[630] Zweiter Aufzug
Halle wie im vorigen Aufzuge. Dichtes Dunkel.
JAROMIR
stürzt herein.
Ist die Hölle losgelassen
Und knüpft sich an meine Fersen?
Grinsende Gespenster seh ich
Vor mir, an mir, neben mir,
Und die Angst mit Vampirrüssel
Saugt das Blut aus meinen Adern,
Aus dem Kopfe das Gehirn!
Daß ich dieses Haus betreten!
Engel sah ich an der Schwelle
Und die Hölle
Hauset drin! –
Doch wo bin ich hingeraten
Von der innern Angst getrieben?
Ist dies nicht die würdge Halle,
Die den Kommenden empfing?
Still! Die Schläfer nicht zu stören!
Stille! Wenn sie würden innen
Hier mein seltsames Beginnen!
An des Grafen Gemach horchend.
Alles stille.
An der Türe zur linken Seite des Hintergrundes.
Welche Laute!
Süße Laute, die ich kenne,
Die ich einzuschlürfen brenne!
Horch! – ha! – Worte! – Ach sie betet!
Betet! – Betet wohl für mich!
Habe Dank du reine Seele!
Horchend.
»Heilger Engel steh uns bei!«
Steh mir bei du heilger Engel!
»Und beschütz uns!« – O beschütz uns!
Ja beschütz mich vor mir selber!
O du süßes, reines Wesen!
Nein, ich kann mich nicht mehr halten,
[631] Ich muß hin, ich muß zu ihr.
Will vor ihr mich niederstürzen
Und an ihrer reinen Seite
Ruh und Frieden mir erflehn!
Ja sie möge über mir
Wie ob einem Leichnam beten,
Und in ihres Atems Wehn
Will ich heilig auferstehn!
Er nähert sich der Türe; sie geht auf und die Ahnfrau tritt heraus, mit beiden Händen ernst ihn fortwinkend.
JAROMIR.
Ach, da bist du ja, du Holde!
Ich bins, Teure, zürne nicht!
Wink mich nicht so kalt von dir,
Gönne dem gepreßten Herzen
Die so lang entbehrte Lust,
An der engelreinen Brust,
Aus den himmelklaren Augen
Trost und Ruhe einzusaugen!
Die Gestalt tritt aus der Türe, die sich hinter ihr schließt, und winkt noch einmal mit beiden Händen ihm Entfernung zu.
JAROMIR.
Ich soll fort? Ich kann nicht, kann nicht!
Wie ich dich so schön, so reizend
Vor den trunknen Augen sehe
Reißt es mich in deine Nähe!
Ha ich fühle, es wird Tag
In der Brust geheimsten Tiefen
Und Gefühle, die noch schliefen,
Schütteln sich und werden wach. –
Kannst du mich so leiden sehn?
Soll ich hier vor dir vergehn?
Laß dich rühren meinen Jammer,
Laß mich ein in deine Kammer!
Hat die Liebe je verwehrt
Was die Liebe heiß begehrt?
Auf sie zueilend.
Bertha! Meine Bertha!
Wie er sich ihr nähert, hält die Gestalt den rechten Arm mit dem ausgestreckten Zeigefinger ihm entgegen.
[632]JAROMIR
stürzt schreiend zurück.
Ha!
BERTHA
von innen.
Hör ich dich nicht Jaromir?
Beim ersten Laut vom Berthas Stimme seufzt die Gestalt und bewegt sich langsam in die Szene. Ehe sie diese noch ganz erreicht hat, tritt Bertha aus der Türe, ohne aber die Gestalt zu sehen, da sie nach dem in der entgegengesetzten Ecke stehenden Jaromir blickt.
BERTHA
mit einem Lichte kommend.
Jaromir du hier?
JAROMIR
die abgehende Gestalt mit den Augen und dem ausgestreckten Finger verfolgend.
Da! Da! Da! Da!
BERTHA.
Was ist dir begegnet, Lieber?
Warum starrst du also wild
Hin nach jenem düstern Winkel?
JAROMIR.
Hier und dort, und dort und hier!
Übrall sie und nirgends sie!
BERTHA.
Himmel, was ist hier geschehn?
JAROMIR.
Ei bei Gott, ich bin ein Mann!
Ich vermag was einer kann.
Stellt den Teufel mir entgegen
Und zählt an der Pulse Schlägen
Ob die Furcht mein Herz bewegt!
Doch allein soll er mir kommen.
Grad als grader Feind. er werbe
Nicht in meiner Phantasie,
Nicht in meinem heißen Hirn
Helfershelfer wider mich!
Komm er dann als mächtger Riese,
Stahl vom Haupte bis zum Fuß,
Mit der Finsternis Gewalt,
Von der Hölle Glut umstrahlt;
Ich will lachen seinem Wüten
Und ihm kühn die Stirne bieten.
Oder komm als grimmer Leu
Will ihm stehen ohne Scheu,
Auge ihm ins Auge tauchen,
Zähne gegen Zähne brauchen,
Gleich auf gleich. Allein er übe
[633] Nicht die feinste Kunst der Hölle,
Schlau und tückevoll, und stelle
Nicht mich selber gegen mich!
BERTHA
auf ihn zueilend.
Jaromir, mein Jaromir!
JAROMIR
zurücktretend.
O ich kenn dich, schönes Bild!
Nah ich mich wirst du vergehn
Und mein Hauch wird dich verwehn!
BERTHA
ihn umfassend.
Kann ein Wahnbild so umarmen?
Und blickt also ein Phantom?
Fühle, fühle ich bins selber
Die in deinen Armen liegt!
JAROMIR.
Ja, du bists! Ich fühle freudig
Deine warmen Pulse klopfen,
Deinen lauen Atem wehn.
Ja, das sind die klaren Augen,
Ja, das ist der liebe Mund,
Ja, das ist die süße Stimme,
Deren wohlbekannter Laut
Frieden auf mich niedertaut.
Ja, du bists, du bists, Geliebte!
BERTHA.
Wohl bin ichs, o wärst dus auch!
Wie du zitterst!
JAROMIR.
Zittern! zittern!
Wer sieht das und zittert nicht?
Bin ich doch nur Fleisch und Blut,
Hat doch keine wilde Bärin
Mich im rauhen Forst geboren
Und mit Tigermark genährt,
Steht auf meiner offnen Stirne
Doch der heitre Name: Mensch!
Und der Mensch hat seine Grenzen!
Grenzen, über die hinaus
Sich sein Mut im Staube windet,
Seiner Klugheit Aug erblindet,
Seine Kraft wie Binsen bricht,
[634] Und sein Innres zagend spricht:
Bis hierher und weiter nicht!
BERTHA.
Du bist krank, ach, geh zurück,
Geh zurück nach deiner Kammer.
JAROMIR.
Eher in die heiße Hölle
Als noch einmal auf die Stelle!
Ehrt ihr so die Pflicht des Hauses
Und des Gastes heilig Recht?
Arglos und vertrauensvoll
Folgt ich meinem Führer nach
In das weite Prunkgemach.
Müde, ruhelechzend steig ich
Schnell das hohe Bett hinan
Und das Licht ist ausgetan.
Wehend fühl ich schon den Schlummer,
Mild wie eine Friedenstaube
Mit dem Ölzweig in dem Munde,
Über meinem Haupte schweben,
Und in immer engern Kreisen
Sich auf mich herniederlassen.
Jetzo, jetzo senkt sie sich,
Süße Ruhe fesselt mich.
Da durchzuckt es meine Glieder,
Ich erwache, horch und lausche.
Laut wirds in dem öden Zimmer,
Rauschend wogt es um mich her
Wie ein wehend Ährenmeer,
Seltsam fremde Töne wimmern,
Zuckend fahle Lichter schimmern,
Es gewinnt die Nacht Bewegung
Und der Staub gewinnt Gestalt.
Schleppende Gewänder rauschen
Durch das Zimmer auf und nieder,
Hör es weinen, hör es klagen
Und zuletzt in meiner Nähe
Wimmert es ein dreifach Wehe!
Da reiß ich des Bettes Vorhang
Auf in ungestümer Hast;
[635] Und mit tausend Flammenaugen
Starrt die Nacht mich glotzend an.
Lichter seh ich schwindelnd drehen
Und mit tausend fahlen Ringen
Schnell sich ineinander schlingen,
Und nach mir streckts hundert Hände,
Kriecht an mich mit hundert Füßen,
Fletscht auf mich aus hundert Fratzen.
Und an meines Bettes Füßen
Dämmert es wie Mondenlicht,
Und ein Antlitz tauchet auf
Mit geschloßnen Leichenaugen,
Mit bekannten, holden Zügen,
Ja, mit deinen, deinen Zügen.
Jetzt reißt es die Augen auf,
Starrt nach mir hin, und Entsetzen
Zuckt mir reißend durchs Gehirn.
Auf spring ich vom Flammenlager,
Und durchs flirrende Gemach
Stürz ich fort, der Spuk mir nach.
Wie von Furien gepeitscht
Lang ich an hier in der Halle.
Da hört ich dich Holde beten,
Will zu dir ins Zimmer treten,
Da verstellt mir – Siehst du? Siehst du?
BERTHA.
Was Geliebter?
JAROMIR.
Siehst du nicht?
Dort im Winkel, wie sichs regt,
Wies gestaltlos sich bewegt!
BERTHA.
Es ist nichts Geliebter, nichts,
Als die wilde Ausgeburt
Der erhitzten Phantasie.
Du bist müde, ruh ein wenig,
Setz dich hier in diesen Stuhl.
Ich will schützend bei dir stehn,
Labekühlung zu dir wehn.
JAROMIR
sitzend, an ihre Brust gelehnt.
Habe Dank, du treue Seele!
[636] Süßes Wesen, habe Dank!
Schling um mich her deine Arme,
Daß der Hölle Nachtgespenster,
Scheu vor dem geweihten Kreise,
Nicht in meine Nähe treten.
Lieg ich so in deinen Armen,
Angeweht von deinem Atem,
Über mir dein holdes Auge;
Dünkt es mich auf Rosenbetten
In des Frühlings Hauch zu schlummern,
Klar den Himmel über mir.
Der Graf kömmt.
GRAF.
Wer ist hier noch in der Halle?
Bertha, du? Und ihr?
BERTHA.
Mein Vater! –
JAROMIR.
Weiß ich doch kaum was ich sagen,
Weiß kaum wie ichs sagen soll.
Töricht werdet ihr mich nennen,
Und fast möcht ichs selber tun,
Fühlt ich nicht im tiefsten Innern
Jede meiner Fibern beben,
Beben, ja; und ihr mögt glauben,
Es gibt Menschen, welche leichter
Zu erschüttern sind als ich.
GRAF.
Wie versteh ich? –
BERTHA.
Ach, so hört nur,
Oben in der Erkerstube
Hatte man ihn hingewiesen.
Schon senkt schlummernd sich sein Auge,
Da erhebt sich plötzlich –
GRAF.
Ah!
Zählt man dich schon zu den Meinen?
Ists in jenen dunkeln Orten
Also auch schon kund geworden
Sohn, daß du mir teuer bist.
Warum kamst du auch hierher!
Glaubtest du, getäuschter Jüngling,
[637] Wir hier feiern Freudenfeste?
Sieh uns nur einmal beisammen
In der weiten, öden Halle,
An dem freudelosen Tische;
Wie sich da die Stunden dehnen,
Das Gespräch in Pausen stockt,
Bei dem leisesten Geräusche
Jedes rasch zusammenfährt,
Und der Vater seiner Tochter
Nur mit Angst und innerm Grauen
Wagt ins Angesicht zu schauen,
Ungewiß, ob es sein Kind,
Obs ein höllisch Nachtgesicht
Das mit ihm zur Stunde spricht.
Sieh, mein Sohn, so leben die,
Die das Unglück hat gezeichnet!
Und du willst den mutgen Sinn,
Willst die rasche Lebenslust
Und den Frieden deiner Brust,
Köstlich hohe Güter, werfen
Rasch in unsers Hauses Brand?
O mein Kind, du wirst nicht löschen,
Wirst mit uns nur untergehn.
Flieh, mein Sohn, weil es noch Zeit ist:
Nur ein Tor baut seine Hütte
Hin auf jenes Platzes Mitte,
Den der Blitz getroffen hat.
JAROMIR.
Möge was da will geschehn,
Ich will euch zur Seite stehn,
Muß es, mit euch untergehn!
GRAF.
Nun wohlan, ist das dein Glaube,
So komm her an meine Brust
So, und dieser Vaterkuß
Schließt dich ein in unsre Leiden,
Schließt dich ein in unsre Freuden.
Ja in unsre Freuden, Sohn,
Ist kein Dorn doch also schneidend,
Daß er nicht auch Rosen trägt.
[638] Der Alte setzt sich, von Jaromir und Bertha unterstützt, in den Stuhl. Die beiden stehen Hand in Hand vor ihm.
So, habt Dank, habt Dank, ihr Lieben! –
Seh ich euch so vor mir stehen,
Mit dem freudetrunknen Auge,
Mit dem lebensmutgen Blick,
Will die Hoffnung neu sich regen,
Und erloschne, dunkle Bilder
Aus entschwundnen, schönern Tagen
Dämmern auf in meiner Brust.
Seid willkommen Duftgestalten,
Froh und schmerzlich mir willkommen!
Er versinkt in Nachdenken.
JAROMIR.
Bertha, sieh doch nur, dein Vater! –
BERTHA
mit ihm etwas zurücktretend.
Laß ihn nur, er pflegt so öfter
Und sieht ungern sich gestört.
Aber, Lieber, sei vergnügt!
Sieh, mein Vater weiß schon alles.
JAROMIR
rasch.
Alles?
BERTHA.
Ja, und scheints zu billgen!
Heute nur – er war so gut,
Ach so gut, so mild und sanft.
Sanfter, gütiger als du,
Der du kalt und trocken stehst,
Während ich nicht Worte finde,
Für mein Fühlen, für mein Glück.
JAROMIR.
Glaube mir –
BERTHA.
Ei, glauben, glauben!
Besser stünd es dem zu schweigen,
Der nicht weiß wie Liebe spricht:
Kann der Blick nicht überzeugen,
Überredt die Lippe nicht.
Sieh, man hat mir wohl erzählet,
Daß es leichte Menschen gebe,
Deren Liebe nicht bloß brennt
Auch verbrennt, und dann erlischt:
[639] Menschen, die die Liebe lieben,
Aber nicht den Gegenstand;
Schmetterlinge, bunte Gaukler,
Die die keusche Rose küssen,
Aber nicht weil sie die Rose,
Weil sie eine Blume ist.
Bist du auch so, Stummer, Böser?
Vom Nährahmen eine Schärpe nehmend.
Ich will dir die Flügel binden,
Binden – binden Trotzger – binden
Daß kein Gott sie lösen soll!
JAROMIR.
Süßes Wesen! –
Sie bindet ihm die Schärpe um.
GRAF
hinüberblickend.
Wie sie glüht!
Wie es sie hinüberzieht!
Aller Widerstand genommen
Und im Strudel fortgeschwommen.
Nun Wohlan, es sei! Der Himmel
Scheint mir selbst den Weg zu zeigen,
Den ich wandeln soll und muß.
Stemmt gleich manches sich entgegen,
Glimmt gleich in der tiefsten Brust
Noch verborgen mancher Funke
Von der einst so mächtgen Glut.
Töricht Treiben! Eitles Trachten!
Der Palast ist eingesunken,
Kaum noch geben seine Trümmer
Eine Hütte für mein Kind.
Wohl es sei! Ach wie so schwer
Lösen sich die Hoffnungen,
In der Jugend Lenz empfangen,
Holde Zeichen, eingegraben
In des Bäumchens frische Rinde,
Aus des Alters morscher Brust.
Als sie mir geboren ward
Und vor mir lag in der Wiege
Freundlich lächelnd, schön und hold,
Wie durchlief ich im Gedanken
[640] Die Geschlechter unsers Landes,
Sorgsam wählend, kindisch suchend
Nach dem künftigen Gemahl.
Fand den Höchsten noch zu niedrig,
Kaum den Besten gut genug:
Damit ists nun wohl vorbei!
Ach, ich fühl es wohl, wir scheiden
Kaum so schwer von wahren Freuden,
Als von einem schönen Traum!
BERTHA
an der Schärpe musternd.
Halt mir still, du Ungeduldger!
GRAF.
Und ziemt mir so ekles Wählen?
Wenn es wahr was er gesprochen,
Was im Nebel der erinnrung
Aus der fernen Jugendzeit
Unbestimmt, in sich verfließend
Meine Stirn vorüberschwebt;
Wenn sie wahr die alte Sage,
Daß der Name, den ich trage,
Der mein Stolz war und mein Schmuck,
Nur durch tief geheime Sünden –
Fort Gedanke! – Ha, und doch, und doch!
BERTHA
ihr Werk betrachtend.
So nun steht es schön und gut.
Aber nun sei mir auch freundlich,
Daß mich nicht die Arbeit reue!
GRAF.
Jaromir!
JAROMIR
aufgeschreckt.
Was! – ihr Herr Graf!
GRAF.
Noch bist du uns Kunde schuldig
Von den Deinen, deiner Abkunft.
Jaromir von Eschen heißt du,
Fern am Rhein wardst du geboren,
Dienste suchst du hier im Heer,
So erzählte mir mein Mädchen,
Aber weiter weiß ich nichts.
JAROMIR.
Ist doch weiter auch nichts übrig.
Mächtig waren meine Ahnen,
Reich und mächtig. Arm bin ich.
[641] Arm, so arm, daß wenn dies Herz,
Ein entschloßner kräftger Sinn
Und ein schwergeprüfter, doch vielleicht
Grade darum festrer Wille
Nicht für etwas gelten können,
Ich nichts habe und nichts bin.
GRAF.
Du sagst viel mit wenig Worten.
Also recht! Du bist mein Mann!
Sieh, mein Sohn, ich bin ein Greis.
Die Natur winkt mir zu Grabe,
Und ein dunkel, dumpf Gefühl
Nennt mir nah des Lebens Ziel.
Nie hab ich dem Tod gezittert,
Und auch jetzt schreckt er mich nicht.
Doch dies Mädchen, sie mein Kind.
Könntest du in meinen Tränen,
Hier in meinem Herzen lesen
Was sie alles mir gewesen,
Du verstündest meinen Schmerz.
Daß ich sie allein muß lassen
In der unbekannten Welt,
Macht dem Tode mich erblassen,
Das ists was so tief mich quält.
Sohn, auf dich ist ihrer Neigung
Schlaferwachtes Aug gefallen;
Du weißt ihren Wert zu schätzen,
Weißt zu schützen was dir wert;
Du gabst einmal schon dein Leben
Und wirsts freudig wieder geben,
Wenn das Schicksal winkt, für sie.
Dir vertrau ich dieses Kleinod,
Sohn, du liebst sie?
JAROMIR.
Wie mein Leben!
GRAF.
Und du ihn?
BERTHA.
Mehr als mich selbst.
GRAF.
Mög denn Gottes Finger walten!
Nimm sie hin, die du erhalten!
Schläge ans Haustor.
[642]GRAF.
Was ist das? – Wer naht so spät
Noch sich dieses Schlosses Toren!
BERTHA.
Gott, wenn etwa –
GRAF.
Sei nicht kindisch.
Glaubst du wohl, verdächtig Volk
Wage sich an feste Schlösser,
Wohlverwahrt und wohlbemannt.
GÜNTHER
kömmt.
Herr, ein königlicher Hauptmann
An der Spitze seines Haufens
Bittet Einlaß an der Pforte.
GRAF.
Wie? Soldaten?
GÜNTHER.
Ja, Herr Graf.
GRAF.
Weiß ich gleich nicht was sie suchen,
Öffne ihnen schnell die Pforten,
Stets willkommen sind sie mir.
Günther geht.
GRAF.
Was führt den hierher zu uns?
Und in dieser Stunde? Gleichviel.
Wird doch seine Gegenwart
Wohl die Stunden uns beflügeln
Dieser peinlich langen Nacht.
BERTHA.
Jaromir, geh doch zu Bette.
O du bist noch gar nicht wohl!
Sieh, ich fühls an diesem Zucken,
An dem Stürmen deiner Pulse,
Daß du krank, bedenklich krank!
JAROMIR.
Krank? ich krank? Was fällt dir ein!
Stürmen gleich die raschen Pulse,
Grad im Sturme ist mir wohl!
Günther öffnet die Türe. Der Hauptmann tritt ein.
HAUPTMANN.
Ihr verzeihet, mein Herr Graf,
Daß ich noch in später Nacht
Eures Hauses Ruhe störe.
GRAF.
Wer des Königs Farben trägt
Dem ist stets mein Haus geöffnet;
Euch, mein Herr, auch ohne sie.
[643]HAUPTMANN.
Hier grüß ich wohl eure Tochter?
GRAF.
Ja, es ist mein einzig Kind.
HAUPTMANN.
Wie soll ich mich hier entschuldgen?
Doch bringt meine Ankunft Schrecken,
Soll sie Schrecken auch zerstreun.
Jene mächtge Räuberbande,
Die die Geißel dieser Gegend –
GRAF.
Ja, fürwahr, 'ne schwere Geißel!
Dieses Mädchen, meine Tochter,
Daß sie lebt noch, daß sie ist,
Dankt sie nur dem kühnen Mute
Ihres wackern Bräutigams
Jaromir von Eschen hier.
Ja, er selbst, noch diese Nacht
Ward im Forst er überfallen,
Seine Diener ihm erschlagen,
Kaum entging er gleichem Los.
HAUPTMANN.
Diese Nacht?
JAROMIR.
Ja, diese Nacht.
HAUPTMANN.
Und wann –
JAROMIR.
Vor drei Stunden etwa!
HAUPTMANN
ihn ins Auge fassend, dann zum Grafen.
Euer Eidam?
GRAF.
Ja, mein Herr.
HAUPTMANN.
Reistet ihr ein Stündchen später
War euch jene Angst erspart.
Zu den übrigen.
Fürder mögt ihr ruhig sein
Und nichts Arges mehr befahren,
Denn die euer Schrecken waren,
Jene Räuber, sind nicht mehr!
Lange schon auf ihren Fersen,
Überfielen wir sie heute.
Nach beherztem, blutgem Streite
Trat der Sieg auf unsre Seite
Und die Mörderschar erlag.
Teils getötet, teils gefangen,
[644] Retteten sich wen'ge nur;
Wir verfolgen ihre Spur.
GRAF.
Nun habt Dank, ihr wackern Krieger,
Habt den wärmsten, besten Dank!
HAUPTMANN.
Jetzt noch nicht, bis es vollendet.
Ist der Stamm gleich schon gefallen,
Haften doch noch manche Wurzeln;
Und ich hab mirs selbst geschworen,
Als man mich zur Tat erkoren,
Auszurotten diese Brut.
Bauern haben ausgesagt,
Daß hier in des Schlosses Nähe,
In des nahen Weihers Schilf,
Den verfallnen Außenwerken
Sich verdächtig Volk gezeigt.
Drum erlaubt, mein edler Graf,
Daß ich hier aus euerm Schlosse,
Meiner Späher Suchen leite,
Stets bereit nach jeder Seite
Wo es Not tut abzugehn.
Bald, so hoff ich, ists vorüber.
Ringsum stehen meine Posten;
Wenn sich auch in Busch und Feld
Einer noch verborgen hält
Sollen sie ihn tüchtig fassen,
Ihm ist nur die Wahl gelassen
Zwischen Ketten, zwischen Tod.
GRAF.
Dieses Schloß ist nicht mehr mein.
Bis ihr euer Werk vollendet,
Ist es euer, ist des Königs.
O wie lieb ich diesen Eifer,
Der das Rechte schnell ergreift
Und fest hält, was er ergriffen.
HAUPTMANN.
Nicht mehr Lob, als ich verdiene.
Führ ich hier des Rechtes Sache
Führ ich meine auch zugleich.
Hat doch dieses Räubervolk
Mir mein Stammschloß überfallen,
[645] Und geraubt, gebrannt, gemordet,
Daß noch jetzt bei der erinnrung
Mir das Herz im Busen bebt.
O mich drängt es, zu bezahlen
Was ich schwer nur schuldig bin.
Ich will schonen, grimmig schonen!
Nicht der Tod in Kampf und Schlacht
Werde dieser Brut zu Teile,
Nein, dem Rad, dem Henkerbeile
Sei ihr schuldig Haupt gebracht.
BERTHA.
Nicht doch! Wollt ihr Menschen richten,
Geht als Mensch ans blutge Werk!
HAUPTMANN.
Hättet ihr gesehn, mein Fräulein,
Was ich sah, mit Schauder sah,
Ihr verschlösset euer Herz,
Wieset das geschäftge Mitleid
Gleich 'nem unverschämten Bettler
Von der streng geschloßnen Tür.
Jene rauchenden Ruinen,
Von der Flamme Glut beschienen,
Greise zagend,
Weiber klagend,
Kinder weinend
An erschlagner Mütter Brüsten
Durch die leergebrannten Wüsten.
Und dazu nun der Gedanke,
Daß die Geldgier, daß die Habsucht
Wen'ger feiger Bösewichter –
JAROMIR
vortretend und ihn hart anfassend.
Wollt ihr dieses holde Wesen,
Ihrer Seele schönen Spiegel,
Der auf seiner klaren Fläche
Rein die Schöpfung stellet dar,
Weil er selber rein und klar,
Mit der Rachsucht giftgem Hauch,
Mit des Hasses Atem trüben!
Laßt sie süßes Mitleid üben,
Und in dem Gefallnen auch
[646] Den gefallnen Bruder lieben.
O, es läßt der Binse wohl
Der gebrochnen Eiche spotten!
HAUPTMANN.
Rasch ins Feuer, wenn sie brach.
JAROMIR.
Eure Zunge richtet scharf;
Doch was vorschnell sie gesündigt
Macht der Arm wohl zögernd gut.
HAUPTMANN.
Ha, wie nehm ich diese Worte?
JAROMIR.
Nehmt sie, Herr, wie ich sie gab.
HAUPTMANN.
Wär es nicht an diesem Orte –
JAROMIR.
Legtet ihr den Trotz wohl ab!
HAUPTMANN.
Warm seh ich euch Räubern dienen!
JAROMIR.
Wer in Not ist, zähl auf mich!
HAUPTMANN.
Nah der Beste unter ihnen –
HAUPTMANN.
Ruft ihn! Vielleicht stellt er sich!
GRAF.
Jaromir, was muß ich hören!
Führt der Eifer dich so weit.
Magst du meinen Gast beleidgen,
Kannst du Menschen wohl verteidgen,
Welche selber sich verdammt.
Doch was gilts, trotz dieser Hitze
Hab ich richtig dich erkannt,
Braucht es wen'ge Worte nur
Und dem Fehlgriff folgt die Reue,
Ja du folgst uns selbst ins Freie
Auf der Bösewichter Spur.
JAROMIR.
Ich?
GRAF.
Ja, du!
JAROMIR.
Ich, nimmermehr!
Wie? Ich sollte einen Armen,
Einen Stiefsohn des Geschicks,
Den die unnatürlich harte Mutter
Stiefgesinnt hinausgetrieben,
Fern von Wesen seiner Art
Zu des Waldes Nachtrevieren
Wo im Kreis von Raubgetieren
Selber er zum Raubtier ward,
Wie, ich sollt ihm, wenn er naht,
[647] Alles bietend was er hat,
Mit der Reue herben Zeichen,
Statt der Hand, um die er bat,
Meinen blutgen Degen reichen?
Wer tut das, und ist ein Mann?
Einen Feind mir, der noch ficht,
Doch zum Häscher taug ich nicht!
GRAF.
Und wenn ich nun selber gehe,
Und, des Königs Lehensmann,
Diese Häscher führe an,
Wirst du folgen?
JAROMIR.
Ihr?
GRAF.
Ja, ich.
Ich mag Menschenleben schonen,
Weiß zu schätzen Menschenwert:
Doch laß uns nicht grausam sein
Gegen unsre bessern Brüder
Um den Schlimmen mild zu sein.
Ob das Herz auch ängstlich bebe,
Laß uns tun die strenge Pflicht,
Und damit der Gute lebe
Mit dem Mörder zum Gericht!
JAROMIR.
Recht gesprochen! Recht gesprochen!
Daß die Kindlein ruhig schlafen,
Mit den Hunden vor die Tür!
Mir ein Schwert! Ich will hinaus,
Will hinaus auf Menschenleben!
Ei, sie werden tüchtig fechten!
Ist das Leben doch so schön,
Aller Güter erstes, höchstes,
Und wer alles setzt daran,
Wahrlich, der hat recht getan!
Waffen, Waffen! Gebt mir Waffen!
Fort, hinaus! auf Menschenleben!
Laßt die Treiber fertig sein,
Und dann wacker losgejagt,
Bis der späte Morgen tagt!
Waffen! Waffen! Heda Waffen!
[648]BERTHA.
Sagt ich euch es nicht, mein Vater?
Er ist krank, gefährlich krank.
JAROMIR.
Ists doch nur gerechte Strafe!
Seht doch! Konnten sie es wagen
Die Verruchten, rückzuschlagen,
Da auf sie das Schicksal schlug!
Menschen, Menschen! – Toller Wahn!
Außer uns wer geht uns an?
Fort hinaus aus unserm Kahn,
Der nur uns und Unsre faßt,
Fort hinaus unnütze Last!
Wenn empor ein Schwimmer taucht,
Schnell das Ruder wohl gebraucht.
Weg vom Rande deine Hände,
Daß sich unser Kahn nicht wende,
In dem Wellenstrudel ende!
GRAF.
Jaromir, was ficht dich an?
JAROMIR.
Ach verzeiht! Kaum weiß ichs selber!
Es ward mir die Jagdlust rege
Bei der fröhlichen erzählung
Wie die Netze sein gestellt
Und nun bald das Wild gefällt.
GRAF
zum Hauptmann.
Ihr verzeihet wohl, mein Herr,
Seht, der Unfall dieser Nacht,
Und dann noch so manches andre,
Hat sein Wesen so zerrüttet,
Daß er kaum er selber noch.
HAUPTMANN.
So bewegt, in dieser Stimmung
Ist nicht von Beleidigung,
Von Verzeihen nicht die Rede.
Pflegt der Ruhe, Herr von Eschen.
Unser widriges Geschäft,
Hat's gleich seine gute Seite,
Taugt für kein bewegt Gemüt.
BERTHA.
Wohl, mein Lieber, folge mir.
JAROMIR.
Nicht doch! Laß mich! Laß mich! Sieh,
Mir ist wohl, wahrhaftig wohl.
[649]HAUPTMANN.
Uns geziemt es, vorzuschlagen,
Anzunehmen steht bei euch,
Und so nehm ich denn jetzt Urlaub
Zu vollenden mein Geschäft.
GRAF.
Doch, Herr, kennt ihr auch die Räuber?
Daß ihr arglos stille Wandrer
Nicht belästigt ohne Not.
HAUPTMANN.
Kennen? Ich nicht. Denn im Dunkeln
Überfielen wir sie heute,
Und in Kampfes blutgem Ringen
Sieht man auf der Feinde Klingen
Mehr als auf ihr Angesicht:
Doch im Vorgemache draußen
Harret einer meiner Leute,
Der, von seinem Trupp getrennt,
Einst in ihre Hand geraten,
Der oft Zeuge ihrer Taten,
Und die Räuber alle kennt.
Heda! Holla!
Soldat kommt.
HAUPTMANN.
Walter komme!
Soldat ab.
GRAF.
Zwinge dich doch länger nicht,
Jaromir, und geh zu Bette.
Leichenblaß ist dein Gesicht
Und aus deinem düstern Auge
Blickt des Fiebers dumpfe Glut.
Geh zu Bette, lieber Sohn!
Auf die Seitentüre rechts zeigend.
Hier in diesem stillen Zimmer
Soll nichts deine Ruhe stören.
BERTHA.
Jaromir, laß dich erbitten.
JAROMIR.
Wohl, ihr wünscht es, und es sei!
Fast fühl ich mich selber unpaß.
Das Schnupftuch an die Stirne pressend. Walter kömmt.
HAUPTMANN.
Komm! Wir machen jetzt die Runde,
Und du folgst mir!
[650]WALTER.
Wohl Herr Hauptmann.
HAUPTMANN.
Ist dir dein Gedächtnis treu;
Wirst du jeden dieser Räuber
Wieder kennen, der sich zeigt?
WALTER.
Sicher werd ich, sorget nicht!
BERTHA
Jaromir führend.
Wie du wankst! Sieh, hier hinein!
Jaromir geht durch die Seitentüre rechts ab.
GRAF.
So, und jetzt geht denn mit Gott!
HAUPTMANN.
Eins ist vorher noch zu tun,
Meines Auftrags leichtste Hälfte,
Die mir hier zur schwersten wird.
Aber seis, ich muß. – Gar manches
Scheint dem Menschen überflüssig
Und ists dem Soldaten nicht.
Mein Herr Graf, ihr mögt erlauben,
Daß ich eures Schlosses Innres
Noch vor allem erst durchforsche.
GRAF.
Dieses? Meines Schlosses, Herr?
HAUPTMANN.
Streng gemessen ist mein Auftrag,
Jede Wohnung zu durchsuchen,
Wem sie sei, wem sie gehöre,
Nach der flüchtgen Räuber Spur.
Mag ich ungestüm erscheinen,
Ich erfülle meine Pflicht.
Und zudem, ihr mögt verzeihen,
Wer bürgt euch für eure Leute?
GRAF.
Und wer euch, denkt ihr, für mich!
HAUPTMANN.
Hätt ich wirklich euch beleidigt,
So bedenkt –
GRAF.
O laßt das! laßt das!
Wird es mir denn nimmer klar
Welcher weite Abgrund scheidet
Das was ist von dem was war.
Muß es mich denn immer mahnen!
Ich gedachte meiner Ahnen,
Deren Wort hier, weit und breit
Mehr galt, als der höchste Eid,
[651] Unter denen der Verdacht
Und des Argwohns finstre Macht,
Schamrot sich geweigert hätten
Diese Hallen zu betreten.
Doch ich bin der Letzte und ein Greis!
Nun so glaubt denn euren Augen!
Die Türen nach der Reihe öffnend.
Kommt und seht! – Hier dies mein Zimmer
Meiner Tochter Schlafgemach
An der Türe von Jaromirs Gemach.
Hier –
BERTHA.
O gönnt ihm Ruhe, Vater!
GRAF.
Nun, ihr saht ja erst vor kurzem
Meinen Eidam es betreten.
HAUPTMANN.
Ihr verlangt mich zu beschämen.
GRAF.
Nur zu überzeugen, Herr!
Und nun kommt!
HAUPTMANN.
Wohin?
GRAF.
Ins Freie
Mit euch auf der Räuber Spur.
HAUPTMANN.
Wie, ihr wolltet?
GRAF.
Was ich muß.
Bin ich nicht Vasall des Königs?
Und ich kenne meine Pflicht
Minder nicht als ihr die eure.
Drum ohn eine zweite Mahnung
Laßt uns gehen –
BERTHA.
O mein Vater!
So bedenkt doch!
GRAF.
Still, mein Kind!
Hier hör ich nur eine Stimme
Und die hat bereits gesprochen. –
Kommt mein Herr, und sagt dem König,
Daß ich Graf von Borotin
Kein Genoß von Räubern bin,
Sagt, daß in des Löwen Höhle,
Statt des kräftigen, gesunden
Einen welken ihr gefunden,
[652] Der gebeugt und hilflos zwar
Aufgerichtet.
Aber doch noch Löwe war.
Ab mit dem Hauptmann.
BERTHA.
Ach, er geht, er hört nicht, geht!
Läßt mich hier allein zurück,
Der Verzweiflung preisgegeben
Und der Sorge Natterzahn.
Soll ich für den Vater beben,
Fürchten was dem Trauten droht?
Hab doch nur dies eine Leben
Warum zweifach mir den Tod!
An der Türe von Jaromirs Gemach.
Jaromir! Mein Jaromir!
Keine Antwort, alles stille,
Alles schweigend wie das Grab.
Wie bezähm ich diese Angst,
Wie bezähm ich dieses Bangen,
Das mir schwül wie Wetterwolken
Auf der schweren Brust sich lagert.
O, ich seh es in der Ferne,
Es verhüllen sich die Sterne,
Es erlischt des Tages Licht,
Der erzürnte Donner spricht,
Und mit schwarzen Eulenschwingen
Fühl ich es gehaltnen Flugs
Sich um meine Schläfe schlingen.
O, ich kenn dich finstre Macht,
Ahne was du mir gebracht,
Muß ichs vor die Seele führen!
O, es heißt, es heißt verlieren,
Und des Unheils ganzes Reich
Kennt kein Schrecken deinem gleich
Weh! Besitzen und verlieren!
Besitzen und verlieren! –
[653] Wohin seid ihr goldne Tage?
Wohin bist du, Feenland?
Wo ich ohne Wunsch und Klage,
Mit mir selber unbekannt,
Lebte an der Unschuld Hand.
Wo ein Hänfling meine Liebe,
Eine Blume meine Lust,
Und der schmerzlichste der Triebe
Noch ein Fremdling dieser Brust.
War der Himmel auch umzogen,
Heiter strahlte doch mein Sinn
Und auf spiegelhellen Wogen
Taumelte das Leben hin.
Spielend in dem Strahl der Sonne,
Lockte mich des Bechers Rand,
Und ich trank der Liebe Wonne
Und ihr Gift aus seiner Hand.
Seit sein Arm mich hat umwunden,
Seit ich fühlte seinen Kuß,
Ist das Feenland verschwunden
Und auf Dornen tritt mein Fuß;
Dornen, die zwar Rosen schmücken,
Aber Dornen, Dornen doch,
In dem glühendsten Entzücken
Fühl ich ihren Stachel noch.
Sehnend wünsch ich seine Nähe,
Und er kommt. Wie jauchzt die Braut!
Doch wie ich ins Aug ihm sehe,
Werden innre Stimmen laut,
Tief im Busen scheints zu sprechen
Wenn mein Blick in seinem ruht,
[654] Deine Liebe ist Verbrechen,
Gottverhaßt ist diese Glut.
Jenes dumpfe, trübe Brüten,
Seines Auges starrer Blick,
Scheint Entfernung zu gebieten
Und ich bebe bang zurück.
Doch will ich mich ihm entziehen,
Trifft sein Blick mich weich und warm,
Mit dem Willen zu entfliehen,
Flieh ich nur in seinen Arm,
Und wie der Charybde Tosen,
Erst von sich stößt Schiff und Mann,
Dann verschlingt die Rettungslosen,
Stößt er ab und zieht er an.
Wer mag mir das Rätsel lösen?
Ist es gut; warum so bang?
Ach und führet es zum Bösen;
Woher dieser Himmelsdrang?
Mit ausgebreiteten Armen.
Kann mein Flehen dich erreichen,
Unerklärbar hohe Macht,
Die ob diesem Hause wacht,
So gib gnädig mir ein Zeichen,
Einen Leitstern in der Nacht!
Ist es Tod –
Es fällt ein Schuß.
Ha! – Was war das? – Ein Schuß!
Deut ich es das grause Zeichen?
Ward mein frevler Wunsch erhört? –
Weh mir! – Weh! – Ich bin allein! –
Ha, allein? – Was streifte da
Kalt und wehend mir vorüber! –
Bist dus geistge Sünderin? –
Ha, ich fühle deine Nähe,
[655] Ha, ich höre deinen Tritt!
An der Türe von Jaromirs Gemach.
Jaromir, wach auf, wach auf!
Schütze deine Bertha! – Jaromir!
Nur ein Wort, nur einen Laut,
Daß du wachst, daß du mich hörst,
Daß ich nicht allein! – Bei dir! –
Schweigst du? – Ha, ich muß dich sehen,
Dich umfangen, dich umschlingen,
Sehen, fühlen, daß du lebst.
Öffnet die Türe und stürzt hinein. Es fällt noch ein Schuß. Heraustaumelnd.
Haltet ein! O haltet ein!
Alles leer! – das Fenster offen!
Er ist fort! – ist tot! tot! – tot!
Ende des zweiten Aufzuges.