbt den Magen.
Ich lobe mir den Frieden.
ALTER.
Je, was denkst du?
Versteh mich recht!
Den Becher hebend.
Libussa hoch!
ALLE AM TISCHE
ebenso.
Libussa!
Ein Gewaffneter und Wlasta mit Brustharnisch und Helm an seiner Seite haben, wie beaufsichtigend, die Menge durchschritten.
GEWAFFNETER
zum Tische tretend.
Ists hier so laut?
ALTER.
Wir sprachen von Libussen,
Und wenn auch laut, wer spricht da laut genug?
[276]WLASTA.
Doch horcht! Der Arbeit Ablösstunde schlug.
Man hört Gesang von Männerstimmen. Mehrere Feldarbeiter kommen, sich paarweise umschlingend, die Jacken über die Schultern gehängt. Sie singen.
Ruh nach der Arbeit
Wird wohler tun,
Denn wer nicht müde,
Kann auch nicht ruhn.
EINER VON DENEN AM TISCHE.
Willkommen! Schon zurück?
EINER DER GEKOMMENEN.
Was denkst du, Lieber?
Der Teil des Tags, der uns traf, ist vorüber.
Nun kommts an euch.
DER ERSTE
aufstehend.
Wir sind auch schon bereit.
Zur Arbeit, ho!
Mehrere am Tische stehen auf und nehmen die abgelegten Jacken auf.
DERSELBE.
Kamt ihr im Pflügen weit?
DER ANDERE.
Zum Rain.
DER ERSTE.
Machts heiß?
DER ANDERE.
Je nu, es sengt die Matten,
Den Schweiß mit dem Ärmel von der Stirne wischend.
Doch der die Sonne gibt, der gibt zuletzt auch Schatten.
DER ERSTE.
Machts euch bequem.
Zu den andern vom Tische Aufgestandenen.
Ihr kommt!
EINER VON IHNEN
zum Schenken.
Noch einen Trunk!
SCHENKE.
Was meinst du auch? Ich denk, du hast genung,
Sonst gibt es eitel Zank, wie jüngst beim Frühlingsfeste.
Die Fürstin liebt das nicht. Halts wie die andern Gäste.
DER VORIGE.
So wart ich bis zum Quell.
SCHENKE.
Tu das, es kühlt den Brand
Und heiter bleibt der Kopf und rührig Fuß und Hand.
WLASTA
die gewaffnet ab und zu gegangen ist, ohne Strenge.
Zur Arbeit!
Der letzt zurückgebliebene.
Wohl! Das ist ja, was ich meine.
Er und die übrigen Aufgestandenen nach der rechten Seite ab. Die neu Gekommenen setzen sich.
[277]DER ERSTE VON IHNEN
zum Alten.
Wir pflügten heut dein Feld.
ALTER.
Gings gut?
DER PFLÜGER.
Ei, gar viel Steine,
Doch hielten wir darum nur doppelt fest.
ALTER.
Habt Dank!
ERSTER SPIELER
einen Zug machend.
Verloren!
ZWEITER
nachdem er das Spiel übersehen, dem andern Geld hinschiebend.
Nun, hier ist der Rest.
ERSTER.
Du hörst wohl gar schon auf?
ZWEITER
auf eine Figur des Brettspieles zeigend.
Fraß alles doch der Reiter.
ERSTER
einen Teil des Geldes zurückschiebend.
Nimm von dem meinen da und spielen wir nur weiter.
WLASTA
hinzutretend.
Spielt ihr um Geld?
ERSTER SPIELER.
Es gilt kein großes Glück.
Wir zahlen nur zum Scherz und gebens dann zurück.
WLASTA.
Ihr tut ganz recht, wollt ihr die Fürstin euch gewogen.
ERSTER SPIELER.
Wer will das nicht?
Noch eine Hand voll Geld dem andern hinlegend.
Da nimm! und ausgezogen!
Sie spielen weiter.
DAS WEIB IM VORGRUNDE
das sich unterdessen mit dem Kinde beschäftigt hat, zu demselben.
Wenn nun die Fürstin kommt, küß ihr den Saum.
Von den Tanzenden im Hintergrunde löst sich ein Paar los, das jetzt, gegen die Mitte zu, hervortanzt.
EINER DER SITZENDEN.
Seht, wie der Janek springt, der nimmt sich Raum,
Tanzt er mit Ilsen doch.
Mehrere stehen auf, dem Tanze zuzusehen.
EIN ALTER
von der linken Seite kommend.
Laßt ab, ihr beiden!
Wie oft wards euch gesagt: ich wills nicht leiden.
EINER DER ZUSEHENDEN.
Ei, Alter, trenn es nicht, das hübsche Paar!
DER ALTE.
Zuletzt nennt ihr noch Weib und Mann sie gar.
DER VORIGE.
Warum auch nicht?
[278]DER ALTE.
Warum? Ich wills euch sagen:
Mein Mädel da ist reich und er hat kaum zu nagen.
DER VORIGE.
So lebt ihr Alten stets denn in vergangner Zeit?
Was gestern fest und wahr, ists darum nicht auch heut.
Der Reichtum letzter Zeit kam etwas stark zu Falle,
Sonst hatten die und der, nun aber haben alle.
Was kaufst du um dein Geld da, wo nichts käuflich ist,
Das Land ein breiter Tisch, an dem, wer hungert, ißt.
Deshalb des Burschen Not, der Tochter dich erbarme,
Er hat, was ewig reich: ein Herz und rüstge Arme.
DAS MÄDCHEN.
Mein Vater!
DER ALTE
zum Gehen gewendet.
Ei, ja doch!
DER VORHER GESPROCHEN.
Geht, folgt ihm auf dem Fuß!
Zuletzt sagt er doch ja, und wärs aus Überdruß.
Musik von der linken Seite.
DERSELBE.
Schon wieder Sang und Klang? Das hat nicht Langeweile!
WEIBER UND KINDER
hüpfend und in die Hände schlagend.
Ei schön! Die Knappschaft des Bergwerks aus der Eule!
Bergknappen mit Musik von der linken Seite. In der Mitte auf den Schultern von vier Männern eine Tragbahre mit glänzenden Stufen, Erzstücken und Gefäßen voll edlen Metallen.
Die Anwesenden drängen sich betrachtend und bewundernd nach dem Hintergrunde.
Lapak, von der linken Seite kommend und Domaslav, mit Biwoy rechts auftretend, begegnen sich.
LAPAK.
Seid mir gegrüßt!
DOMASLAV.
Und du!
LAPAK
auf das Volk weisend.
Das freut sich.
DOMASLAV.
In der Tat.
LAPAK.
Man ist recht glücklich hier.
DOMASLAV.
Und jedermann ist satt.
LAPAK.
So Herr als Knecht.
DOMASLAV.
Der Knecht nun wohl am meisten.
LAPAK.
Das möcht ich mir zu sagen nicht erdreisten.
Wir sind doch Herrn.
DOMASLAV.
Und satt so gut als die.
Auf die Menge weisend.
Zwar satt sein ist nicht viel.
[279]LAPAK.
Zu viel macht doch nur Müh.
Libussa –
DOMASLAV.
Ah, sie ist der Frauen Zierde!
LAPAK.
Gerecht.
DOMASLAV.
Und weise.
LAPAK.
Mild.
DOMASLAV.
Und doch voll Würde.
Nur –
LAPAK.
Meinst du?
DOMASLAV.
Ich? – Sie ist, wie du gesagt.
LAPAK.
Und wer im ganzen Land zu widersprechen wagt?
Zwar wenn –
DOMASLAV.
Erkläre dich!
LAPAK.
Was ist da zu erklären?
Das Land ist segensvoll, und mög es ewig währen!
DOMASLAV.
Die Dauer freilich –
LAPAK.
Wohl. Das Schöne währt nur kurz.
Und wer die Höhe wählt –
DOMASLAV.
Der wagt zugleich den Sturz.
LAPAK.
Die Dauer, ja; und, wag ichs anzudeuten –?
Siehst du dort Wlasta durch die Männer schreiten?
Da Tadeln nun ein Menschenfehler doch –
Die Weiber, dächt ich, stellt sie allzuhoch.
Zwar wird sie wissen wohl –
DOMASLAV.
In ihrer Weisheit Fülle –
LAPAK.
Warum sie also tut.
DOMASLAV.
Gewiß! Und dann – Doch stille!
LAPAK.
Was ist?
DOMASLAV.
Mir schien als käme wer. – Dann noch zumeist,
Die Niedern, find ich, werden allzu dreist.
LAPAK.
Man sieht die Achtung doch nicht gerne sich versagen.
DOMASLAV.
Und braucht man nun sein Recht –
LAPAK.
So eilt das gleich zu klagen.
DOMASLAV.
Ja dies, und daß die Weiber sie so hoch gestellt,
Sonst ist ihr Reich –
BEIDE.
Das beste in der Welt.
DOMASLAV.
Und, Biwoy, du schweigst still?
[280]BIWOY.
Was bleibt mir über?
Hör ich die Klugen sprechen als im Fieber.
Verkehrt ist all dies Wesen, eitler Tand,
Und los aus seinen Fugen unser Land.
Weiber führen Waffen und raten und richten,
Der Bauer ein Herr, der Herr mitnichten.
Und all dies Tändeln mit sanft und mild
Gibt höchstens 'ne Sangweis, ein feines Bild;
Doch wie's enstand unter einer Stirn,
Hats nirgends Raum als im Menschenhirn.
Und fiel ein Feind in unsre Gauen,
Wir würden des allen die Früchte schauen.
LAPAK.
Wie kurz und rasch.
DOMASLAV.
Fürwahr, er übertreibt.
Zwar etwas ist daran –
LAPAK.
Das etwa übrigbleibt.
DOMASLAV.
Daß ichs denn grad heraus nach meiner Einsicht deute,
Dem Ganzen fehlt ein Mann, ein Mann an ihrer Seite.
LAPAK.
Vielleicht. Zu all den Gaben, die der Fürstin Zier,
Ein ruhig sichres Aug –
DOMASLAV.
Gleich, weiser Lapak, dir.
LAPAK.
Weis ist Libussa selbst. Sag: Domaslav der reiche.
DOMASLAV.
Der reiche Domaslav? Sind wir nicht längst denn Gleiche?
Der starke Biwoy wär dem Land ein starker Schild.
BIWOY.
Mag sein. Doch frägt darnach das zarte Frauenbild?
DOMASLAV.
Wozu noch mehr? Laßt uns zum Werk vereinen!
Wir werben ohne Neid. Sie wähle von uns einen.
Und wer das Los erhält, gedenke dankbarlich
Des Brüderpaars und stell als nächste sie nach sich.
LAPAK.
Wenn nur –
WLASTA
rufend.
Die Fürstin naht!
Der Tanz hört auf.
WLASTA.
Laßt euch nicht stören!
Sie wird in eurer Lust den schönsten Willkomm hören.
Libussa kommt von der rechten Seite, von mehreren begleitet. Sie bleibt betrachtend stehen. Die Tanzenden machen noch einige Schritte, dann hören sie zugleich mit der Musik auf, wobei einige Weiber Blumensträuße zu Libussens Füßen legen.
[281]LIBUSSA.
Habt Dank, ihr Leute! Für die Blumen auch,
Mich freut es, wenn ihr sie, die frommen, liebt,
Und ihnen gleich auch bleibt an stillem Blühn.
Was euch die Gärtnerin mit nächster Sorge,
Verteilend hilfreich Naß und Wärm und Schatten,
Kann nützlich sein, das ist euch ja gewiß.
Die Freude, hoff ich, stört nicht das Geschäft?
WLASTA.
Die Pflüger, kaum gewechselt, sind im Feld.
LIBUSSA.
Mir schmerzt die Stirn; das zielt auf feuchte Zeit.
Sie sollen eilen, daß sie heut vollenden.
Doch wird der Sommer heiß. Das Jahr ist gut.
Wer sind die Leute dort?
WLASTA.
Die Knappschaft
Des Bergwerks aus der Eule. Reiche Beute
Dir bietend sind sie da. Willst du sie sprechen?
LIBUSSA.
Nicht jetzt. Mich ekelt an der anspruchsvolle Tand.
Einen der Blumensträuße in der Hand haltend.
Die Butterblumen hier sind helles Gold
Und reines Silber nickt in diesen Glöckchen.
Hat jemand Lust an ihrem toten Hort
Zu Schmuck und zu Gerät, seis ihm gegönnt.
Ah, Brom! Wie lebst du und wie lebt dein Weib?
Seid ihr versöhnt und streitet ihr nicht mehr?
Demnächst komm ich zu dir, mich des zu überzeugen.
Nicht immer von Gehorsam sprich zu ihr,
Sie wird dir um so williger gehorchen.
Das heißt: wenn du im Recht; denn hast du unrecht,
So seh ich nicht, warum sie weichen sollte.
Ich blicke rings um mich und finde nirgends
Den Stempel der Mißbillgung, den Natur
Der offnen Stirn des Weibes aufgedrückt.
Sieh, deine Fürstin ist ein Weib, und braucht sie Rat,
Geht sie zu ihren Schwestern, und hier Wlasta,
Sie wacht in Waffen und gebeut statt mir.
Fühlt sich dein Knecht als Mensch dem Herren ähnlich,
Warum soll sich dein Weib denn minder fühlen?
Kein Sklave sei im Haus und keine Sklavin:
[282] Am wenigsten die Mutter deines Sohns.
Zu dem Weibe mit dem Kinde.
Ah, Gute! und dein Kind! Ists nun gesund?
Und machten jene Kräuter es genesen?
Doch eine Narbe noch, hier nächst der Stirn!
Nimm Pfeilwurz, wie es auf den Wiesen wächst
Und drück ihms an die Stirne wiederholt
Und sag dazu: in Gottesnamen. – Gut!
Auch gibts hier eine Hochzeit, sagt man mir.
Das Tänzerpaar von vorher und der Vater treten näher.
Ei, alter Risbak, fühlst du dich erweicht
Und nennst sie Mann und Weib, das hübsche Paar?
Du tust sehr wohl, sie sind einander wert.
Denn was du immer sprachst von arm und reich,
Da ist nicht Sinn dabei. Wohl denn, Glück auf!
Kehrt nur zu Spiel und Tanz, und froh zur Arbeit.
Das Volk zieht sich zurück. Sie kommt gegen den Vorgrund.
Sieh da, ihr Herrn, so vornehm abgesondert?
Wie, unzufrieden oder doch erstaunt?
DOMASLAV.
Vielleicht erstaunt; daß du, den Göttern ähnlich,
Die Gaben spendest, die du selbst nicht teilst.
LIBUSSA.
Leih deinen scharfen Sinn mir, weiser Lapak,
Daß ich verstehe, was dort jener meint.
DOMASLAV.
So stiftest du nicht Ehen, hohe Fürstin,
Und bist der Ehe doch, der Liebe feind.
LIBUSSA.
Du hältst mich wohl für rasend, guter Mann?
Wie sollt ich hassen, was so menschlich ist?
Allein zu Lieb und Ehe braucht es zwei;
Und, sag ichs nur, mein Vater, euer Fürst,
War mir des Mannes ein so würdig Bild,
Daß ich vergebens seinesgleichen suche.
Sich von ihnen entfernend.
Zwar einmal schiens, doch es verschwand auch schnell.
LAPAK.
Du willst Geprüfte, doch du willst nicht prüfen.
LIBUSSA
vor sich hin.
Stellt er sich denn der Prüfung? wollt ich auch.
DOMASLAV.
Was man entfernt wünscht, hüllt man gern in Dunkel.
LIBUSSA.
Nun, weiser Lapak denn und starker Biwoy
[283] Und mächtger Domaslav, die ihr euch teilt
In das, was ich im Mann vereint mir denke,
Hört denn ein Rätsel, und als halbe Lösung
Füg ich ein Zeichen bei nach Seherart.
War doch die Kette stets der Ehe Bild.
Sie nimmt ihren Halsschmuck und legt ihn auf ein Kissen, das ein Page hält.
Wer mir die Kette teilt,
Allein sie teilt mit keinem dieser Erde,
Vielmehr sie teilt, auf daß sie ganz erst werde;
Hinzufügt was, indem man es verlor,
Das Kleinod teurer machte denn zuvor:
Er mag sich stellen zu Libussas Wahl,
Vielleicht wird er, doch nie ein andrer ihr Gemahl.
DOMASLAV.
Wer mir die Kette teilt.
BIWOY.
Und wieder doch nicht teilt.
DOMASLAV.
Hinzufügt was –
LIBUSSA.
Müht euch nicht ab!
Der weise Lapak, sah ich, schrieb sichs auf.
Verbirg es nicht und teil es diesen mit,
Es soll für alle. Nun, mit Gott! ihr Herrn.
Sucht auf die Lösung; aber hört zugleich:
Bis ihrs gefunden, meidet meine Nähe. –
Libussa ist kein Ziel, das gar so nah.
Zum Pagen.
Geh nur voran! Ihr folgt! Glück auf den Weg!
BIWOY
im Abgehen leise.
Sie narrt uns, sagt ich euch.
LAPAK
ebenso.
Wart ab das Ende.
Die drei samt dem Pagen ab nach der linken Seite.
LIBUSSA.
Wer einsam wirkt, spricht in ein leeres All,
Was Antwort schien, ist eigner Widerhall.
Ha, Wlasta, komm! Ist irgend ein Geschäft,
Ein Mühen, eine Sorge, eine Qual,
Daß ich bevölkre meines Innern Wüste?
Die im Hintergrunde Stehenden drängen sich nach der linken Seite.
LIBUSSA.
Was dort?
WLASTA.
Zwei Männer streiten, wie du siehst.
Sie fassen sich am Bart.
[284]LIBUSSA
in die Szene blickend.
Schlägst du den Bruder?
Gebt mir ein Schwert, er soll des Todes sterben!
Und doch, schelt ich den Zorn und fühl ihn selbst?
Trennt sie!
Einige gehen nach der linken Seite.
Und ist das Tier erst Mensch geworden,
Bringt sie, auf daß ich schlichte ihren Streit.
Ei, Streit und Streit!
Die Hand auf die Brust gelegt.
Ist hier denn etwa Friede?
Ab nach der rechten Seite. Die übrigen zerstreuen sich.
Verwandlung.
Kurze Gegend mit Felsen und Bäumen.
Die drei Wladiken kommen, vor ihnen der Knabe mit dem Kissen.
DOMASLAV.
Setz nur das Kissen ab, dort leg es hin,
Indes wir uns beraten, was zu tun.
Der Knabe setzt das Kissen auf ein niedres Felsstück links im Vorgrunde und geht.
DOMASLAV
dem Knaben nachblickend.
Mir dünkt, ich sehe Spott in seinen Augen.
BIWOY
der sich rechts im Vorgrunde zur Erde niedergeworfen hat, mit seinem Schwerte spielend.
Hat er nicht recht, und sind wir nicht genarrt?
LAPAK
im Hintergrunde, die Hände auf dem Rücken, auf und abgehend.
Das frägt sich noch!
BIWOY.
Ei ja, dann klügle du!
DOMASLAV
der links im Vorgrunde auf das Felsenstück gestützt, unverwandt die Kette betrachtet.
Wer mir die Kette teilt –
BIWOY.
Allein – Wie heißts?
LAPAK
unwillig hervorsprechend.
Allein sie teilt mit keinem dieser Erde.
Er geht wieder auf und nieder.
BIWOY.
Sie teilt, allein mit niemand. Guter Schwank!
Aufstehend.
Ich hab es satt. Ich sag euch, es ist Unsinn.
Der Widerspruch, ja die Unmöglichkeit,
[285] Geknüpft in Reimwerk, um uns zu verspotten,
Und uns zu bannen fern von ihrem Hof,
Weil sie uns scheut und unsre Nähe fürchtet.
Wenn nicht der Sinn von Rätsel und von Kette
In jener Knechtschaft liegt, die uns ihr Vater
Vor Jahren auferlegt, und die sein Sprößling
Mit zarten Händen gern verdoppeln möchte.
Drum ist mein Rat: Geh jeder auf sein Schloß;
Du, Lapak, du bist weise, Domaslav
Bist reich, hast Diener, Schreiber, die dir helfen
Um auszuklügeln, was vielleicht der Sinn.
Ich bin ein Mann des Schwerts. Gebt mir das Kleinod,
Ich will es hüten, daß, gelingt die Lösung,
Nicht einer ernte, wo gesät für drei,
Und sich allein das Ziel der Werbung eigne.
DOMASLAV.
Das darf nicht sein!
BIWOY
die Hand am Schwert.
Es darf nicht?
LAPAK.
Nein und nein!
BIWOY.
So laßt das Los denn zwischen uns entscheiden.
Wir werden doch nicht wie die Blinden wandeln,
Uns wechselseits umklammernd mit den Händen?
Geführt von jenem Gold als unserm Auge,
Und jenem Knaben – Ruft den Knaben her!
Er soll entscheiden, werfen uns das Los.
DOMASLAV.
Damit er rückgekehrt, am Hof Libussas
Uns ihren Weibern schildre zum Gespött?
BIWOY.
Da hast du recht!
LAPAK.
Dort geht ein Wandersmann,
Des Weges, scheints, hierher. Er kennt uns nicht;
Sei unser Los sein unbestochnes Wort.
Da Biwoy sich nach der bezeichneten Stelle wendet.
LAPAK.
Tritt du nicht vor! Des Menschen Sinn ist rasch,
Zuerst gesehn, ist ihm zuerst gekannt.
Er soll uns gleich, mit einem Male schaun.
Sie ziehen sich zurück.
Primislaus tritt im Vorgrunde von der linken Seite auf.
PRIMISLAUS.
So wie der Wolf rings um die Herde kreist,
Halb Hunger und halb Furcht, schleich ich im stillen
[286] Her um das Haus, das jene Hohe birgt.
Und in der Brust trag ich das reiche Bild,
Das sie mir gab, vielmehr: das ich mir nahm,
So daß, wenns hier zur linken Seite pocht,
Ich unterscheide kaum, ob es mein Herz,
Ob es ihr Kleinod, was so mächtig stürmt;
Und beide drängen hin zu ihrer Herrin.
Doch nah ich ihr, rückstattend meinen Raub,
Lohnt sie mit Gold die Tat, die mich beglückt;
Und bleib ich fern, so deckt ein schnell Vergessen,
Was sie kaum weiß mehr und nur hier noch lebt.
Ich sah dort einen Knaben ihres Hauses,
Gekleidet in die Farben seines Diensts,
Vielleicht kann ich ein Wort versteckter Mahnung,
Rückrufender Erinnrung ihm vertraun,
Daß sie gedenkt des Vorfalls jener Nacht.
Indem er sich nach rückwärts wendet, treten die drei Wladiken vor.
LAPAK.
Erschrick nicht, fremder Mann!
PRIMISLAUS.
Erschrak ich denn?
DOMASLAV.
Du kennst nicht uns, wir dich nicht.
PRIMISLAUS.
Also scheints.
LAPAK.
Zum Schiedsmann bist du demnach wie erlesen.
PRIMISLAUS.
Was ist zu scheiden und was ist getrennt?
LAPAK.
Etwa die Kette hier.
PRIMISLAUS
für sich.
Libussas Kette.
DOMASLAV.
Sie gab uns eine hohe Frau.
PRIMISLAUS.
Libussa!
LAPAK.
So weißt du –?
PRIMISLAUS.
– Nichts, als nur, daß es die ihre.
DOMASLAV.
So sag denn kurz, wie kurz ist unsre Frage:
Wes von uns dreien soll das Kleinod sein?
PRIMISLAUS.
Ich bin kein Mann des Zufalls und des Glücks,
Zumal, wos Richterspruch gilt und Entscheidung.
Wollt ihr den nähern Sinn mir nicht vertraun,
So bleibt mit Gott, ich ziehe meines Wegs.
LAPAK.
Soll ich?
BIWOY.
Tus immerhin, der Mann scheint klug,
Vielleicht verhilft er etwa uns zur Lösung.
[287]DOMASLAV.
Nun also denn: Wir drei, die du hier siehst,
Sind mächtige Wladiken dieses Landes,
Als mächtig eben, stark und reich, berufen,
Zu werben um der Fürstin hohe Hand.
Als heute nun wir solcher Absicht nahten,
Gab uns die Fürstin dieses Halsgeschmeid
Und sprach dazu – Wie heißts?
PRIMISLAUS.
Laßt mich es hören.
LAPAK
lesend.
Wer mir die Kette teilt –
BIWOY.
Doch teilt mit keinem.
Es klingt wie Wahnsinn.
PRIMISLAUS.
Jedes Wort, ich bitte.
LAPAK
lesend.
Wer mir die Kette teilt,
Allein sie teilt mit keinem dieser Erde.
Während die Wladiken neben Lapak stehen und in die Schrift blicken, hat Primislaus die Kette
ergriffen, die hakenförmigen Glieder getrennt und rasch wieder zusammengefügt.
LAPAK
fortfahrend.
Vielmehr sie teilt, auf daß sie ganz erst werde;
DOMASLAV
lesend.
Hinzufügt was, indem man es verlor,
Das Kleinod teurer machte denn zuvor.
Bei diesen Worten fährt Primislaus schnell nach der linken Seite der Brust, wo er das Kleinod verborgen.
BIWOY
ebenfalls lesend.
Er mag sich stellen zu Libussas Wahl;
Vielleicht wird er, doch nie ein andrer, ihr Gemahl.
PRIMISLAUS.
Ich will zu ihr!
DOMASLAV.
Was ficht euch an? Ihr geht?
PRIMISLAUS.
Das Rätsel ist gelöst.
LAPAK.
Wie nur?
PRIMISLAUS.
– Es schien so,
Doch decket neue Nacht das kaum Erhellte.
Sie sprachs zu euch als Werbern ihrer Hand?
DOMASLAV.
So wars.
PRIMISLAUS
von ihnen wegtretend.
Und überließ dem Zufall denn,
[288] Ob sie des Rätsels Lösung dennoch fänden?
Und der es fand, er war ja ihr Gemahl!
Fahr hin, mein Glück, dein Flug war allzu rasch!
Doch blieb ein Stachel, scheints, ihn ihrer Brust.
Laß michs versuchen denn; ich drück ihn fester,
Ob ihn die Zeit vertieft, ob sie ihn heilt.
Laut.
Nun denn: ob des das Kleinod oder jenes,
Ist nicht die Frage, scheints, zu dieser Zeit,
Nicht einen wollte sie vorerst bezeichnen,
Ihr alle sollt zur Werbung euch berechtgen,
Den einen wird bestimmen ihre Wahl.
Weshalb, da sie zu "teilen" euch gebot,
Und "mitzuteilen" doch so streng verpönte,
Sie in Gesamtbesitz euch wünscht zugleich:
Gemeinsam haben heißt als Freunde teilen.
Gebt acht, ob ich die Wahrheit näher treffe.
Fürst Krokus gab der Töchter Dreizahl, jeder,
Der Mutter Bild umringt von edlen Steinen,
In Gürtelspangen künstlich eingefügt;
Die Spangen, sie sind hier, das Bildnis fehlt.
Wie sies verlor, die Fürstin, wer kanns wissen?
Doch daß es fehlt, und damals schon gefehlt,
Als jene Fraun um Böhmens Krone losten,
Sagt das Gerücht in jedes Mannes Mund;
Wie auch, daß durch den Abgang jenes Bildes
Bezeichnet ward als Herzogin Libussa,
Und in der Tat »durch das, was man verlor,
Das Kleinod reicher wurde als zuvor«,
Denn es trug ein der Böhmen Herzogskrone.
DOMASLAV.
Mir deucht, der Mann hat recht.
LAPAK.
Mir scheints nicht minder.
BIWOY.
So hätten wir das Rätsel denn!
PRIMISLAUS.
Das Wort,
Allein die Sache nicht. Sie will das Bildnis.
»Hinzufügt was, indem man es verlor«,
Und wie es weiter heißt. Sie will die Sache.
BIWOY.
Allein wie finden wir die Sache nun?
[289]PRIMISLAUS.
Ein Mittel wär vielleicht. Was gebt ihr dem,
Der euch das Bildnis schafft, nach dem ihr strebt?
LAPAK
leise zu ihm.
Ein Kornmaß Silber, bringt ers heimlich mir.
DOMASLAV
ebenso.
Mein Schloß in Kresnagrund, wirds mir zuteil.
BIWOY
laut.
Werd ich der Böhmen Herzog, all mein Eigen.
PRIMISLAUS.
Das ist versprochen viel, gegeben wenig.
Erkenntlichkeit ist ein gar schwankend Ding.
Wer zielt, drückt das Geschoß an Brust und Wange,
Doch wenn er traf, wirft ers verächtlich hin.
Die Kette hier ist Gold, und Gold genug
Hat Böhmens Fürstin, habt ihr Herren auch;
Mir wärs ein reicher Schatz. Gebt mir die Kette,
So schaff ich euch das Bild.
LAPAK.
Nicht so, nicht also.
BIWOY.
Wir wollen beides, Bild und Kette.
DOMASLAV.
Ja.
PRIMISLAUS.
Wer auf den Markt geht, der steckt Geld zu sich.
Für nichts ist nichts. Und somit Gott befohlen!
DOMASLAV.
So habt ihr selbst das Bild?
Leise zu den übrigen.
Wir sind zu drein,
Vielleicht, daß mit Gewalt –
PRIMISLAUS.
Wers nun besitzt!
Der Ort, der es verbirgt, ist mir bekannt,
Und wer mich schädigt, bringt sich um den Schatz.
Die Hand an ein dolchartiges Messer in seinem Gürtel gelegt.
Nebstdem, daß ich nicht wehrlos, wie ihr seht.
DOMASLAV.
Es sei darum! Doch was soll dir die Kette?
PRIMISLAUS.
Vielleicht als Zeichen dessen, was geschah,
Als Bürgschaft auch vielleicht für euern Dank;
Denn – wiederum vielleicht – geb ich sie später
Für einen Lohn, der höher als sie selbst.
BIWOY.
Der Handel ist geschlossen. Nun das Bild!
PRIMISLAUS
mit Erwartung erregenden Gebärden gegen die auf dem Kissen liegende Kette gewendet.
Wohl denn, ihr Herrn, betrachtet mir das Kissen.
[290] Die Klugheit gilt gar oft als Zauberkraft
Und ists auch oft. – Ihr seht – O weh, es fiel!
Während die Augen der Wladiken auf das Kissen gerichtet sind, hat er das Bild aus der Brust gezogen und in die linke Hand genommen. Jetzt stößt er, die Kette mit der rechten Hand fassend, das Kissen von dem Felsstück herab, so daß es nach rückwärts fällt,
und gleichzeitig läßt er das Bild in derselben Richtung fallen.
Und hier das Bild.
DOMASLAV.
Es ists.
LAPAK.
Ich sahs zuerst.
DOMASLAV.
Ich habs zuerst ergriffen.
BIWOY.
Nun, und ich?
Man wird mir meinen Teil doch nicht bestreiten?
DOMASLAV.
Doch obs das rechte nun?
BIWOY.
Ja wohl, laßt sehn!
Sie stehen seitwärts gewendet, das Bild betrachtend, das sie sich wechselweise aus der Hand nehmen.
PRIMISLAUS
die Kette in den Busen steckend.
Ich nehme meinen Lohn, der mir ein Zeichen
So gut wie jenes andre. Und Libussa,
Sie wird erinnert. Hoffnung bleibt wie vor.
Er entfernt sich nach der linken Seite.
DOMASLAV
das Bild in der Hand haltend.
Hier steht es: Krokus, hier.
LAPAK.
Und hier Libussa.
Sie wenden sich um.
LAPAK.
Wo aber blieb der Mann?
DOMASLAV.
Und wo die Kette?
Ans Schwert greifend.
Verräterei!
BIWOY.
Verräter? Und warum?
Der Handel ward geschlossen: Ihm die Kette
Und uns das Bild. Er ist in seinem Recht.
Wir haben, was wir suchten. Laßt uns heim;
Libussa muß nun wählen unter uns,
Die sie verbannt, vielleicht für immer, glaubte.
Und sucht sie Ausflucht etwa weiter noch,
Bleibt uns das Schwert.
[291]LAPAK.
Und was selbst Schwache schützt:
Vereinigung.
BIWOY.
Recht gut, fühlt ihr euch schwach,
Ich nicht. – Du Knabe dort, komm nur herbei.
Der Knabe kommt vom Hintergrunde links.
Nimm jenes Kissen auf. Und lach nicht wieder,
Wie du vorerst getan.
Das Bild auf das Kissen legend.
Hier ist das Rätsel,
Das auch die Lösung ist. Nun lachen wir.
Es soll sich manches ändern hier im Land
Und auch in euerm Haus, geliebts den Göttern.
Der Fürstin Weisheit ehr ich; doch ein Mann,
Es hat doch andern Schick!
DIE BEIDEN.
Ja wohl!
BIWOY
sich mit einem verächtlichen Blick von ihnen wendend und dem Knaben folgend.
Nur vorwärts!
Die beiden andern, hinter ihm hergehend, reichen sich die Hände, indem sie ihr Mißtrauen gegen ihn und ihr Einverständnis durch Gebärden ausdrücken.
Verwandlung.
Platz vor Libussas Schlosse wie zu Anfang des Aufzuges. Libussa kommt mit Gefolge. Auf der entgegengesetzten Seite, links im Hintergrunde,
haben sich mehrere Männer aufgestellt.
LIBUSSA.
Setzt mir den Stuhl heraus; ich will ins Freie.
Vielmehr nur: sattelt mir das weiße Roß,
Dasselbe, das mich einst nach Budesch trug,
In jener Nacht, als bei des Vaters Scheiden
Ich Herrin, Sklavin ward von diesem Land.
Wer sind die Leute dort?
WLASTA.
Die Streitenden
Von heute morgen.
LIBUSSA.
Und sie streiten noch?
Und einen Markstein gilts, den man verrückt?
EINER DER STREITENDEN.
Hier, dieser hats getan!
LIBUSSA.
Sahst dus?
DERSELBE.
Ich sah es nicht.
LIBUSSA.
Und sahens andre?
DER NÄMLICHE.
Nein.
[292]LIBUSSA.
Und zeihst den Bruder
Des Frevels doch? Vergleicht euch!
DER ZWEITE.
Wohl, ich will.
DER ERSTE.
Ich nicht.
LIBUSSA.
Und wenn ich dreifach Land dir gebe
Für das, was du verlierst?
DER ERSTE.
Ich will mein Recht.
LIBUSSA.
Von allen Worten, die die Sprache nennt,
Ist keins mir so verhaßt, als das von Recht.
Ist es dein Recht, wenn Frucht dein Acker trägt?
Wenn du nicht hinfällst tot zu dieser Frist,
Ist es dein Recht auf Leben und auf Atem?
Ich sehe übrall Gnade, Wohltat nur
In allem, was das All für alle füllt,
Und diese Würmer sprechen mir von Recht?
Daß du dem Dürftgen hilfst, den Bruder liebst,
Das ist dein Recht, vielmehr ist deine Pflicht,
Und Recht ist nur der ausgeschmückte Name
Für alles Unrecht, das die Erde hegt.
Ich les in euren Blicken, wer hier trügt,
Doch sag ichs euch, so fordert ihr Beweis.
Sind Recht doch und Beweis die beiden Krücken,
An denen alles hinkt, was krumm und schief.
Vergleicht euch! sonst zieh ich das Streitgut ein
Und lasse Disteln säen drauf und Dornen
Mit einer Überschrift: Hier wohnt das Recht.
ERSTER STREITENDER.
Doch du erlaubst, o Fürstin, daß den Anspruch
Wir Männern unsersgleichen legen vor.
LIBUSSA
sich wegwendend.
Wenn Gleiches sie begehren, sind sie gleich,
Doch Gleiches leisten stört mit eins die Gleichheit.
Die drei Wladiken kommen mit dem Knaben, der das Kissen trägt.
LIBUSSA.
Noch mehr der Toren! Wollt ihr auch ein Recht?
DOMASLAV.
Ja, Fürstin, ja; und zwar auf deine Hand.
LIBUSSA.
Nicht mehr als das? Fürwahr, ihr seid bescheiden.
LAPAK.
Gelöst ist die Bedingung, die du setztest.
DOMASLAV.
Wir haben, was du fordertest. Hier ists.
[293] Auf das Kissen zeigend.
LIBUSSA.
So habt ihr ihn getötet?
BIWOY.
Wen?
LIBUSSA.
BIWOY.
Er lebt.
LIBUSSA.
Und gabs?
DOMASLAV.
Für Gold.
LIBUSSA.
So ist er auch denn wie die andern alle:
Ein Sklav des Nutzens; nur der Neigung Herr,
Um etwa mit Gewinn sie zu verhandeln,
Fahr hin, o Hoffnung! erste, letzte du.
DER ERSTE DER STREITENDEN
zu den Wladiken herüberrufend.
Nehmt euch, ihr Herrn, der Unterdrückten an!
LIBUSSA
zu ihm.
Geduld, mein Freund! Ich werde, will dich richten,
Verhärtet wie ich bin, paßt mir das Amt.
Zu den Wladiken.
Er nahm das Gold freiwillig?
BIWOY.
Ja, die Kette.
LIBUSSA.
Dieselbe, die ich gab? Sie fehlt.
BIWOY.
Er hat sie.
LIBUSSA.
Und ihr, ihr überließt –?
BIWOY.
Es war der Preis,
Den er, trotz höherm, einzig nur verlangte.
LIBUSSA.
Habt Dank! – Der Mann ist klug. Wohl edel auch.
Befreit mich von der Werbung dieser Toren,
Erinnert mich an meinen Dank und hat,
Was ihn als Gegenstand des Danks bezeichnet.
Wo ist der Mann? Bringt her ihn!
LAPAK.
Er ist fern.
Den Schiedsspruch kaum getan, war er verschwunden.
LIBUSSA.
Wohl also stolz auch. Gut, ich liebe Stolz,
Zumal wenn er in eigner Höhe sucht
Den Maßstab, nicht in fremder Niedrigkeit.
Verschmäht er meinen Dank? Ich will ihn sehn.
LAPAK.
Doch erst entscheide, Fürstin, unsern Anspruch.
LIBUSSA.
Wozu entscheiden, was entschieden schon?
[294] Halb habt ihr nur erfüllt des Spruches Sinn.
Verboten ward zu teilen, ihr teilt mit
An einen Fremden, was euch ward zu hüten.
Hinzuzufügen galts, was man verlor,
Ihr aber, statt des Ganzen, bringt den Teil.
Halb habt ihr nur erfüllt, drum halb der Lohn.
Werbt wie bisher und bleibt an meinem Hof.
DOMASLAV.
Wir sind betrogen.
BIWOY.
Sagt ichs nicht?
DER ERSTE DER STREITENDEN
der indessen mit seinem Gegner gehadert.
Mein Recht!
Ich will mein Recht. O, wäre hier ein Mann,
Der ernst entschiede, wo es geht um Ernstes.
MEHRERE
mit Domaslav und Biwoy.
Ja wohl: ein Mann, ein Mann!
LIBUSSA.
Da lärmen sie
Und haben, fühl ich, recht. Es fehlt ein solcher.
Ich kann nicht hart sein, weil ich selbst mich achte.
Den Zügel führ ich wohl mit weicher Hand,
Doch hier bedarfs des Sporns, der scharfen Gerte.
Wohlan ihr Herrn, ich geb euch einen Mann.
Da die drei Wladiken nähertreten.
Glaubt ihr von euch die Rede? Dermal nicht.
Wieder vor sich hinsprechend.
Du dünkst dich klüger, als Libussa ist?
Ich will dir zeigen, daß du dich betrogen.
Dem Fischer gleich wirfst du die Angel aus,
Willst ferne stehn, belauernd deinen Köder.
Libussa ist kein Fischlein, das man fängt.
Gewaltig, wie der fürstliche Delphin,
Reiß ich die Angel dir zusamt der Leine
Aus schwacher Hand und schleudre dich ins Meer,
Da zeig denn, ob du schwimmen kannst, mein Fischer.
Zu dem Volke.
Da gilt es denn, den Mann euch zu bezeichnen,
[295] Der schlichten soll und richten hier im Land
Und nahe stehn, wohl etwa nächst der Fürstin.
Ich habe lang zu euch Vernunft gesprochen,
Doch ihr bliebt taub; vielleicht horcht ihr dem Unsinn,
Ob scheinbar oder wirklich gilt hier gleich.
Seht hier das Roß, denselben weißen Zelter,
Der mich nach Budesch trug an jenem Tag,
Da ich, nach Kräutern suchend, fand die Krone.
Führt ihn hinaus am Zaum zu den drei Eichen,
Wo sich die Wege teilen in den Wald,
Dort laßt den Zügel ihm und folgt ihm nach,
Und wo es hingeht, suchend seinen Stall
Und früherer Gewohnheit alte Stätte,
Dort tretet ein. Ihr findet einen Mann
In Pflügerart, der – da es dann wohl Mittag
An einem Tisch von Eisen tafelnd sitzt
Und einsam bricht sein Brot. Den bringt zu mir.
Das ist der Mann, den ihr und ich gesucht.
Was jetzo leicht und los, das macht er fest,
Und eisern wird er sein, so wie sein Tisch,
Um euch zu bändigen, die ihr von Eisen.
Die Luft wird er besteuern, die ihr atmet,
Mit seinem Zoll belasten euer Brot,
Der gibt euch Recht, das Recht zugleich und Unrecht,
Und statt Vernunft gibt er euch ein Gesetz.
Und wachsen wirds, wie alles mehrt die Zeit,
Bis ihr für euch nicht mehr, für andre seid.
Wenn ihr dann klagt, trifft selber euch die Klage,
Und ihr denkt etwa mein und an Libussens Tage.
Indem sie mit einem leichten Schlage das Pferd zum Gehen ermuntert, und die übrigen zu beiden Seiten Raum machen, fällt der Vorhang.